Doomson
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Dolorian - Dolorian
Das kann keine Überschrift auf den Punkt bringen!
In den letzten Tagen ergriff mich plötzlich ein unerklärlicher Drang, eine Rezension zu diesem Album zu verfassen, wohl wissend, dass ich mich selbst damit vor eine nicht ganz leichte Aufgabe stellen würde. Doch da mein Kopf mich nunmehr ständig mit entsprechenden Sätzen und Umschreibungen überflutet und mir damit keine Ruhe lässt, muss ich dem Drang jetzt nachgeben. Ich entschuldige mich im Voraus dafür, dass ich womöglich auf umständliche und pseudo-elitär anmutende Formulierungen zurückgreifen muss; ich versuche nicht, den akribischen Analytiker oder schwärmenden Poeten zu spielen, sondern versuche lediglich, meine Gedanken und Gefühle zu diesem Meisterstück angemessen wiederzugeben.
Wie lässt sich ein Album beschreiben oder gar bewerten, das so konsequent und scheinbar mit der Leichtigkeit einer kleinen Handbewegung jede Spur musikalischer Popkultur austilgt, sich so beinahe sämtlichen gängigen Genre-Begriffen entzieht und dabei trotzdem durch und durch natürlich, unforciert und aus einem Guss präsentiert? "Dolorian" fährt weder geballte Härte auf, noch gibt es hier locker-flockige Entspannugsklänge; weder stößt man auf frontales Gerocke, noch auf balladeske Theatralik; die Band nimmt sich nicht die Freiheit entstellender Atonalität heraus, greift aber ebenso wenig auf gängige Harmonieverläufe oder Melodieführungen mit Hitpotenzial zurück; die Musik lebt von ästhetisierter Monotonie und Tristesse und liefert doch einen Aha-Effekt nach dem anderen.
Vielerorts werden Dolorian der Doom-Szene zugerechnet - ein mehr als vager Bezug, welcher der Eigenständigkeit dieser damals drei, heutzutage nur noch zwei Finnen kaum gerecht werden kann. Denn ganz abgesehen von der klaren stilistischen Abgrenzung signalisieren selbst die meisten Doom Metal-Formationen, die sich außerhalb der extremsten Enden von Funeral, Drone und Sludge bewegen, dass die letzte Hoffnung noch nicht gänzlich aufgegeben ist: Unerfüllte Sehnsüchte und ein letzter verzweifelter Hilfeschrei schimmern bei genauerer Betrachtung in den destruktiven Klanggebilden durch.
Diejenigen, die schwelgerisch-romantisierte Melancholie mit Depression gleichsetzen und infolgedessen My Dying Bride als depressiv oder gar anstrengend empfinden, werden somit bei Dolorian eines besseren belehrt, denn hier ist die letzte Sehnsucht als abwegiges Ideal entlarvt und der letzte Hilfeschrei verhallt; was bleibt ist ein schweigendes, fast unsichtbares Wesen, weit stiller als das sprichwörtliche stille Wasser, versunken in antriebsloser, starrender Apathie - eine Apathie, welche dieses, das zweite Dolorian-Album bis ins Mark verkörpert.
Und doch gelingt hier eine erstaunliche Ambivalenz: Die weiße Flagge, die auf einem schwarzen Häufchen Elend gehisst wird, thront fast majestätisch über demselben und verkündet nicht nur die bedingungslose Resignation, sondern markiert zugleich einen vollkommen gereinigten Bewusstseinszustand. Denn derart befreit von eindiktierten Idealen und von einem schützenden Kokon umgeben, der die Kontamination durch den Identitäten auslöschenden Schmutz und Abschaum der Gesellschaft verhindert, wird dem Individuum die Tür zur Selbsterkenntnis geöffnet, und zwar auf einer gänzlich introspektiven und essentiellen Ebene. Die Musik wird zum Refugium, das dem aufgeschlossenen Hörer ein Stück heilsamen Eskapismus gewährt. Erst nachdem dieser Schritt getan ist, werden dem Ich auf dem Nachfolgealbum "Voidwards" schließlich gar die transzendenten Wege zu anderen, womöglich höheren Bewusstseinsebenen aufgezeigt, so man diese denn entdecken will.
