Strato Incendus
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So, dann wollen wir mal wieder. Traditionsgemäß wie immer ab dem Zeitpunkt, wo der deutsche Beitrag bekanntgegeben wird.
Hier ein Schnelldurchlauf der bisher bekannten Beiträge (nach subjektivem Ranking dieses YouTube-Nutzers):
Der scheint "unseren" Song jedenfalls schonmal zu mögen. Ob das repräsentativ ist, wird sich zeigen. Bisher scheint das internationale Echo aber deutlich positiver als die vergangenen Jahre.
Das Wort "unseren" setze ich deswegen in Anführungszeichen, weil es ja diesmal keinen Vorentscheid gab. Gestern wurde also nur der Song bekanntgegeben, aber es haben keine Fernsehzuschauer darüber abgestimmt. Der deutsche Vertreter Ben Dolic (ehemaliger The Voice-Zweitplatzierter) und der Song "Violent Thing" wurden intern von zwei Juries ausgewählt, einer bestehend aus ESC-Fans und einer aus "Musikexperten" (aus der Industrie).
Die letzten beiden Male, als Deutschland es mit einer internen Auswahl probiert hat, kam einmal "Alex Swings, Oscar Sings" (2009) raus, die mit Dita von Teese berühmt-berüchtigt auf den hinteren Plätzen landeten. Beim zweiten Mal wollte der NDR Xavier Naidoo intern nominieren, was bekanntlich einen Shitstorm gab und dann doch zur Einrichtung eines Vorentscheids führten, bei dem unter anderem Avantasia antraten, am Ende jedoch Jamie-Lee Kriewitz gewann und uns ihrerseits mit dem letzten Platz beehrte. Also kann man verstehen, dass die eingefleischten ESC-Fans aus Deutschland diesen Ansatz jetzt nicht gerade vielversprechend fanden (ich eingeschlossen).
Desweiteren ist das mit dem "Landesvertreter" immer so eine Sache: Der Song wurde geschrieben vom Österreich-Bulgaren Boris Milanov (u.a. verantwortlich für Österreichs-Jury-Gewinner Cezar Sampson mit "Nobody But You" 2018, d.h. im Jahr von Michael Schulte, sowie Poli Genovas "If Love Was A Crime" 2016). Sänger Dolic derweil ist mWn nicht "Deutscher mit slowenischem Migrationshintergrund", sondern immer noch Slowene - er hat dort den Großteil seines Lebens verbracht, 2016 erst versucht, für Slowenien beim ESC anzutreten, dann kurz in der Schweiz gelebt, und wohnt erst seit kurzem in Berlin (im Prinzip seit The Voice 2018). Vielleicht hat er ja mittlerweile auch die deutsche Staatsbürgerschaft - beim ESC ist jedoch selbst das nicht erforderlich (im Gegensatz zu z.B. Fußballspielern in der EM oder WM).
Das erklärt ein Stück weit diesen gewissen "Split", dass unser Song zwar verhältnismäßig gut international anzukommen scheint, aber viele deutsche Zuschauer trotzdem am lästern sind - entweder "aus Gewohnheit", oder aber aufgrund des undemokratischen Auswahlverfahrens, weil sie sich eben durch diesen Beitrag nicht repräsentiert fühlen. Wenn sowohl Sänger als auch Komponist dann auch noch von außerhalb stammen, verstärkt sich dieser Effekt noch. Bei kleineren Ländern wie San Marino versteht man ja, dass die nur wenige eigene professionelle Sänger haben und daher vor allem als "Hintertür" für Sänger aus anderen Ländern dienen, die es in der Auswahl ihres Herkunftslandes nicht geschafft haben.
Ich persönlich finde die Auswahl bisher recht schwach - was aber auch damit zu tun hat, dass wir für Ende Februar erst ungewöhnlich wenige Beiträge (16 an der Zahl) kennen. Tatsächlich ist die Deadline zum Einreichen der Songs in einer Woche. Das heißt, nach dem kommenden Samstag - wenn wir immer noch erst die Hälfte der Songs kennen werden (20 von 41), bleibt den übrigen Ländern nur noch eine Woche, in der sie alle bekanntgeben müssen und sich dann massiv um die Aufmerksamkeit der Internet-Zuschauer kloppen werden. Es sei denn, irgendein Land reicht seinen Beitrag "heimlich" bei der EBU ein und veröffentlicht ihn dann erst später... wenn das überhaupt möglich ist.
