kypdurron
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Röhrengerät versus Modeling-Effekt
Zum Boss FRV-1 gibt es zwar schon viele Reviews im Netz, die sind aber oft für mich etwas am Thema vorbei, da sie das Gerät an anderen digitalen Hallgeräten messen und nicht am Vorbild. Manchmal hat man sogar den Eindruck, ja, es fehlt etwas Empathie für die eigentliche Zielgruppe dieses Geräts, die vielleicht einfach noch nicht so weit ist zu begreifen, dass Chorus und Flanger viel besser sind als Federhall, und dass ein Flod Rose ein Fender Floating Tremolo mal eben zum Frühstück verspeist. Falls Ihr das auch so seht, gibt es hier leider nichts zu sehen, bitte weitermachen
Der Fender 63 Tube Reverb gilt als die Waffe der Wahl der Surfers und ist auch für viele andere Stile das klangliche Ideal. Allerdings ist er mit rund 700 Euro ziemlich teuer und, wenn man diese Hürde genommen hat, im Alltag oft nicht wirklich handlich. Ein Tiny Terror ist zB kleiner.
Abhilfe verspricht da Boss/Roland, die in einer Partnerschaft mit Fender authentische Nachbildungen einzelner "iconic sounds" aus der Fender-Geschichte versprechen. So soll eben der FRV-1 eine authentische Nachbildung des Fender outboard Reverb darstellen. Nur eben digital statt mit analoger Röhrentechnik, zu einem Preis, der für die meisten Hobbymucker zumindest in Reichweite ist und im Format eines Boss-Pedals.
Das Format war für mich, obwohl ich das Original schon hatte, auch das ausschlaggebende Argument, mir das Pedal auch noch zu kaufen. Ich dachte mir, wenn es 85-95 % des Vorbilds erreicht und dafür in jede Gitarrentasche passt, ist das eine gute Sache für alle möglichen Gelegenheiten, wo man kein Effektgerät in Größe eines kleinen Topteils mitschleppen will.
BOSSFRV-1 FENDER 63 TUBE REVERB
Kleiner Exkurs: Was ist eigentlich so besonders am Outboard Reverb?
Schließlich gibt es ja jede Menge Amps mit eingebauter Hallfeder, die oft auch recht gut klingen. Warum klingt der Outboard Reverb noch mal anders? Zunächst mal kann man nicht nur die Hallintensität im Gesamtmix regeln (Mix), sondern auch den Anteil des Signals, der durch die Hallfedern statt an ihnen vorbei geführt wird (Dwell). Dann hat man noch einen separaten Tone-Regler. Den hat man zwar meist auch am Amp, aber da der Reverb sehr stark ins Klangbild eingreift, macht es schon Sinn, vor dem Verstärker schon ein bisschen Schrill hinzu oder wegzunehmen, je nach Geschmack und Zweck.
Dann: Der Fender-Tank ist wie ein eigenständiger Amp aufgebaut. Das heisst, er hat eine Eingangs-Vorstufenröhre und eine Endstufenröhre. Ohne mich jetzt auf elektrotechnisches Glatteis zu begeben, hat das für den Spieler zwei Folgen. 1) Der Hall reagiert dynamisch. Ich kann also die Länge und Intensität des Halls sowohl mit meiner Anschlagsdynamik steuern als auch z.B. mit einem Booster oder Overdrive. Je mehr Power vorne reinkommt, desto intensiver kommt hinten Hall raus. 2) Wenn man nicht aufpasst, oder es auch drauf anlegt, führt das auch schon mal vor dem Amp zu gewissen Verzerrungen. Das Klangbild verwischt, klingt schmutziger, aber subjektiv auch organischer als bei einem integrierten Hall. Damit macht z.B. Neil Young seinen Soundorkan, und die Surfer lassen den Drip von den Flatwounds tropfen.
Das geht auch mit einem guten integrierten Hall, aber wird dort dann deutlich räumlicher, feinzeichnender, klinischer, weniger deutlich in dem, wonach es klingen soll. Was die meisten Gitarristen oft passender finden werden, da gibts auch keinen Widerspruch von mir
Butter und Fische
Wie schlägt sich nun das Boss-Pedal im vergleich zum Fender? Zuallererst ein paar subjektive Eindrücke. So muss ich sagen, oben genannte Dynamik, das Gefühl, dass der Hall direkt an meinen Saiten hängt - das ist dem kleinen Modeling-Gerät nicht so gut gelungen. Es verhält sich mehr wie das, was es auch ist, nämlich ein Effektgerät. Das bedeutet, wer sich richtig in Extase surft, könnte hier im direkten Vergleich den letzten Tick Rückmeldung vermissen.
Das ist allerdings Jammern auf hohem Niveau, den die Klangfarbe ist erstaunlich gut getroffen. Fast ein bisschen zu gut, es wird nämlich noch etwas schneller etwas schriller und extremer als beim Fender. Für einen sanften Effekt muss man zum Boss beim Einpegeln sehr sanft sein, der Fender verzeiht da etwas mehr. Trotzdem, die typischen Sounds sind mit etwas Drehen an den Knöpfen schnell gefunden und klingen auch verdammt echt. Vielseitige Effektgeräte wie viele andere Halleffekte am Markt sind beide nicht: Da, wo man mit dem Fender nicht so gut hinkommt, kommt auch das Boss nicht hin, was hier ein Federhall ist, ist da eine Federhallsimumation und beides wird kein Raumhall.
