Hallo Leonhard,
Das gezeigte Instrument ist ein Nachbau-Versuch für etwas, das es schon seit ca. hundert Jahren gibt. Man hat ja schon vor 1900 versucht, die Musik zu "automatisieren" und damit größeren Bevölkerungsschichten zugänglich zu machen, denn bis dahin konnte nur der Musik hören, wer sich eine Kapelle oder einen Musiker leisten konnte.
Das fing erstmal mit den Walzenspieldosen an; die wurden zu Anfang im französischen Jura und später auch in Wien und anderen Städten hergestellt. Sie waren allerdings sehr teuer und hatten den Nachteil, dass man im Wesentlichen nur immer die gleichen Lieder spielen konnte, die auf der Walze drauf waren.
Es machten sich nun Hunderte von findigen Köpfen daran, was Besseres zu erfinden, und man kam über mehrere Übergangsstufen (z.B. Blechplattenspieler) zur pneumatischen Steuerung, bei kleineren Instrumenten mit gelochten Papiernotenrollen oder für Großinstrumente (Kirmesorgeln) mit Kartonnotenbüchern.
Es ging nun eine wahre "Automatisierungswelle" durch die Musikindustrie; man hat alles automatisch gesteuert: Klavier, Orgel, Banjo, Schlagzeug, Harfe, Glockenspiel usw. und irgendwann hat es auch das Akkordeon erwischt.
Es gibt heute noch in Antwerpen in bestimmten Kneipen riesige Tanzorgeln, die u. a. mit zwei oder drei Akkordeons bestückt sind und die heute noch laufen.
Man hat auch lebensgroße Puppen mit Akkordeons bestückt und diese Puppen konnten sogar noch die Finger bewegen und dadurch den Anschein wirklichen Spielens erwecken.
Die Tasten wurden pneumatisch über kleine Bälge angesteuert (so wie in dem Post abgebildet), die über Unterdruck (Vakuum) von der Notenrolle aus gesteuert wurden. Ein Paradebeispiel steht in meinem Lieblingsmuseum im Schloss Bruchsal.
http://www.dmm-bruchsal.de/
Das ist eine Figur, die angeblich den Alleinunterhalter Tino Rossi darstellen soll und der auf einer Scandalli spielt. Er hat sogar noch einen schlagzeugenden Sarotti-Mohr bei sich.
Es gab auch viele selbstspielende Akkordeons, die von außen nicht gleich erkennen ließen, dass sie nicht wirklich vom Bediener gespielt wurden, so z. B. den "Tanzbär" aus Sachsen und die "Magic Organa" von Hohner. Auch diese Geräte sind in Bruchsal zu besichtigen.
http://www.vintageaudioberlin.de/vabgalerien/kurioses/Hohner Magic Organa/index.htm
http://www.vintageaudioberlin.de/vabframe2/kurioses.htm
Es gibt außerdem noch einige Museen, wo man auch solche Kisten besichtigen kann, so z. B. in Rüdesheim, Königslutter etc.
Selbstspielende Akkordeons (heute allerdings mit elektronischer Steuerung) werden sogar heute noch hergestellt.
http://www.magieca.de/
http://www.ziehorgel.de/harmonika.php
Wer also keine Lust mehr zum Üben hat, der kaufe sich so ein Ding.
Jetzt höre ich lieber auf, sonst wird's der längste Post des Forums. Ich habe ungefähr zwei laufende Meter Literatur über dieses Gebiet im Schrank.
Gruß Claus
Und jetzt doch noch ein Nachklapp:
http://www.youtube.com/watch?v=SCXILs1Mmlc&NR=1
Im gleichen Umfeld gibt es ein Video des Hohner-Seybold-Orchestrions Piano-Accordeo-Jazz; das bescheuertste Akkordeon aller Zeiten mit je einer Piano-Tastatur rechts
und links und draufgeschraubtem Schlagzeug...
http://www.youtube.com/watch?v=5TQsuYrtR-0