Erfahrungen mit Sequenzern in Workstations

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Bastiab
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Jede Workstation hat ja nun so seinen Sequenzer, und so
mancher meckert z.B. auf den SQ im Kronos usw.
Meine ersten Stücke machte ich mit einem Ensoniq ESQ-1,
sein SQ war so effektiv, dass ich meinen Atari ST verkauft hatte.
Vielleicht kann ja jemand, der mit dem SQ seines XP-60, Fusion,
Equinox, Fantom, Motif, Kronos und Co seine Vor- und Nachteile
kurz notieren.
 
Eigenschaft
 
Okay.

Roland XP-80 (gilt auch für die später erschienene XP-60) - MRC Pro

Der MRC Pro der XP-80 dient mir in der Band gelegentlich als Sequencer, in einem Stück sogar im Songmode, während sonst nur RPS abgefeuert werden, und im Heimsetup ist er mein Hauptsequencer. Unterausgestattet ist er nicht, im telefonbuchstarken Handbuch der XP-80 nimmt er 60 Seiten ein.

Das Aufzeichnen ist Gewöhnungssache, was auch an der besonderen Struktur liegt. Im MRC Pro sind nämlich nicht die 16 Spuren fest an jeweils einen bestimmten Multimode-Part gebunden. (Kann übrigens nachträglich entsprechend aufgeteilt oder alles auf eine Spur gepackt werden) Und dann sind da ja noch die Performance-Einstellungen, besonders die, welcher Part intern aktiv ist, welcher sendet, welcher empfängt. Zum Einspielen muß der Part natürlich local on sein, aber um ihn zu hören, muß Receive auch an sein, damit die Klangerzeugung die Spieldaten vom Sequencer auch annimmt.

Bei der Echtzeitaufnahme spielt man ins Leere, wenn man vergessen hat, vorher den richtigen Part auszuwählen. Wie gesagt, unabhängig von der Spur. Das Piano auf Part 1 beispielsweise muß nicht unbedingt auf Spur 1 landen, das kann überall landen. Schon beim Einspielen kann man quantisieren. Man kann außerdem wählen, ob man eine auf der Spur schon bespielte Stelle überspielt, was dazuspielt, automatisch oder händisch ein- oder auspuncht.

Wie es sich für einen guten Sequencer aus den 90ern geziemt, gibt's auch Step Recording. Vorgewählt wird hier die Notenlänge, relative Haltezeit, und ob mit echten Velocitywerten oder einem vorgegebenen Wert eingespielt werden soll. Der Rest ist TB-303 inklusive Tie- (Glide ohne Glide) und Rest-Taste, nur mit mehr als 16 Schritten und ohne Lauflicht.

Das Resultat sieht dann aus wie damals in den Trackerprogrammen: Zahlentabelle statt Piano Roll - nicht so hübsch, aber aufschlußreich. Kanal, Note inklusive MIDI-Nummer, Velocity und absolute Gatezeit, schön vertikal gelistet. So eine Liste gibt's auch im Microscope-Modus, wo ganz Schmerzbefreite sich ihre Sequenzen händisch zusammentüfteln und der pragmatische Rest seine Sequenzen mikrochirurgisch ausfeilt, wobei hier Release Velocity als Zusatzspalte dazukommt. Wer sich hierher begibt, sollte wissen, daß der MRC Pro mit 96 ppq auflöst, falls man in Schritten kleiner als ein Vierteltakt basteln will oder muß, dann ist nämlich Rechnen angesagt.

A propos Ausfeilen, da bietet der MRC Pro einiges. Natürlich sämtliche typischen Editierfunktionen für Workstation-Sequencer, aber noch einiges mehr. Man kann Bereiche leerputzen, Takte löschen oder leere Takte einfügen, diverse Kopierfunktionen durchführen (dabei natürlich auch die Parts/Kanäle unabhängig von der Spur auswählen), Kanal, Velocity und Gate Time massenhaft verändern, transponieren, mischen, extrahieren, Controllerdaten ausdünnen (kennt man ja, wenn man Reglerbewegungen oder Aftertouch aufzeichnet, daß da Unmengen an Controllerdaten anfallen), Leertakte am Ende entsorgen usw. Es gibt auch drei verschiedene Methoden, nachträglich zu quantisieren, davon arbeitet eine mit lad-, editier- und selbsterstellbaren Groove Templates, damit klingt's dann nicht zu sehr nach Maschine.

