Bulldozer
Registrierter Benutzer
Gibson Explorer Sevenstring „Low Down Rocker“
Einleitung
Mit diesen Worten wurde sie damals auf der Gibson-Homepage beworben. Allerdings nur sehr kurzzeitig, denn nach wenigen Monaten erschien dort in großen Lettern die grauenvollen Worte „OUT OF PRODUCTION“. Mittlerweile ist die Seite seit Ende 2018 von der Gibson-Seite verschwunden. Ich hätte sie gerne für Euch verlinkt, da es dort viele schöne Detailbilder gab.
Warum nun dieses Instrument? Nun ja. Obwohl ich eigentlich notorischer Strat/Tele-Fetischist bin gab es eine Phase meiner frühen Jugendzeit, in der Metallica und co. unter anderen zu den großen Vorbildern zählten. In dieser Zeit wurde ich beim Antesten von 19“-Preamps beim Music Store auf die damalige James Hetfield-ESP-Explorer mit Riffelblech vorne drauf aufmerksam und war von dessen wuchtigen Sound beeindruckt. An jenem Tag entstand bei mir der Traum einmal eine Explorer als Siebensaiter zu besitzen. Denn in Meinem Kopf ergab sich folgende Rechnung:
GAS + wuchtiger ESP-Explorer-Sound + aktive EMG-PUs + tiefe zusätzliche Saite = Holy Grail
Mangels erforderlichen Geldes war es mir natürlich unmöglich beim ESP-Customshop anzurufen um eine Explorer in Siebensaiterversion zu bestellen. Der Traum platzte endgültig, als ESP die geliebte Explorer-Bauform aus rechtlichen Gründen verändern musste. Zu jener Zeit waren mir die Worte Gitarrenbauer und Internet noch relativ unbekannt.
Einige Jahre des Vergessens später (so um 2011) ergab es sich, dass ich beim Stöbern auf der Thomann-Seite zufällig auf eben diese Gibson Explorer mit sieben Saiten stieß. Und es stellte sich sofort dieses MUSICHABEN-Gefühl ein – GAS. Der Preis war zunächst mit 1599€ deklariert. Einige Musikalienhändler gaben bereits den Hinweis, dass nur noch wenige Stück auf Lager sind. Ich fing an zu sparen, bettelte meine Frau auf Knien an, die stillen Reserven nutzen zu dürfen. Inzwischen war der Preis auf 1395€ gesunken. Der einzige Händler der das Instrument noch führte war ausschließlich Thomann und dann?...
„NUR NOCH EIN STÜCK VERFÜGBAR“ – AHHHHHHHHHHHRRRRRRRRRRRR
Meine Frau zeigte Erbarmen mit mir und mit letzter Kraft konnte ich auf die Buttons „Zur Kasse“ und „bezahlen“ klicken. Der Rest der Geschichte ist nur noch schemenhaft in meinem Gedächtnis vorhanden. Ich taumelte umher, Tag und Nacht, nur von diesem einen Gedanken besessen: Der DHL-Fahrer soll endlich klingeln. Aber nichts geschah. Ich wartete bereits 4 Tage als ENDLICH ein Lastwagen in meiner Straße anhielt, ein stämmiger Trucker aus der Fahrerkabine herausstieg und schließlich mit einem langen schmalen Paket unterm Arm vor der Haustür stand.
Das Paket hatte Überlänge und musste deshalb mit der Spedition geliefert werden, was die Zeitverzögerung erklärte.
Unpacking
Da war es nun, das Paket. Ich öffnete es blitzschnell und zum Vorschein kam ein weiterer Karton mit der schönen Aufschrift Gibson U.S. und A.
In diesem Karton wiederum befand sich der, in weiterer Schutzfolie eingewickelte Gitarrenkoffer. Schwarzes Leder, rechteckig, klobig mit der Aufschrift in Silber:
Drei Klappverschlüsse und ein Griff. Der Koffer selbst hatte noch ein Papp-Label am Griff baumeln mit der Information: „Made in Canada“. Kanada wirklich herkommen?
Ich öffnete den Koffer vorsichtig und das erste was mich umgarnte war dieser, von vielen Gibson-Spielern oft als legendärer Mythos deklarierte „Vanillegeruch“.
Eingeatmet... und... ... Ah herrlich.
