[Effekt] Fender 63 Tube Reverb Reissue vers. Boss FRV-1

  • Ersteller kypdurron
  • Erstellt am
kypdurron
kypdurron
Helpful & Friendly User
HFU
Zuletzt hier
21.10.24
Registriert
20.12.07
Beiträge
4.601
Kekse
26.682
Ort
Berlin
Röhrengerät versus Modeling-Effekt

Zum Boss FRV-1 gibt es zwar schon viele Reviews im Netz, die sind aber oft für mich etwas am Thema vorbei, da sie das Gerät an anderen digitalen Hallgeräten messen und nicht am Vorbild. Manchmal hat man sogar den Eindruck, ja, es fehlt etwas Empathie für die eigentliche Zielgruppe dieses Geräts, die vielleicht einfach noch nicht so weit ist zu begreifen, dass Chorus und Flanger viel besser sind als Federhall, und dass ein Flod Rose ein Fender Floating Tremolo mal eben zum Frühstück verspeist. Falls Ihr das auch so seht, gibt es hier leider nichts zu sehen, bitte weitermachen
wink.gif


Der Fender 63 Tube Reverb gilt als die Waffe der Wahl der Surfers und ist auch für viele andere Stile das klangliche Ideal. Allerdings ist er mit rund 700 Euro ziemlich teuer und, wenn man diese Hürde genommen hat, im Alltag oft nicht wirklich handlich. Ein Tiny Terror ist zB kleiner.

Abhilfe verspricht da Boss/Roland, die in einer Partnerschaft mit Fender authentische Nachbildungen einzelner "iconic sounds" aus der Fender-Geschichte versprechen. So soll eben der FRV-1 eine authentische Nachbildung des Fender outboard Reverb darstellen. Nur eben digital statt mit analoger Röhrentechnik, zu einem Preis, der für die meisten Hobbymucker zumindest in Reichweite ist und im Format eines Boss-Pedals.

Das Format war für mich, obwohl ich das Original schon hatte, auch das ausschlaggebende Argument, mir das Pedal auch noch zu kaufen. Ich dachte mir, wenn es 85-95 % des Vorbilds erreicht und dafür in jede Gitarrentasche passt, ist das eine gute Sache für alle möglichen Gelegenheiten, wo man kein Effektgerät in Größe eines kleinen Topteils mitschleppen will.


BOSSFRV-1 FENDER 63 TUBE REVERB



Kleiner Exkurs: Was ist eigentlich so besonders am Outboard Reverb?

Schließlich gibt es ja jede Menge Amps mit eingebauter Hallfeder, die oft auch recht gut klingen. Warum klingt der Outboard Reverb noch mal anders? Zunächst mal kann man nicht nur die Hallintensität im Gesamtmix regeln (Mix), sondern auch den Anteil des Signals, der durch die Hallfedern statt an ihnen vorbei geführt wird (Dwell). Dann hat man noch einen separaten Tone-Regler. Den hat man zwar meist auch am Amp, aber da der Reverb sehr stark ins Klangbild eingreift, macht es schon Sinn, vor dem Verstärker schon ein bisschen Schrill hinzu oder wegzunehmen, je nach Geschmack und Zweck.

Dann: Der Fender-Tank ist wie ein eigenständiger Amp aufgebaut. Das heisst, er hat eine Eingangs-Vorstufenröhre und eine Endstufenröhre. Ohne mich jetzt auf elektrotechnisches Glatteis zu begeben, hat das für den Spieler zwei Folgen. 1) Der Hall reagiert dynamisch. Ich kann also die Länge und Intensität des Halls sowohl mit meiner Anschlagsdynamik steuern als auch z.B. mit einem Booster oder Overdrive. Je mehr Power vorne reinkommt, desto intensiver kommt hinten Hall raus. 2) Wenn man nicht aufpasst, oder es auch drauf anlegt, führt das auch schon mal vor dem Amp zu gewissen Verzerrungen. Das Klangbild verwischt, klingt schmutziger, aber subjektiv auch organischer als bei einem integrierten Hall. Damit macht z.B. Neil Young seinen Soundorkan, und die Surfer lassen den Drip von den Flatwounds tropfen.