Was beim Basteln, Overdubben usw. wahnsinnig praktisch ist, das sind die acht Locators, die über den Song verteilt werden können, quasi Lesezeichen für Positionen im Song. Zum Umschmeißen des Songablaufs in Echtzeit sind sie leider weniger geeignet.

Übrigens prangt unterm Display von XP-80 und XP-60 ein Taster, der mit Undo/Redo beschriftet ist. Genau das ist er auch - ein Hardwaretaster, mit dem jeweils der letzte Editierschritt zurückgenommen und wiederholt werden kann. Geht auch im Sequencer.

Patterns gibt's natürlich auch. Ein Pattern hat immer nur eine Spur, ist beim MRC Pro aber egal, weil man ja sowieso Spieldaten von allen 16 Parts/Kanälen auf jedwede Spur pumpen kann, und zwar gleichzeitig. Vorteil der "Einspurtechnik": Im Gegensatz etwa zum Sequencer von Kurzweil K2000V3 und K2500 kann der MRC Pro mehrere Patterns gleichzeitig wiedergeben. Was dagegen leider nicht geht, ist händische Transposition von Patterns in Echtzeit. Wer das will, ist auf RPS angewiesen und muß sich entsprechend viele Patterns bauen.

RPS (Realtime Phrase Sequencing) ist an sich nichts Besonderes, aber der MRC Pro kann das eben auch. Man feuert damit Patterns über die Tastatur ab. Sprich, der Sequencer empfängt eine Notennummer und löst ein Pattern aus. Das geht sogar über ein externes Keyboard, einen Pad Controller oder alles andere, was MIDI Note On senden kann. Man kann die Patterns einmal abfeuern, so lange loopen lassen, bis man die Taste wieder losläßt, oder so lange loopen lassen, bis man entweder dieselbe Taste wieder drückt oder in der Mute Group ein anderes Pattern abfährt bzw. die Stoptaste drückt.

In Mute Groups (bis zu 32, obwohl "nur" bis zu 8 Patterns gleichzeitig laufen können) kann man Patterns zusammenfassen, die sich gegenseitig ausschließen, die also nicht gleichzeitig laufen dürfen. Mute Groups können auch jeweils individuelle Stoptasten haben.

Das Auslösen kann, wenn ein Song läuft, zum Song quantisiert werden, und zwar entweder auf die nächste Zählzeit oder auf die nächste Eins. In Verbindung mit Mute Groups macht das die XP-80 und die XP-60 sehr groovetauglich (man bedenke, daß XP-80 und MC-303 beide 1996 auf den Markt kamen). Läuft der Sequencer nicht, rennt das Pattern sofort los, allerdings im Tempo des Sequencers.

Sollte auch noch erwähnt werden: Auf der Oberfläche blinkt immer eine rote LED im Vierteltakt des Sequencer-Tempos. So kann man auf Sicht das Tempo kontrollieren, ohne den Sequencer starten zu müssen. Abstellen kann man das nur, indem man den Sequencer zu einer externen Clock synchronisiert und dann keine Clock dranhängt. Der MRC Pro selbst sendet nur ein Clocksignal, wenn er auch wirklich läuft; im Stand gibt er nicht mal das Tempo aus.

Der Übersichtlichkeit halber kann man sowohl Songs als auch Patterns Klartextnamen geben.

Songs können außer in den zwei SMF-Formaten als MRC Pro-Daten mit und ohne Klangeinstellungen abgespeichert werden. Alte S-MRC-Songs kann er laden. Was man beachten sollte: Wenn ein Song nur aus Patterns besteht, die per RPS gestartet werden, aber keine eigentlichen Songdaten enthält, werden die Tempoeinstellungen nicht mitgespeichert.