Aber genug gequatscht, schließlich gehört zu einem Shootout auch ein akustischer Vergleich.
Versuchsaufbau: Fender Jazzmaster, die beiden Hallgeräte, Fender Champ, internes Mikrofon meines Mehrspurrekorders. Man hört abwechselnd immer zuerst den Fender Reverb und dann den Boss FRV-1, in folgenden, typischen Settings:
Wer Spielfehler findet, darf sie behalten
Leider hat auch das Mikrofon an den lauteren Stellen etwas gezerrt, war wohl insgesamt etwas zu laut eingepegelt ... so ne Küche ist halt kein Tonstudio.
http://soundclick.com/share.cfm?id=11419324
Trotzdem finde ich, das Ergebnis zeigt, wie dicht das 129 Euro Digitalgerät an das 700 Euro Röhrengerät rankommt. Das allerdings durchaus, für mein Empfinden, in der Lage ist, noch einen Tick mehr organische Räumlichkeit, Wärme und Unmittelbarkeit draufzulegen, vor allem im dritten Setting. Aber gerade auf sixsixsix ist der Vorteil, den man auf Aufnahmen noch hören kann, nicht zwingend 571 Euro wert, und in den dezenteren Settings schon gar nicht. Auch, wenn es sich durch das Röhrengerät evtl. etwas überzeugender anfühlt - das höre am Ende nicht mal ich, obwohl ich es gespielt habe. Nimmt man dann noch Größe, Gewicht, Robustheit dazu, kann man Boss keine schlechte Note ausstellen. Wie gewohnt, ist das Pedal im praktisch unzerstörbaren Metallgehäuse absolut genügsam in der Wahl der Netzteile und bereitet im Alltag keinen Stress. Allerdings ist der Stromverbrauch per Batterie relativ hoch, nach 3 oder 4 Proben ist schon Wechseln angesagt.
Der Fender wird natürlich trotzdem weiterhin seine Fans finden und auch behalten. Ist eben als Effekt, und erst recht als kalifornisches Kulturgut, zumindest hierzulande auch weitgehend konkurrenzlos. Daran wird ein gutes Boss-Pedal wohl nichts ändern.
Zum Boss FRV-1 gibt es zwar schon viele Reviews im Netz, die sind aber oft für mich etwas am Thema vorbei, da sie das Gerät an anderen digitalen Hallgeräten messen und nicht am Vorbild. Manchmal hat man sogar den Eindruck, ja, es fehlt etwas Empathie für die eigentliche Zielgruppe dieses Geräts, die vielleicht einfach noch nicht so weit ist zu begreifen, dass Chorus und Flanger viel besser sind als Federhall, und dass ein Flod Rose ein Fender Floating Tremolo mal eben zum Frühstück verspeist. Falls Ihr das auch so seht, gibt es hier leider nichts zu sehen, bitte weitermachen
Der Fender 63 Tube Reverb gilt als die Waffe der Wahl der Surfers und ist auch für viele andere Stile das klangliche Ideal. Allerdings ist er mit rund 700 Euro ziemlich teuer und, wenn man diese Hürde genommen hat, im Alltag oft nicht wirklich handlich. Ein Tiny Terror ist zB kleiner.
Abhilfe verspricht da Boss/Roland, die in einer Partnerschaft mit Fender authentische Nachbildungen einzelner "iconic sounds" aus der Fender-Geschichte versprechen. So soll eben der FRV-1 eine authentische Nachbildung des Fender outboard Reverb darstellen. Nur eben digital statt mit analoger Röhrentechnik, zu einem Preis, der für die meisten Hobbymucker zumindest in Reichweite ist und im Format eines Boss-Pedals.
Das Format war für mich, obwohl ich das Original schon hatte, auch das ausschlaggebende Argument, mir das Pedal auch noch zu kaufen. Ich dachte mir, wenn es 85-95 % des Vorbilds erreicht und dafür in jede Gitarrentasche passt, ist das eine gute Sache für alle möglichen Gelegenheiten, wo man kein Effektgerät in Größe eines kleinen Topteils mitschleppen will.
BOSSFRV-1 FENDER 63 TUBE REVERB
Kleiner Exkurs: Was ist eigentlich so besonders am Outboard Reverb?
Schließlich gibt es ja jede Menge Amps mit eingebauter Hallfeder, die oft auch recht gut klingen. Warum klingt der Outboard Reverb noch mal anders? Zunächst mal kann man nicht nur die Hallintensität im Gesamtmix regeln (Mix), sondern auch den Anteil des Signals, der durch die Hallfedern statt an ihnen vorbei geführt wird (Dwell). Dann hat man noch einen separaten Tone-Regler. Den hat man zwar meist auch am Amp, aber da der Reverb sehr stark ins Klangbild eingreift, macht es schon Sinn, vor dem Verstärker schon ein bisschen Schrill hinzu oder wegzunehmen, je nach Geschmack und Zweck.