Das geht auch mit einem guten integrierten Hall, aber wird dort dann deutlich räumlicher, feinzeichnender, klinischer, weniger deutlich in dem, wonach es klingen soll. Was die meisten Gitarristen oft passender finden werden, da gibts auch keinen Widerspruch von mir
smile.gif


Butter und Fische

Wie schlägt sich nun das Boss-Pedal im vergleich zum Fender? Zuallererst ein paar subjektive Eindrücke. So muss ich sagen, oben genannte Dynamik, das Gefühl, dass der Hall direkt an meinen Saiten hängt - das ist dem kleinen Modeling-Gerät nicht so gut gelungen. Es verhält sich mehr wie das, was es auch ist, nämlich ein Effektgerät. Das bedeutet, wer sich richtig in Extase surft, könnte hier im direkten Vergleich den letzten Tick Rückmeldung vermissen.

Das ist allerdings Jammern auf hohem Niveau, den die Klangfarbe ist erstaunlich gut getroffen. Fast ein bisschen zu gut, es wird nämlich noch etwas schneller etwas schriller und extremer als beim Fender. Für einen sanften Effekt muss man zum Boss beim Einpegeln sehr sanft sein, der Fender verzeiht da etwas mehr. Trotzdem, die typischen Sounds sind mit etwas Drehen an den Knöpfen schnell gefunden und klingen auch verdammt echt. Vielseitige Effektgeräte wie viele andere Halleffekte am Markt sind beide nicht: Da, wo man mit dem Fender nicht so gut hinkommt, kommt auch das Boss nicht hin, was hier ein Federhall ist, ist da eine Federhallsimumation und beides wird kein Raumhall.

Aber genug gequatscht, schließlich gehört zu einem Shootout auch ein akustischer Vergleich.

Versuchsaufbau:
Fender Jazzmaster, die beiden Hallgeräte, Fender Champ, internes Mikrofon meines Mehrspurrekorders. Man hört abwechselnd immer zuerst den Fender Reverb und dann den Boss FRV-1, in folgenden, typischen Settings:
  1. Mix+Dwell 3, Tone 5 Ein mildes Setting, wie man es vielleicht im Country oder Pop verwenden würde.
  2. Alles auf 6 Die legendäre Surf-Einstellung. Mir persönlich ist sie oft etwas zu schrill, im Echtgebrauch wird da je nach Amp eher ein 5-5-5 draus.
  3. Mix+Dwell 10, Tone 8 Alles, was geht, rausgeholt, maximaler Raum, maximaler Drip.

Wer Spielfehler findet, darf sie behalten
wink.gif
Leider hat auch das Mikrofon an den lauteren Stellen etwas gezerrt, war wohl insgesamt etwas zu laut eingepegelt ... so ne Küche ist halt kein Tonstudio.


http://soundclick.com/share.cfm?id=11419324


Trotzdem finde ich, das Ergebnis zeigt, wie dicht das 129 Euro Digitalgerät an das 700 Euro Röhrengerät rankommt. Das allerdings durchaus, für mein Empfinden, in der Lage ist, noch einen Tick mehr organische Räumlichkeit, Wärme und Unmittelbarkeit draufzulegen, vor allem im dritten Setting. Aber gerade auf sixsixsix ist der Vorteil, den man auf Aufnahmen noch hören kann, nicht zwingend 571 Euro wert, und in den dezenteren Settings schon gar nicht. Auch, wenn es sich durch das Röhrengerät evtl. etwas überzeugender anfühlt - das höre am Ende nicht mal ich, obwohl ich es gespielt habe. Nimmt man dann noch Größe, Gewicht, Robustheit dazu, kann man Boss keine schlechte Note ausstellen. Wie gewohnt, ist das Pedal im praktisch unzerstörbaren Metallgehäuse absolut genügsam in der Wahl der Netzteile und bereitet im Alltag keinen Stress. Allerdings ist der Stromverbrauch per Batterie relativ hoch, nach 3 oder 4 Proben ist schon Wechseln angesagt.

Der Fender wird natürlich trotzdem weiterhin seine Fans finden und auch behalten. Ist eben als Effekt, und erst recht als kalifornisches Kulturgut, zumindest hierzulande auch weitgehend konkurrenzlos. Daran wird ein gutes Boss-Pedal wohl nichts ändern.
 
