so konsequent alle Signale (...) ignorierte
So wird eher ein Schuh draus.
Ist das Lesen des Publikums auch ein Skill den man lernen kann/muss?
Ja. Es sei denn, Du stehst ausschließlich wegen Dir selbst auf der Bühne und es ist Dir komplett egal, was das Publikum von Dir und Deiner Performance hält, ob sie wiederkommen sollen, Dich anschließend oder schon währenddessen mit Bierflaschen bewerfen oder Dich auf dem Parkplatz beim Einladen abfangen, Dir einen Kissenbezug über den Kopf ziehen und anschließend mit in Tennissocken gesteckten Seifenstücken vermöbeln.
Nehmen wir mal an, Du hast ein gewisses Harmoniebedüfnis und möchtest einen gewissen "positiven Widerhall" Deiner Darbietungen beim Empfänger erreichen, ist die natürlichste Sache der Welt, auf Dein Publikum und seine Reaktionen einzugehen. Das funktioniert aber immer nur "für den überwiegenden Teil", nicht immer auch für alle. Dafür aber bei fünf Hansels genauso wie bei 50.000.
Der Hauptgrund, warum ich seinerzeit angefangen habe, in Sales-Rollen zu arbeiten, war vor allem, weil ich da immer Publikum hatte - genau wie bei der Musik. Was war ich froh, als ich nicht mehr in Bands gespielt habe und trotzdem immer "Bühnenluft" schnuppern konnte. Da war dann allerdings auch das Familieneinkommen inhärent von meiner Performance abhängig. Das treibt dann sehr schnell dazu, eine erfolgreiche Methode zu entwickeln.
Aber ganz ehrlich, neben ein wenig gesundem Menschenverstand und Empathie braucht es da kein Talent, sondern Übung. Insbesondere in die Richtung, dass Du vor Publikum einfach Deinen Shice draufhast und keine Zettelchen oder Stützen brauchst. Wenn Du wie festgewurzelt auf der Bühne stehst und ausschaust, wie ein Kaninchen vor einer Schlange oder Bambi vor den Scheinwerfern des heranrasenden Autos, wird das eher schwierig. Was jeden guten Entertainer (egal ob er vor Kunde steht oder vor Publikum) ausmacht, sind meiner Erfahrung nach zwei Dinge: Kompetenz und Kontrolle. Dem Gegenüber das Gefühl geben, absolut zu wissen was man da tut, Sicherheit ausstrahlen, so dass man sich gern in die Hände des Gegenüber begibt. Wenn sich allerdings durch mangelnde Kompetenzvermutung (Ausstrahlung) beim Publikum ein Stressgefühl aufbaut, weil es weh tut zuzuschauen, dann ist das der Punkt, wo Unruhe entsteht und Feindseligkeiten aufkommen (im einen Fall sind das die fliegenden Bierbecher, im anderen Fall der Kunde, der sich innerlich verabschiedet und leicht glasige Augen bekommt, weil es ihn nicht mehr abholt - selber Mechanismus).
Je länger Du das machst und je aufmerksamer Du bist, desto besser wirst Du mit der Zeit. Wenn Du beruflich eine nach Außen gerichtete Rolle hast, wird es Dir tendenziell leichter fallen, mit den "Stressoren" eines Auftritts klarzukommen und auf Publikumsreaktionen zu achten (das "Arschwasser" wird nichtsdestotrotz in Strömen fließen).
Wie überall nimmt der Zeitablauf durch "geübte Praxis" ein paar Variablen aus der Gleichung raus und macht es ein wenig einfacher. Wenn man nicht mehr darauf schauen muss, wo man gerade im Vortrag ist (im Song, im Set, auf dem Griffbrett oder wasnichtalles), kann man seine Aufmerksamkeit aufteilen und bringt damit auch die nötige Ruhe und Gelassenheit in den Auftritt "keine Angst Leute, ich mache das hier nicht zum ersten Mal, ich weiß was ich tue, lehnt Euch zurück und habt eine gute Zeit".