Dann: Der Fender-Tank ist wie ein eigenständiger Amp aufgebaut. Das heisst, er hat eine Eingangs-Vorstufenröhre und eine Endstufenröhre. Ohne mich jetzt auf elektrotechnisches Glatteis zu begeben, hat das für den Spieler zwei Folgen. 1) Der Hall reagiert dynamisch. Ich kann also die Länge und Intensität des Halls sowohl mit meiner Anschlagsdynamik steuern als auch z.B. mit einem Booster oder Overdrive. Je mehr Power vorne reinkommt, desto intensiver kommt hinten Hall raus. 2) Wenn man nicht aufpasst, oder es auch drauf anlegt, führt das auch schon mal vor dem Amp zu gewissen Verzerrungen. Das Klangbild verwischt, klingt schmutziger, aber subjektiv auch organischer als bei einem integrierten Hall. Damit macht z.B. Neil Young seinen Soundorkan, und die Surfer lassen den Drip von den Flatwounds tropfen.
Das geht auch mit einem guten integrierten Hall, aber wird dort dann deutlich räumlicher, feinzeichnender, klinischer, weniger deutlich in dem, wonach es klingen soll. Was die meisten Gitarristen oft passender finden werden, da gibts auch keinen Widerspruch von mir
Butter und Fische
Wie schlägt sich nun das Boss-Pedal im vergleich zum Fender? Zuallererst ein paar subjektive Eindrücke. So muss ich sagen, oben genannte Dynamik, das Gefühl, dass der Hall direkt an meinen Saiten hängt - das ist dem kleinen Modeling-Gerät nicht so gut gelungen. Es verhält sich mehr wie das, was es auch ist, nämlich ein Effektgerät. Das bedeutet, wer sich richtig in Extase surft, könnte hier im direkten Vergleich den letzten Tick Rückmeldung vermissen.
Das ist allerdings Jammern auf hohem Niveau, den die Klangfarbe ist erstaunlich gut getroffen. Fast ein bisschen zu gut, es wird nämlich noch etwas schneller etwas schriller und extremer als beim Fender. Für einen sanften Effekt muss man zum Boss beim Einpegeln sehr sanft sein, der Fender verzeiht da etwas mehr. Trotzdem, die typischen Sounds sind mit etwas Drehen an den Knöpfen schnell gefunden und klingen auch verdammt echt. Vielseitige Effektgeräte wie viele andere Halleffekte am Markt sind beide nicht: Da, wo man mit dem Fender nicht so gut hinkommt, kommt auch das Boss nicht hin, was hier ein Federhall ist, ist da eine Federhallsimumation und beides wird kein Raumhall.
Aber genug gequatscht, schließlich gehört zu einem Shootout auch ein akustischer Vergleich.
Versuchsaufbau: Fender Jazzmaster, die beiden Hallgeräte, Fender Champ, internes Mikrofon meines Mehrspurrekorders. Man hört abwechselnd immer zuerst den Fender Reverb und dann den Boss FRV-1, in folgenden, typischen Settings:
- Mix+Dwell 3, Tone 5 Ein mildes Setting, wie man es vielleicht im Country oder Pop verwenden würde.
- Alles auf 6 Die legendäre Surf-Einstellung. Mir persönlich ist sie oft etwas zu schrill, im Echtgebrauch wird da je nach Amp eher ein 5-5-5 draus.
- Mix+Dwell 10, Tone 8 Alles, was geht, rausgeholt, maximaler Raum, maximaler Drip.
Wer Spielfehler findet, darf sie behalten
http://soundclick.com/share.cfm?id=11419324
Trotzdem finde ich, das Ergebnis zeigt, wie dicht das 129 Euro Digitalgerät an das 700 Euro Röhrengerät rankommt. Das allerdings durchaus, für mein Empfinden, in der Lage ist, noch einen Tick mehr organische Räumlichkeit, Wärme und Unmittelbarkeit draufzulegen, vor allem im dritten Setting. Aber gerade auf sixsixsix ist der Vorteil, den man auf Aufnahmen noch hören kann, nicht zwingend 571 Euro wert, und in den dezenteren Settings schon gar nicht. Auch, wenn es sich durch das Röhrengerät evtl. etwas überzeugender anfühlt - das höre am Ende nicht mal ich, obwohl ich es gespielt habe. Nimmt man dann noch Größe, Gewicht, Robustheit dazu, kann man Boss keine schlechte Note ausstellen. Wie gewohnt, ist das Pedal im praktisch unzerstörbaren Metallgehäuse absolut genügsam in der Wahl der Netzteile und bereitet im Alltag keinen Stress. Allerdings ist der Stromverbrauch per Batterie relativ hoch, nach 3 oder 4 Proben ist schon Wechseln angesagt.
Der Fender wird natürlich trotzdem weiterhin seine Fans finden und auch behalten. Ist eben als Effekt, und erst recht als kalifornisches Kulturgut, zumindest hierzulande auch weitgehend konkurrenzlos. Daran wird ein gutes Boss-Pedal wohl nichts ändern.
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