Mein Ranking sähe bisher wie folgt aus:
Wobei diese Ordinalskala verschleiert, dass zwischen Platz 02 und 03 eine riesige Lücke liegt, und es nach 04 dann nochmal deutlich abfällt. Wirklich gefallen tun mir bislang nur Norwegen und Italien.
Also wie bereits gesagt, bisher eher ein schwacher Jahrgang. Im schwedischen Vorentscheid, dem alljährlichen Familienevent "Melodifestivalen", habe ich jedenfalls bereits mehr Lieder gefunden, die mir gefallen, als in der bisherigen Auswahl für den eigentlichen ESC. Und dabei bin ich alles andere als ein Freund von dem überproduzierten, glattpolierten englischsprachigen Tanz-Pop, den Schweden am Ende dann meistens selbst zum ESC schickt. In deren Vorauswahl hingegen findet man auch mal gewagtere Sachen, oder zumindest Kandidaten, die sich trauen, in Landessprache zu singen und sich dadurch zumindest etwas vom international-bekannten Mainstream abheben. Nichtsdestotrotz wird wohl auch Schweden wieder auf Englisch singen, weil die schwedischsprachigen Songs von den Zuschauern konsequent rausgevotet werden. Die entsprechenden Sänger wissen das auch, die machen im Grunde nur mit, um daheim mehr Spotify-Aufrufe zu bekommen.
Mal schauen, was das Wochenende und die kommende, letzte Woche vor der Deadline noch bringen.
Hier ein Schnelldurchlauf der bisher bekannten Beiträge (nach subjektivem Ranking dieses YouTube-Nutzers):
Der scheint "unseren" Song jedenfalls schonmal zu mögen. Ob das repräsentativ ist, wird sich zeigen. Bisher scheint das internationale Echo aber deutlich positiver als die vergangenen Jahre.
Das Wort "unseren" setze ich deswegen in Anführungszeichen, weil es ja diesmal keinen Vorentscheid gab. Gestern wurde also nur der Song bekanntgegeben, aber es haben keine Fernsehzuschauer darüber abgestimmt. Der deutsche Vertreter Ben Dolic (ehemaliger The Voice-Zweitplatzierter) und der Song "Violent Thing" wurden intern von zwei Juries ausgewählt, einer bestehend aus ESC-Fans und einer aus "Musikexperten" (aus der Industrie).
Die letzten beiden Male, als Deutschland es mit einer internen Auswahl probiert hat, kam einmal "Alex Swings, Oscar Sings" (2009) raus, die mit Dita von Teese berühmt-berüchtigt auf den hinteren Plätzen landeten. Beim zweiten Mal wollte der NDR Xavier Naidoo intern nominieren, was bekanntlich einen Shitstorm gab und dann doch zur Einrichtung eines Vorentscheids führten, bei dem unter anderem Avantasia antraten, am Ende jedoch Jamie-Lee Kriewitz gewann und uns ihrerseits mit dem letzten Platz beehrte. Also kann man verstehen, dass die eingefleischten ESC-Fans aus Deutschland diesen Ansatz jetzt nicht gerade vielversprechend fanden (ich eingeschlossen).
Desweiteren ist das mit dem "Landesvertreter" immer so eine Sache: Der Song wurde geschrieben vom Österreich-Bulgaren Boris Milanov (u.a. verantwortlich für Österreichs-Jury-Gewinner Cezar Sampson mit "Nobody But You" 2018, d.h. im Jahr von Michael Schulte, sowie Poli Genovas "If Love Was A Crime" 2016). Sänger Dolic derweil ist mWn nicht "Deutscher mit slowenischem Migrationshintergrund", sondern immer noch Slowene - er hat dort den Großteil seines Lebens verbracht, 2016 erst versucht, für Slowenien beim ESC anzutreten, dann kurz in der Schweiz gelebt, und wohnt erst seit kurzem in Berlin (im Prinzip seit The Voice 2018). Vielleicht hat er ja mittlerweile auch die deutsche Staatsbürgerschaft - beim ESC ist jedoch selbst das nicht erforderlich (im Gegensatz zu z.B. Fußballspielern in der EM oder WM).