Der Kofferdeckel war nun vollständig geöffnet. Da Lag sie nun in weißem Fell gebettet: meine neue Explorer! (Meine Frau rief aus der Küche: „wenn du mich mal so zärtlich auspacken würdest!“ – immer diese Ungläubigen...)
Unter dem Hals befindet sich im Koffer eine Klappe mit einem Fach in das bequem alle sonst noch benötigten Utensilien Platz finden dürften. Dort waren eine Checkliste und ein Usermanual hineingelegt.
An einem Trussrod-Schlüssel wurde leider gegeizt.
Erster Eindruck
Bei der ersten Betrachtung konnte ich keine Mängel erkennen der Nitro- Lack war auf Hochglanz poliert und überall sauber Verarbeitet. Allerdings ist die Lackierung sehr anfällig für Fingerabdrücke, weshalb ich mir sofort ein ordentliches fusselfreies Baumwolltuch in den Koffer gelegt hatte. Das weiße Fell des Koffers bleibt zu meiner Erleichterung dort wo es hingehört im Koffer und nicht elektrostatisch am Instrument kleben. Da hatte ich im Ersten Moment Befürchtungen.
Die Bünde glänzten unbespielt und neu genauso wie die Hardware. Alles machte einen sauber verarbeiteten Eindruck. Eigentlich so, wie ich es bei meinen Fender Strats gewohnt bin. Saitenlage und Intonation waren Werkseitig relativ gut eingestellt. Aber das ist für mich eh kein Problem, weil ich mir sowieso immer etwas Zeit nehme um meine individuellen Settings zu finden.
Genauere Betrachtung
Da es sich um eine Siebensaiter handelt sind die Proportionen entsprechend größer als bei den Sechssaiter-Modellen. Ich fange von oben an:
Die Kopfplatte ist etwas länger und ist am Ende mit einem silbrigen Gibson-Schriftzug bedruckt. Auf der Rückseite befindet sich die Seriennummer und der Hinweis Made in USA
2011.
Die Kopfplatte trägt sieben Mechaniken, nämlich Minimechaniken von Grover. Die sind zwar von ihrer Größe und von der Optik her passend, allerdings bin ich mit ihrer sehr feinen Übersetzung etwas unzufrieden, da es insbesondere bei den tiefen Saiten dazu führt, dass das feine Stimmen schwierig ist. Verarbeitung und Stimmstabilität der Mechaniken ist aber Top.
Der Trussrod wird durch die für Gibson übliche Platte in Glockenform abgedeckt. Diese ist komplett schwarz und einlagig.
Der Sattel bestand bei der Auslieferung Werksseitig aus Corian. Laut Wikipedia so eine Art Acrylstein. Das fand ich jetzt zunächst nicht so schlimm und wollt dem Material erstmal eine Chance geben. Es kam relativ häufig vor, dass mir Saiten über die Sattelkerben rutschten. Ich dachte erst es läge an meinem Spiel. Bei meinen 7endern hatte ich nie solche Probleme. Allerdings war es bei meiner Explorer nach zwei Wochen so, dass nach einem Bending auf der g-Saite es plötzlich PLOCK gemacht hat und seitdem die Saite auf dem ersten Bund schnarrte. Wie sag ich’s bloß der Frau, dass ich nochmal Geld in die Hand nehmen muss um den Sattel austauschen zu lassen. Ich wollte das Instrument jetzt auch nicht wieder Tage lang durch halb Deutschland zur Reparatur nach Treppendorf schicken. Also bin ich zum Gitarrenbauer meines Vertrauens und habe mir für nen 50er einen Knochensattel einbauen lassen. Das hatte ich mir für die Zukunft eh vorgenommen. Seit dem ist alles prima. Voll Geil!
Der Hals ist recht Baseballschlägerartig. Durch die siebte Seite bestimmt nochmal fetter als bei einem normalen Modell. Aber sicher viel, viel dicker als bei meinen Starts/Teles. Das war zunächst gewöhnungsbedürftig aber es geht jetzt sehr gut. Der Hals wurde aus Mahagoni gefertigt und mit dem Korpus verleimt. Das Griffbrett besteht aus Rosewood. Auf dem Griffbrett wurde auf Einlagen verzichtet, was ich persönlich sehr chic fand. Es sind zur Orientierung aber weiße Dots am oberen Griffbrettrand eingelassen.
Die Bünde sind meinem Wissen nach aus Stahl und in der Jumbovariante verarbeitet.
