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Ach3ron
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Review Ibanez RG1077XL
Vorwort:
Da diese Gitarre immer wieder als Empfehlung für 7-String-Suchende durch das Board geistert und ich seit mittlerweile fast 9 Monaten eine besitze, habe ich mich entschlossen ein mehr oder weniger kurzes Review zu verfassen. Da sie sich jetzt ja schon etwas länger in meinem Besitz befindet und sich dieser Neukauf-Enthusiasmus mittlerweile gelegt hat, hoffe ich, dass es mir möglichst objektiv gelingt, euch einen guten Eindruck dieser Gitarre zu vermitteln. Ich denke, es sollte trotzdem klar sein, dass die meisten Eindrücke höchst subjektiv bleiben
Vorgeschichte:
Dies ist der Teil, den ich beim Lesen von Reviews eigentlich immer überspringe. Deswegen werde ich mich hier kurzfassen:
Das erste mal geriet ich mit dieser Gitarre Ende 2002 in Kontakt. Damals noch ziemlicher Anfänger an der (E-)Gitarre war ich eigentlich beim Music Store auf der Suche nach einem ordentlich Trainingsgerät als Weihnachtsgeschenk (am Ende ist es eine Ibanez RG550 geworden). Und da hing sie an der Wand. Ich war sofort fasziniert von der Optik, allerdings auch abgeschreckt vom Preis (ca. 1400). Trotzdem lies ich es mir nicht nehmen, einfach ein bisschen draufrum zu spielen, da mich 7-Saiter aufgrund meines damaligen Musikgeschmacks (Nu-Metal) sehr interessierten. Ich merkte jedoch relativ schnell, dass ich dieser Gitarre und der zusätzlichen Saite noch nicht gewachsen war.
Nichts-desto-trotz hielt ich immer mal wieder Ausschau nach einer gebrauchten RG1077XL und so ergab es sich im Juni letzten Jahres, dass eine hier im Flohmarkt auftauchte zu einem für mich realistischem Preis. Also fackelte ich nicht lange, sondern nahm Kontakt mit dem Verkäufer auf. Einige Emails, Fotos und nervöse Tage später klingelte dann auch der Postbote und sie war endlich bei mir. (An dieser Stelle nochmal ein Lob an den Verkäufer )
Specs:
Body: Basswood (Linde)
Hals: Wizard 7 aus Ahorn und Walnuss, bolt-on
Mensur: 27 (686 mm)
Griffbrett: Rosewood
Bridge: Lo-Pro Edge 7
Pickups: Dimarzio Custom H-S-H
Lackierung: Royal Blue
Binding: cremefarben (Body) und weiß (Hals), einlagig um Body und Hals
Made in Japan
Neupreis 2002: ca. 1400
Optik:
Was soll ich sagen ... WOW! Die Optik hat mich seit dem ersten Moment in den Bann gezogen. Die Royal Blue-Lackierung ist dunkelblau mit einem gewissen Glitzereffekt. Sie reflektiert das Licht sehr stark und man kann sich drin spiegeln. Zusammen mit dem cremefarbenen Binding um den Body wirkt das sehr edel, aber noch schlicht und düster genug, um auch in Metalbands nicht total aus dem Rahmen zu fallen.
Der Hals ist komplett mit einem weißem Binding eingefasst, was für meine Augen auch sehr elegant wirkt. Da ich nicht wirklich ein großer Fan von Inlays bin, sagen mir die relativ kleinen Dot-Inlays aus Perlmutt (?) am oberen Rand des Griffbrettes auch sehr zu. Das Rosewood-Griffbrett ist recht dunkel, kommt hier aber noch nicht das Schwarz eines Ebenholz-Giffbrettes ran. Es ist eher dunkelbraun.
Da die Gitarre jetzt schon gute 5 Jahre auf dem Buckel hat, hat sie die üblichen kleinen Kratzer und Absplitterungen an den Rändern. Das lässt sich bei regelmäßigem Einsatz aber nicht wirklich vermeiden und gibt einer Gitarre, wie ich finde, erst richtig Charakter.
Alles in allem gibt es hier nichts zu meckern. In meiner kleinen Sammlung (3 Gitarren) ganz klar die schönste Gitarre.
Verarbeitung und Hardware:
Die Hardware entspricht dem damaligen Ibanez-Prestige-Standard. Das Lo-Pro Edge 7 galt lange Zeit als das beste Floyd-Rose-Tremolo für 7-Saiter. Ich kann nun nachvollziehen wieso.
