Gebt mir einen festen Punkt

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Ein wochenlang ausgebrüteter Grundgedanke, der dann doch recht spontan Gestalt angenommen hat. Vielleicht gibt es auch noch eine Erweiterung, über die Umsetzung muß ich mir natürlich auch noch Gedanken machen. Weder Aussage noch Form sollten zu eng gesehen werden, vielleicht lassen sich ja ein paar Anspielungen erkennen. Kritik ist natürlich erwünscht.


Gebt mir einen festen Punkt


Gebt mir einen festen Punkt
der alles hält
ich hebe euch die ganze Welt
aus ihren Angeln

Ich setz mir eine Krone auf
ob sie aus Gold ist, weiß ich nicht,
doch ihr Gewicht
läßt mich versinken

Ich erreich mit letzter Kraft den Wannenrand
und fliehe unerkannt
im viel zu kurzen Hemd

Gebt mir ein festes Ziel
nicht endlos weit
das ich in absehbarer Zeit
erreichen kann,

Die Mühlen mahlen langsam
ihre Flügel drehen sich im Wind
ich laufe blind
dagegen an

Und kämpfe wieder einmal gegen Gartenzwerge
über sieben Berge
muß ich lange gehen
 
Eigenschaft
 
Wie angedroht, gibt es inzwischen eine weitere Strophe. Musikalisch nimmt das Ganze auch schon Formen an. Keine Kommentare?

Fortsetzung

Ich irre planlos durch das weite Labyrinth
und ich find
den roten Faden nicht

Ich ziehe schwarze Segel auf
die Flügel haben nicht gereicht
sind aufgeweicht
im Sonnenlicht

Gebt mir einen festen Punkt
der mich noch hält
dann renk ich mir vielleicht die Welt
auch wieder ein
 
Eine schöne lyrische Breschreibung vermutlich über jemanden, der sucht ... und sobald er was gefunden hat, das Gefundene wieder verliert, davon ablässt etc.. ...

So verstehe ich es zumindest ...

Objektiv betrachtet mag ich es ...

Subjektiv betrachtet nicht ...
 
ich weiß nicht, wie antipasti das mit dem Objektiv und Subjektiv meint.
Es interessiert mich jedoch brennend.
Zum Text.
Das Thema ist gut gewählt, auch dein Umgang mit der Sprache ist ja routiniert.
Du bist immer sorgfältig, beim Dichten, doch was mich sehr stört, sind die sehr bekannten Bilder in diesem Text.
Das hat man alles schön mal gehört.
Da ist keine Kraft in den Metaphern und keine Phantasie in den Perspektiven.
Dadurch wirkt das LI schlapp und trottelig- gestrig.
Kannst du nicht etwas wilder und expressionistischer formulieren?
Grüße
willy
 
ich weiß nicht, wie antipasti das mit dem Objektiv und Subjektiv meint.
Es interessiert mich jedoch brennend.

Ganz einfach: Am Text, rein fachlich, lyrisch und sprachlich gesehen, hab ich nichts auszusetzen. Gut umgesetzt.

Die Stimmung, die der Text erzeugt, gefällt mir nicht .. aber damit der Text ja auch bereits was erreicht.
 
Danke, antipasti- da hab ich wieder was gelernt.
Aber dafür sind die Moderatoren ja da-:D
Ich bin übrigens bezüglich des Textes also genau deiner Meinung.
Ich denke, Benno meint es zu gut mit dem Hörer/Leser seiner Texte und will diesen auf keinen Fall überfordern oder pseudolyrischkryptisch daherkommen.
Daher geht mMn gelegentlich etwas eigene Identität beim Schreiben verloren.
Mehr Feedback wäre in diesem Falle wünschenswert.
Leuteeeee!
Grüße
willy
 
Daher geht mMn gelegentlich etwas eigene Identität beim Schreiben verloren.

Das muss nicht sein ... ich hab zwar Benno schon mal live gesehen, aber kenne ihn natürlich nicht ... trotzdem ist es ja möglich, dass dies ein Teil seine Identität ist...

Ganz davon ab kann ich ja meine Antwort intensivieren.

Ich finde, der Text - so wie ich ihn empfinde - beschreibt sehr lyrisch ein wichtiges gesellschaftliches Thema unserer Zeit.