Der Body wurde als einteiliger Mahagonikorpus angegeben. Es gibt -das Elektrofach ausgenommen- keine Kammern, weshalb das Instrument mit fast 5 Kg sehr schwer auf den Schultern lastet. Aufgrund des Sustainverhaltens ist es mir aber Wert das Gewicht zu ertragen. Ich habe mir später einen breiten Richtergurt gegönnt, der das Gewicht der Gitarre gut verteilt.
Die Hardware besteht aus einer Tune-o-Matic Bridge und Stoptail in glänzendem Chrome. Natürlich in der Variante für Gitarren mit sieben Saiten. Ich habe vorher keine Gitarre mit TOM besessen, deshalb kann ich wenig zu den weiteren Specs der Hardware sagen. Sie macht mir aber einen sehr gut verarbeiteten Eindruck. Die Intonation konnte ich sehr einfach justieren. Das Stoptail nimmt die Seiten aller von mir verwendeten Saitenstärken ohne Murren auf.
Die Kunststoffparts sind allesamt schwarz gehalten. Das Pickguard ist einlagig und die Potiknöpfe sind grau-transparent gehalten. Die Werte lassen sich durch die weißen Ziffern ablesen. Wenn Tuningbedarf bestünde könnte man hier ggf. auch über eine komplett in schwarz gehaltene Optik nachdenken. Ich lass es aber lieber original.
Die Tonabnehmer kommen aus dem Hause EMG. Ich habe mir sagen lassen, dass Gibson hier wohl über den eigenen Schatten springen musste. Ich muss mich jetzt hier als Liebhaber der aktiven EMGs outen. Ich habe in vielen meiner Gitarren EMGs (81er/SA). Also war die Bestückung der Explorer mit EMGs auch ein Kaufargument. Im Detail wurden folgende Tonabnehmer verbaut. In der Halsposition befindet sich ein EMG 707 und in der Stegposition ein EMG 81-7, wer hätte es gedacht jeweils in der schwarzen Ausführung.
Die Elektronik schaltete die Tonabnehmer durch einen Gibson-3-Wege-Toggleswitch. Position 1 lässt den Halstonabnehmer erklingen, Position 2 einen Mix aus beiden und Position 3 lässt den Stegpickup aus dem Gehege. Die drei Potis sind folgendermaßen verschaltet. Das erste Poti ist das Volumenpoti für den Hals-PU, das zweite Poti ist das Volumenpoti für den Steg-PU. Poti Nummer 3 ist für den Master-Tone zuständig. An der rechten Korpuskante befindet sich die Output-Klinkenbuchse auf einem Chromfarbenen, quadratischem Blech. Auf der Rückseite befindet sich das Elektronikfach. Hier ist zusätzlich eine Aussparung für die Batterie und einem Batteriefach angebracht. Insgesamt sind die Lötarbeiten sauber durchgeführt worden. Allerdings ist viel Löten aufgrund der EMG-Steckverbindungen nicht nötig gewesen. Elektrisch alles tip-top.
Die Haptik der Gitarre war für mich als Strat/Tele-Spieler zunächst ungewöhnlich. Das Instrument ist vergleichsweise schwer und aufgrund der Bauform recht groß. Alles fühlt sich wertig an. Der Lackierte Hals könnte dem ein oder anderen wohl aufgrund der Nitrolackierung zu „klebrig“ sein. Mich hat es beim Shreddern noch nicht gestört.
Die Mensur ist Gibson typisch 24,75“. Das ist natürlich ungünstig für eine Gitarre mit sieben Saiten. Dieser Umstand ist in vielen Foren damals kritisiert worden. Und es stimmt. Es hat auch für mich Probleme gemacht, das richtige Verhältnis zwischen Stimmung/Intonation und Saitenstärke herauszubekommen. Man muss auch seine Spielweise anpassen. Aber hat man das alles erstmal herausgefunden, ist es für mich das wahre Vergnügen mit dieser Gitarre zu spielen.
Der Klang ist unverstärkt bereits sehr laut. Da schwingt viel Material mit.
Verstärkt, über meinen Mesa Triaxis mit 2:90 Endstufe und 4x12“ Box mit Celestion V30 Speakern, klingt sie sehr, sehr mächtig. Da muss man echt verantwortungsvoll mit umgehen. In den falschen Händen ist dieses Instrument eine Waffe.
