Wir haben auf C# Standard gestimmt. Ist meine Keynote dann C#?!
Nein, die Grundstimmung der Gitarre hat damit gar nichts zu tun.
Auch bzw. gerade ein intelligenter Pitch Shifter (beim Kemper heißt er glaube ich Harmonic Pitch) braucht zunächst mal die Information, in welcher Tonart Du gerade Dein Solo spielst, denn danach wählt er ja das zum jeweiligen Ton passende weitere Tonmaterial aus. Und Du musst natürlich entscheiden, welches Intervall Du verwenden willst.
Ich bin jetzt kein In Flames-Spezialist, aber ähnliche wie bei vielen klassischen Metal-Bands höre ich da meist Molltonarten mit einer Harmoniegitarre im Terzabstand. Quinten können auch mal gut kommen, klingen für Soli in gleichbleibendem Abstand aber wenig melodiös - kann aber auch mal gewünscht sein
. Sext-Abstände sind auch was schönes, Brain May macht davon bei Queen ausgiebig Gebrauch - klingen je nach Kontext gerne zuckersüß bis pompös. Das nur als kurze Beispiele, aber Terzen aufwärts sind schon mal ein guter Anfang.
Ein intelligenter Pitch Shifter (Harmonizer hört man oft, ist aber eine geschützte Marke von Eventide) analysiert erstmal nur blitzschnell die Frequenz des einzelnen gespielten Tons. Er weiß aber weder, ob das gerade gespielte A jetzt aus einem Song in E-Moll oder C-Dur stammt, noch ob Du die Melodie im Terz- Quint- oder Sext-Abstand doppeln willst. Sagst Du ihm "+3", dann produziert er zu jedem Ton eine Terz höher - ob eine kleine oder große Terz, kann er nur entscheiden, wenn Du in das jeweilige Preset die richtige Tonart eingegeben hast.
Du wirst also nicht darum herumkommen, Dich ein wenig mit der Musiktheorie auseinander zu setzen und Deine Songs zu analysieren, denn die Tonart wird ja (hoffentlich) nicht immer die gleiche sein. Ist in der Musikrichtung jetzt auch kein Hexenwerk, fast immer ist es eine Moll-Tonart, und der Grundton des Hauptriffs sagt Dir, ob der Song in C#, ein F oder was auch immer steht...
Wenn die Begleitung auf einen anderen Akkord wechselt, bleibt die Tonart in der Regel die gleiche, dabei muss Du also auch nichts am Pitch Shifter ändern. Mitunter gibts natürlich auch echte Tonartwechsel innerhalb eines Songs, aber mit solchen Kloppern muss man ja nicht gleich anfangen. Das ist also zu unterscheiden von den praktisch immer enthaltenen reinen
Akkordwechseln.
Im Regelfall braucht man jetzt nicht so wahnsinnig viele Presets, denn wir Gitarristen lieben ja Leersaiten und halten uns daher ganz gerne in den Tonarten auf, die das begünstigen. Eventuell kann man auch auf MIDI cc-Befehle ausweichen und innerhalb des Presets beim Spielen die Tonart ändern. Das erfordert aber natürlich etwas mehr Konzentration als ein eigenes, schon passendes Preset für den entsprechenden Song.
Ein paar Tipps noch zur generellen Einstellung:
Ich selber benutze solche Double-Lead-Imitationen schon sehr lange, das Roland GP-100 war um 1995 die erste bezahlbare Alternative zu Eventide davon ab. Jedenfalls habe ich dabei die Erfahrung gemacht, dass natürlich klingende Ergebnisse schon sehr abhängig von den Einstellungen sind, und nicht immer sind die naheliegendsten die besten. Obwohl sich einiges in der Qualität getan hat, klingt es zB deutlich natürlicher, wenn Du das Mischverhältnis Original/Harmonieton
nicht auf 50/50 einstellst, sondern eher bei 70/30 anfängst. Bei vielen Studioaufnahmen wird die Harmonie übrigens auch etwas leiser abgemischt, damit die Hauptmelodie deutlicher hervortritt. Auch Chöre und Orchester machen das ganz bewusst. Wenn Du die Möglichkeit hast: Stereo spielen ist von Vorteil, denn echte zweite Gitarren auf einer Bühne sind ja auch im Panorama verteilt und kommen nicht aus dem selben Amp. Aber auch hier gilt, beides nicht zu hart im Panorama zu trennen, damit die künstlich erzeugte Stimme besser eingebettet ist.
Absolut zentral ist natürlich, dass die Gitarre ein gutes Setup hat. Die Saitenlage sollte nicht übermäßig hoch sein, da das die Intonation verschlechtert und dem Gerät die Tonhöhenerkennung erschwert - schnarren sollte es aber natürlich auch nicht. Ganz wichtig dabei: Ein perfekt gekerbter Sattel, da sonst beim Greifen die Töne speziell in den unteren Lagen "sharp" werden, also zu hoch. Die Oktavreinheit sollte so sorgfältig wie möglich eingestellt sein, und die Saiten nicht zu alt, denn auch der Schmodder in den Wicklungen beeinträchtigt die Intonation und damit die Erkennung des gespielten Tons.
Nur ein scheinbarer Gegensatz dazu: Hat man einen Micro Pitch-Parameter, kann man der Harmonieton um ein paar Cent verstimmen, denn eine echte zweite Gitarre spielt nie das mathematisch exakte Intervall. Da gibts immer leichte Intonationsunterschiede, schon weil man unterschiedlich stark greift. Das sorgt für gewisse Schwebungen im Ton, die das Ohr bei starren Abständen instinktiv vermisst.
Im Kemper hast Du zusätzlich noch den Parameter "Formant-Shift", auch mit dem würde ich dabei experimentieren. Das reine Pitch Shifting verschiebt nämlich auch die sog. Formanten nach oben, die nicht nur viel vom Charakter einer menschlichen Stimme ausmachen, sondern auch den eines Instruments. Sicher kennst Du den sog. Micky Maus-Effekt, der Stimmen quäkig und unnatürlich erscheinen lässt. Hier kannst Du mal versuchen, mit dem Formant-Parameter gegenzusteuern. Meine aktuellen Geräte haben diesen Luxus nicht, aber in der Theorie sollte es eine Verbesserung bringen.
Nicht zuletzt sollte man den Effekt vielleicht auch nicht in jeden zweiten Song einbauen, das kann dann schon mal nerven. Den Aha-Effekt habe ich beim Publikum oft gesehen, und der ist natürlich wesentlich schöner als ein "das schon wieder"...
Gruß, bagotrix