Eigenschaft
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
  • Gefällt mir
Reaktionen: 18 Benutzer
Super Review :great:
Echt schön ge- und beschrieben. Man hört praktisch schon das, was Du schreibst. Schade, dass ich Dich grad schon bewertet habe ;)

Gruß,

Paul
 
Sehr gut. ich habe das Boss auch und bin sehr zufrieden für das was man damit für Sounds machen möchte. Ich finde bei deinen Hörproben allerdings das der Fennder Tank so einen Hauch besser klingt. Aber das mag auch Einbildung sein. Vielen Dank.
 
pico
  • Gelöscht von pico
:great:

Allein schon, wenn ich mir überlege, wer - solche Kisten vergleichsweise auf einer Bühne gefiedelt - aus dem Publikum, ausser vielleicht der Muckerpolizei, hier wirklich einen Unterschied hört.

Problemlos zum Equipment schmeissbare Tretmine mit sehr hohem Gebrauchswert. Jaja, das Modelling...

LG MM
 
Danke nach Berlin für das klasse review! :great:

Auf dieses Shootout habe ich schon ewig gewartet und dann auch noch mit soundfile *applause*

Leider ebstätigt mich das in meiner (ganz perönlichen!) Abneigung Boss pedalen gegenüber.
Ich höre sehr genau raus das ich fender erwaten würde und was mir am Boss Sound dann nicht gefällt.
Mir hat es sehr geholfen.
Leider passt der Fender Tank jedoch nicht ins budget (wen wunderts), also doch die Amps mit reverb behalten, auch wenn die 57 Champ & 63 Tube Reverb Lösung ja super sexy wäre
 
Ja von mir auch ein Dankeschön von Berlin Süd nach Berlin Nord. Ich habe mir etwas Mühe gemacht und die Soundfiles untergeladen und mit etwas Rauschunterdrückung über die heimische HiFi Kiste angehört. Um einen Unterschied zwischen A und B wahrzunehmen muss ich allesdings nicht die Muckerpolizei rufen. A klingt eine ganze Portion echter und schöner, vielleicht fällt das bei Desktop- oder kleinen Monitorboxen nicht so auf, in Natura sollte der Unterschied aber doch sehr deutlich sein. Was aber nicht heißen soll, dass das Boss teil schlecht klingt. Auch das FRV 1 hat einen schönen Klang, allerdings halte ich eine Trefferquote von 85-95 % für etwas hochgegriffen. Das würde das Fender Reverb aber auch in ein schlechtes Licht rücken, schließlich ist es gleich 6 x so teuer.

Ich habe mir gerade für meinen reverblosen Hiwatt Combo das Digitech Hardwire RV-7 gekauft, das hier auch sehr gute Dienste leistet. Allerdings lässt ich das auch nicht mit dem Boss vergleichen, aber ich bin ja auch kein Cowboy oder Surfer. :)
 
Mit dem Norden habe ich nur wenig zu tun, da muss ich Dich enttäuschen :) Vielen Dank für die vielen Bewertungen und die Kommentare, und ich find's eigentlich gut dass sich jeder auf Basis der Samples sein eigenes Urteil bildet und die Urteile auch unterschiedlich sind. Das zeigt doch, dass es ein gutes Stück subjektiv ist, was man erwartet und wo man klanglich hinwill.

Für mich erfüllt das Modeling Pedal seinen Zweck, no more, no less. Nämlich dann einen brauchbaren Hall zu spielen, wenn nichts besseres am Start ist. Und zwar ohne Aufwand und Schlepperei.
 
Leider finde ich kein FRV1 Schaltplan im Netz. Dann könnte man rein theoretisch jedenfalls erstmal sagen wie nah sich beide Schaltungen anhören müssten. Ansich macht nämlich ehr die Schaltung den Sound als die Röhren.
 
Hi,

..Für mich erfüllt das Modeling Pedal seinen Zweck, no more, no less. Nämlich dann einen brauchbaren Hall zu spielen, wenn nichts besseres am Start ist. Und zwar ohne Aufwand und Schlepperei.

thats it. Du hast es im Review bereits punktgenau beschrieben. Die Röhrenkiste wird ihre Liebhaber finden; nicht nur für uns on the road...