Wie soll man Klang mit Worten beschreiben? In den Chrunch-und High-Gain Modes lassen die EMGs, die ja auch für ihre Tightness bekannt sind, alle Frequenzen sauber und transparent durch. Die Höhen schimmern silbrig in die Ohren. Man hört das Mahagoni im Mittenbereich schön heraus „quäken“. Einfach gewaltig. Im Bassbereich wird viel Schub und Druck erzeugt. Im Clean kann man der Explorer sogar Jazz-Sounds entlocken, da der 707er am Hals schön holzig und bauchig klingt.
Pro und Kontra
Pro:
+Verarbeitung des Instruments (Außer der Sattel)
+Optik
+aktive Tonabnehmer
+Klang
Kontra:
-Gewicht
-Mensur
Fazit
Für mich ist eine Explorer als Siebensaiter der absolute Traum gewesen. 2011 konnte ich mir diesen endlich mit der Gibson Explorer Sevenstring erfüllen. Diese schwarze Schönheit hat mich beim ersten Anblick und Ton verzaubert. Das relativ schwere Instrument ist sauber verarbeitet und bietet einen mächtigen Klang. Bei meinem Modell musste leider kurz nach dem Kauf der Sattel ausgetauscht werden, was für meinen Gitarrenbauer kein Problem darstellte und preislich OK war. Die kurze Gibson-Mensur ist für Sevenstrings unglücklich gewählt aber für mich, nach dem Finden der passenden Saitenstärken und der Feinjustage, kein Problem mehr. Ich bin mit dem Instrument super glücklich. Ich habe als einzige Veränderung lediglich die Gurtpins gegen Schaller Security-Locks getauscht, weil ich das bei allen Gitarren von mir gemacht habe.
Fragen über Fragen
Wie findet Ihr diese Gitarre? Könnt ihr meine Hingabe zu dem Instrument teilen oder sagt ihr eher: Bäh, Igitt, was soll das denn bitte sein? Was haltet ihr von der Tatsache, dass der Sattel getauscht werden musste? Typisch Gibson oder Einzelfall und Pech? Wie findet ihr die Mensur für eine Siebensaiter? Gibt es noch Fragen, die ich hier nicht geklärt habe?
Danke für das Aufmerksame Lesen der Review. Ich bin auf Eure Feedbacks gespannt.
Viele Grüße
Bulldozer
Einleitung
Mit diesen Worten wurde sie damals auf der Gibson-Homepage beworben. Allerdings nur sehr kurzzeitig, denn nach wenigen Monaten erschien dort in großen Lettern die grauenvollen Worte „OUT OF PRODUCTION“. Mittlerweile ist die Seite seit Ende 2018 von der Gibson-Seite verschwunden. Ich hätte sie gerne für Euch verlinkt, da es dort viele schöne Detailbilder gab.
Warum nun dieses Instrument? Nun ja. Obwohl ich eigentlich notorischer Strat/Tele-Fetischist bin gab es eine Phase meiner frühen Jugendzeit, in der Metallica und co. unter anderen zu den großen Vorbildern zählten. In dieser Zeit wurde ich beim Antesten von 19“-Preamps beim Music Store auf die damalige James Hetfield-ESP-Explorer mit Riffelblech vorne drauf aufmerksam und war von dessen wuchtigen Sound beeindruckt. An jenem Tag entstand bei mir der Traum einmal eine Explorer als Siebensaiter zu besitzen. Denn in Meinem Kopf ergab sich folgende Rechnung:
GAS + wuchtiger ESP-Explorer-Sound + aktive EMG-PUs + tiefe zusätzliche Saite = Holy Grail
Mangels erforderlichen Geldes war es mir natürlich unmöglich beim ESP-Customshop anzurufen um eine Explorer in Siebensaiterversion zu bestellen. Der Traum platzte endgültig, als ESP die geliebte Explorer-Bauform aus rechtlichen Gründen verändern musste. Zu jener Zeit waren mir die Worte Gitarrenbauer und Internet noch relativ unbekannt.
Einige Jahre des Vergessens später (so um 2011) ergab es sich, dass ich beim Stöbern auf der Thomann-Seite zufällig auf eben diese Gibson Explorer mit sieben Saiten stieß. Und es stellte sich sofort dieses MUSICHABEN-Gefühl ein – GAS. Der Preis war zunächst mit 1599€ deklariert. Einige Musikalienhändler gaben bereits den Hinweis, dass nur noch wenige Stück auf Lager sind. Ich fing an zu sparen, bettelte meine Frau auf Knien an, die stillen Reserven nutzen zu dürfen. Inzwischen war der Preis auf 1395€ gesunken. Der einzige Händler der das Instrument noch führte war ausschließlich Thomann und dann?...
