Gebrauchtkauf - Checkliste

maxito
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Checkliste beim Gebrauchtakkordeonkauf:


Der Kauf eines gebrauchten Akkordeons ist immer wieder eine spannende Sache und praktisch jeder steht dann immer vor der Frage:

auf was muss ich denn überhaupt achten?

-> Mit Hilfe einer Checkliste kann man aber die Sache etwas systematischer angehen und zumindest die Wahrscheinlichkeit deutlich minimieren, dass man einen Fehlkauf macht.


Und man kann mit dem Instrument eine Art Checkliste durchgehen:

Eine komplette Checkliste für Gebrauchtkauf würde viele Seiten füllen und doch nie vollständig sein, aber eine "Kurzform" und etwas gesunder Menschenverstand reichen hierzu in aller Regel auch.


Ganz allgemein gilt:

  • - was ist genau in der Beschreibung beschrieben - kann man das auch anders auslegen, oder ist die Formulierung unmissverständlich eindeutig?-> trotz seeligem Kaufrausch und "fast schon Besitzer sein" - trotzdem klaren Kopf behalten!!!!
  • - wenn Bilder dabei sind - zeigen die auch das beschriebene Instrument und sind alle Bilder vom selben Instrument (ist durchaus nicht immer so!)-> wenn nicht: Finger weg!
  • - stimmen Beschreibung und der Eindruck bei der Besichtigung überein?-> wenn nicht - vorsicht!
  • - sich die Geschichte des Verkäuferse erzählen lassen, wie er zu dem Instrument kam, und wieso er es verkauft - passt das alles oder klingt das komisch?
  • In dem Zusammehang sich auch bestätigen lassen, dass er alle Rechte besitzt, dieses Instrument zu verkaufen (also "frei von Rechten dritter" - vornehme Umschreibung, wenn sich jemand unerlaubt etwas in Besitz gebracht hat)


Wie ist der äußere Eindruck:

  • -gepflegt? -> ok
  • -Gehäuse hat keine abgeschabten Stellen? -> ok
  • -keine Sturzschäden? -> ok
  • -keine geflickten Risse? -> ok
  • -keine Anroststellen? -> ok
  • -Ist der Balg abgeschabt -> Hmmm!
  • -hat das Gehäuse viele Stoßmacken, Dallen oder so? -> Hmm
  • -riecht das Ganze Teil muffig, oder abgestanden, modrig? ->Finger weg, den Geruch oder Schimmel kriegt man so gut wie nicht mehr weg
  • -riecht das Instrument sehr nach Rauch? -> ist zwar lästig, das geht mit der Zeit wieder weg
  • -riecht das Instrument sehr nach rauchiger Kneipe? -> Das Gerät war zum Gelderwerb im Einsatz und meist entsprechend strapaziert! Vorsicht!

Wie ist die Bedienung des Geräts:

  • -laufen die Tasten gleichmäßig leicht, alle Tasten auf einer Ebene, nichts steht hervor oder ist schief? -> ok
  • -Die Tasten klappern nur leicht? -> ok (ansonsten kein Beinbruch, ist aber persönliche Geschmacksfrage, ob es einen stört)
  • -Die Register lassen sich leicht und sauber schalten, nichts hakt? -> ok
  • -Die Basstasten lassen sich alle mit gleicher Kraft drücken, nichts hakt, quietscht, oder bleibt hängen? -> ok


Wie klingt das alles?

  • -alle Töne kommen in allen! Registerkombinationen auf Zug und Druck? -> ok
  • -alle Töne kommen ungefähr bei gleicher minimalem Druck und Zug? -> ok
  • -die Töne kommen schon bei geringstem Druck und Zug? ->noch besser!
  • -Alle Töne kommen sauber, nichts schnarrt, "schnarcht" oder flattert? -> ok
  • -auch ruhig eine Weile anspielen, passt auch jetzt noch alles oder ist es "irgendwie " komisch? .


Auf welche Bezugsfrequenz ist das Instrument gestimmt:

  • Für Orchesterspieler interessant: ist die Stimmung auf a= 440 Hz?
  • Für Konzertsolisten oder auch wer öfter mit Bläsern zusammenspielt interessant: Ist die Stimmung auf a= 442,5 Hz oder a= 443 Hz gestimmt?
  • Für alle anderen die eher alleine für sich spielen: Die genaue Stimmung ist nicht so wichtig – Hauptsache sie stimmt in sich!


Wie gut ist die Stimmung:

In jedem Einzelregister eine Oktave greifen und der Reihe nach alle Töne auf Zug und Druck kontrollieren.