Der Mensch in der individualisierten Gesellschaft, der mit der ihm zur Verfügung stehenden "Last (oder sogar Pflicht) der Freiheit" nicht zurecht kommt. Die Welt liegt mir zu Füßen - aber was mach ich bloß damit, wenn es mir keiner sagt? Gebt mir Orientierung, gibt mir eine Richtung! Allein kann ich nicht. Kriegt er sie, setzt er zum Rückzug an, weil er sich nicht sicher fühlt, ob es die Richtige ist...

Da ich selbst in der Summe gesehen ein großer Freund und Nutznießer dieser Freiheit bin, habe ich zwar ein gewisses Verständnis für diese Problematik ,aber eben auch ein ambivalentes Verhältnis dazu.

Aber wie gesagt: das ja nur meine intuitive Deutung des Textes...

...
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich bin eher ein introvertierter Mensch, der nicht dazu neigt, seine Wut herauszuschreien. Von daher verstehe ich Willys Kritik als wohlwollende Anregung ;) , aber vom Temperament und Geschmack her liegen wir da einfach nicht auf einer Wellenlänge.

Antipastis Interpretation ist nicht verkehrt, der Grundgedanke spielt auch mit rein. Ursprünglich ging es aber eher um ein Gefühl der Hilflosigkeit angesichts von teils unverständlichen Entwicklungen, auf die man selbst keinen Einfluß hat. Der Text soll irgendwie mit Traumbildern spielen und hat dabei seine Eigendynamik entwickelt, Mehrdeutigkeiten sind durchaus erwünscht :gruebel: .

Der Titel bezieht sich auf ein Zitat von Archimedes, das mir angesichts einer verworrenen Situation in den Sinn kam. Daraus entwickelte sich eine Verdrehung der Geschichte von eben jenem Archimedes, der für seinen König die Echtheit einer Goldkrone prüfen sollte, in der Badewanne das Prinzip des Auftriebs erkannte und nackt auf die Straße lief, um den Menschen seine Entdeckung zu verkünden. Als nächstes Bild der Kampf des Don Quichotte gegen Windmühlen, die er für Riesen hält. Schließlich das Labyrinth, mit dem sich die Sagen von Theseus (Faden und schwarze Segel) sowie Daedalos und Ikaros (Flügel) verbinden.
 
Ich bin eher ein introvertierter Mensch, der nicht dazu neigt, seine Wut herauszuschreien. Von daher verstehe ich Willys Kritik als wohlwollende Anregung ;) , aber vom Temperament und Geschmack her liegen wir da einfach nicht auf einer Wellenlänge.

Oha, ich wollte dir auf keinen Fall was Böses.:redface:
Und ich bin sehr wohlwollend.:)
Ich finde deine Herangehensweise grundsätzlich sehr interessant und schätze deine textlichen Ansätze und deren Sorgfalt sehr.
Bisweilen überwiegt aber die interlektuelle Reife für meinen Geschmack etwas zu sehr.
Einen zurückhaltenden Entwurf mit ganz leisen, interpretierbaren Aussagen kann ich hier eben nicht entdecken.
Ich spüre, dass mir einer etwas über sich und seine Nöte mitteilen will. Er kommt aber mit vielschichtigen Vergleichen und Anlehnungen, die an Wärme und Vertrauen vermissen lassen.
Das verunsichert.
Vielleicht ist das so gewollt.
Dann soll es so sein.
Grüße
vom
Wohlwilly
 
Ich möchte nicht meine konkreten Sorgen und Nöte öffentlich weitergeben oder mich in Weltschmerz ergehen, sondern betrachte die Texte eher als eine Spielerei, eine Aufarbeitung oder auch Verzerrung, die vielleicht etwas zum Nachdenken anregen kann. Ich packe bewußt ein wenig Distanz, eine vielleicht zu subtile Ironie mit rein. Wer authentische Gefühle erwartet, wird da gewöhnlich enttäuscht.

@Willy: Dein Wohlwollen habe ich auch nie in Frage gestellt :) .

@Antipasti: Wenn Dir der Text die Ambivalenz des Themas vor Augen geführt hat, hat er seinen Zweck durchaus erfüllt.
 
@Antipasti: Wenn Dir der Text die Ambivalenz des Themas vor Augen geführt hat, hat er seinen Zweck durchaus erfüllt.