„NUR NOCH EIN STÜCK VERFÜGBAR“ – AHHHHHHHHHHHRRRRRRRRRRRR
Meine Frau zeigte Erbarmen mit mir und mit letzter Kraft konnte ich auf die Buttons „Zur Kasse“ und „bezahlen“ klicken. Der Rest der Geschichte ist nur noch schemenhaft in meinem Gedächtnis vorhanden. Ich taumelte umher, Tag und Nacht, nur von diesem einen Gedanken besessen: Der DHL-Fahrer soll endlich klingeln. Aber nichts geschah. Ich wartete bereits 4 Tage als ENDLICH ein Lastwagen in meiner Straße anhielt, ein stämmiger Trucker aus der Fahrerkabine herausstieg und schließlich mit einem langen schmalen Paket unterm Arm vor der Haustür stand.
Das Paket hatte Überlänge und musste deshalb mit der Spedition geliefert werden, was die Zeitverzögerung erklärte.
Unpacking
Da war es nun, das Paket. Ich öffnete es blitzschnell und zum Vorschein kam ein weiterer Karton mit der schönen Aufschrift Gibson U.S. und A.
In diesem Karton wiederum befand sich der, in weiterer Schutzfolie eingewickelte Gitarrenkoffer. Schwarzes Leder, rechteckig, klobig mit der Aufschrift in Silber:
Drei Klappverschlüsse und ein Griff. Der Koffer selbst hatte noch ein Papp-Label am Griff baumeln mit der Information: „Made in Canada“. Kanada wirklich herkommen?
Ich öffnete den Koffer vorsichtig und das erste was mich umgarnte war dieser, von vielen Gibson-Spielern oft als legendärer Mythos deklarierte „Vanillegeruch“.
Eingeatmet... und... ... Ah herrlich.
Der Kofferdeckel war nun vollständig geöffnet. Da Lag sie nun in weißem Fell gebettet: meine neue Explorer! (Meine Frau rief aus der Küche: „wenn du mich mal so zärtlich auspacken würdest!“ – immer diese Ungläubigen...)
Unter dem Hals befindet sich im Koffer eine Klappe mit einem Fach in das bequem alle sonst noch benötigten Utensilien Platz finden dürften. Dort waren eine Checkliste und ein Usermanual hineingelegt.
An einem Trussrod-Schlüssel wurde leider gegeizt.
Erster Eindruck
Bei der ersten Betrachtung konnte ich keine Mängel erkennen der Nitro- Lack war auf Hochglanz poliert und überall sauber Verarbeitet. Allerdings ist die Lackierung sehr anfällig für Fingerabdrücke, weshalb ich mir sofort ein ordentliches fusselfreies Baumwolltuch in den Koffer gelegt hatte. Das weiße Fell des Koffers bleibt zu meiner Erleichterung dort wo es hingehört im Koffer und nicht elektrostatisch am Instrument kleben. Da hatte ich im Ersten Moment Befürchtungen.
Die Bünde glänzten unbespielt und neu genauso wie die Hardware. Alles machte einen sauber verarbeiteten Eindruck. Eigentlich so, wie ich es bei meinen Fender Strats gewohnt bin. Saitenlage und Intonation waren Werkseitig relativ gut eingestellt. Aber das ist für mich eh kein Problem, weil ich mir sowieso immer etwas Zeit nehme um meine individuellen Settings zu finden.
Genauere Betrachtung
Da es sich um eine Siebensaiter handelt sind die Proportionen entsprechend größer als bei den Sechssaiter-Modellen. Ich fange von oben an:
Die Kopfplatte ist etwas länger und ist am Ende mit einem silbrigen Gibson-Schriftzug bedruckt. Auf der Rückseite befindet sich die Seriennummer und der Hinweis Made in USA
2011.
Die Kopfplatte trägt sieben Mechaniken, nämlich Minimechaniken von Grover. Die sind zwar von ihrer Größe und von der Optik her passend, allerdings bin ich mit ihrer sehr feinen Übersetzung etwas unzufrieden, da es insbesondere bei den tiefen Saiten dazu führt, dass das feine Stimmen schwierig ist. Verarbeitung und Stimmstabilität der Mechaniken ist aber Top.