Ambivalenz vermitteln auch die Texte, die nur in Ausschnitten und teils gar spiegelverkehrt in dem schlicht gestalteten Faltcover abgedruckt sind (ein Großteil der Texte für die ersten beiden Dolorian-Alben wurde von der Band nicht veröffentlicht, da diese nach eigenen Angaben zu persönliche Inhalte behandeln). "you culmination of vermins i don't need you mornings will never touch me again". Wo zwei so grundverschiedene Sätze in einem Atemzug und ohne Trennzeichen aufgeführt werden, ist die Aussage klar und deutlich: Eine kritische, ja gar von Verachtung erfüllte Haltung zum sozialen Umfeld zeugt nicht notwendigerweise von Arroganz und Narzissmus, sondern wird dem Menschen durch das feindselige und ablehnende Verhalten anderer geradezu aufgezwungen und treibt ihn in seiner Unverstandenheit in die trostloseste Isolation.
Text und Musik sind dementsprechend völlig im Einklang. Auch und besonders die Art, in der die Worte rezitiert werden, unterstreicht dieses konsequente Konzept. Während der gesamten Spielzeit wird keine einzige Note gesungen. Auch die schwarzmetallischen Stimmeruptionen, die auf dem Debut "When All The Laughter Has Gone" der tiefen Verachtung für die Intoleranz und blinde Oberflächlichkeit gesellschaftlich angepasster Menschen und dem zerstörerischen Selbsthass des Isolierten gleichermaßen Luft machten, sind hier restlos verschwunden. Nur ein kraftloses Flüstern quillt noch wie ein Strom entmutigter Gedanken aus einer schwammigen Tiefe empor.
Nun weiß der geneigte Leser, der nicht schon längst festgestellt hat, dass dieses Album nichts für ihn sein wird, noch immer nicht so recht, wie die eigentliche Musik klingt. Ich könnte von den allgegenwärtigen gezupften Gitarrenarrangements sprechen, deren weicher und oft mit diffusen Halleffekten belegter Sound faszinierende Klangteppiche webt; ich könnte anmerken, dass selbst die gelegentlichen metallisch verzerrten Riffs, die sich zäh und teils doomig in die Kompositionen schleichen, keinerlei Aggression transportieren, somit keinen Ausbruch aus der resignierten Stimmung schaffen: Kein Headbangen, keine Luftgitarre, kein Mitgrölen. Ich könnte darüber hinaus feststellen, dass das Schlagzeug völlig entspannt und unmetallisch klingt und manchmal etwas groovige Akzente setzt, ohne dabei rockig zu wirken. Ich könnte die minimalistischen Dark Ambient-Interludes erwähnen, die manche Stücke miteinander verknüpfen, das Album einleiten und auch wieder ausklingen lassen, und im Zuge dessen würde ich dann auch die vier Kompositionen "Blue Unknown", "Hidden / Rising", "Numb Lava" und "Seclusion" als Kernstücke des Albums herausstellen. Ich könnte auch sagen, dass der Anspieltipp für dieses Album nur das Album selbst sein kann, da es als Gesamtkunstwerk betrachtet und angehört werden sollte (es gibt nicht einmal Pausen zwischen den Tracks). Sollte ich unbedingt Kritikpunkte nennen, so fiele mir allenfalls ein, dass sich das ganz ohne Distortion auskommende "Cold / Colourless" ein wenig in die Länge zieht, was aber für den, der sich von der hypnotischen Wirkung des Albums fesseln lässt, nicht negativ ins Gewicht fällt.
Aber all das würde nichts daran ändern, dass man sich Klangbild und Atmosphäre von "Dolorian" kaum anhand von Beschreibungen wird vorstellen können sondern schlicht selbst erleben muss, und auch dann darf man keine prompte Begeisterung erwarten, da man sich in dieser unerschlossenen Welt erst einmal zurechtfinden muss. Am Rande sei noch angemerkt, dass die glasklare Produktion für uneingeschränkten Hörgenuss sorgt. Nur ein sehr enger Publikumskreis wird dieses Stück Musik wertschätzen können; doch jedem, dessen Interesse nun geweckt ist, sei gesagt, dass es hier eine Perle zu entdecken gibt wie man sie kein zweites Mal findet. Seit ich dieses Album kennen und lieben gelernt habe, erscheinen mir die meisten anderen Bands überholt, seien sie auch noch so gut. Dies ist kein Doom-Album, nicht einmal ein Metal-Album, kein Album für den typischen Freund düsterer Musik. Dies ist schlichtweg Dolorian.
Spielzeit: 50:20 Min.
