Ray hat das vom Prinzip her schon recht gut erkannt!
Beim elektromagnetischen Tonabnehmer ist alles mit dem Begriff Schwingkreis verbunden. Das ist sozusagen die kleineste Einheit, auf die man ein solches Pickup reduzieren kann. Alles weitere (siehe RC-Glied) wird dann schlicht und ergreifend falsch!
Die Kenngrößen eines Schwingkreises
Der Elektrotechniker unterscheidet grundsätzlich zwischen Reihen- und Parallelschwingkreis. Welcher der beiden Schwingkreise als Erklärungsgrundlage für das Übertragungsverhalten des elektromagnetischen Tonabnehmers genutzt wird, ist letztendlich egal, denn es läßt sich mathematisch zeigen, daß jede Reihenschaltung in eine äquivalente Parallelschaltung umgerechnet werden kann und umgekehrt.
Für beide Kreise gelten bezüglich ihrer maßgeblichen Eigenschaften analoge Zusammenhänge, deren wichtigste die Kennfrequenz und die Güte darstellt.
Formel 1: Kennfrequenz und Güte eines Schwingkreises
Die Kennfrequenz wird häufig auch als Resonanzfrequenz bezeichnet, was in den meisten Fällen zwar haltbar, aber trotzdem prinzipiell falsch ist! Die Kennfrequenz ist eher eine theoretischen Größe. Die Resonanzfrequenz, bei der tatsächlich die Resonanz auftritt (der Blindanteil der Impedanz oder Admitanz ist 0), ist grundsätzlich etwas geringer.
Die qualitative Darstellung der Übertragungscharakteristik eine elektromagentischen Tonabnehmers zeigt das nächste Bild:
Übertragungscharakteristik eines unbelasteten (blau) und belasteten (rot) Tonabnehmers
Die Lage und Höhe des "Berges" wird durch die Kennfrequnz (Lage) und die Güte bestimmt. Dabei gilt, je größer die Güte, desto schmaler und höher ist der Berg.
Wird der Tonabnehmer belastet, so ist in erster Linie eine kapazitive Last von Bedeutung. Das kann das Anschlußkabel sein, aber auch der Kondensator der Tonblende und/oder ein zusätzlicher Lastkondensator zur Klangveränderung (siehe Guitar-Letter II).
Die entstehende Ersatzschaltung ist dann relativ kompliziert, was ebenfalls für die daraus resultierende Übertragungsfunktion gilt. Sie soll deshalb an dieser Stelle nicht gezeigt werden.
Man kann jedoch mit der oben gezeigten Formel eine brauchbare Abschätzung erzeugen, denn durch die zuätzliche Kapazität erhöht sich einfach der Wert von C
s. Das bedeutet in der Konsequenz, f
0 wird geringer, was viele vieleicht schon vermutet haben.
Kommen wir jetzt konkret zur Funktion der Tonblende. Um die Funktion zu verstehen, gehen wir in zwei Schritten vor:
1. Das Poti als Schalter
Zunächst sei der Schalter offen, daß heißt, es hat seinen maximalen Wert (z.B. 500kOhm). Gemäß Formel 1 kann man jetzt eine Kennfrequenz berechnen. Wir nehmen einmal folgenden Werte an:
L=6,16H, C=47,5pF, R=11,8kOhm, C
Kabel=700pF, C
Tone=22nF
Es gilt dann
Cs=C+CKabel
Als Ergebnis erhält man dann f
0=2345Hz.
Gleich mal nachrechnen!
Jetzt schließen wir den Schalter und das Poti hat seinen kleinsten Wert (0Ohm). Dadurch wird der Kondensator der Tonblende zusätzlich parallel zum Tonabnehmer gelegt. Jetzt gilt:
Cs=C+CKabel+CTone
Mit Formel 1 ergibt sich dann f
0=425Hz, was erheblich geringer ist und von uns klanglich einfach als dumpf empfunden wird.