Der Trussrod wird durch die für Gibson übliche Platte in Glockenform abgedeckt. Diese ist komplett schwarz und einlagig.
Der Sattel bestand bei der Auslieferung Werksseitig aus Corian. Laut Wikipedia so eine Art Acrylstein. Das fand ich jetzt zunächst nicht so schlimm und wollt dem Material erstmal eine Chance geben. Es kam relativ häufig vor, dass mir Saiten über die Sattelkerben rutschten. Ich dachte erst es läge an meinem Spiel. Bei meinen 7endern hatte ich nie solche Probleme. Allerdings war es bei meiner Explorer nach zwei Wochen so, dass nach einem Bending auf der g-Saite es plötzlich PLOCK gemacht hat und seitdem die Saite auf dem ersten Bund schnarrte. Wie sag ich’s bloß der Frau, dass ich nochmal Geld in die Hand nehmen muss um den Sattel austauschen zu lassen. Ich wollte das Instrument jetzt auch nicht wieder Tage lang durch halb Deutschland zur Reparatur nach Treppendorf schicken. Also bin ich zum Gitarrenbauer meines Vertrauens und habe mir für nen 50er einen Knochensattel einbauen lassen. Das hatte ich mir für die Zukunft eh vorgenommen. Seit dem ist alles prima. Voll Geil!
Der Hals ist recht Baseballschlägerartig. Durch die siebte Seite bestimmt nochmal fetter als bei einem normalen Modell. Aber sicher viel, viel dicker als bei meinen Starts/Teles. Das war zunächst gewöhnungsbedürftig aber es geht jetzt sehr gut. Der Hals wurde aus Mahagoni gefertigt und mit dem Korpus verleimt. Das Griffbrett besteht aus Rosewood. Auf dem Griffbrett wurde auf Einlagen verzichtet, was ich persönlich sehr chic fand. Es sind zur Orientierung aber weiße Dots am oberen Griffbrettrand eingelassen.
Die Bünde sind meinem Wissen nach aus Stahl und in der Jumbovariante verarbeitet.
Der Body wurde als einteiliger Mahagonikorpus angegeben. Es gibt -das Elektrofach ausgenommen- keine Kammern, weshalb das Instrument mit fast 5 Kg sehr schwer auf den Schultern lastet. Aufgrund des Sustainverhaltens ist es mir aber Wert das Gewicht zu ertragen. Ich habe mir später einen breiten Richtergurt gegönnt, der das Gewicht der Gitarre gut verteilt.
Die Hardware besteht aus einer Tune-o-Matic Bridge und Stoptail in glänzendem Chrome. Natürlich in der Variante für Gitarren mit sieben Saiten. Ich habe vorher keine Gitarre mit TOM besessen, deshalb kann ich wenig zu den weiteren Specs der Hardware sagen. Sie macht mir aber einen sehr gut verarbeiteten Eindruck. Die Intonation konnte ich sehr einfach justieren. Das Stoptail nimmt die Seiten aller von mir verwendeten Saitenstärken ohne Murren auf.
Die Kunststoffparts sind allesamt schwarz gehalten. Das Pickguard ist einlagig und die Potiknöpfe sind grau-transparent gehalten. Die Werte lassen sich durch die weißen Ziffern ablesen. Wenn Tuningbedarf bestünde könnte man hier ggf. auch über eine komplett in schwarz gehaltene Optik nachdenken. Ich lass es aber lieber original.
Die Tonabnehmer kommen aus dem Hause EMG. Ich habe mir sagen lassen, dass Gibson hier wohl über den eigenen Schatten springen musste. Ich muss mich jetzt hier als Liebhaber der aktiven EMGs outen. Ich habe in vielen meiner Gitarren EMGs (81er/SA). Also war die Bestückung der Explorer mit EMGs auch ein Kaufargument. Im Detail wurden folgende Tonabnehmer verbaut. In der Halsposition befindet sich ein EMG 707 und in der Stegposition ein EMG 81-7, wer hätte es gedacht jeweils in der schwarzen Ausführung.