Chain Play gibt's dann auch noch. Damit kann man Sequencersongs automatisch nachladen lassen - und nicht nur die, sondern auch komplette Klangspeicherungen von Diskette, und zwar mehrmals pro Kette. Songs können automatisch gestartet werden oder auf einen händischen Start warten.

Beim Abspielen gibt's eine sequencerinterne Mute-Funktion. Damit werden einzelne Spuren gemutet. Wenn man das mit der Tempospur macht (die gibt's nämlich auch), werden keine Tempowechsel weitergegeben. Ansonsten gibt der MRC Pro die Spieldaten der jeweiligen Spur nicht an die Klangerzeugung weiter. Hier sollte man allerdings wieder bedenken, daß eine Spur Spieldaten für mehrere Parts/Kanäle enthalten kann. Und ein SMF importiert der MRC Pro auf eine einzelne Spur. Da ist es dann eleganter, auf Performanceebene dem jeweiligen Part das Empfangen von Notendaten von woanders als der eingebauten Tastatur (Receive) zu untersagen - um zu dem Fenster zu gelangen, gibt's einen eigenen Taster. Im MRC Pro-Format kann man übrigens Spuren-Mute mitspeichern; das ist in der Produktionsphase ganz praktisch, wenn man mehrere Takes oder Varianten in einem Song behalten möchte.

In alter Mischpulttradition gibt's zu Mute sogar eine Solo-Funktion.

Was übrigens XP-80 und XP-60 noch haben, was heute bei Workstations Luxus und eigentlich nur noch bei Groove Gear zu finden ist: Transporttasten. So gesehen bedient sich der Sequencer fast wie ein Kassettendeck. Es gibt einen Taster für Play/Pause, Taster zum Vor- und Zurückspulen (mit Shift, was gleich daneben angebracht ist für einhändige Bedienung, kann man zum Anfang oder Ende des Songs springen), einen Aufnahmetaster (was sofort das Realtime-Aufnahmefenster öffnet) und einen Looptaster, um einen voreingestellten Loop zu aktivieren. Einen eigenen RPS-Taster gibt's auch, mit dem man RPS wieder ausknipsen kann, um zu verhindern, daß man beim Spielen über RPS-belegte Tasten rennt und Patterns auslöst.

Von der Performanz her untermauert der MRC Pro das Image der XP-80 als Arbeitspferd. Workstation im wahrsten Sinne des Wortes. Bevor der MRC Pro aus dem Tritt kommt, überfordert er die Klangerzeugung der XP-80 oder ihrer kleinen Schwester XP-60 (ist mir schon passiert, aber da muß man viel mit schnellen Hüllkurven auf mehreren Parts rumhantieren, um das zu schaffen).

Noch ein paar Worte zur Struktur: Bei Roland ist es ja auch so, daß die Multimode-Parts nicht fest an MIDI-Kanäle gekoppelt sind. Wir haben also dreierlei 16er-Aufteilungen: 16 Sequencerspuren, 16 MIDI-Kanäle und 16 Multimode-Parts in der Performance. Im Sequencerbetrieb sieht das so aus: Von egal welcher Spur erzeugt der Sequencer Noten- und Kontrollbefehle auf jeweils ihrem eigenen dedizierten MIDI-Kanal. Die gehen zum einen an die MIDI Out-Buchse (aufpassen, daß da nichts mithört, was nicht mithören soll) und zum anderen an die interne Klangerzeugung. Diejenigen Parts, die an dem MIDI-Kanal horchen (also den richtigen MIDI-Kanal und Receive aktiv haben), wandeln die MIDI-Daten dann in Hörbares um. Das geht also durchaus, daß auf Spur 1 Spieldaten für Kanal 2 liegen, die dann ein fettes Layer aus den Parts 3 bis 8 ansteuern.