Das erklärt ein Stück weit diesen gewissen "Split", dass unser Song zwar verhältnismäßig gut international anzukommen scheint, aber viele deutsche Zuschauer trotzdem am lästern sind - entweder "aus Gewohnheit", oder aber aufgrund des undemokratischen Auswahlverfahrens, weil sie sich eben durch diesen Beitrag nicht repräsentiert fühlen. Wenn sowohl Sänger als auch Komponist dann auch noch von außerhalb stammen, verstärkt sich dieser Effekt noch. Bei kleineren Ländern wie San Marino versteht man ja, dass die nur wenige eigene professionelle Sänger haben und daher vor allem als "Hintertür" für Sänger aus anderen Ländern dienen, die es in der Auswahl ihres Herkunftslandes nicht geschafft haben.
Ich persönlich finde die Auswahl bisher recht schwach - was aber auch damit zu tun hat, dass wir für Ende Februar erst ungewöhnlich wenige Beiträge (16 an der Zahl) kennen. Tatsächlich ist die Deadline zum Einreichen der Songs in einer Woche. Das heißt, nach dem kommenden Samstag - wenn wir immer noch erst die Hälfte der Songs kennen werden (20 von 41), bleibt den übrigen Ländern nur noch eine Woche, in der sie alle bekanntgeben müssen und sich dann massiv um die Aufmerksamkeit der Internet-Zuschauer kloppen werden. Es sei denn, irgendein Land reicht seinen Beitrag "heimlich" bei der EBU ein und veröffentlicht ihn dann erst später... wenn das überhaupt möglich ist.
Mein Ranking sähe bisher wie folgt aus:
16. Lettland (Samanta Tina, "Still Breathing")
Ich kann irgendwie mit wenigem, woran die Komponistin Aminata Savadogo beteiligt ist, etwas anfangen. Diese ganze In-Your-Face-Frauenpower-Symbolik aus dem Video macht es noch schlimmer, davon hatten wir nicht erst seit Nettas "Toy" und unseren eigenen "Sisters" letztes Jahr schon reichlich genug beim ESC.
15. Ukraine (Go_A, "Solovey" = "Nachtigall")
Na, immerhin singen sie endlich mal auf Ukrainisch. Die etwas schrille Gesangsweise ist der gleiche "weiße Gesang", den auch die polnische Gruppe Tulia letztes Jahr verwendete. Auch, wenn ich selbst diesen Stil nicht mag, kann ich diesen Song doch mehr respektieren als die "offend-nobody"-Songs höher auf meiner Liste. Deswegen denke ich auch, die Ukraine wird deutlich höher landen als diese generischen Mainstream-Beiträge.
14. Australien (Montaigne, "Don't Break Me")
Diesen Song würde ich in einem Wort zusammenfassen als "neurotisch": Hektische Tanzperformance, die zu einer wackeligen Quengelsstimme führt, gepaart mit einem Text, der nach übertriebener Anhänglichkeit und Bedürftigkeit klingt und einem Outfit, das nach dem Barbara Dex Award schreit (jährlich verliehen für das schlechteste Kostüm beim ESC).
13. Armenien (Athena Manoukian, "Chains On You")
Gibt es beim ESC eigentlich eine minimal zulässige Menge an Melodie, die ein Song haben muss, um als Beitrag akzeptiert zu werden? Armenien möchte das offenbar austesten. Oder sie wollen, analog zu Frankreich, eine wissenschaftliche Untersuchung zum Thema "Einfluss von Attraktivität auf das Punkteergebnis" durchführen. Das würde schließlich erfordern, dass man das Maß, was einen interessiert, isoliert, also bewusst eine/n möglichst attraktive/n Sänger/in mit einem bewusst möglichst schwachen Song schickt. Immerhin, da, wo die Dame mal singen muss, klingt sie ganz gut. Ich mag den Beitrag immer noch nicht... aber ich "hasse" den Song auch irgendwie nicht (mehr) so sehr, wie ich es in Anbetracht seiner offensichtlichen kompositorischen Schwäche gerne täte. Und nein, das liegt nicht an der Sängerin . Die kommt für mich insgesamt eher zu divenhaft rüber für das bisschen, was sie da auf der Bühne leistet. Deckt sich wohl auch mit dem Eindruck, den sie in diversen The Voice-Sendungen hinterlassen hat... immerhin soll sie in Interviews umgänglicher sein, wir werden es sehen.
