Gibt es einen Grund mir diesen aussergewöhnlich langen Stretch mit Bending anzutun? Wie würdet ihr dieses Lick spielen?
Einen der größten Fehler, die man beim Lernen oder auch nur Nachspielen-wollen machen kann, ist, die Fehler der Vorbilder zu kopieren.
Es spricht für dich, dass du so helle bist und stutzig wurdest, als du diesen Unsinn von Fingersatz gesehen hast! ;-)
Man darf nicht glauben, wenn das Vorbild so gut spielt, muss dieses ja alles richtig gemacht haben auf dem Weg zu seiner Gitarrenkunst und deshalb ja auch so gut geworden sei.
Fakt ist etwas ganz anderes: Das Vorbild wäre noch viel besser geworden, wenn es begriffen hätte, wie wichtig die Ergonomie und Intelligenz beim Spielen, bzw. bei der Gestaltung der Fingersätze ist. Gerade, wenn es mit solch katastrophalen Fingersätzen trotzdem noch etwas herausbringt.
Der Fingersatz, zu dem dir Silenzer und Durango geraten hat - d e r ist intelligent und ergonomisch. Und ich würde dir auch sehr raten, ganz allgemein den kleinen Finger zu benutzen wenn ein Melodiegang sich über 4 Bünde erstreckt - oder ist der amputiert bei dir oder nur zur Zierde da? ;-)
Für jeden Bund sich einen Finger zu reservieren - gerade bei Läufen - ist die absolut natürlichste und sinnvollste Grundtechnik. Mit drei Fingern ist man einfach eingeschränkt in seinen Möglichkeiten. Mit vier Fingern hast du nicht nur viel mehr Möglichkeiten, dich musikalisch zu entfalten, sondern es dir auch leichter zu machen - bis hin zu Passagen, die für 3-Finger Spieler unspielbar wären. Und Letzteres muss nicht einmal exotisch sein, sondern ganz simpel in der II. Lage mit Aufschlägen und Abziehern sich vom 2. bis zum 5. Bund erstrecken (fis-g-a und wieder zurück- anschließend vom fis zum e der h-Saite). Das alles natürlich sehr schnell und in Wiederholung. Alleine diese simple Kombination ist auf Tempo für 3-Finger Spieler nicht mehr schaffbar - für einen 4-Finger Spieler, wenn er nicht gerade Anfänger ist, eine lächerliche Kleinigkeit.
Wenn du nur so gut werden willst, wie Gary Moore, dann mache alles genau so nach, was er gemacht hat - es kann aber sein, dass du es nicht einmal schaffst, weil er, so wie MojoKing94 schon geschrieben hat, riesige Hände hatte.
Wenn du aber besser werden willst wie Gary Moore - dann spiele keinesfalls so wie er: Spiel intelligent und ergonomisch. Und hinterfrage - so, wie du das jetzt ja schon tust.
Auch ein Pferd würde einbüßen von seinem Potential, wenn es statt 4 Beinen nur 3 benutzen würde oder 2 Beine auseinanderreißen, um über einen breiten Bach zu kommen. Es würde alle Viere einsetzen anstatt unnötig und quälerisch nur zwei Glieder auseinanderzureißen! Ein Pferd hat Freude an seiner Geschicklichkeit und Leichtigkeit in der Bewegung - nicht an einer tumben, umständlichen Quälerei! Bei den allerbesten Musikern ist es nicht anders - deshalb sieht ja auch alles relativ leicht aus, wenn jemand sehr gut spielen kann.
Aber ein Gaul hat es auch leicht, denn der ist von Natur aus schon intelligent und weiß sich ergonomisch zu bewegen - die meisten Menschen dagegen müssen erst noch intelligent werden im Laufe ihres Lebens. Bis es so weit gekommen ist, ahmen sie immer die Fehler ihrer "Anführer" nach - ob nun Musiker oder Kinder. ;-)
Aber zum Glück wachen immer mehr auf, achten ihre Vorbilder zwar und sind ihnen dankbar für die große Inspiration, aber machen deshalb nicht alles falsch, was d i e falsch gemacht haben - intelligente Menschen lernen aus den Fehlern Anderer anstatt sie nachzuahmen! ;-)