[Gitarre] Ibanez ARZ800

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Ibanez Artist ARZ800 Translucent Red

Moin zusammen! Vielleicht haben einige von euch meinen Thread verfolgt, in dem ich verzweifelt eine 24-bündige Les Paul in klassischer Optik gesucht habe. Nachdem sich dieses Vorhaben recht schnell als nahezu unmöglich herausgestellt hatte, musste ich meine Kriterien auf modernere Designs ausweiten. Unter anderem wurde mir die ARZ-Serie von Ibanez vorgestellt, jedoch war ich zunächst von den verbauten EMGs abgeschreckt. Als ich die Gitarre schließlich zufällig im Musikladen meiner Wahl rumstehen sah, war diese Angst jedoch wie verflogen. Aber alles zu seiner Zeit, erst mal die Specs der Klampfe:

Mahagoni Korpus
Ahorn Decke
eingeleimter 3-tlg. Mahagoni/Ahorn Hals
24 Medium Bünde
25" Palisander Griffbrett
"Tight-Tune" Bridge und Saitenhalter
Cosmo Black Hardware
EMG 60 am Hals und EMG 81 am Steg
Farbe: Transparent Deep Red
Kaufpreis: 699,-

Optik & Ausstattung:

Die 24 Bünde hat das Teil also schon mal, so weit so gut. Ob das nun Jumbo oder Medium oder was weiß ich sind, war mir eigentlich ziemlich egal. In meinem Fall sinds also Medium-Bünde, ich komme gut damit zurecht. Die LP-Optik sieht auch gut aus, sehr schnörkellos und etwas kantiger durch das spitze Horn, aber nicht zu böse, eher modern neutral. Das dunkelrote durchlässige Finish wird durch ein geschmackvolles, von dünnen weißen Streifen eingerahmtes schwarzes Binding an der Außenkante abgerundet. Auf einigen Bildern sah mir die Gitarre immer viel zu sehr nach Plastikspielzeug aus, in natura kommt die Farbe deutlich dezenter, dunkler und edler rüber. Die gesamte Hardware kommt in einem dunklen Schwarzgrau/Anthrazit-Glanz daher. Die Bridge ist eine Ibanez-eigene Abart der Tune-o-matic-Bridge. Sehr angetan bin ich auch vom unverzierten Griffbrett, denn Zackenbarsch-Inlays à la Epiphone Prophecy waren mir zu viel des Guten. Selbstverständlich sind trotzdem an der Halsoberkante zur besseren Orientierung Dots eingesetzt.
Der Headstock hat das typische Artist-Shaping, in meinen Augen ein Mix aus Open-Book-Design und kantiger Stufenform. Eindeutig Geschmackssache, mir gefällt es sehr gut. Es unterstreicht das moderne Aussehen des Instruments. Nettes Feature am Kopf: der Halsstab ist mit einer Trussrodabdeckung versehen, die man einfach zur Seite aufschieben kann. Also nicht erst mit Schraubendreher dran rumpopeln, sondern einfach abziehen und gut ist. Schön! Pickups sind ein EMG 81 am Steg und ein EMG 60 am Hals, anwählbar mittels 3-Way-Toggleswitch. Übrigens steht im Netz bei einigen Musikalienhändlern ausgemachter Blödsinn, was die Drehregler angeht: es handelt sich ausdrücklich NICHT um Push-Pull-Potis! 1x Volume und 1x Tone, das wars.

ARZ800TDR.gif


Handling:

Die Gitarre liegt angenehm in der Hand und hängt ausgewogen am Gurt. Bitte? Ja, ich kann keine übertriebene Kopflastigkeit feststellen, entgegen der landläufigen Meinung im Netz. Dass man dieses Instrument wegen seiner Kopflastigkeit sogar mal zurückgeschickt haben soll, kann ich nicht begreifen, aber vielleicht bin ich ja der einzige, der gern breite Gurte spielt ;). Naja, so viel dazu. Der lackierte Hals ist längst nicht so dünn wie die Wizard-Streichhölzer, aber fragt mich nicht, wie man das Halsprofil nennt, die Maße sind der Ibanez-Homepage zu entnehmen. Für meine verhältnismäßig kleinen Hände stellt der Hals aber einen guten Kompromiss aus "nicht zu dick" fürs Herumflitzen und "genug Fleisch" zum Festkrallen dar. Hervorzuheben ist der Hals-Korpus-Übergang, der wunderbar fließend gestaltet ist und das Spiel in den hohen Lagen unterstützt. An dieser Stelle ist das Finish übrigens so clever gefärbt, dass man die Set-Neck-Konstruktion erst erkennt, wenn man das Instrument gegens Licht hält.

Ein kleines Manko habe ich dennoch festgestellt, denn im Sitzen finde ich die Gitarre auf Dauer etwas unbequem zu spielen. Das mag einerseits daran liegen, dass der Hals so lang ist, dass man mit dem rechten Arm automatisch etwas weiter außen spielt. Andererseits daran, dass der Korpus auf der Unterseite an der Bein-Einsparung etwas schmaler ist als ich das sonst gewohnt bin, und sich meine Spielhaltung dadurch allgemein etwas staucht. Das kann aber ein allgemeines Phänomen bei Gitarren mit längerer Mensur bzw was die Korpusbreite angeht auch LP-eigen sein, ist aber etwas, was man doch berücksichtigen darf. Was mir positiv aufgefallen ist, ist die Bundreinheit der Gitarre. Einmal gestimmt, klingt jeder Ton und Akkord sagenhaft präzise. Das soll zwar eine Selbstverständlichkeit sein, fällt mir an dieser Gitarre aber das erste Mal so in seiner Deutlichkeit auf. Minimale Abstriche muss ich hingegen bei der Stimmstabilität machen, ich kann aber nicht ganz lokalisieren, ob es an den Mechaniken oder an dem (eindeutig) zu tief gekerbten Sattel liegt. Nichtsdestotrotz sind die Auswirkungen nicht so stark, als dass sie ernsthaft stören würden. Die allgemeine Verarbeitungsqualität ist vom Sattel mal abgesehen auf durchweg hohem Niveau, keine Spur von Unsauberkeiten oder Verarbeitungsmängeln.