  • Bei perfekter Stimmung hört man einen „trockenen“ schwebetonfreien Klang -> perfekt! (hat man eigentlich nur wenn man s frisch vom Stimmer holt!)
  • Leichter Schwebeton mit langsamer Schwebung hörbar -> ok
  • Bei einzelnen bis etlichen Tönen stärkere Schwebung hörbar -> Neustimmung erforderlich
  • Das gleiche macht man dann auch mit Kombinationsregistern.
  • Bitte beachten – die Register, wo ein Schwebeton dazu geschaltet wird kann man so natürlich nicht kontrollieren!


Wie sieht es innen drin aus?

Dann unbedingt reinschauen ins Gerät! Dazu am besten eine Balgzange (kleine "Beisszange" mit Kerbe an der Schneide zum rausziehen der Balgnägel mitnehmen (evtl auch einen Schraubendreher, da manche Geräte geschraubt sind). Sollte der Verkäufer etwas dagegen haben, dass man reinschaut, dann nur unter Vorbehalt mit ausdrücklichem Rückgaberecht kaufen, dass man es zurückgeben kann, wenn der innere Zustand nicht einwandfrei sein sollte. Wenn man nicht weiß, wie man so ein Gerät öffnet, am besten einen Bekannten mitnehmen, der das kann - schadet sowieso nicht - vier Augen sehen mehr als zwei! Die Innenansicht ist wichtig, denn da liegen alle tonangebenden Teile, ist auch durchaus üblich beim Gebrauchtkauf, dass man reinschaut - sich da nicht irritieren lassen!


  • -ist das Gerät innen sauber? -> ok
  • -oder recht staubig? -> hm!
  • -liegen die Ventile ordentlich an? (das sind die Kunsstoffplättchen auf den Stimmplatten, die auf vielen aber nicht auf allen Stimmplatten sitzen) ->ok
  • -oder stehen die schon deutlich ab und sind verzogen? -> Hmm, da wird eine Generalüberholung fällig! -> teuer!!!
  • -Wie sehen die Stimmzungen aus - sind die alle blank, oder nur wirklich minimale Rostspuren an der Oberfläche? -> ok
  • -sind die Zungen stärker angerostet oder schon stark angerostet? -> Finger weg, kann unter Umständen nicht mehr reparabel sein - hier zuerst einen Fachmann einen Kostenvoranschlag machen lassen!
  • - wichtig: auch und insbesondere unter den Ventilen rosten die Zungen gerne - einige Ventile vorsichtig mit einem flachen Gegenstand (Nadel, Fühlerlehre) anheben und drunter schauen.
  • - Fallen bei der Aktion schon Ventile ab -> hier wird eine Generalsanierung der Stimmstöcke fällig->teuer!
  • - ist das Wachs an allen Stimmplatten komplett umschließend, ohne Risse, Fugen und Fehlstellen? -> ok
  • - Wie sieht das Wachs aus? bröselt das schon teilweise ab? -> Generalsanierung, siehe oben!
  • - sind manche Stimmplatten nicht mehr festhaftend am Wachs sondern haben Risse oder eine Fuge zwischen Platte und Wachs? -> Generalsanierung, siehe oben!


Wie dicht ist das Gerät:

  • · Die oft genannte "Balgdichtheit" ist eigentlich nicht so wichtig, denn der Balg selber ist praktisch immer dicht - wenn nicht, ist er schon äußerlich so verratzt, dass man das auch so meist schon sieht.
  • · Außerdem ist kein Gerät wirklich komplett "dicht", da durch die vielen Ventile und Klappen immer was durchsickert.
  • · Wenn man das Gerät umschnallt, sollte der Balg nicht, bzw. sehr, sehr langsam nur von selbst aufgehen und bei mittelkräftigem Zug und Druck sollte man nichts rausblasen hören oder spüren und der Balg sollte sehr deutlichen Widerstand gegen das gewaltsame Auseinanderziehen oder Drücken aufbringen.
  • · Wenn man natürlich zu stark drückt, dann halten das die Tonklappen irgendwann mal nicht mehr und dann öffnen die sich teilweise und blasen ab - schadet dem Instrument nicht, bringt aber auch gar nichts.


Die Liste ließe sich noch beliebig ergänzen, aber mit den Bemerkungen alle im Hinterkopf und wachem nicht kaufvernebeltem Verstand, bist du eigentlich ganz gut gerüstet.


Erschlagen?