12.Spanien (Blas Canto, "Universo" = "Universum")
Ist zwar eingängig, aber für mich eher auf eine nervige als auf eine gute Weise. Wirklich abheben tut der Song dann aber auch nie, der Refrain dreht sich irgendwie im Kreis.
11. Frankreich (Tom Leeb, "The Best In Me")
Die Grande Nation hat diesmal ihre Seele komplett den Schweden verkauft. Da sind sie nicht nur die Letzten, die zu dieser Party dazustoßen, wenn viele andere sie schon wieder verlassen haben - sie wären auch die letzten gewesen, denen ich diese kreative Armut zugetraut hätte.
10. UK (James Newman, "My Last Breath")
Die Briten beweisen mal wieder ihren sarkastischen bis zynischen Humor: Auf dem Gipfel der Corona-Epidemie geben sie ihren Song bekannt und er heißt "My Last Breath". Eigentlich dreht sich die Metapher aber um zwei Taucher, denen die Luft ausgeht. Und der Song war wahrscheinlich schon fertig produziert, lange bevor der erste Corona-Fall diagnostiziert wurde.
09. Slowenien (Ana Soklic, "Voda" = "Wasser")
Nett, hat aber außer der aus dem Nichts kommenden Stimmakrobatik am Ende nicht allzu viel zu bieten, was ich mir merken kann.
08. Belgien (Hooverphonic, "Release Me")
Der Beitrag wirkt zwar "classy", also das genaue Gegenteil von billigem Tanzpop, für den der ESC ja berüchtigt ist. Dadurch fällt er allerdings auch nicht besonders auf, was oft das Aus im Halbfinale bedeutet. Wenngleich der Song die melancholische Stimmung treffsicher rüberbringt, hat man auch irgendwie das Gefühl, die Sängerin könnte statt "release me from this sad and losing game" auch singen "release me from this sad and boring song".
07. Tschechien (Benny Cristo, "Kemama" = "Okay, Mama")
Der volle Nachname "Cristovao" lässt auf ein portugiesisches Erbe schließen: Benny ist Halb-Tscheche, Halb-Angolaner, und wird dementsprechend von der Fangemeinde für die "Afro-Beats" gepriesen, die er hier einbaut. Naja. Ein bisschen bleibt der Refrain hängen, aber auch irgendwie nicht so richtig.
06. Deutschland (Ben Dolic, "Violent Thing")
Man hat sich hier ganz offenbar von Justin Timberlakes ESC-Interval Act "Can't Stop the Feeling" inspirieren lassen... naja, immerhin besser als vom Vorjahressieger abzukupfern.
05. Polen (Alicja Szemplinska, "Empire")
Bombastisches Arrangement und interessante, kraftvolle, dunkle Stimme. Die Melodie merken kann ich mir allerdings bisher leider noch nicht wirklich.
04. Albanien (Arilena Ara, "Shaj" = "Fluchen")
Auf Albanisch und in der Live-Version vom Vorentscheid (Festivali i Kenges) gefallen mir die Beiträge aus dem Adlerland meistens. Allerdings weiß ich schon, dass der Song ursprünglich auf Englisch geschrieben wurde, und deswegen auch in Rotterdam auf Englisch präsentiert werden wird. Historisch gesehen versemmelt Albanien es eher, wenn sie einen Song auf Englisch "revampen" müssen. Und die Instrumentierung ist dann auf dem Backing Track, der beim ESC abgespielt wird, auch meist deutlich künstlicher als das Live-Orchester beim Festivali i Kenges.
03. Litauen (The Roop, "On Fire")
Beim ersten Hören gab es Instant-Punktabzug von mir für den vorhersagbaren "higher - fire - desire"-Refrain. Mitterweile jedoch gibt es die ersten Stimmen, die meinen, dieser bewusst-klischeehafte Text habe Methode. Auch zu den eigenwilligen Tanzbewegungen gibt es eine offizielle, von der Band gelieferte Bedeutung der einzelnen "Moves". Inhaltlich soll es hier um die Fixierung der modernen Welt auf die Jugend gehen, bzw. gegen die Denke "wenn du X nicht geschafft hast, bis du Y Jahre alt bist, dann ist es zu spät". Das hätte man sicherlich textlich auch noch deutlich besser herausbringen können. Momentan wird der Song jedoch aufgrund seiner eigenwilligen Bühnenperformance nicht nur als Fan-Liebling, sondern auch als einer der Favoriten auf den Sieg gehandelt. Da Litauen noch nie gewonnen hat und auch sonst eher mäßig abschneidet, wäre es ihnen zu gönnen.