Sound:

Man kennt das ja, EMG sind "Ih-bäh" , können nur einen Sound und der klingt dann nach Kühlschrank. Genau so habe ich bis dato auch gedacht, hatte ich was EMGs angeht zuvor auch nur Low-End-Waschbretter in der Hand, deren Verkaufspreis zur Hälfte das Körk Hämmet Pickupset ausmachte. Die ARZ800 war also in dieser Hinsicht eine kleine Offenbarung, ein typisches Beispiel dafür, wie unterschiedlich Pickups in unterschiedlichen Gitarren klingen. Insgesamt tönt die ARZ sicherlich etwas komprimierter als klassische LPs, jedoch spielt sich das in einem so marginalen Rahmen ab, dass ich in keiner Sekunde das Gefühl habe, das Instrument würde Nuancen meines Spiels verschlucken. Vielmehr sorgen die Pickups für ein unheimlich hochauflösendes Klangbild bei offenen Akkorden.

Besonders beim EMG 81 an der Bridge fällt das auf. Ich kann mir noch so sehr die Finger verbiegen und mir die bescheuertsten Griffbilder ausdenken, ich höre immer alle Saiten raus. Das habe ich vorher noch nicht erlebt und bereitet wirklich viel Spaß! Besonders, wenns mal etwas proggig wird und offene Akkorde verzerrt gut rüberkommen sollen, ist die ARZ jetzt meine erste Wahl. Von Singlenote-Riffing und dergleichen brauche ich gar nicht erst anfangen, dass der PU das kann sollte bekannt sein.
Der EMG 60 am Hals stellt sozusagen den Gegenpol zu seinem "kantigen" Bruder am Steg da. Mit etwas weniger Output und einem insgesamt weicheren Klangbild eignet er sich optimal für melancholische, ja auch jazzige Sololines, und - oho - reagiert äußerst feinfühlig auf Variationen im Anschlag. Sicher, im Vergleich zu anderen Pickups gibt es Unterschiede. Dennoch spreche ich von einem für meine Begriffe "lebendigen" und dynamischen Tonabnehmer. Momentan spiele ich damit am liebsten die ruhigen Soli von Opeths Damnation-Scheibe nach, und ich war selbst überrascht, wie nah ich dem Originalsound komme.

Fazit:

Wunder gibt es immer wieder. Ich hätte hinter einer Gitarre mit einem derartig niedrigen Preis niemals eine solche Qualität erwartet. Zudem bin ich nun EMG-entjungfert, womit ich selber nie gerechnet hätte. Wenn man ein Charakterinstrument mit ganz eigenem Klang haben will, dann muss man ehrlicherweise gestehen, dass die ARZ das nicht liefern kann. Aber ich denke auch nicht, dass sie das soll. Vielmehr haben wir es hier mit einem Präzisionsmeister zu tun, der einen wohlkultivierten Ton ausspuckt und eben durchweg nach moderner polierter Gitarre klingt. Das muss man wollen, Leute wie Jack White würden dieses Modell wohl zum kotzen finden. Ich habe auf Umwegen doch noch das gefunden, wonach ich gesucht habe, und bin mit dem Ergebnis mehr als zufrieden. An dieser Stelle sei nochmal allen aus meinem alten Thread gedankt, die mich bei der Suche unterstützt haben. Wenn ihr die Klampfe mal irgendwo hängen seht, testet sie mal an, ich bin mir sicher, ich bin nicht der einzige, dem sie gefällt :)
 
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Mit diesem Review hast du Lust auf mehr gemacht. Zumal ich gerade einen Nachfolger für meine ART 120 suche.
 
Ich habe mal spontan ein bisschen Gefiedel von mir aufgenommen, allerdings ist die Qualität nicht sonderlich doll. Vielleicht vermittelt es aber ein bisschen, warum ich die Cleansounds der ARZ800 so schätze. Film ab:

 
Mehr Soudclips! Ich hab mal mein H2 angeschmissen, und ein paar Klangbeispiele aufgenommen.

http://soundcloud.com/zottelviech/clean-bridge/
http://soundcloud.com/zottelviech/clean-middle/
http://soundcloud.com/zottelviech/clean-neck/
http://soundcloud.com/zottelviech/clean-neck-riff/
http://soundcloud.com/zottelviech/crunch-bridge-kansas/
http://soundcloud.com/zottelviech/crunch-bridge-metal/
http://soundcloud.com/zottelviech/crunch-bridge-openchords/
http://soundcloud.com/zottelviech/lead-bridge-solo/
http://soundcloud.com/zottelviech/lead-neck-solo/

Vielleicht kann ein Mod ja diesen und den ersten Post zusammenlegen? :)
 
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