Hmmm, ein philosphischer Thread. Da bin ich dabei, dat is' pri-iii-maaa...
Tja, mal gucken, was gefällt mir am Musik machen?
- Mit netten Leuten was unternehmen? Klar!
- Sich künstlerisch betätigen? Sicher!
- Sich von Veranstaltern und Technikern ein bisschen wie ein VIP behandeln lassen ("Bühne ist laut Rider verkabelt, Catering steht in eurem Backstageraum, was wollt ihr trinken?")? Aber ja!
- Sich vom Publikum bejubeln lassen? Aber so was von!
- Auch noch Geld dafür kassieren? Na klar!
- Sonstige Annehmlichkeiten genießen (eigener Tourbus, bezahlte Cluburlaube...)? Selbstverständlich!
Nach Durchsicht dieser kleinen Liste könnte man auf die Idee kommen, ich mache nur Musik, weil ich mich dadurch wie ein (sehr kleiner
) Star benehmen könnte und dafür auch noch Geld bekomme. Und natürlich wäre es gelogen, wenn ich sagen würde, dass ich das nicht genieße.
Aber: Es hat rund 15 Jahre gedauert, bis durch eine Band mehr reinkam, als ich reingesteckt hatte. Und von den teils vollkommen katastrophalen Begleitumständen der meisten Gigs in den ersten 10 Jahren will ich gar nicht erst reden.
Und trotzdem wäre ich nie auf die Idee gekommen, Musik an den Nagel zu hängen und Kegeln zu gehen. Annehmlichkeiten und Geld hin oder her: Es macht mir einfach Spaß, mit guten Leuten einen Song zum Leben zu erwecken und im besten Sinne MUSIK mit der dazugehörigen Interaktion zwischen Musikern zu machen.
Daher käme ich auch nie auf die Idee, im stillen Kämmerlein zu sitzen und irgendwelche Songs vor mich hin zu produzieren. Ich gehe gern ins Studio, um Demos, CDs o.ä. aufzunehmen. Aber was ich wirklich machen möchte, ist, live mit anderen zusammen zu spielen.
Dazu gehört natürlich auch, dass man nicht nur im Proberaum sitzt, sondern öffentlich vor Publikum spielt. Die Interaktion zwischen Band und Publikum kann an guten Abenden ein solcher Kick sein, dass auch Sex dagegen verblasst.
Und damit nähern wir uns auch der Beantwortung der ursprünglichen Frage: Ich (und meine Band) machen Musik ganz klar für uns UND das Publikum. Songs, die wir selbst überhaupt nicht mögen, kommen nicht ins Programm. Auch wenn das unsere jährlichen Buchungen in astronomische Höhen treiben würde, werden wir definitv nix von Andrea Berg, DJ Ötzi oder Wolfgang Petry und Konsorten spielen. Auf der anderen Seite wird auch kein Song ins Programm kommen, mit dem das Publikum nichts anfangen kann.
Den Musikern, die glauben, sich selbst und andere durch "total innovative" Songs/Solis beeindrucken zu müssen, begegne ich mit tiefem Misstrauen. Meine persönliche "Frickelphase" mit 7/8-Takten, wilden Skalen und möglichst vielen ungewöhnlichen Noten pro Minute ist vorbei. Und aus Erfahrung und ständiger Anschauung weiß ich, dass >80% dieser Darbietungen musikalischer Blödsinn sind. Innovation ist kein Wert an sich. Und das Rad neu erfinden wird auch keiner mehr.
Diese Leute (ich gehörte mal dazu!) spielen dann aber tatsächlich nur für sich, nicht für ihr Publikum. Wenn sie das akzeptieren, ist das auch kein Problem. Schlimm finde ich allerdings, wenn solche Leute glauben, die besseren Musiker zu sein ("Hey, deine Band spielt ja nur das übliche Zeugs! WIR dagegen sind echte Künstler und machen unser eigenes Ding!").
Um es noch mal zusammenzufassen:
Ich mache Musik, weil ich gerne im eigentlichen Sinne Musik mit anderen zusammen mache. Und ich genieße in vollen Zügen alle Annehmlichkeiten, die das glücklicherweise im Moment mit sich bringt.
Ohne meine jetzige Band hätte ich noch nie in einem riesigen Zimmer im Schlosshotel oder im Maritim genächtigt, wäre noch nie in einem türkischen Robinson-Club gewesen (schon gar nicht "all expenses paid"), hätte noch nie erlebt, wie es ist, vor mehr als 5000 begeisterten Zuschauern zu stehen, hätte nicht "meinen" eigenen Bandbus mit allem Luxus (und ich meine Luxus: Einzelsitze, 23''-Flatscreen, Surround-System, 2 Klimaanlagen, X-Box, Standheizung...
) und könnte mir schon gar nicht den Luxus erlauben, die Bühne erst dann zu betreten, wenn Bühne, Licht und PA laut Rider stehen, um mal eben Soundcheck zu machen und dann ins Catering zu gehen.
Klar genieße ich das. Aber ich bin mir ganz sicher, dass ich auch ohne all das Musik machen würde. Und zwar immer noch für das Publikum, das da vor mir sitzt oder steht. Ob das nun 10 oder 10.000 Leute sind. Und ich würde immer noch genießen, mit anderen zusammen Musik zu machen. Und wenn's gut läuft, gefällt's auch noch dem Publikum
LeGato