Auf geht’s!
… sorry, es hat ein wenig gebraucht, um diese Werksbesichtigung einzuordnen:
Ambivalent.
Vorgeschichte
In Vorbereitung auf diesen Musikurlaub (die Idee entstammt einer Küchensession mit einigem Jacky, schrägen Liedern und weltverbessernden Diskussion, irgendwo in der Nähe von Süderbrarup), ist Framus (online!) für Markneukirchen der gut zu sehende Leuchtturm im Instrumentenbau.
Daraus ergab sich der einzige vorab fix zu setzende Punkt dieser Reise, welchen ich mit großer Freude entgegenfieberte. Um so mehr Menschen ihr im Musikwinkel begegnet, kann sich Eure Wertung für „mein schönstes Erlebnis“ aber ändern.
Es braucht persönliche Kontakte, offene Augen und Ohren des Reisenden, ist aber dann das Wirklich Interessante in dieser Bergwelt am Rande des Erzgebirges.
Kurz: um zu erkennen, wie hier Musik gelebt wird, wird Euch keine Marketinggesellschaft, Touristeninformation oder Museum helfen. Sondern die nette Fleischersfrau beim Bockwurstverkauf oder das Musikerboard sind Schlüssel zu dieser Jahrhundertealten Welt, die auch heute gut davon lebt das Klangkörper in aller Welt Wissen, worauf es ankommt. Und wo es zu haben ist.
Erklärungsversuch
Wer Urlaub auf dem Bauernhof bucht und dann vom „Betriebsleiter“ stolz den vollautomatisierten Betrieb mit weltweiter Logistik- und Vertriebsorganisation gezeigt bekommt, kann zwei Reaktionen entwickeln: Begeisterung über die technischen Innovationen für das Fortbestehen des Berufsstandes; oder nach der Hofkatze zum Streicheln suchen.
Beides durchlebte ich in Markneukirchen innerhalb von Mittag bis Sonnenuntergang. Eigentlich wäre die Geschichte des Tages, welche beim Grillen mit Instrumentenbauern endete, das erstmalige Begrabbeln eines Banjos oder einer Ukulele aus der Hand des Erbauers… Aber Interessierte E- Gitarreros sollen ruhig Erfahren, das sich der Besuch bei Framus lohnt.
Der Werksbesuch
Weil wir uns bei Torsten Preuß in der kuscheligen Werkstatt und beim Besprechen des spontanen Grillabends um sechs festgequatscht hatten, hetzten wir 15 Minuten zu spät aufs Gelände.
WOW!! Was Euch nach der unscheinbaren Eingangstür erwartet, wird Euch umhauen. Eigentlich träume ich von einer Wohngarage. In trauter Eintracht mit Tresen und Motorrädern. Ich lege nun noch mal ein paar Quadratmeter drauf für Instrumente. Hier lässt es sich Wohnen!
Da wir die Einzigen zu diesem Führungstermin sind, wird schnell die junge Dame gesucht und wir können losziehen….
Vorher noch die Führung bezahlen… und
- Ja, sie wird das Geld (13,50€ pro Person) wert sein.
- Ja, das war/ist auch bei Anderen üblich, da produktive Zeiten gebunden werden.
- Nein, kein Anderer Instrumentenbauer wollte Geld von uns.
Zu diesem Flecken Instrumentenproduktion hat das Board bereits einige Threads in den Werksführungen. Deswegen versuche ich erst gar nicht, all diese Fakten zu Wiederholen. Bei E- Gitarre kann ich sowieso nicht mitreden…. Genießt die Bilder…
Deshalb:
- Ja, die Runde ist die Gleiche wie hier in Videos und Berichten zu lesen ist.
- Ja, ihr solltet mehr Zeit mitbringen, als die veranschlagte Stunde.
- Ja, super interessant. Alles.
- Ja, es kann alles fotografiert und gefragt werden.
- Ja, im Anschluß könnt ihr Alles ohne Aufsicht ausprobieren, bespielen und begrabbeln bis der Nachtpförtner Euch rauswirft.
--- Beiträge wurden zusammengefasst ---
Holzlager
ist immer interessant! Sehr erstaunt bin ich, das hier so gut wie kein Verschnitt in die Recyclingtonne geht. Alles ist irgendwie für die Instrumente verwertbar. Es gab recht ungläubige Blicke, das Steinway ein eigenes Heizkraftwerk, nur mit Holzverschnitt betreibt.
Tropenhölzer werden als selbstverständlich und problemlos verarbeitet. Nicht nur als Furnier, sondern auch in massiven Bodys. Ordentliche Zertifikate und geklärte Herkunft vorausgesetzt.
Neu für mich war, was für ein Aufwand beim Verarbeiten von FSC- zertifizierten „ordinären“ Gebrauchshölzern betrieben werden muß, um das Siegel zu behalten. Jeder Zuschnitt, welcher einen neuen Holzklotz entstehen lässt, wird gestempelt und in Büchern geführt.
