Kann es sein, dass dieses mit der Spreizbarkeit des Ringfingers / mit der Kraft des Ringfingers zusammenhängt?"
Rein anatomisch betrachtet, hat der entwicklungsgeschichtlich nur "kooperierend" geforderte Ringfinger das Problem, dass er durch den - für die Griffstabilität eigentlich sinnvollen - Sehnenverband zwischen den Strecksehnen stärker eingeschränkt wird, als die restlichen Finger. Dies läßt sich ohne Risiken einer Dauerschädigung (wie im Fall Robert Schumanns, der nach falschen "Korrekturmaßnahmen" nicht mehr Klavier spielen konnte) nicht korrigieren, sondern nur geringfügig verbessern.
Auf deinen Fotos vermag ich aber kein "Durchdrücken" zu erkennen, sondern lediglich eine ganz normale Streckung. Da Zeigefinger und Mittelfinger in Spielstellung rund aufgesetzt sind, entsteht nun durch die Abstände der Grifflöcher ein anderes anatomisches Problem, nämlich das der eingeschränkten Spreizungsfähigkeit bei durch Fingerkrümmung aktivierten
Seitenbändern. Auch diese machen Sinn, damit uns ein einmal ergriffener, schwerer Gegenstand nicht die Finger "auseinanderzieht", und wir wieder loslassen müssen.
Was hier passiert, kannst du leicht nachvollziehen, indem du alle Finger maximal streckst und gleichzeitig seitlich spreizt: Das geht problemlos. Dann machst du eine leichte Faust, und versuchst mit den nunmehr gerundeten Fingern, eine seitlich Spreizbewegung zu machen: Das geht insbesonders zwischen Mittel- und Ringfinger (die sich beim Beugen sogar einander noch annähern!) so gut wie gar nicht.
Merke: Je mehr du die Finger streckst, umso größer wird ihre seitliche Reichweite, was zwangsläufig dazu führt, dass du
bei deiner ungünstigen Handstellung (dazu gleich mehr) das Griffloch nur durch Streckung des Ringfingers erreichen kannst!
Lösung des Problems: Gewöhne dir eine zweckdienliche Handstellung an!
Dazu drehst du erstens die Hand so, dass deine Fingerknöchel immer annährend parallel zu den Grifflöchern stehen, und nicht diagonal, wie auf den Fotos, wodurch du die Abstände von den Fingernkuppen zu den Grifflöchern nur noch weiter vergrößerst.
Zweitens bringst du die Hand grundsätzlich in eine Position, in der der
Ringfinger das
Zentrum der Grifftätigkeit darstellt und daher immer so gegenüber seinem Griffloch liegt, dass er in natürlicher, leichter Beugestellung und ohne Seitenbewegungen greifen kann. Dadurch können die Griffabstände für die restlichen Finger zwar geringfügig ungünstiger werden, was aber für diese leichter zu kompensieren ist, da sie eben von Natur aus eine höhere Beweglichkeit haben, als der Ringsfinger.
Also immer so greifen, dass sich niemals der Ringfinger von den anderen Fingern wegbewegen muss, sondern die anderen vom Ringfinger - falls dies bei einer parallelen Knöchelstellung überhaupt notwendig werden sollte.
Das selbe Problem tritt bei mir auch beim G-Dur Griff auf der Gitarre auf.
Beim G-Dur-Griff ( 3-2-0-0-0-3, Finger 3, 2, 4) auf der Gitarre kommt es zu einer "Bündelung" der anatomischen Probleme, die man manchmal nur "grifftaktisch" lösen kann, indem man z.B. zuerst den Ringfinger aufsetzt, während der Kleinfinger
aktiv gebeugt wird. Setzt man hingegen zuerst den Kleinfinger auf, muss der Ringfinger
aktiv gestreckt werden, was er aus den oben genannten Gründen nicht gut kann. Das Endergebnis sieht zwar gleich aus, fühlt sich hinsichtlich der Musikelaktivität aber anders an!
Auch hier gilt, dass die Fingerknöchel parallel zu den Saiten stehen, nicht diagonal.