
RomanS
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Aus gegebenem Anlass (der Thread im Folk-Forum, indem mit merkwürdigen Vorurteilen herumgeworfen wird, Country Music sei "rassistisch") will ich hier mal einen kleinen Versuch wagen, die Geschichte der Country Music kurz darzustellen, und zwar unter besonderer Berücksichtigung von Einflüssen aus der und auf die afroamerikanische Musik…
Zunächst mal vorausgeschickt: der Begriff "Country Music" ist ein künstlich geschaffener, der im Nachhinein hauptsächlich aus Vermarktungsgründen über eine Vielzahl unterschiedlicher Musikstile und Traditionen drübergestülpt wurde; also solcher künstlicher Marketing-Begriff steht er allerdings nicht ganz alleine da - schon mal was von "Rock'n'Roll" gehört…?
Die Wurzeln…
Country ist eine Musik, die ihre Wurzeln in den Südstaaten der USA hat, von den Appalachen über das weite Tal des Mississippi, die Sümpfe Louisianas bis nach Texas. So weiträumig dieses Gebiet ist, so unterschiedlich ist auch die Bevölkerung, schottisch- und irischstämmige Einwanderer in den Appalachen, französischstämmige in den Bayous an der Golfküste, mexikanisch-/spanischstämmige, süddeutsche und böhmische in Texas - und natürlich die seit dem Bürgerkrieg befreiten ehemaligen Sklaven, und alle diese Gruppen natürlich schön durchmischt.
Dementsprechend gab es auch die unterschiedlichsten musikalischen Wurzeln - schottische & irische Reels (wie man sie in "Old Time Music" und Bluegrass noch raushört), auf dem Akkordeon begleitete böhmische und bayrische Polkas und Walzer, altfranzösische Volkslieder der Cajuns, und natürlich afroamerikanische Musik, die sich gerade aus den Gospels, Field Songs und Hollers der ehemaligen Sklaven as ein Vielfalt an Stilen herauszubilden begann - den Blues gab's übrigens noch genauso wenig, wie die eigentliche Bezeichnung "Country Music", diese beiden Musikrichtungen entwickelten sich parallel in ständigem Austausch, und gegenseitiger Beeinflussung.
Sozio-kulturell liegen die Wurzeln der Country Music in der ländlichen Unterschicht (genau wie beim Blues) der Südstaaten; die verschiedenen Vorformen der Country Music waren die Musik der einfachen Leute, der "Sharecropper" (als Bauern ohne eigene Land, die gemietete Farmen bewirtschafteten - und, nein, Sharecropper waren nicht ausschließlich schwarz, wie oft angenommen wird - in der Zwischenkriegszeit waren fast 2/3 davon weiß), der kleinen Farmbesitzer, der Wanderarbeiter, der Taglöhner.
Die urbane weiße Mittel- und Oberschicht hörte dagegen zu einem kleinen Teil klassische Musik, großteils aber Tin Pan Alley-Schlager, die Vorläufer der Popmusik, Hawaii-Musik (in den 20ern DER Renner), evtl. auch noch Ragtime und Dixieland später dann auch Bigband-Swing, und natürlich jede Menge Crooner-Popmusik-Schnulzen.
In den Südstaaten gab es damals (und bekanntlich bis in die 60er Jahre) immer noch die Rassentrennung - diese war aber in der ländlichen Unterschicht weit weniger ausgeprägt als in der Städten und in den höheren Schichten; schließlich lebten schwarze und weiße Sharecropper unter den gleichen Bedingungen, wurden von den gleichen Grundbesitzern ausgenommen, und aufmüpfige weiße Angehörige dieser Schicht wurden zum Teil von den gleichen rassistischen Organisationen (der KuKluxKlan ist nur eine davon) verfolgt wie ihre schwarzen Nachbarn.
Rassismus wird es ganz sicher auch in dieser Schicht gegeben haben - aber es gab eben auch jede Menge gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und musikalischen Kontakt.