Mit diesen beiden Werten sind die Endstellungen der Tonblende, zumindest bezüglich der Lage der Resonanzfrequenz, bestimmt. Wie groß die Güte an diesen beiden Positionen tatsächlich ist und was in den Zwischenstellungen des Potis geschieht, kann mit diesen Formeln leider nicht korrekt dargestellt werden.
2. Das Poti als Dämpfung
Stellen wir uns jetzt vor, daß der Tone-Kondensator eine unendlich große Kapazität hat. Damit kann er also weggelassen werden und es bleibt nur das Tone-Poti als paralleler Widerstand übrig.
Macht man diesen jetzt kleiner, dann steigt die Dämpfung des Schwingkreises und die Güte verringert sich. Der Berg wird also kleiner.
Rechnet man die Reihenschaltung aus Poti PT und Kondensator in eine Parallelschaltung um, so erhält man einen frequenzabhängigen Wirkwiderstand R
T(f) und einen vom Widerstand abhängigen Kondensator C
T(PT). Beides stellen theoretischen Größen dar, mit denen man im Normalfall nicht vernünftiges anfangen kann.
Der wirksame Parallelkondensator C
T(PT) ist jedoch antiproportional zum Widerstand des Potis. Das heißt, je kleiner PT, desto größer die Kapazität und folglich desto kleiner die Resonanzfrequenz.
Dieser Effekt ist jedoch kaum zu bemerken, da die durch den Widerstand erzeugte Dämpfung wesentlich stärker ist. Diese steigt solange an, bis der Betrag des Blindanteil des Tone-Kondensators größer als der Wert des Tone-Potis wird. Danach wird die Dämpfung wieder geringer!
Die Wirkung in der Übertragungsfunktion
Wenn man die Übertragungsfunktion berechnet (und das hat der Onkel getan), dann kann man natürlich eine ganze Menge verschiedener Dinge exakt simulieren und ist nicht mehr auf Vermutungen angewiesen.
Das folgende Bild zeigt, analog zu der schon früher gezeigten Animation, die verschiedenen Amplitudengänge in Abhängigkeit des Tone. Die Simulation erfolgte mit den oben genannten Daten und einem logarithmischen Poti.
Sicherlich fällt auf, daß Frequenzen unter 100% wieder gedämpft werden. Das liegt daran, daß hier eine Schaltung mit einer zusätzlichen Baßabsenkung simuliert wurde. Auf die Wirkung der Tonblende hat das jedoch keinen Einfluß!
Das untere Bild zeigt, wie sich die Resonanzfrequenz (blau) und ihre Ausprägung (rot) in Abhängigkeit des Drehwinkels verhalten.
Zwischen 60% und 100% steigt die Dämpfung linear an, was ja auch gewünscht ist. Die Resonanzfrequenz beginnt sich erst zwischen 60% und 80% signifikant zu verändern.
Zwischen 20% und 55% ändert sich eigentlich kaum etwas. In diesem Bereich klingt die Gitarre dann immer etwas flach, ein Zustand der von vielen Gitarristen dann fälschlicherweise mit "fehlender Dynamik" bezeichnet wird.
Unter 20% steigt dann die Resonanzfrequenz wieder an und auch die Ausprägung steigt wieder. Hier wird dann also der Tone-Kondensator als Wirkung auf die Resonanzfrequenz voll wirksam.
Zusammenfassung
- Die Tonblende in der Elektrogitarre ist also in erster Linie ein Umschalter für den aus dem Tonabnehmer und seiner elektrischen Umgebung gebildeten Schwingkreis. Je nach Endstellung des Potis ist der Tone-Kondensator bezüglich der Resonanzfrequenz wirksam oder nicht.
- In den Zwischenstellungen wirkt das Tone-Poti als einstellbare Dämpfung der jeweiligen Resonanzspitze.
So, mehr ist zu diesem Thema im Moment nicht zu sagen.
Ulf