Nicht ganz: : der Text selbst hat mir leider nichts vor Augen geführt. D.h.: die Ambivalenz liegt bei mir selbst - sowieso - also auch ohne den Text. Auf deutsch gesagt (wie oben schon mal): ich mag Texte dieser Art leider nicht ... was aber natürlich nichts mit der eigentlichen Qualität des Textes zu tun hat.
 
Inzwischen habe ich mit einigen Verzögerungen auch endlich die musikalische Umsetzung fertig. Herausforderungen waren die Form ohne traditionelle Strophe/Refrain-Struktur und das ungewöhnliche Reimschema. Einfach dem Link in meiner Signatur auf die myspace-Seite folgen...
 
das mit den griechen (fester punkt : langer hebel : welt aus den angeln heben einerseits und dann die schmelzenden flügeln) is mir auch aufgefallen.
ich finde den text lyrisch auch interessant... aber dachte zunächst an silbermond... dieses dings gib mir irgendwas das bleibt...

steh ich inhaltlich auch nicht drauf...

naja

lg

der dekan
 
Auch wenn ich mich gar nicht in die Text - Liga einordnen würde, weil ich gerade drüber gestolpert bin ein paar Bemerkungen dazu:

Erstmal finde ich es sehr gut, dass du dich an deutsche Texte traust. :great:

Von der Sache her würde ich mich aber antipasti und willypanic anschließen.

Nach der ersten Strophe dachte ich: Oh, ein "Wenn ich will, dann könnte ich"-Text.:D
Aber in den nächsten Strophen wird das schnell relativiert und das eigentliche Problem dargestellt: Zum einen die Planlosigkeit "...irre planlos ...und ich find den roten Faden nicht...ich laufe blind..." und zum anderen der lange, aussichtslos scheinende Weg ("...muß ich lange gehen .... Flügel haben nicht gereicht..."). Das Ergebnis ist in der letzten Strophe offenbleibend ein unentschieden "..vielleicht...".
Es wird also sehr (zu???) bildhaft einfach die persönliche (Sinn-)Krise einer Person dargestellt.

Inhaltlich also eigentlich ok, meine Frage wäre aber vielleicht eher, ob man mit dieser Art der Beschreibung auch andere Personen erreicht. Mich hast du nicht erreicht, antipasti wohl auch nicht.

Der Titel bezieht sich auf ein Zitat von Archimedes, das mir angesichts einer verworrenen Situation in den Sinn kam. Daraus entwickelte sich eine Verdrehung der Geschichte von eben jenem Archimedes, der für seinen König die Echtheit einer Goldkrone prüfen sollte, in der Badewanne das Prinzip des Auftriebs erkannte und nackt auf die Straße lief, um den Menschen seine Entdeckung zu verkünden. Als nächstes Bild der Kampf des Don Quichotte gegen Windmühlen, die er für Riesen hält. Schließlich das Labyrinth, mit dem sich die Sagen von Theseus (Faden und schwarze Segel) sowie Daedalos und Ikaros (Flügel) verbinden.

Ok, Archimedes und Don Quichotte waren sofort klar, für Theseus und Daedalos hätte ich tiefer graben müssen. Dafür ist doch aber "...über sieben Berge.." eine eindeutige Anspielung auf Karats "Über sieben Brücken..." (Ok, vielleicht unter Maffay bekannter), oder?

Ich finde mit diesen Bildern / Metaphern erschlägst du eher den Hörer, d.h. man sucht doch eher beim Hören die Bilder in den historischen Kontext einzuordnen als dass man das eigentliche Problem, das die Bilder beschreiben sollen, nachvollziehen kann.
Ich finde, das müsste viel indirekter / allgemeiner formuliert werden, so dass der Hörer automatisch eigene Bilder in seinem Kopf entwickelt. Du hast die Bilder halt schon vorweg genommen.

Benno _8 schrieb:
..Ich möchte nicht meine konkreten Sorgen und Nöte öffentlich weitergeben oder mich in Weltschmerz ergehen...
Genau das erreicht du aber in meinen Augen durch die Ich-Schreibweise. Ich mag solche direkten Ich-Texte nicht, schlichtweg weil die so speziell beschriebene Problematik damit immer dein Problem bleiben wird und ich es als Zuhörer nicht auf mich beziehen kann, also für mich kein Identifikationspotential mit dem Text besteht.
Anders sieht es aus, wenn du es etwas indirekter und allgemeiner formulierst. Dann bleibt Platz für eigene Bilder im Kopf und ich kann mich damit viel eher identifizieren.