(so wie ich letzten Donnerstag Nacht z.B.: Saal in einer alten, aber wunderschönen, Mühle. Ofenheizung (!), natürlich erst kurz vor dem Gig angeheizt, Raumhöhe gefühlte 2 Meter... Oben kochte uns die Birne weg und unten auf dem Fußboden klapperten die Zehennägel vor Kälte. Da gefroren sogar die Bits in dene Diggital-Pedale, standen die doch auf dem Fußboden, hehe)

...sondern z.B. auch schon für Leute, die ihr Equipment fein irgendwo wohltemperiert stehen lassen können, ohne es großartig herumschleppen zu müssen.

LG MM
 
Ein Fender Tank klingt natürlich echter und wahrscheinlich auch wärmer. Nur muss man wohl auch realistisch sein und gucken wo man so spielt. ich hauptsächlich an Venues wo der Sound eher schwammig ist, die Soundcheckzeit quasi 0 und es muss schnell und zuverlässig gehen. Da bin ich mit einer Tretmine besser aufgehoben als mit dem echten Tank.
Wobei ich schon gerne hätte. Aber bis dahin tut der Boss Kollege einen guten Dienst.
Wer natürlich einen eigenen Backliner hat und große Bühnen spielt, sieht das vielleicht anders. ;)
 
...Wer natürlich einen eigenen Backliner hat und große Bühnen spielt, sieht das vielleicht anders. ;)

jepp. Wenn ich nachts um 1e oder 2e übermüdet mein Geraffel in die Karre schmeisse, dann ist mir jedes solide Pedal lieber als ein zweifelsohne vielleicht einen Tick im stillen Kämmerlein gehört gefühlt angenehm klingenderes, aber ansonsten empfindliches Federteil.

Und die Zeiten, wo man mehr Gage bekommt, wenn man schreit "He, ich habe einen echten Federhall dabei, mehr Kohlehabbewill", sind schon lange vorbei... :D

LG MM
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer
Noch cooler fände ich bei solchen Reviews ein zwei-Stufen-Approach mit Umfrage... also insgesamt 6 Samples (3 Treter, 3 Federhall), aber "unsortiert" - mit zunächst der neutralen Frage an die User, was "besser" klingt.

Im zweiten Schritt dann die Auflösung, was jetzt was war.

Das "Wollen", dass das 700-EUR-Gerät besser klingen "muss", sorgt nämlich gerne dafür, dass es das auch "tut"... ;-)

Sonst: geiles review!
 
Röhrengerät versus Modeling-Effekt

Zum Boss FRV-1 gibt es zwar schon viele Reviews im Netz, die sind aber oft für mich etwas am Thema vorbei, da sie das Gerät an anderen digitalen Hallgeräten messen und nicht am Vorbild. Manchmal hat man sogar den Eindruck, ja, es fehlt etwas Empathie für die eigentliche Zielgruppe dieses Geräts, die vielleicht einfach noch nicht so weit ist zu begreifen, dass Chorus und Flanger viel besser sind als Federhall, und dass ein Flod Rose ein Fender Floating Tremolo mal eben zum Frühstück verspeist. Falls Ihr das auch so seht, gibt es hier leider nichts zu sehen, bitte weitermachen
wink.gif


Der Fender 63 Tube Reverb gilt als die Waffe der Wahl der Surfers und ist auch für viele andere Stile das klangliche Ideal. Allerdings ist er mit rund 700 Euro ziemlich teuer und, wenn man diese Hürde genommen hat, im Alltag oft nicht wirklich handlich. Ein Tiny Terror ist zB kleiner.

Abhilfe verspricht da Boss/Roland, die in einer Partnerschaft mit Fender authentische Nachbildungen einzelner "iconic sounds" aus der Fender-Geschichte versprechen. So soll eben der FRV-1 eine authentische Nachbildung des Fender outboard Reverb darstellen. Nur eben digital statt mit analoger Röhrentechnik, zu einem Preis, der für die meisten Hobbymucker zumindest in Reichweite ist und im Format eines Boss-Pedals.

Das Format war für mich, obwohl ich das Original schon hatte, auch das ausschlaggebende Argument, mir das Pedal auch noch zu kaufen. Ich dachte mir, wenn es 85-95 % des Vorbilds erreicht und dafür in jede Gitarrentasche passt, ist das eine gute Sache für alle möglichen Gelegenheiten, wo man kein Effektgerät in Größe eines kleinen Topteils mitschleppen will.


BOSSFRV-1 FENDER 63 TUBE REVERB



Kleiner Exkurs: Was ist eigentlich so besonders am Outboard Reverb?