02. Italien (Diodato, "Fai rumore" = "Mach Lärm / Geräusche")
Macht, was es immer macht und was immer funktioniert. Im Schnelldurchlauf funktioniert dieser Song super - man erinnert sich sofort an die beeindruckenden Vocals mit diesem angenehmen "Eros Ramazzotti"-Twang. Wenn man den Song dann als Ganzes hört, wird er ein wenig repetitiv. Aber das ist meckern auf hohem Niveau. Italien wird auch dieses Mal ziemlich sicher in den Top Ten landen.
01. Norwegen (Ulrikke Brandstorp, "Attention")
Ich habe ja immer eine Schwäche für Musicalsänger/innen, die vor bombastischen Orchester-Backgrounds Vokalakrobatik veranstalten. Allerdings ist das dann eben meistens auch ein eher "sportliches" als emotionales Event. Ulrikke gelingt es, das "Vokalathletische" mit dem Emotionalen zu verbinden. Und das Geschmettere hoher Noten ist hier auch gut dosiert, wird niemals exzessiv - die Strophen sind sogar relativ tief, der Song hat insgesamt einen Umfang von 2 Oktaven (f bis f''). Im Gegensatz zu vielen anderen ESC-Musical-Diven klingt sie in den Tiefen dann aber auch nicht hauchig. Und der Song schafft das, was der australische gerne schaffen würde: Verletzlichkeit und Schwäche darstellen, ohne dass es abstoßend wirkt, sondern im Gegenteil, eher Mitgefühl auslöst. Gewinnen tut beim ESC bekanntlich, wer mit seinem Gesamtpaket die meisten Sympathien gewinnen kann. Und wenn Gesang und Komposition das nur noch verstärken - warum dann nicht nochmal nächstes Jahr nach Oslo?
Ich kann irgendwie mit wenigem, woran die Komponistin Aminata Savadogo beteiligt ist, etwas anfangen. Diese ganze In-Your-Face-Frauenpower-Symbolik aus dem Video macht es noch schlimmer, davon hatten wir nicht erst seit Nettas "Toy" und unseren eigenen "Sisters" letztes Jahr schon reichlich genug beim ESC.
15. Ukraine (Go_A, "Solovey" = "Nachtigall")
Na, immerhin singen sie endlich mal auf Ukrainisch. Die etwas schrille Gesangsweise ist der gleiche "weiße Gesang", den auch die polnische Gruppe Tulia letztes Jahr verwendete. Auch, wenn ich selbst diesen Stil nicht mag, kann ich diesen Song doch mehr respektieren als die "offend-nobody"-Songs höher auf meiner Liste. Deswegen denke ich auch, die Ukraine wird deutlich höher landen als diese generischen Mainstream-Beiträge.
14. Australien (Montaigne, "Don't Break Me")
Diesen Song würde ich in einem Wort zusammenfassen als "neurotisch": Hektische Tanzperformance, die zu einer wackeligen Quengelsstimme führt, gepaart mit einem Text, der nach übertriebener Anhänglichkeit und Bedürftigkeit klingt und einem Outfit, das nach dem Barbara Dex Award schreit (jährlich verliehen für das schlechteste Kostüm beim ESC).