Kehren wir zur Musik zurück…
Die Anfänge der Country Music:
Wie gesagt, diese verschiedenen regionalen und ethnischen ländlichen Unterschichtgruppierungen hatten ihre jeweiligen keltischen, zentraleuropäischen, afrikanischen, etc. Musiktraditionen - Volksmusiken im eigentlichen Sinne, als Musikstile aus dem Volk, die Geschichten aus dem Alltag festhielten, oder als Begleitungen zu Festen und Tanzveranstaltungen dienten - aber nachdem die wenigsten davon in abgeschotteten Gemeinschaften lebten, sondern in ständigem Austausch mit ihren Nachbarn, und nachdem Erfindungen wie Radio und Schallplatte die überregionale Verbreitung von Musikstilen ermöglichten, begannen sich dies unterschiedlichen Musiktraditionen sehr rasch gegenseitig zu beeinflussen und vermischen….
Es gab bereits in den 1910er und 20er Jahren gemischtrassige Stringbands. Die "weiße" Gitarre setzte sich bei den schwarzen Musikern genauso durch, wie das "schwarze/afrikanische" Banjo bei den Weißen.
Blues und frühe Country Music als erzählende Songs (mit Wurzeln in europäischen Ballden einerseits und afrikanischen Traditionen oraler Geschichtsüberlieferung) mit Gitarrenbegleitung durch den Sänger/Erzähler entwickelten sich parallel und mit ganz ähnlichen musikalischen Ergebnissen (wie frühe "field recordings" belegen).
Die Mitglieder der Carter Family (eine der ersten Superstar-Gruppen der Country-Musik) nahmen unbekannte schwarze Blues-Songs in ihr Repertoire auf und brachten sie in ihrem eigenen Stil dar, und Maybelle Carters charakteristischer Gitarrenstil war sehr stark vom mit ihr befreudeten schwarzen Gitarristen Leslie Riddle beeinflusst.
Jimmie Rodgers, ein weiterer früher Superstar der Country Music, war bevor er berühmt wurde ein einfacher Eisenbahnarbeiter, der von seinen schwarzen Arbeitskollegen in Gitarrenstil ebenfalls stark beeinflusst war, und der ebenfalls Blues-Songs erfolgreich interpretierte - und mit seinem charakteristischen Yodelling verband; ironischerweise wurde Jimmie Rodgers nicht nur selber vom Blues beeinflusst, sonder er selber war wiederum ein großer Einfluß für spätere Blues-Musiker wie Muddy Waters und Howlin Wolf (letzterer sagte selbst, seinen namensgebenden "howlin" Gesangsstil aus seiner Unfähigkeit, wie sein Vorbild Jimmie Rodgers jodeln zu können, entwickelt zu haben. Gegen Ende seiner kurzen Karriere (er starb sehr jung) nahm Jimmie Rodgers dann noch gemeinsam Platten mit dem schwarzen Louis Armstrong auf.
Und weil wir schon bei frühen Country-Superstars sind: Bob Wills, ein einfaches Farmerkind aus Texas, lernte schon sehr früh die traditionellen Fiddle Tunes seiner Umgebung zu spielen - aber er hatte auch ein Radio, und hörte begeistert schwarze Musik, Jazz und Blues; Bessie Smith, eine der ersten Stars des Blues, hatte es ihm besonders angetan (angeblich ritt er einmal über 50 Meilen zu Pferd zu einem ihrer Konzerte), und so war es kein Wunder, dass er bei seiner allerersten Plattenaufnahme einen ihrer Songs sang. Nachdem sich ihm im ländlichen Texas, und später Oklahoma, kaum Möglichkeit bot, selber Jazzmusiker zu werden, stellte er eine Band zusammen, die eine wilde Mixtour aus traditionellen Fiddle Tunes, böhmisch-bayrisch-mexikanischen Polkas und Walzern seiner texanischen Heimat, swingendem Jazz und Blues-Songs zusammensetzte - dem, was man dann Western Swing nannte, mal gab's da greinende Steel Guitars, dann sophisticatede Bläsersätze, aber auch rotzige E-Gitarren, die schon in den 1940ern den Rock'n'Roll vowegnahmen (Junior Barnard, einer der Gitarristen in Wills' Band, war einer der erstne, die bewußt verzerrt spielten); er wurde damit, und über Jahrzehnte hinweg (von den frühen 1930ern bis hinein in die frühen 70er) zum absoluten "King" der Country Music.
