In dem betreffenden Abschnitt zeigt eine ansonsten eher reaktionsarme Person das erste Mal Anzeichen von Interaktion mit der Umwelt, und dies geschieht über das latente Interesse an Musik als Katalysator.
Es ist schon lange bekannt, dass z.B. Schlaganfallpatienten, die ihr Sprachvermögen verloren haben oft noch ihre von früher bekannten Lieder singen können, auch eine Kommunikation, wenn auch eine sehr eingeschränkte, ist über die Musik, vorwiegend das Singen, möglich. Dasselbe gilt auch für Demenzkranke.
Wenn man nach den Begriff-Paaren "Musik und Schlaganfall", "Musik und Demenz" googelt, kommen viele interessante Quellen dazu.
Die Seite "dasgehirn.info" ist auch wieder recht ergiebig dazu, u.a.:
https://www.dasgehirn.info/denken/musik/die-heilkraft-der-musik
Leider scheint mir die physiologische/psychologische Forschung i.V.m Musikalität (im Vgl zu Gebieten wie Krebs oder Herz-Kreislauferkrankungen) jetzt nicht überfinanziert zu sein, was wohl auch zur Folge hat, dass es viele sehr 'weiche' Begriffe, aber wenig 'harte' gibt.
Musikalität darf man gewiss als einen Begriff bezeichnen, der streng wissenschaftlich nicht zu fassen ist. Intuitiv wird so gut wie jeder hier im Forum eine Vorstellung davon haben, was Musikalität sein könnte. Aber für eine (neurologisch-)wissenschaftliche Erfassung ist dieser Begriff zu unkonkret und gleichzeitig zu vieldeutig.
Schon hier im Forum wird das ganz schnell deutlich, wenn die enorme Spannbreite der musikalischen Vorlieben und Interessen betrachtet, die alleine hier vertreten sind. Da gibt es Fans von "Trash-Metal" oder ähnlich, deren Musik zu hören für mich in die Richtung ´Folter´ gehen würde, würde man mich zwingen, sie anzuhören. Wobei ich niemandem zu nahe treten möchte, über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten, es geht mir hier eben
nicht um Kritik, sondern um ein plastisches Beispiel, warum Musikalität ein extrem schwer zu fassendes Kriterium ist. Denn umgedreht würde manch ein "Trash-Metal"-Fan die von mir so geschätzten Bach-Fugen als langweilig, gräßlich oder sie anhören zu müssen als ´Folter´ bezeichnen.
Dazwischen ist jede nur denkbare Zwischenstufe möglich, auch jede Kombination, wenn etwa ein "Trash-Metal"-Fan auch gleichzeitig Bach-Fugen ganz toll findet.
Nun geht es dabei um das Hören und man könnte einwenden, dass es einfacher und sinnvoller sei, Musikalität anhand der Ergebnisse und Interpretationen ausführender Musiker zu "messen", also anhand konkret von Menschen gespielter Musik. Ein nicht mehr als flüchtiger Blick auf die Rezensionsgeschichte zeigt die Unmöglichkeit eines solchen Unterfangens, auch diesbezüglich wird man in Foren wie diesem hier sicher schnell zu einem solchen Urteil kommen.
Damit will ich nicht sagen, dass sich Musikalität nicht von Unmusikalität unterscheiden ließe, im musikpädagigischen Umfeld geschieht das oft genug - wobei auch da oft sehr zweifelhafte Urteile gefällt werden. Denn das Kriterium Motivation spielt auch eine große Rolle, die nicht immer sauber beachtet wird, aber das zu diskutieren soll hier jetzt keine Rolle spielen.
Amusikalität, wie sie
@McCoy beschreibt, geht schon allmählich in die Richtung einer neurologischen bzw. Wahrnehmungsstörung.
Der im reproduzierenden Sinne "unmusikalische" mag dennoch mit Begeisterung Musik-Hörer sein, wie
@McCoy ebenfalls erwähnt.
Unter dem Strich dürfte derzeit (und soweit ich über dieses Thema informiert bin) der kleinste gemeinsame Nenner der neurologischen Forschung sein, dass (fast) alle Menschen zu musikalischen Empfindungen fähig sind. Die Empfindungen ließen sich zwar sicher noch gerade so standardisieren, etwa Freude, Trauer, Aufregung, Beruhigung (Untersuchungen dieser Art gibt es ja schon lange), was diese Gefühle individuell aber auszulösen vermag, wird sich dann aber wieder nicht oder kaum standardisiert erfassen lassen (siehe meine Beispiele mit Bach und "Trash").
Vor etlichen Jahren habe ich einen Rundfunkbeitrag gehört über eine wissenschaftliche Untersuchung zum Thema "Begabung" (das war während einer Autofahrt und ich konnte keine Notizen dazu machen, ich konnte später leider weder diesen Beitrag wiederfinden noch irgendeine Quelle, ich zitiere nur aus dem Gedächtnis). Man hat sich dazu Musikstudenten ausgesucht, wofür mehrere Gründe sprachen. Ihren relativen Erfolg konnte man leicht anhand der Noten bei Zwischenprüfungen und Abschlüssen evaluieren. Außerdem war aufgrund ihres noch jungen Alters ihr biografischer Hintergrund gut zu erfassen, also ob sie aus einem musikalischen Elternhaus kamen, wieviel sie über die Jahre im Schnitt geübt hatten, wann sie mit dem Instrument anfingen usw.
Das Ergebnis war ernüchternd: das einzige Kriterium, das statistisch signifikant und relevant mit ihrem Erfolg korrelierte war - die Summe ihrer Übezeiten. alle, die messbar mehr geübt hatten, waren statistisch eindeutig besser als alle, die weniger geübt hatten (die Übezeiten differierten in der Summe um rund 10.000 Stunden).
Man konnte also so gut wie nichts über Begabung heraus finden, sondern nur konkret über Fleiß
.
Einzig eine ganz kleine Gruppe stach aus diesem statistisch belegbaren Schema heraus. Das waren diejenigen, die Top-Leistung brachten und dabei signifikant weniger geübt hatten bzw. übten als diejenigen, die viel übten (wobei auch keiner dieser Top-Spieler faktisch sehr wenig übte, auch sie kamen auf viele Stunden.)
Bei diesen konnte man objektiv davon reden, dass sich besonders begabt waren, wenn nicht sogar hochbegabt.
Warum sie aber so hoch begabt waren, konnte diese Untersuchung seinerzeit nicht heraus finden.
Ich erinnere mich selber aus meiner Studienzeit an der Folkwang-Musikhochschule um die Mitte der 80-er Jahre an einige wenige solcher Top-Begabungen, die alle keine "Übetiere" waren. Das waren damals in der ganzen Hochschule aber vielleicht nicht mehr als 5.