Kurzum: Die XP-80 gilt nicht grundlos als Parametergrab - das Handbuch hat fast 250 Seiten und ist von Entwicklern geschrieben. Beim Sequencer hört das nicht auf, im Gegenteil. Wenn man den aber mal gecheckt hat, ist er ein prima handhabbares Werkzeug, das die XP-80 - übrigens schon ein exzellentes Masterkeyboard - zur Kontrollzentrale von so manchem Synthesizersetup macht.


Martman
 
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Die guten alten Zeiten. Der Sequenzer der heutigen Roland - Workstations, der ist... ach die haben ja gar keinen mehr...
 
Wow Martman!

Das ist ja schon die bessere Ergänzung für jene Bedienungsanleitung eines Roland XP-60 / 80.
Ich hoffe, dass diese Infos für andere User auch von Nutzen sein können.

Mal zum Kronos; unbeachtet davon, dass evtl. ein Update den internen Sequenzer
vielleicht mal verbessern könnte, was man hier so liest:
was ist denn zu bemängeln am SQ? MIDI / Audio? Workflow? Fehlt ´was? Timing?
 
Mal zum Kronos [...] was ist denn zu bemängeln am SQ?
Was ich so mitbekommen habe, wurde öfter mal bemängelt, dass das Display nicht optimal ausgenutzt wird. Dass z.B. bei relativ guter Display-Auflösung (bisher?) kein Piano-Roll-Modus implementiert wurde usw. Selber habe ich mit dem KRONOS-Sequencer nicht gearbeitet, sondern nur Screenshots gesehen. Bin momentan am Einarbeiten in den MOX6 von Yamaha. Immerhin werden 4 MIDI-Events auf einmal untereinander im Event-List-Editor dargestellt. ;-) An die Darstellung in Zahlen muss ich mich aber erst wieder gewöhnen... So ganz ohne die Piano-Roll-Darstellung. ;-) Das Display nutzt Yamaha aber m.E. sehr effizient aus. Bei Motif XS/XF ist das bestimmt noch viel besser, weil größeres Display.
 
Mal zum Kronos; unbeachtet davon, dass evtl. ein Update den internen Sequenzer
vielleicht mal verbessern könnte, was man hier so liest:
was ist denn zu bemängeln am SQ? MIDI / Audio? Workflow? Fehlt ´was? Timing?

Das Hauptproblem ist, dass der KRONOS nach wie vor grösstenteils ein eingedampfter OASYS darstellt. Dabei wurde nicht nur der an einigen (wenigen) Stellen ganz schön verbugte Sequencer übernommen, sondern einige Features der nach dem OASYS erschienenen M3 sind ebenfalls flöten gegangen bzw. gar nicht erst übernommen worden.

Der Sequencer ist diesbezüglich ein Schritt zurück. Eigentlich komisch, denn trotz der seit vielen Jahren anscheinend überall herrschenden Obergrenze von 16 Spuren hat sich nichtmal bei Korg was getan, obwohl viele PA - Arrangerkeys (und afaik sogar die M3) den Doppel 32 - Spur Sequencer hatten - der Kronos aber wiederum nur einen mit 16.

Nun gut, jetzt kann man argumentieren "das macht man doch eh heutzutage mitm Rechner". Stimmt schon. Aber wenn Martman seine XP80 auf der Bühne voll ausreizt und den Sequenzer dabei ebenfalls einsetzt, dann kann man doch vermuten, dass der Onboard - Sequenzer für den einen oder anderen Livekeyboarder vielleicht doch von Bedarf sein könnte - wenn auch nicht längst für alle. Das der "Gamechanger" ausgerechnet in diesem Bereich absolut nix neues bietet, wirkt allerdings schon etwas schräg.

Das ist übrigens auch interessant aus den Demovideos von 2011 herauszulesen. Jeder Engine - Furz wurde da detailliert ausgeschlachtet, lediglich über den Sequencer hat man kein Wort verloren, ausser das er "da" ist.
 

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