13. Armenien (Athena Manoukian, "Chains On You")
Gibt es beim ESC eigentlich eine minimal zulässige Menge an Melodie, die ein Song haben muss, um als Beitrag akzeptiert zu werden? Armenien möchte das offenbar austesten. Oder sie wollen, analog zu Frankreich, eine wissenschaftliche Untersuchung zum Thema "Einfluss von Attraktivität auf das Punkteergebnis" durchführen. Das würde schließlich erfordern, dass man das Maß, was einen interessiert, isoliert, also bewusst eine/n möglichst attraktive/n Sänger/in mit einem bewusst möglichst schwachen Song schickt. Immerhin, da, wo die Dame mal singen muss, klingt sie ganz gut. Ich mag den Beitrag immer noch nicht... aber ich "hasse" den Song auch irgendwie nicht (mehr) so sehr, wie ich es in Anbetracht seiner offensichtlichen kompositorischen Schwäche gerne täte. Und nein, das liegt nicht an der Sängerin . Die kommt für mich insgesamt eher zu divenhaft rüber für das bisschen, was sie da auf der Bühne leistet. Deckt sich wohl auch mit dem Eindruck, den sie in diversen The Voice-Sendungen hinterlassen hat... immerhin soll sie in Interviews umgänglicher sein, wir werden es sehen.
12.Spanien (Blas Canto, "Universo" = "Universum")
Ist zwar eingängig, aber für mich eher auf eine nervige als auf eine gute Weise. Wirklich abheben tut der Song dann aber auch nie, der Refrain dreht sich irgendwie im Kreis.
11. Frankreich (Tom Leeb, "The Best In Me")
Die Grande Nation hat diesmal ihre Seele komplett den Schweden verkauft. Da sind sie nicht nur die Letzten, die zu dieser Party dazustoßen, wenn viele andere sie schon wieder verlassen haben - sie wären auch die letzten gewesen, denen ich diese kreative Armut zugetraut hätte.
10. UK (James Newman, "My Last Breath")
Die Briten beweisen mal wieder ihren sarkastischen bis zynischen Humor: Auf dem Gipfel der Corona-Epidemie geben sie ihren Song bekannt und er heißt "My Last Breath". Eigentlich dreht sich die Metapher aber um zwei Taucher, denen die Luft ausgeht. Und der Song war wahrscheinlich schon fertig produziert, lange bevor der erste Corona-Fall diagnostiziert wurde.
09. Slowenien (Ana Soklic, "Voda" = "Wasser")
Nett, hat aber außer der aus dem Nichts kommenden Stimmakrobatik am Ende nicht allzu viel zu bieten, was ich mir merken kann.
08. Belgien (Hooverphonic, "Release Me")
Der Beitrag wirkt zwar "classy", also das genaue Gegenteil von billigem Tanzpop, für den der ESC ja berüchtigt ist. Dadurch fällt er allerdings auch nicht besonders auf, was oft das Aus im Halbfinale bedeutet. Wenngleich der Song die melancholische Stimmung treffsicher rüberbringt, hat man auch irgendwie das Gefühl, die Sängerin könnte statt "release me from this sad and losing game" auch singen "release me from this sad and boring song".
07. Tschechien (Benny Cristo, "Kemama" = "Okay, Mama")
Der volle Nachname "Cristovao" lässt auf ein portugiesisches Erbe schließen: Benny ist Halb-Tscheche, Halb-Angolaner, und wird dementsprechend von der Fangemeinde für die "Afro-Beats" gepriesen, die er hier einbaut. Naja. Ein bisschen bleibt der Refrain hängen, aber auch irgendwie nicht so richtig.
06. Deutschland (Ben Dolic, "Violent Thing")
Man hat sich hier ganz offenbar von Justin Timberlakes ESC-Interval Act "Can't Stop the Feeling" inspirieren lassen... naja, immerhin besser als vom Vorjahressieger abzukupfern.
05. Polen (Alicja Szemplinska, "Empire")
Bombastisches Arrangement und interessante, kraftvolle, dunkle Stimme. Die Melodie merken kann ich mir allerdings bisher leider noch nicht wirklich.
04. Albanien (Arilena Ara, "Shaj" = "Fluchen")
Auf Albanisch und in der Live-Version vom Vorentscheid (Festivali i Kenges) gefallen mir die Beiträge aus dem Adlerland meistens. Allerdings weiß ich schon, dass der Song ursprünglich auf Englisch geschrieben wurde, und deswegen auch in Rotterdam auf Englisch präsentiert werden wird. Historisch gesehen versemmelt Albanien es eher, wenn sie einen Song auf Englisch "revampen" müssen. Und die Instrumentierung ist dann auf dem Backing Track, der beim ESC abgespielt wird, auch meist deutlich künstlicher als das Live-Orchester beim Festivali i Kenges.
