@JanHe, danke für das Video!
Es gibt eine Sache, die sofort ins Auge springt: Die ersten Fingerglieder der Zeige- und Mittelfinger an beiden Händen knicken sehr stark ab. Dabei knickt der linke Mittelfinger sehr weit in Richtung Handrücken ab (dorsal-Flexion) und die Zeigefinger beider Hände knicken sehr weit in Richtung Handfläche ab (palmar-Flexion), bzw. genau genommen beugst du letztere aktiv beim Spielen so weit ab. Die dorsal-Flexion des Mittelfingers erfolgt hingegen nicht durch eine aktive Beugung, sondern, indem der Finger so weit und stark auf die Flöte gedrückt wird, dass das erste Fingerglied wegknickt. Dieser Mittelfinger ist auch sehr stark gebeugt, damit er sein Tonloch mit der Fingerspitze erreicht. Der Mittelfinger rechts ist wesentlich mehr gestreckt.
Vor allem diese starke dorsal-Flexion erscheint mir unphysiologisch und sie tritt eigentlich nur auf, wenn man sehr stark mit dem Finger drückt, aber auch diese deutliche aktive palmar-Flexion der anderen betreffenden Fingersitzen ist recht ungewöhnlich.
Dieses starke Abknicken deutet für mich auf eine Überbeweglichkeit in den betreffenden Fingergelenken hin (sog. "Hypermobilität"). Hypermobilität in den Gelenken kann angeboren sein, aber auch erworben. Das wäre z.B. durch degenerative Erkrankungen des Gelenks oder, häufiger, durch Überbeanspruchung und Überbelastungen über lange Zeit.
Die Beweglichkeit ist aber an sich individuell verschieden, es gibt Menschen mit sehr festen Gelenken und andere mit recht ´lockeren´ Gelenken ohne dass das eine oder das andere unphysiologisch sein muss. Die Grenze zur unphysiologischen Hypermobilität ist aber dann überschritten, wenn aufgrund der Überstreckungen Schmerzen auftreten, auch ohne dass die Gelenke übertrieben belastet werden (bei übertriebener Belastung schmerzen Gelenke, Sehnen usw. ohnehin schnell, auch wenn sie physiologisch unauffällig sind).
Was wäre nun die Konsequenz aus einer möglichen Hypermobilität und was wäre mein Rat?
Das Problem bei Hypermobilität ist, dass die knöchernen Strukturen des Gelenks die am Gelenk auftretenden Kräfte nicht mehr aufnehmen können und den Bewegungsradius damit natürlich im eigentlich physiologisch korrekten Rahmen begrenzen, die Stabilität des Gelenks ist also gefährdet und wird nicht mehr durch die Knochen gewährleistet. Dann gehen die Kräfte und Belastungen immer mehr auf die Gelenkkapsel und die Sehnen über, die aber auf Dauer damit überfordert sind.
Schmerzen sind die logische Folge.
In jedem Fall (auch ohne Hypermobilität) dürfen die Finger nur mit der minimalsten Kraft (das Wort "Kraft" ist eigentlich schon maßlos übertrieben) auf die Tonlöcher gelegt werden ("legen" bzw. "ablegen" trifft es viel besser). Auf keinen Fall sollte die Mittelfinger-Spitze auch nur beginnen, nach hinten abzuknicken. Auch mit den anderen Fingern solltest du auf die Suche nach dem minimalsten Aufwand gehen, der genügt, die Tonlöcher zu schließen (gilt aber sowieso für alle Finger).
Damit kann die Überlastung vermieden werden und die Schmerzen sollten verschwinden. Wobei es offen gesagt, ganz schön schwer sein kann, diese größtmögliche Leichtigkeit im Spielen zu finden. Wenn sich schon eine Gewohnheit eingeschlichen hat, zuviel Kraft zu machen, dann muss man sehr auf der Hut sein, gegen diese Gewohnheit immer wieder konsequent anzugehen.
Pausen beim Üben sind immer ein guter Rat, bei Fehlbewegungen und Überlastungen noch wichtiger.
Nicht vergessen möchte ich noch, nachzufragen, welche(r) Finger genau schmerzt/schmerzen. Treten diese oder ähnliche Schmerzen auch im Alltag auf und wenn ja, bei welchen Gelegenheiten?
Über die relativ eng am Körper anliegenden Arme wurde auch schon gesprochen. Das könnte ein Hinweis auf Über-Spannungen in den Armen (und ggf. auch den Schultern) sein (die sich im übrigen schnell auf die Hände und Finger im Sinne einer negativen motorischen Kette übertragen). Also auch unbedingt die Arme mit in die Suche nach der "Leichtigkeit" mit einbeziehen.
Toi, toi, toi!