Zunächst mal vorausgeschickt: der Begriff "Country Music" ist ein künstlich geschaffener, der im Nachhinein hauptsächlich aus Vermarktungsgründen über eine Vielzahl unterschiedlicher Musikstile und Traditionen drübergestülpt wurde; also solcher künstlicher Marketing-Begriff steht er allerdings nicht ganz alleine da - schon mal was von "Rock'n'Roll" gehört…?
Die Wurzeln…
Country ist eine Musik, die ihre Wurzeln in den Südstaaten der USA hat, von den Appalachen über das weite Tal des Mississippi, die Sümpfe Louisianas bis nach Texas. So weiträumig dieses Gebiet ist, so unterschiedlich ist auch die Bevölkerung, schottisch- und irischstämmige Einwanderer in den Appalachen, französischstämmige in den Bayous an der Golfküste, mexikanisch-/spanischstämmige, süddeutsche und böhmische in Texas - und natürlich die seit dem Bürgerkrieg befreiten ehemaligen Sklaven, und alle diese Gruppen natürlich schön durchmischt.
Dementsprechend gab es auch die unterschiedlichsten musikalischen Wurzeln - schottische & irische Reels (wie man sie in "Old Time Music" und Bluegrass noch raushört), auf dem Akkordeon begleitete böhmische und bayrische Polkas und Walzer, altfranzösische Volkslieder der Cajuns, und natürlich afroamerikanische Musik, die sich gerade aus den Gospels, Field Songs und Hollers der ehemaligen Sklaven as ein Vielfalt an Stilen herauszubilden begann - den Blues gab's übrigens noch genauso wenig, wie die eigentliche Bezeichnung "Country Music", diese beiden Musikrichtungen entwickelten sich parallel in ständigem Austausch, und gegenseitiger Beeinflussung.
Sozio-kulturell liegen die Wurzeln der Country Music in der ländlichen Unterschicht (genau wie beim Blues) der Südstaaten; die verschiedenen Vorformen der Country Music waren die Musik der einfachen Leute, der "Sharecropper" (als Bauern ohne eigene Land, die gemietete Farmen bewirtschafteten - und, nein, Sharecropper waren nicht ausschließlich schwarz, wie oft angenommen wird - in der Zwischenkriegszeit waren fast 2/3 davon weiß), der kleinen Farmbesitzer, der Wanderarbeiter, der Taglöhner.
Die urbane weiße Mittel- und Oberschicht hörte dagegen zu einem kleinen Teil klassische Musik, großteils aber Tin Pan Alley-Schlager, die Vorläufer der Popmusik, Hawaii-Musik (in den 20ern DER Renner), evtl. auch noch Ragtime und Dixieland später dann auch Bigband-Swing, und natürlich jede Menge Crooner-Popmusik-Schnulzen.
In den Südstaaten gab es damals (und bekanntlich bis in die 60er Jahre) immer noch die Rassentrennung - diese war aber in der ländlichen Unterschicht weit weniger ausgeprägt als in der Städten und in den höheren Schichten; schließlich lebten schwarze und weiße Sharecropper unter den gleichen Bedingungen, wurden von den gleichen Grundbesitzern ausgenommen, und aufmüpfige weiße Angehörige dieser Schicht wurden zum Teil von den gleichen rassistischen Organisationen (der KuKluxKlan ist nur eine davon) verfolgt wie ihre schwarzen Nachbarn.
Rassismus wird es ganz sicher auch in dieser Schicht gegeben haben - aber es gab eben auch jede Menge gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und musikalischen Kontakt.