Man kann es bearbeiten, wie man will, die Stimmung hält einfach perfekt. Da kommt auch das normale Edge-Tremolo in meiner anderen RG nicht mit. Auch beim nachstimmen stellt es sich für ein freischwebendes Tremolo sehr unkompliziert an. Zweimal an jedem Finetuner gedreht und schon stimmt alles wieder.
Die Mechaniken verrichten ihren Dienst zwar selten aber dann ohne jeden Tadel. Sie lassen sich leicht und gleichmäßig drehen.
Die Potis funktionieren immernoch und der Superswitch schaltet ohne irgendwelche Nebenräusche.
Auch an der Verarbeitung ist nichts auszusetzen. Das Lack ist gleichmäßig ohne Nasen oder ähnliches aufgetragen und perfekt zum Binding abgegrenzt. Er ist nicht ins Bindung verschmiert und es gibt keine rauhen Stellen.
Der Hals sitzt fest und gerade in seiner Tasche und ist über den das Truss-Rod gut nachzujustieren, allerdings war das bisher nur einmal notwendig (der Vorbesitzer hatte 0.13er Saiten drauf). Die Inlays sind sauber eingesetzt und die Bundstäbchen sauber abgerichtet, stehen nicht über und sind für ihre 5 Jahre noch in einem gutem Zustand.
Auch hier kann ich keinen Makel entdecken. Nur dass sie vielleicht nicht die leichteste ist. Dafür hängt sie ausgeglichen am Gurt, von Kopflastigkeit keine Spur.
Bespielbarkeit:
Jetzt bewegen wir uns in Regionen, wo ein objektives Urteil nahezu unmöglich wird.
Im ersten Moment fühlt sich die Gitarre sehr ungewohnt an. Die längere Mensur und der dünne, aber sehr breite Hals sind klar nicht jedermanns Sache. Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase hatte ich allerdings keine Probleme mehr. Ich kann auf ihr spielen, wie auf jeder anderen Gitarre auch. Auch Wechseln zwischen meinen Gitarren stellt kein Problem mehr da.
Die Saitenlage konnte ich sehr niedrig einstellen für eine 7-String, an der tiefen B-Saite ca. 1,8 mm im 12 Bund, die hohe e-Saite ca. mal 1,2 mm. Hier bin ich sogar am Anschlag der Gewindehülse des Floyd Rose's angekommen. Trotzdem muss man schon recht kräftig in die Saiten langen, bevor es zu einem Scharren kommt.
Das Rosewood-Griffbrett ist logischerweise nicht so glatt wie eines aus Ebenholz, für Rosewood-Verhältnisse aber sehr feinporig. Ich komme damit sehr gut zurecht.
Die Erreichbarkeit der letzten Bünde ist RG-typisch sehr gut. Der All Access Neck Joint erfüllt hier seinen Zweck. Man muss aber dazusagen, dass ich bei Halsprofilen und Übergangen allgemein recht unempfindlich bin.
Kurz um, die Gitarre liegt mir einfach und ich habe schon wieder nicht zu meckern, langsam wird's eintönig
Sound:
Ok, hier sind wir jetzt endgültig an einem Punkt angelangt, wo von Objektivität zu sprechen, schon an Ironie grenzt.
Aufgrund des 5-Way-Switches und der H-S-H-Bestückung ist die Gitarre äußerst vielseitig, aber erstmal wird trocken anspielt, dann am Amp in den einzelnen Positionen des Switches:
Trocken: Als erstes fällt auf, dass die Gitarre sehr laut ist. Man möchte fast meinen man spielt eine halb-akutische Gitarre ala Gibson ES335. Soundmäßig würde ich sie irgendwo zwischen einer Les Paul und Strat einordnen. Sie hat eindeutig den Paula-Wumms im Bass (Stichwort Halsmasse), aufgrund der längeren Mensur wesentlich mehr Attack und einen sehr definierten Ton bis zur tiefsten Saite. Entsprechend dynamisch lässt sich auch mit ihr spielen. Die tiefe B-Saite wird gut wiedergeben. Sie sticht weder hervor noch ist sie zu leise. Die Gitarre hat ordentlich Sustain, aber nicht diesen endlosen Ton einer richtig guten Les Paul. Wenn man sich die Konstruktion anschaut, erklärt sich das aber schnell (bolt-on Hals, Floyd Rose etc.)