(Rezension verfasst am 05.04.2007)
Das kann keine Überschrift auf den Punkt bringen!
In den letzten Tagen ergriff mich plötzlich ein unerklärlicher Drang, eine Rezension zu diesem Album zu verfassen, wohl wissend, dass ich mich selbst damit vor eine nicht ganz leichte Aufgabe stellen würde. Doch da mein Kopf mich nunmehr ständig mit entsprechenden Sätzen und Umschreibungen überflutet und mir damit keine Ruhe lässt, muss ich dem Drang jetzt nachgeben. Ich entschuldige mich im Voraus dafür, dass ich womöglich auf umständliche und pseudo-elitär anmutende Formulierungen zurückgreifen muss; ich versuche nicht, den akribischen Analytiker oder schwärmenden Poeten zu spielen, sondern versuche lediglich, meine Gedanken und Gefühle zu diesem Meisterstück angemessen wiederzugeben.
Wie lässt sich ein Album beschreiben oder gar bewerten, das so konsequent und scheinbar mit der Leichtigkeit einer kleinen Handbewegung jede Spur musikalischer Popkultur austilgt, sich so beinahe sämtlichen gängigen Genre-Begriffen entzieht und dabei trotzdem durch und durch natürlich, unforciert und aus einem Guss präsentiert? "Dolorian" fährt weder geballte Härte auf, noch gibt es hier locker-flockige Entspannugsklänge; weder stößt man auf frontales Gerocke, noch auf balladeske Theatralik; die Band nimmt sich nicht die Freiheit entstellender Atonalität heraus, greift aber ebenso wenig auf gängige Harmonieverläufe oder Melodieführungen mit Hitpotenzial zurück; die Musik lebt von ästhetisierter Monotonie und Tristesse und liefert doch einen Aha-Effekt nach dem anderen.
Vielerorts werden Dolorian der Doom-Szene zugerechnet - ein mehr als vager Bezug, welcher der Eigenständigkeit dieser damals drei, heutzutage nur noch zwei Finnen kaum gerecht werden kann. Denn ganz abgesehen von der klaren stilistischen Abgrenzung signalisieren selbst die meisten Doom Metal-Formationen, die sich außerhalb der extremsten Enden von Funeral, Drone und Sludge bewegen, dass die letzte Hoffnung noch nicht gänzlich aufgegeben ist: Unerfüllte Sehnsüchte und ein letzter verzweifelter Hilfeschrei schimmern bei genauerer Betrachtung in den destruktiven Klanggebilden durch.
Diejenigen, die schwelgerisch-romantisierte Melancholie mit Depression gleichsetzen und infolgedessen My Dying Bride als depressiv oder gar anstrengend empfinden, werden somit bei Dolorian eines besseren belehrt, denn hier ist die letzte Sehnsucht als abwegiges Ideal entlarvt und der letzte Hilfeschrei verhallt; was bleibt ist ein schweigendes, fast unsichtbares Wesen, weit stiller als das sprichwörtliche stille Wasser, versunken in antriebsloser, starrender Apathie - eine Apathie, welche dieses, das zweite Dolorian-Album bis ins Mark verkörpert.
Und doch gelingt hier eine erstaunliche Ambivalenz: Die weiße Flagge, die auf einem schwarzen Häufchen Elend gehisst wird, thront fast majestätisch über demselben und verkündet nicht nur die bedingungslose Resignation, sondern markiert zugleich einen vollkommen gereinigten Bewusstseinszustand. Denn derart befreit von eindiktierten Idealen und von einem schützenden Kokon umgeben, der die Kontamination durch den Identitäten auslöschenden Schmutz und Abschaum der Gesellschaft verhindert, wird dem Individuum die Tür zur Selbsterkenntnis geöffnet, und zwar auf einer gänzlich introspektiven und essentiellen Ebene. Die Musik wird zum Refugium, das dem aufgeschlossenen Hörer ein Stück heilsamen Eskapismus gewährt. Erst nachdem dieser Schritt getan ist, werden dem Ich auf dem Nachfolgealbum "Voidwards" schließlich gar die transzendenten Wege zu anderen, womöglich höheren Bewusstseinsebenen aufgezeigt, so man diese denn entdecken will.