Die Elektronik schaltete die Tonabnehmer durch einen Gibson-3-Wege-Toggleswitch. Position 1 lässt den Halstonabnehmer erklingen, Position 2 einen Mix aus beiden und Position 3 lässt den Stegpickup aus dem Gehege. Die drei Potis sind folgendermaßen verschaltet. Das erste Poti ist das Volumenpoti für den Hals-PU, das zweite Poti ist das Volumenpoti für den Steg-PU. Poti Nummer 3 ist für den Master-Tone zuständig. An der rechten Korpuskante befindet sich die Output-Klinkenbuchse auf einem Chromfarbenen, quadratischem Blech. Auf der Rückseite befindet sich das Elektronikfach. Hier ist zusätzlich eine Aussparung für die Batterie und einem Batteriefach angebracht. Insgesamt sind die Lötarbeiten sauber durchgeführt worden. Allerdings ist viel Löten aufgrund der EMG-Steckverbindungen nicht nötig gewesen. Elektrisch alles tip-top.
Die Haptik der Gitarre war für mich als Strat/Tele-Spieler zunächst ungewöhnlich. Das Instrument ist vergleichsweise schwer und aufgrund der Bauform recht groß. Alles fühlt sich wertig an. Der Lackierte Hals könnte dem ein oder anderen wohl aufgrund der Nitrolackierung zu „klebrig“ sein. Mich hat es beim Shreddern noch nicht gestört.
Die Mensur ist Gibson typisch 24,75“. Das ist natürlich ungünstig für eine Gitarre mit sieben Saiten. Dieser Umstand ist in vielen Foren damals kritisiert worden. Und es stimmt. Es hat auch für mich Probleme gemacht, das richtige Verhältnis zwischen Stimmung/Intonation und Saitenstärke herauszubekommen. Man muss auch seine Spielweise anpassen. Aber hat man das alles erstmal herausgefunden, ist es für mich das wahre Vergnügen mit dieser Gitarre zu spielen.
Der Klang ist unverstärkt bereits sehr laut. Da schwingt viel Material mit.
Verstärkt, über meinen Mesa Triaxis mit 2:90 Endstufe und 4x12“ Box mit Celestion V30 Speakern, klingt sie sehr, sehr mächtig. Da muss man echt verantwortungsvoll mit umgehen. In den falschen Händen ist dieses Instrument eine Waffe.
Wie soll man Klang mit Worten beschreiben? In den Chrunch-und High-Gain Modes lassen die EMGs, die ja auch für ihre Tightness bekannt sind, alle Frequenzen sauber und transparent durch. Die Höhen schimmern silbrig in die Ohren. Man hört das Mahagoni im Mittenbereich schön heraus „quäken“. Einfach gewaltig. Im Bassbereich wird viel Schub und Druck erzeugt. Im Clean kann man der Explorer sogar Jazz-Sounds entlocken, da der 707er am Hals schön holzig und bauchig klingt.
Pro und Kontra
Pro:
+Verarbeitung des Instruments (Außer der Sattel)
+Optik
+aktive Tonabnehmer
+Klang
Kontra:
-Gewicht
-Mensur
Fazit
Für mich ist eine Explorer als Siebensaiter der absolute Traum gewesen. 2011 konnte ich mir diesen endlich mit der Gibson Explorer Sevenstring erfüllen. Diese schwarze Schönheit hat mich beim ersten Anblick und Ton verzaubert. Das relativ schwere Instrument ist sauber verarbeitet und bietet einen mächtigen Klang. Bei meinem Modell musste leider kurz nach dem Kauf der Sattel ausgetauscht werden, was für meinen Gitarrenbauer kein Problem darstellte und preislich OK war. Die kurze Gibson-Mensur ist für Sevenstrings unglücklich gewählt aber für mich, nach dem Finden der passenden Saitenstärken und der Feinjustage, kein Problem mehr. Ich bin mit dem Instrument super glücklich. Ich habe als einzige Veränderung lediglich die Gurtpins gegen Schaller Security-Locks getauscht, weil ich das bei allen Gitarren von mir gemacht habe.
Fragen über Fragen
Wie findet Ihr diese Gitarre? Könnt ihr meine Hingabe zu dem Instrument teilen oder sagt ihr eher: Bäh, Igitt, was soll das denn bitte sein? Was haltet ihr von der Tatsache, dass der Sattel getauscht werden musste? Typisch Gibson oder Einzelfall und Pech? Wie findet ihr die Mensur für eine Siebensaiter? Gibt es noch Fragen, die ich hier nicht geklärt habe?
Danke für das Aufmerksame Lesen der Review. Ich bin auf Eure Feedbacks gespannt.
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