Das ist ja auch eines der schönen Dinge, dass man zum einen eine Orientierung hat, zum anderen aber die Freiheit das Spiel zu variieren. Wie falcone schon schrieb findest du manchmal Tabs oder auch Videos auf YT, die dir seltsam erscheinen. Beim Nachspielen merkst du dann, dass sich das irgendwie nicht so anhört wie es sollte. Ist mir sehr früh z.B. bei Marty Schwarts Youtube-Video zu "Message in a bottle" von The Poilice aufgefallen. Irgendwie stimmte der Klang nicht. Als ich dann das Video von Andy Summers selbst fand, wie er das Original spielt, war klar was nicht stimmte.
Korrekterweise muss ich da aber an meinem Ausdruck feilen, denn natürlich ist auch Martys Variante richtig, entspricht nur eben nicht der Spielweise der Originalaufnahme.
Genau so ist es.
Es gibt zwar keine festen, in Marmor gemeißelte Fingersätze, aber es gibt klangliche Aspekte, die die Möglichkeiten je nach klanglicher Anforderung einschränken. Es macht z.B. schon einen Unterschied, ob man ein c bei h1 (also am 1. Bund h-Saite), g5 (5. Bund), d8, A15 oder E20 greift. Die Obertöne werden ganz unterschiedlich ausgeprägt. Und es macht einen Unterschied, ob man monophon oder polyphon spielen möchte usw.
Wer wie Vai klingen möchte, muss sich seine Fingersätze draufschaffen.
Im Umkehrschluss bekommst Du durch die Verwendung unterschiedlicher Fingersätze für ein und denselben Notentext mehr klangliche Optionen. Welche Du ziehst, ist dann Deinem Geschmack überlassen.
Irgendwann, als ich gerade angefangen hatte, sagte eine Tante zu mir, dass es gut klänge (ob das nun wirklich so war oder nicht, sei mal dahingestellt). Aber ich fing an zu überlegen und kam zum Ergebnis, dass der Klang das maßgebliche Ziel ist. Das umfasst natürlich auch harmonische und rhythmische "Richtigkeit" -soweit man davon sprechen kann-. Aber der Klang ist eine gleichgewichtige musikalische Dimension. Also lohnt es sich, sich mit verschiedenen Fingersätzen auseinanderzusetzen.
Als ich dann später Jazz-Unterricht nahm, war es das Ziel, klangliche Unterschiede bei unterschiedlichen Fingersätzen eher zu vermeiden. Im Blues- und Rockbereich hingegen ist es eher so, dass klangliche Aspekte meist stärker herausgearbeitet werden.
Grüße Thomas