Trocknung
Klar, gut ablagern… evtl. Trockenkammer. Hier steht neben den klassischen Trocknungsverfahren auch eine Vakuumtrockenkammer bereit. Vorteil: Die Trocknung geht wesentlich schneller. Nachteil: das Risiko der Rissbildung ist größer. Deswegen: Die edleren Hölzer kommen da nicht rein.
Zuschnitt
Spätestens hier verlassen wir die Welt, in der ein Gitarrenbauer seine Hölzer liebevoll befühlt, abklopft oder riecht was er vor sich hat. Zum Teil vollautomatisiert wird nicht nur zugeschnitten, sondern die Feuchte der Hölzer gemessen und selektiert. So kommt nur „Gleiches zu Gleichem“, sofern es im Fenster der Toleranzen liegt. Ansonsten: zurück auf Start.
mit Blick in die Halle...
Bodys und Hälse
Es muß nicht die Werkstatt im Ersten Stock sein, unten spielen die Kinder und die Frau kocht das Mittagessen, um klasse Instrumente zu bekommen: Verfahrenstechnik, Organisation der Handgriffe, strenges Qualitätsmanagement und Können von Maschinenbauern schaffen das auch.
Besonders hervorzuheben sind die Verfahren für die Gitarrenhälse:
Der späte Zuschnitt, in dem aus dem Klotz plötzlich zwei Hälse werden. Und die Bundierung und Bearbeitung im Automaten zu Hunderten. Quasi gleichzeitig.
Die Arbeitsplätze
Automatisation, ergänzt durch Handwerkliche Nachbearbeitung machen die konstante Qualität aus. Alles Blitzsauber, präzise Arbeitsanweisungen und eine geschlossene Klimakette… Kurz: immer auf die Effektivität des Arbeitsschrittes optimiert.
Das Lackieren
Die Oberflächen, welche hier auf dem Weg zu sehen sind, machen Staunen. Metall, Glitzer, die Farben an sich sowieso. Das Verfahren der UV- Trocknung ist der Gipfel vom Ganzen. Verständlich das andere Instrumentenbauer bei ihren alten Verfahren bleiben: Die Investition ist gewaltig, so das auch entsprechende Masse dahinter stehen muß. Vor diesem Hintergrund hat die Arbeit mit Zelluloid bei Akkordeons oder Nitrolack im Gitarrenbau weiterhin seine Berechtigung im Handwerk.
Montage und Prüfung
Die wohl coolsten Arbeitsplätze in Deutschland! Wer kann schon von sich behaupten, einen Amp unterm Schreibtisch stehen zu haben? Und zwar, weil der der Chef ihn hingestellt hat und nicht Ausdruck des persönlichen Hobbys ist!
Auslieferung
Klar. Produktion auf Bestellung ist das Wirtschaftlichste. Aber: Vieles wird öfters gewünscht und kann somit in Chargen auf Vorrat hergestellt werden.
Auswahlsaal
Ja, den gibt es hier auch! Hier kann auf der gesamten Palette gespielt werden und im Testraum an verschiedenen Amps getestet werden. Leider waren einige Akustische nicht gestimmt. Grundsätzlich kein Problem, aber eine Zwölfsaiter häng ich denn lieber wieder weg.
Framus Museum
Klar. Ansehen! Wir hatten nun aber etwas Freizeitstreß, weil wir noch eine Kiste Bier zum Grillen besorgen und pünktlich anstoßen wollten.
Fazit
Machen! Geht hin und schaut Euch an, wie eine moderne Gitarrenproduktion aussieht. Schön, das in Deutschland auch Gitarren industriell und für den Normalspieler gebaut werden können. Weniger schön, das der Eindruck bleibt, das es ein Äquivalent zur „Gläsernen Manufaktur“ von VW versus der eigentlichen Massenproduktion ist. Nicht alle Instrumente im Auswahlsaal kommen auch von hier. Eigentlich normal. Nur für das Vogtland nicht, wo alles was klingt auch „Seele“ eingehaucht haben muß.
Versöhnliches
Im Musikwinkel gibt es sogar noch Saitenmacher und Torsten Preuß seine Zulieferer liegen in Fußweite zur Werkstatt. Man kennt sich, hat seit Ur-Ur-Ur-Ur-Opas Werkstattgründung seine eigenen Ansichten zum Instrumentenbau, oder junge Neugründer ihre Sicht darauf… Und dann der Blick in diese Fabrik mit dem Optimum an Organisation. Das sind zwei Welten, welche sich in Markneukirchen nicht berühren. Aber trotzdem, die Frage zum Sonnenuntergangsbier: „Wer hat Euch denn durchgeführt?“… „Ach ja, ist die Freundin meiner Tochter. Fleißiges Mädchen…“.
Micha
P.S.: mehr Bilder stehen noch in der Galerie.
https://www.musiker-board.de/media/albums/warwick-werksbesuch-2016.4441/
Oder: ihr macht den virtuellen Rundgang online mit:
http://www.warwick.de/de/Framus---C...y-Tour--Besuchen-Sie-uns.html#current_site_id