Kehren wir zur Musik zurück…
Die Anfänge der Country Music:
Wie gesagt, diese verschiedenen regionalen und ethnischen ländlichen Unterschichtgruppierungen hatten ihre jeweiligen keltischen, zentraleuropäischen, afrikanischen, etc. Musiktraditionen - Volksmusiken im eigentlichen Sinne, als Musikstile aus dem Volk, die Geschichten aus dem Alltag festhielten, oder als Begleitungen zu Festen und Tanzveranstaltungen dienten - aber nachdem die wenigsten davon in abgeschotteten Gemeinschaften lebten, sondern in ständigem Austausch mit ihren Nachbarn, und nachdem Erfindungen wie Radio und Schallplatte die überregionale Verbreitung von Musikstilen ermöglichten, begannen sich dies unterschiedlichen Musiktraditionen sehr rasch gegenseitig zu beeinflussen und vermischen….
Es gab bereits in den 1910er und 20er Jahren gemischtrassige Stringbands. Die "weiße" Gitarre setzte sich bei den schwarzen Musikern genauso durch, wie das "schwarze/afrikanische" Banjo bei den Weißen.
Blues und frühe Country Music als erzählende Songs (mit Wurzeln in europäischen Ballden einerseits und afrikanischen Traditionen oraler Geschichtsüberlieferung) mit Gitarrenbegleitung durch den Sänger/Erzähler entwickelten sich parallel und mit ganz ähnlichen musikalischen Ergebnissen (wie frühe "field recordings" belegen).
Die Mitglieder der Carter Family (eine der ersten Superstar-Gruppen der Country-Musik) nahmen unbekannte schwarze Blues-Songs in ihr Repertoire auf und brachten sie in ihrem eigenen Stil dar, und Maybelle Carters charakteristischer Gitarrenstil war sehr stark vom mit ihr befreudeten schwarzen Gitarristen Leslie Riddle beeinflusst.
Jimmie Rodgers, ein weiterer früher Superstar der Country Music, war bevor er berühmt wurde ein einfacher Eisenbahnarbeiter, der von seinen schwarzen Arbeitskollegen in Gitarrenstil ebenfalls stark beeinflusst war, und der ebenfalls Blues-Songs erfolgreich interpretierte - und mit seinem charakteristischen Yodelling verband; ironischerweise wurde Jimmie Rodgers nicht nur selber vom Blues beeinflusst, sonder er selber war wiederum ein großer Einfluß für spätere Blues-Musiker wie Muddy Waters und Howlin Wolf (letzterer sagte selbst, seinen namensgebenden "howlin" Gesangsstil aus seiner Unfähigkeit, wie sein Vorbild Jimmie Rodgers jodeln zu können, entwickelt zu haben. Gegen Ende seiner kurzen Karriere (er starb sehr jung) nahm Jimmie Rodgers dann noch gemeinsam Platten mit dem schwarzen Louis Armstrong auf.
Und weil wir schon bei frühen Country-Superstars sind: Bob Wills, ein einfaches Farmerkind aus Texas, lernte schon sehr früh die traditionellen Fiddle Tunes seiner Umgebung zu spielen - aber er hatte auch ein Radio, und hörte begeistert schwarze Musik, Jazz und Blues; Bessie Smith, eine der ersten Stars des Blues, hatte es ihm besonders angetan (angeblich ritt er einmal über 50 Meilen zu Pferd zu einem ihrer Konzerte), und so war es kein Wunder, dass er bei seiner allerersten Plattenaufnahme einen ihrer Songs sang. Nachdem sich ihm im ländlichen Texas, und später Oklahoma, kaum Möglichkeit bot, selber Jazzmusiker zu werden, stellte er eine Band zusammen, die eine wilde Mixtour aus traditionellen Fiddle Tunes, böhmisch-bayrisch-mexikanischen Polkas und Walzern seiner texanischen Heimat, swingendem Jazz und Blues-Songs zusammensetzte - dem, was man dann Western Swing nannte, mal gab's da greinende Steel Guitars, dann sophisticatede Bläsersätze, aber auch rotzige E-Gitarren, die schon in den 1940ern den Rock'n'Roll vowegnahmen (Junior Barnard, einer der Gitarristen in Wills' Band, war einer der erstne, die bewußt verzerrt spielten); er wurde damit, und über Jahrzehnte hinweg (von den frühen 1930ern bis hinein in die frühen 70er) zum absoluten "King" der Country Music.
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