Schließlich gibt es ja jede Menge Amps mit eingebauter Hallfeder, die oft auch recht gut klingen. Warum klingt der Outboard Reverb noch mal anders? Zunächst mal kann man nicht nur die Hallintensität im Gesamtmix regeln (Mix), sondern auch den Anteil des Signals, der durch die Hallfedern statt an ihnen vorbei geführt wird (Dwell). Dann hat man noch einen separaten Tone-Regler. Den hat man zwar meist auch am Amp, aber da der Reverb sehr stark ins Klangbild eingreift, macht es schon Sinn, vor dem Verstärker schon ein bisschen Schrill hinzu oder wegzunehmen, je nach Geschmack und Zweck.

Dann: Der Fender-Tank ist wie ein eigenständiger Amp aufgebaut. Das heisst, er hat eine Eingangs-Vorstufenröhre und eine Endstufenröhre. Ohne mich jetzt auf elektrotechnisches Glatteis zu begeben, hat das für den Spieler zwei Folgen. 1) Der Hall reagiert dynamisch. Ich kann also die Länge und Intensität des Halls sowohl mit meiner Anschlagsdynamik steuern als auch z.B. mit einem Booster oder Overdrive. Je mehr Power vorne reinkommt, desto intensiver kommt hinten Hall raus. 2) Wenn man nicht aufpasst, oder es auch drauf anlegt, führt das auch schon mal vor dem Amp zu gewissen Verzerrungen. Das Klangbild verwischt, klingt schmutziger, aber subjektiv auch organischer als bei einem integrierten Hall. Damit macht z.B. Neil Young seinen Soundorkan, und die Surfer lassen den Drip von den Flatwounds tropfen.

Das geht auch mit einem guten integrierten Hall, aber wird dort dann deutlich räumlicher, feinzeichnender, klinischer, weniger deutlich in dem, wonach es klingen soll. Was die meisten Gitarristen oft passender finden werden, da gibts auch keinen Widerspruch von mir
smile.gif


Butter und Fische

Wie schlägt sich nun das Boss-Pedal im vergleich zum Fender? Zuallererst ein paar subjektive Eindrücke. So muss ich sagen, oben genannte Dynamik, das Gefühl, dass der Hall direkt an meinen Saiten hängt - das ist dem kleinen Modeling-Gerät nicht so gut gelungen. Es verhält sich mehr wie das, was es auch ist, nämlich ein Effektgerät. Das bedeutet, wer sich richtig in Extase surft, könnte hier im direkten Vergleich den letzten Tick Rückmeldung vermissen.

Das ist allerdings Jammern auf hohem Niveau, den die Klangfarbe ist erstaunlich gut getroffen. Fast ein bisschen zu gut, es wird nämlich noch etwas schneller etwas schriller und extremer als beim Fender. Für einen sanften Effekt muss man zum Boss beim Einpegeln sehr sanft sein, der Fender verzeiht da etwas mehr. Trotzdem, die typischen Sounds sind mit etwas Drehen an den Knöpfen schnell gefunden und klingen auch verdammt echt. Vielseitige Effektgeräte wie viele andere Halleffekte am Markt sind beide nicht: Da, wo man mit dem Fender nicht so gut hinkommt, kommt auch das Boss nicht hin, was hier ein Federhall ist, ist da eine Federhallsimumation und beides wird kein Raumhall.

Aber genug gequatscht, schließlich gehört zu einem Shootout auch ein akustischer Vergleich.

Versuchsaufbau:
Fender Jazzmaster, die beiden Hallgeräte, Fender Champ, internes Mikrofon meines Mehrspurrekorders. Man hört abwechselnd immer zuerst den Fender Reverb und dann den Boss FRV-1, in folgenden, typischen Settings:
  1. Mix+Dwell 3, Tone 5 Ein mildes Setting, wie man es vielleicht im Country oder Pop verwenden würde.
  2. Alles auf 6 Die legendäre Surf-Einstellung. Mir persönlich ist sie oft etwas zu schrill, im Echtgebrauch wird da je nach Amp eher ein 5-5-5 draus.
  3. Mix+Dwell 10, Tone 8 Alles, was geht, rausgeholt, maximaler Raum, maximaler Drip.