... Nicht bange werden - Die Liste soll keineswegs akribisch Punkt für Punkt durchgearbeitet werden. Die dient nur als Merkhilfe, um die groben Klärungspunkte nicht zu vergessen.


Das wichtigste ist überhaupt : klarer Kopf und gesunder Menschenverstand!



Zu guter letzt:

  • Kein Gebrauchtinstrument wird alle obigen Punkte vollständig erfüllen können!
  • Welche man in Kauf nimmt und wieweit man leichte bis mittlere Mängel akzeptiert hängt immer auch davon ab, wofür man das Instrument sucht und welche Qualitäts-/Preisklasse das Instrument darstellt und zu welchem Preis das Instrument angeboten wird.




Viel Glück beim Gebrauchtkauf und anschließend hoffentlich viel Freude mit dem Instrument!
 
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Hallo,

maxitos ausführliche Liste ließe sich noch um Dinge jenseits der Technik erweitern:

- es ist sinnvoll, einen Kaufvertrag in zweifacher Ausfertigung mitzunehmen, da der Verkäufer vielleicht keinen (vorbereitet) hat. Dieser Kaufvertrag kann sehr einfach sein, sollte aber mindestens enthalten: Hersteller des Instruments, Typ, Seriennummer falls vorhanden, Farbe, Baujahr, Anzahl Chöre Diskant und Bass, Bestätigung der Eigentümerschaft des Verkäufers, Schäden, Quittierung der Übergabe des Instruments, Quittierung des Empfangs des Kaufpreises.

- falls möglich sollte der Verkäufer den Kaufbeleg und evt. Service-Belege vorweisen. Wenn er das nicht kann, sollte er das glaubwürdig erklären können. Diesen Punkt kann man vorab, dh. vor einer möglicherweise längeren Anfahrt telefonisch oder per Mail klären.

- falls möglich sollte man zu zweit sein - 4 Augen und Ohren sehen und hören mehr als 2, deren Objektivität möglicherweise durch Vorfreude getrübt ist.

- Man sollte mit dem Instrument nicht nur selbst spielen, man sollte es sich auch vorpielen lassen - laut/ leise/ Diskant/ Bass.

Bei maxitos Rubrik "gesunder Menschenverstand" kann man ergänzen, ob die Gebrauchsspuren an Riemen, Balgverschluss und Balgschoner zu den Schilderungen des Verkäufers passen. Wenn die Trageriemen starke Einstellungsspuren in verschiedenen Weiten haben, weist das auf verschiedene Personen als Spieler hin.

Viele Grüße

morino47
 
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Führt dich der Verkäufer in den Keller in welchem stapelweise Akkordeons in DM Tüten gelagert werden?
Renn weg. Am besten laut schreiend.

Ist der Verkäufer mit einem großen Preisprung ohne wenn und aber einverstanden? Warum nur?

Mein Motto diesbezüglich-
Wer Erdnüsse säht wird später Affen ernten.
 
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Manchmal sind sie aber auch technisch in Ordnung und nur das Äußere hat stark gelitten.
Gerade Berufsmusiker gehen nicht sonderlich sorgsam mit Instrumenten um aber technisch sind sie ok.
Hatte gerade erst so einen Fall. Der Käufer hat sie günstig erworben und dann äußerlich überarbeiten lassen. Hat sich für ihn auf jeden Fall gelohnt. Ist nun wieder im Neuzustand. Hatte ein paar versteckte Risse an den Verleimungen und die aufgesetze Zelluloidleiste die um das Diskantteil läuft hatte sich gelöst. Vorsichtig abklopfen, man hört es am Klang. Ist aber auch kein Problem. Manchmal bekommt man auch Instrumente weil die Farbe gerade nicht so beliebt ist. Derzeit scheinen weisse Ladenhüter zu sein.
48403557_1812412668870461_4077927390053924864_o.jpg morino_diskant_kratzer_tief (1).jpg morino_deck_beulen.jpg
 
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Bei maxitos Rubrik "gesunder Menschenverstand"
Dazu ein etwas verspäteter Beitrag:
Habe gestern meine Atlantic IV N d. L. In die Kleinanzeigenbucht gestellt, und kurz drauf meldete sich ein älterer Herr vom anderen Ende von Deutschland, er fände die Kiste toll und möchte sie gern kaufen. Ich habe ihn in einem sehr netten Telefonat erstmal gefragt, ob so ein großes Akkordeon denn nicht zu schwer für ihn wäre, denn er ist schon 80.
Ach nee, kein Problem, er spiele ja schon seit 50 Jahren Akkordeon. Und wenn ich ihm sagen würde, dass alles in Ordnung ist, dann würde er mir glauben und gleich das Geld überweisen.