Hab mir auf die Schnelle nochmal den Karat-Text angeschaut (Sorry, mag sicher unfair sein, ich finde aber, dass man daran sehr gut lernen kann, also nicht persönlich nehmen):
Die Strophen sind wundervoll poetisch in der Ich - Form mit ganz einfachen Bildern aus dem Alltag, die aber gerade deswegen allgemein und unverfänglich sind und verschiedene eigene Assoziationen / Gefühle auslösen, eben weil diese Alltagsbilder direkt persönlich bekannt und nachvollziehbar sind. Im Refrain gibt es einen Gegensatz: Dort wird sozusagen als Steigerung die Du-Form verwendet. Und sogar der Refrain erfährt in sich noch eine Spannungs-Steigerung (Klimax) die tatsächlich erst in der letzten Refrainzeile mit dem dann passenden klassischen Bild des Phönix aufgelöst wird.
Ziemlich genial, wie ich finde, hier wird dieses eine große klassische Bild eben nur als Auflösung verwendet, wohingegen die Spannung ganz langsam mit nachvollziehbaren alltäglichen Bildern aufgebaut wird.:great:
Ich denke, es geht nicht darum, dem Zuhörer die Bilder vorzusetzen, sondern ihn anzuregen, durch Assoziationsgrundlagen (so würde ich es mal nennen) eigene Bilder zu entwickeln. Wenn das funktioniert, dann hast du ihn erreicht. ;)


Also: Das ist nur meine persönliche (zugegeben direkte) Meinung und soll keine Kritik sondern eher Gedankenanregung sein. ;)
Vielleicht hilft es ja etwas.

Viel Erfolg weiterhin
Primut​
 
Kurzer Nachtrag zum inhaltlichen Aufbau:
Du versuchst schon einen Spannungsbogen aufzubauen, was ich gut finde,
in der ersten Strophe werden Optionen / Möglichkeiten aufgezeigt als Ausgangsbasis
(auch wenn ich dazu wie schon erwähnt nicht Archimedes bemühen würde) und in den nächsten Strophen werden die ambivalenten Probleme der Umsetzung dargestellt, durch die wiederholte Darstellung aus verschiedenen Blickwinkeln / Bildern wird eine gute Spannungssteigerung erreicht.
Du lässt den Spannungsbogen in der letzten Strophe aber einfach im Nichts "...vielleicht..." verpuffen, anstatt ihn ordentlich aufzulösen und verschenkst damit alle Kraft.:(

Sicher, es gibt verschiedene Möglichkeiten der Auflösung (also positiv oder negativ), dadurch wird dann der gesamte Charakter des Stückes geprägt.
Eine Möglichkeit wäre zb: Du stellt es als Vision dar, es doch zu schaffen, sozusagen ein positiver Ausblick. Wenn du die Vision nur etwas weiter fasst "...aber mit dir..." hättest du dann schon fast ein zwar melancholisches aber gerade deswegen fast perfektes Liebeslied.;)
 
Ganz so ernst ist der Text nicht gemeint. Das LI möchte die Welt aus den Angeln heben und ertrinkt fast in der Badewanne. Statt gegen Riesen kämpft es gegen Gartenzwerge. Am Ende wird aus dem Anspruch, die Welt aus den Angeln zu heben, eine Selbstbesinnung, die alleine helfen kann, den Alptraum zu überwinden.
 
He he, dann hab ich wohl zu weit ausgeholt?:D:D
Na ja, wenn du schon mit Archimedes anfängst lag es für mich jedenfalls nahe.;)
Sollte ja auch nur eine Gedankenanregung sein.
 
Möglicherweise habe ich auch eine falsche Erwartungshaltung geweckt. Wenn ich mit alten Griechen anfange, wird wohl eher eine ganz seriöse, todernste Aussage erwartet ;) . Auch den angesprochenen Spannungsbogen finde ich selbst problematisch, weil in der dritten Strophe die ironische Distanz verlorengeht.
 

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