Ambivalenz vermitteln auch die Texte, die nur in Ausschnitten und teils gar spiegelverkehrt in dem schlicht gestalteten Faltcover abgedruckt sind (ein Großteil der Texte für die ersten beiden Dolorian-Alben wurde von der Band nicht veröffentlicht, da diese nach eigenen Angaben zu persönliche Inhalte behandeln). "you culmination of vermins i don't need you mornings will never touch me again". Wo zwei so grundverschiedene Sätze in einem Atemzug und ohne Trennzeichen aufgeführt werden, ist die Aussage klar und deutlich: Eine kritische, ja gar von Verachtung erfüllte Haltung zum sozialen Umfeld zeugt nicht notwendigerweise von Arroganz und Narzissmus, sondern wird dem Menschen durch das feindselige und ablehnende Verhalten anderer geradezu aufgezwungen und treibt ihn in seiner Unverstandenheit in die trostloseste Isolation.
Text und Musik sind dementsprechend völlig im Einklang. Auch und besonders die Art, in der die Worte rezitiert werden, unterstreicht dieses konsequente Konzept. Während der gesamten Spielzeit wird keine einzige Note gesungen. Auch die schwarzmetallischen Stimmeruptionen, die auf dem Debut "When All The Laughter Has Gone" der tiefen Verachtung für die Intoleranz und blinde Oberflächlichkeit gesellschaftlich angepasster Menschen und dem zerstörerischen Selbsthass des Isolierten gleichermaßen Luft machten, sind hier restlos verschwunden. Nur ein kraftloses Flüstern quillt noch wie ein Strom entmutigter Gedanken aus einer schwammigen Tiefe empor.
Nun weiß der geneigte Leser, der nicht schon längst festgestellt hat, dass dieses Album nichts für ihn sein wird, noch immer nicht so recht, wie die eigentliche Musik klingt. Ich könnte von den allgegenwärtigen gezupften Gitarrenarrangements sprechen, deren weicher und oft mit diffusen Halleffekten belegter Sound faszinierende Klangteppiche webt; ich könnte anmerken, dass selbst die gelegentlichen metallisch verzerrten Riffs, die sich zäh und teils doomig in die Kompositionen schleichen, keinerlei Aggression transportieren, somit keinen Ausbruch aus der resignierten Stimmung schaffen: Kein Headbangen, keine Luftgitarre, kein Mitgrölen. Ich könnte darüber hinaus feststellen, dass das Schlagzeug völlig entspannt und unmetallisch klingt und manchmal etwas groovige Akzente setzt, ohne dabei rockig zu wirken. Ich könnte die minimalistischen Dark Ambient-Interludes erwähnen, die manche Stücke miteinander verknüpfen, das Album einleiten und auch wieder ausklingen lassen, und im Zuge dessen würde ich dann auch die vier Kompositionen "Blue Unknown", "Hidden / Rising", "Numb Lava" und "Seclusion" als Kernstücke des Albums herausstellen. Ich könnte auch sagen, dass der Anspieltipp für dieses Album nur das Album selbst sein kann, da es als Gesamtkunstwerk betrachtet und angehört werden sollte (es gibt nicht einmal Pausen zwischen den Tracks). Sollte ich unbedingt Kritikpunkte nennen, so fiele mir allenfalls ein, dass sich das ganz ohne Distortion auskommende "Cold / Colourless" ein wenig in die Länge zieht, was aber für den, der sich von der hypnotischen Wirkung des Albums fesseln lässt, nicht negativ ins Gewicht fällt.
Aber all das würde nichts daran ändern, dass man sich Klangbild und Atmosphäre von "Dolorian" kaum anhand von Beschreibungen wird vorstellen können sondern schlicht selbst erleben muss, und auch dann darf man keine prompte Begeisterung erwarten, da man sich in dieser unerschlossenen Welt erst einmal zurechtfinden muss. Am Rande sei noch angemerkt, dass die glasklare Produktion für uneingeschränkten Hörgenuss sorgt. Nur ein sehr enger Publikumskreis wird dieses Stück Musik wertschätzen können; doch jedem, dessen Interesse nun geweckt ist, sei gesagt, dass es hier eine Perle zu entdecken gibt wie man sie kein zweites Mal findet. Seit ich dieses Album kennen und lieben gelernt habe, erscheinen mir die meisten anderen Bands überholt, seien sie auch noch so gut. Dies ist kein Doom-Album, nicht einmal ein Metal-Album, kein Album für den typischen Freund düsterer Musik. Dies ist schlichtweg Dolorian.
Spielzeit: 50:20 Min.
(Rezension verfasst am 05.04.2007)
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