Wer Spielfehler findet, darf sie behalten
wink.gif
Leider hat auch das Mikrofon an den lauteren Stellen etwas gezerrt, war wohl insgesamt etwas zu laut eingepegelt ... so ne Küche ist halt kein Tonstudio.


http://soundclick.com/share.cfm?id=11419324


Trotzdem finde ich, das Ergebnis zeigt, wie dicht das 129 Euro Digitalgerät an das 700 Euro Röhrengerät rankommt. Das allerdings durchaus, für mein Empfinden, in der Lage ist, noch einen Tick mehr organische Räumlichkeit, Wärme und Unmittelbarkeit draufzulegen, vor allem im dritten Setting. Aber gerade auf sixsixsix ist der Vorteil, den man auf Aufnahmen noch hören kann, nicht zwingend 571 Euro wert, und in den dezenteren Settings schon gar nicht. Auch, wenn es sich durch das Röhrengerät evtl. etwas überzeugender anfühlt - das höre am Ende nicht mal ich, obwohl ich es gespielt habe. Nimmt man dann noch Größe, Gewicht, Robustheit dazu, kann man Boss keine schlechte Note ausstellen. Wie gewohnt, ist das Pedal im praktisch unzerstörbaren Metallgehäuse absolut genügsam in der Wahl der Netzteile und bereitet im Alltag keinen Stress. Allerdings ist der Stromverbrauch per Batterie relativ hoch, nach 3 oder 4 Proben ist schon Wechseln angesagt.

Der Fender wird natürlich trotzdem weiterhin seine Fans finden und auch behalten. Ist eben als Effekt, und erst recht als kalifornisches Kulturgut, zumindest hierzulande auch weitgehend konkurrenzlos. Daran wird ein gutes Boss-Pedal wohl nichts ändern.
 
Da Sommerloch ist, buddle ich mal diesen Fred aus. ;)

An und für sich ist ja alles dazu schon geschrieben; ich möchte lediglich ergänzen.

Wie? Ausgerechnet ich, der das RV-5 vom gleichen Hersteller weit von sich geworfen hat, legt sich nochmal einen Digitalhall zu?

DSC03220.JPG


Offenbar ist eben nicht "Digital gleich Digital".

Am meisten hat mich überzeugt, dass das FRV-1 niemals so vordergründig nach "vor dem Amp" in einer Effektkette klingt, wie es zum Beispiel das RV-5 vom gleichen Hersteller tat; selbst dann, wenn es im Einschleifweg eines Amps war. Offenbar hat hier der Mixer-Regler zusammen mit dem Tone-Regler hier einen großen Einfluß. Das FRV-1 klingt, als wäre es eben in einem Einschleifweg drin - selbst wenn es auf dem Pedalboard vor den Amp geschaltet ist.

Überhaupt: Seine drei Regler haben es in sich! Sie erinnern mich irgendwie an die beiden Regler "Body" und "Detail" meines damaligen Marshall 2266VM. Schier unendlich viele Möglichkeiten, mit denen man erst einmal experimentieren muss. Das geht nicht mal eben so fix eingestellt, denn sonst kann es fürchterlich schrill klingen und sogar "ploingen", was ich wiederum gar nicht mag.

Hat man sich aber eine gute Weile mit den drei Reglern befasst, dann gelingt mit dem FRV-1 im Gegensatz zum RV-5, was für mich immer "kalt", steril und aufdringlich klang, ein sehr "warmer, analoger" Reverb (ich weiß, er ist nicht analog!). Ich bevorzuge einen eher unauffällig und subtil klingenden Reverb und genau das macht das Pedal. Nicht mehr und nicht weniger. Boss hat sich hier offenbar sehr viel Mühe gegeben, eine überzeugende digitale Nachbildung abzuliefern.

Gefällt mir jedenfalls sehr gut!
 
@Stratspieler: Danke, dass Du den thread noch mal aufgewärmt hast, wäre sonst vermutlich nicht drüber gestolpert. Hatte vor x Jahren auch mit dem Boss geliebäugelt, es ist dann aber dank günstiger Gelegenheit der Fender Vibro King geworden. Der hat den 63 Tube Reverb zum Glück ja schon an Bord und ich brauch mir keinen Kopp mehr zu machen...
 

Ähnliche Themen


Unser weiteres Online-Angebot:
Bassic.de · Deejayforum.de · Sequencer.de · Clavio.de · Guitarworld.de · Recording.de

Musiker-Board Logo
Zurück
Oben