Neck-Pickup seriell: Hier erwartet einen ein richtig fetter, warmer Ton. So muss ein Neck-PU für mich klingen. Die tiefen Frequenzen sind sehr präsent aber deutlich differenziert. Die 7. Saite kommt gut zum Vorschein, weder zu laut noch zu leise.
Man hat selbst mit einer guten Ladung Gain kein undifferenziertes Gewummer. Er singt einfach wünderschön und ich möchte fast sagen, ein Slashsound lässt sich hier leicht realisieren.
Neck als Singlecoil + Middle-Pickup parallel: Ein typischer Strat-Zwischenposition-Sound. Deutlich perliger als nur der Hals-Tonabnehmer und für cleanes Akkordgeschrammel und Picking sehr gut geeignet. Hier kommen die Höhen stärker durch und es ist deutlich weniger bassig. Mit entsprechenden Ampeinstellungen klingt es fast schon nach Akustikgitarre. Allerdings kommt mir hier die B-Saite ein ganz klein bisschen zu wenig präsent, sie wirkt ein kleines bisschen zu leise verglichen mit den anderen Saiten.
Für einen Petrucci-like Cleansound mit etwas Chorus und Delay aber mein klarer Favorit.
Middle-Pickup: Hier wird noch etwas spritziger als in der Position davor. Man hört die B-Saite wieder etwas deutlicher. Die Position krankt aber eine wenig an der Tatsache, dass sie nichts halbes und nichts ganzes ist. Das Problem hab ich aber mit jedem Singlecoil in der Mittelposition. Für mich ist er einfach nur dafür da, um die traumhaften Zwischenpositionen zu ermöglichen Vielleicht werde ich es mal so umlöten, dass ich hier jeweils eine Spule vom Bridge- und Neck-Pickup geschaltet habe.
Middle + Bridge-Pickup als Singlecoil parallel: Sehr funky, würde ich sagen aber nicht leider nicht ganz meine Anwendung. Kommt einer Strat in dieser Position aber schon sehr nahe. Mit der Middle-Position am wenigsten von mir genutzt.
Bridge-Pickup seriell: Holla die Waldfee. Hier erwartet einen nun endlich das lang ersehnte Brett. Outputmäßig im oberen Drittel aber nicht superhoch, lässt sich hier aber auch noch ein brauchbarer Cleansound rauskitzeln. Mir kommt es vor vor als wäre er in den Mitten etwas zurückgenommen ähnlich wie bei dem Häussel Tozz in meiner anderen RG. Allerdings hat Dimarzio hier ein Maß gefunden, dass den Sound nicht beschneidet (wie beim Blaze II), sondern etwas aufklart. Er tut also genau das, was er soll: kreischen, brüllen, drücken und alles gut differenziert. Für meinen derzeitigen Musikgeschmack irgendwo von Progressive Metal über Metalcore zu Death Metal ist er jedenfalls gut geeignet.
Fazit:
Was lässt sich also abschließend sagen? Technisch gesehen ist die Gitarre ohne Zweifel jeden Cent wert des damaligen Preises wert. Die Verarbeitung und verwendete Hardware sind top und halten auch dem Zahn der Zeit bisher gut stand.
Die Bespielbarkeit finde ich persönlich genial, ist im Allgemeinen sehr polarisierend. Den Wizard-Hals mag nicht jeder, erst recht nicht die längere Mensur und die 7. Saite schon garnicht. Soundmäßig sticht vor allem die Vielseitigkeit heraus, sie kann irgendwie alles ganz gut, fühlt sich in dem härteren Musikstilen aber wohl am wohlsten.
Meine Empfehlung hat sie, trotzdem sollte man sie nicht einfach blind kaufen, da sie doch etwas anders ist. Für mich ist sie aber mit Sicherheit eine der besten siebensaitigen Gitarre, die ich spielen durfte und ich würde sie nicht mehr missen wollen.
Nachwort:
Ich hoffe, ich konnte meinem Vorsatz möglichst objektiv zu bleiben einigermaßen gerecht werden. Rückmeldungen würden mich sehr freuen und konstruktive Kritik ist immer willkommen. Es ist mein ersten Review und ich möchte natürlich wissen, wie man es besser machen kann.
In diesem Sinne hoffe ich, dass ihr viel Spaß beim Lesen hattet und vielleicht dem ein oder anderem weitergeholfen wurde. Zum Abschluss gibt's noch ein paar Bilder. Leider etwas unscharf, da ohne Blitz geschossen
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