Und so geschah es. Ich frage mich bloß: Ist das noch gesunder Menschenverstand oder bloßes Gottvertrauen?

Jedenfalls kann er froh sein, an niemanden schlimmeren geraten zu sein als an mich :engel:...
 
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Ich frage mich bloß: Ist das noch gesunder Menschenverstand oder bloßes Gottvertrauen?
das kann man wohl nie genau beantworten.

Ein Verkauf - also der Handel zwischen Verkäufer und Käufer ist ja nie ein standardisierter Ablauf , sondern hängt immer von der konkreten Situation ab und von den Beteiligten. Und ein Verkaufsgespräch - auch wenn es sich nur um schriftliche Kommunikation über s Internet handelt ist auch immer was sehr individuelles und je nachdem welche Beteiligten da zusammentreffen gehts mal so, mal so aus.

In deinem Fall war s ja durchaus so dass zu vor ein direktes Telefongespräch stattgefunden hat - vermutlich länger als nur zwei drei Minuten. Und in so einem Gespräch werden ne Menge Informationen ausgetauscht. Informationen, die weit über die sachliche Debatte hinaus gehen- z.B:. ist das am anderen Ende ein freundlicher Mensch, ein sachlicher Mensch oder eher kurz angebunden...wie spricht der Mensch am anderen Ende der Leitung (also nicht was, sondern we erzählt er was)und damit werden viele Informationen weitergegeben (meist sogar unbewusst).

Und aus all den Informationen ergibt sich ebenfalls ein Bild, das für einen dann ein Gesamtbild ergibt nachdem man sich traut zu urteilen: hat der andere ein ähnliches Toleranzverständnis wie man selber?... klingt das alles vertrauenserweckend, oder eher aufgesetzt oder merkwürdig?...Und die Summe aller dieser Details ergibt dann eine Entscheidungsgrundlage auf Grund derer man dann die Entscheidung trifft.

Das ist in diesem Fall dann eine Entscheidungsfindung auf emotionaler Basis. Das ist auch völlig ok - solange man dann auch weiterhin auf der emotionalen Basis das Projekt weiter verfolgt, sollte es Schwierigkeiten geben... Und das kann dann unter Umständen bis hin zur Katstrophe gehen, wo man sich dann eingestehen muss: Da hab ich mich völlig von meinem Gefühl täuschen lassen... Das war Mist!

Aber man kann es auch auf der rein sachlichen Ebene abhandeln und z.B. stur nach obiger Checkliste vorgehen.

Beides ist ok - man sollte sich nur hüten dann von einem Modus inden anderen zu wechseln, denn das geht dann in aller Regel volends schief. Man kann m.E. nicht auf der emotionalen Schiene den Kauf tätigen ( so ein netter Verkäufer etc...) und dann nach Checkliste eine Mängelliste der Details vorbringen ( diese Balgecke ist aber nicht in Ordnung... die Stimmzunge habe ich jetzt gesehen hat aber n paar Schatten Flugrost drauf..)

Sowas verbietet sich m.E. nach meinem Verständnis von Anstand und Sitte.

Weil ich aber häufig erlebe dass heutzutage oftmals zuerst auf der emotionalen Schiene der Handel eingefädelt und vielleicht sogar abgeschlossen wird und dann gleich die sachliche Ebene nachgeschoben wird und rann rein sachlich und emotionslos die "Mängelliste" abgearbeitet wird, um den Verkauf zu mindern rückgängig zu machen oder sonstwas, habe ich oben , eingangs absichtlich die emotionale Seite ausgeblendet (weil die im Krisenfall halt auch wesentlich schwieriger zu managen ist) und habe deshalb absichtlich nur die sachliche Ebene anhand der Checksliste aufgeführt , weil diese eben auch ohne sonstige Nebenkenntisse (Gespür für komische Situationen, Menschenkenntnis...Vertrauen und evtl. eigene Toleranz gegenüber übersehenen Fehlern...) ) anwendbar ist.

... Was aber nicht heißt, dass man einen Handel nicht auch anders abwickeln kann....Da nehme ich mich selber auch nicht aus - ich habe z.B. auch mal ein relativ teures Akkordeon per "Handschlag" gekauft - eben weil ich in dem Fall dem Verkäufer einfach absolut vertraut habe. Wohingegen ich in einem anderen Fall dann auf Anfertigung eines Kaufvertrages bestanden habe...
 
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