03. Litauen (The Roop, "On Fire")
Beim ersten Hören gab es Instant-Punktabzug von mir für den vorhersagbaren "higher - fire - desire"-Refrain. Mitterweile jedoch gibt es die ersten Stimmen, die meinen, dieser bewusst-klischeehafte Text habe Methode. Auch zu den eigenwilligen Tanzbewegungen gibt es eine offizielle, von der Band gelieferte Bedeutung der einzelnen "Moves". Inhaltlich soll es hier um die Fixierung der modernen Welt auf die Jugend gehen, bzw. gegen die Denke "wenn du X nicht geschafft hast, bis du Y Jahre alt bist, dann ist es zu spät". Das hätte man sicherlich textlich auch noch deutlich besser herausbringen können. Momentan wird der Song jedoch aufgrund seiner eigenwilligen Bühnenperformance nicht nur als Fan-Liebling, sondern auch als einer der Favoriten auf den Sieg gehandelt. Da Litauen noch nie gewonnen hat und auch sonst eher mäßig abschneidet, wäre es ihnen zu gönnen.
02. Italien (Diodato, "Fai rumore" = "Mach Lärm / Geräusche")
Macht, was es immer macht und was immer funktioniert. Im Schnelldurchlauf funktioniert dieser Song super - man erinnert sich sofort an die beeindruckenden Vocals mit diesem angenehmen "Eros Ramazzotti"-Twang. Wenn man den Song dann als Ganzes hört, wird er ein wenig repetitiv. Aber das ist meckern auf hohem Niveau. Italien wird auch dieses Mal ziemlich sicher in den Top Ten landen.
01. Norwegen (Ulrikke Brandstorp, "Attention")
Ich habe ja immer eine Schwäche für Musicalsänger/innen, die vor bombastischen Orchester-Backgrounds Vokalakrobatik veranstalten. Allerdings ist das dann eben meistens auch ein eher "sportliches" als emotionales Event. Ulrikke gelingt es, das "Vokalathletische" mit dem Emotionalen zu verbinden. Und das Geschmettere hoher Noten ist hier auch gut dosiert, wird niemals exzessiv - die Strophen sind sogar relativ tief, der Song hat insgesamt einen Umfang von 2 Oktaven (f bis f''). Im Gegensatz zu vielen anderen ESC-Musical-Diven klingt sie in den Tiefen dann aber auch nicht hauchig. Und der Song schafft das, was der australische gerne schaffen würde: Verletzlichkeit und Schwäche darstellen, ohne dass es abstoßend wirkt, sondern im Gegenteil, eher Mitgefühl auslöst. Gewinnen tut beim ESC bekanntlich, wer mit seinem Gesamtpaket die meisten Sympathien gewinnen kann. Und wenn Gesang und Komposition das nur noch verstärken - warum dann nicht nochmal nächstes Jahr nach Oslo?
Wobei diese Ordinalskala verschleiert, dass zwischen Platz 02 und 03 eine riesige Lücke liegt, und es nach 04 dann nochmal deutlich abfällt. Wirklich gefallen tun mir bislang nur Norwegen und Italien.
Also wie bereits gesagt, bisher eher ein schwacher Jahrgang. Im schwedischen Vorentscheid, dem alljährlichen Familienevent "Melodifestivalen", habe ich jedenfalls bereits mehr Lieder gefunden, die mir gefallen, als in der bisherigen Auswahl für den eigentlichen ESC. Und dabei bin ich alles andere als ein Freund von dem überproduzierten, glattpolierten englischsprachigen Tanz-Pop, den Schweden am Ende dann meistens selbst zum ESC schickt. In deren Vorauswahl hingegen findet man auch mal gewagtere Sachen, oder zumindest Kandidaten, die sich trauen, in Landessprache zu singen und sich dadurch zumindest etwas vom international-bekannten Mainstream abheben. Nichtsdestotrotz wird wohl auch Schweden wieder auf Englisch singen, weil die schwedischsprachigen Songs von den Zuschauern konsequent rausgevotet werden. Die entsprechenden Sänger wissen das auch, die machen im Grunde nur mit, um daheim mehr Spotify-Aufrufe zu bekommen.
Mal schauen, was das Wochenende und die kommende, letzte Woche vor der Deadline noch bringen.
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