Die wiederholte Schlusszeile [Theorie]

hobz biz-zejt
hobz biz-zejt
Registrierter Benutzer
Zuletzt hier
19.09.24
Registriert
11.06.18
Beiträge
175
Kekse
332
Wir kommen von hier:

  • My Way (Sinatra)
  • Russians (Sting)
  • Tränen lügen nicht (Michael Holm)
  • Mein Gott, Walter (Mike Krüger)
  • Von nun an ging's bergab (Knef)
  • Sie sieht mich einfach nicht (Naidoo)
Ich wollte schon ewig lange mal eine, wie ich finde, interessante Erkenntnis posten, nämlich die, dass diese scheinbar so gar nicht zusammenpassenden Liedtexte etwas gemeinsam haben, was ziemlich selten ist. ("Ziemlich selten" heißt, ich hab nach bekannten Beispielen gesucht und das sind die einzigen, die mir bisher einfielen.)
Und dieser Text hier gibt mir Gelegenheit, das zu erwähnen, weil er ebenfalls in die Reihe passt.

Ist das interessant? Erkennt jemand, worum es geht? Soll ich dafür einen neuen Thread machen? Schauen wir mal...

Ich hab behauptet, dass der dort vorgestellte Text, etwas Besonders hat, was ihn von der Mehrzahl anderer Liedtexte unterscheidet und was ich nur von relativ wenigen bekannten Liedtexten kenne.
Ich will erklären, was ich meine.

Es geht um etwas, was ich für ein prägendes Charakteristikum von Liedtexten halte, nämlich die Unterteilung in Strophe und Refrain und die damit verbundene Schwerpunktsetzung bei Text und Musik.

Textlich würde ich ein typisches Szenario für einen Strophe/Refrain-Liedtext wie folgt beschreiben:
  • Strophe: Die Strophen dienen dazu, den narrativen Teil des Liedes zu entwickeln. Sie erzählen die Geschichte, führen Themen und Perspektiven ein, vertiefen Gedanken und treiben den Inhalt des Liedes voran.
  • Refrain: Der Refrain dagegen ist eine inhaltliche Zusammenfassung oder ein emotionaler Höhepunkt des Liedes. Er wiederholt sich zwischen den Strophen, sorgt für Wiedererkennbarkeit und gibt dem Hörer einen emotionalen Anker.
Zusammenfassend:
Textlich schafft diese Zweiteilung eine Balance zwischen der Entwicklung einer Geschichte oder Idee (Strophe) und der Betonung eines wiederkehrenden Gedankens oder Gefühls (Refrain).

Analog die musikalische Wirkung:
  • Strophe: Musikalisch sind die Strophen oft ruhiger, weniger dynamisch und ermöglichen durch harmonische oder melodische Variation eine flexiblere Erzählstruktur.
  • Refrain: Der Refrain ist in der Regel musikalisch eingängiger und kraftvoller. Häufig gibt es einen Anstieg in Dynamik, Lautstärke oder Melodie, um dem Höhepunkt des Liedes mehr Gewicht zu verleihen.
Soweit so gut. Jetzt gibt es aber natürlich auch andere Typen von Liedtexten, beispielsweise solche, die ganz ohne Refrain auskommen.

Wie ließe sich das bisher Gesagte auf diesen Typ übertragen, auf das Lied ohne Refrain, das nur mit einer Abfolge von Strophen auskommt? Vielleicht so:
  • Textlich: Wenn ein Lied nur aus einer Abfolge von Strophen besteht, fehlt der Wiederholungseffekt des Refrains. Der Text kann (oder muss) sich eher fortlaufend entwickeln, ohne sich auf einen zentralen Gedanken zu konzentrieren. Das kann im positiven Sinne dazu führen, dass die Erzählung komplexer und tiefgehender wirkt.
  • Musikalisch: Musikalisch hat ein Lied nur mit Strophen weniger wechselnde Struktur mit Wiederholung und kann dadurch die Aufmerksamkeit des Hörers stärker auf den Text und den Verlauf der Geschichte richten.
Zusammenfassend:
Ganz vorsichtig verallgemeinernd kann man vielleicht sagen, dass die Zweiteilung in Strophe und Refrain gut geeignet ist, einem Lied eine dramaturgische und emotionale Struktur zu geben, während ein Lied nur aus Strophen stärker fortlaufend erzählerisch wirken kann.

Und jetzt zurück zum Anfang:
Was hat all das mit den genannten Liedern und der Behauptung zu tun, dass diese sich von vielen anderen Liedtexten unterscheiden?
Antwort: Die genannten Liedtexte sind eine Mischform der genannten beiden Varianten. Und was die Frage nach Sinn, Zweck und Existenzberechtigung angeht, behaupte ich jetzt mal, dass die Wirkung und Einsatzmöglichkeiten ebenfalls eine Zwischenform darstellen und oft auch so genutzt werden.

Die "Mischung" besteht aus Folgendem: Die genannten Texte haben nur Strophen, keinen klassischen Refrain. Sie bringen aber einen neuen Kniff herein. Dieser besteht darin, dass die jeweils letzte Zeile der Strophe immer gleich lautet und sich im Verlauf des Stückes entsprechend wiederholt, ähnlich wie ein Refrain das tut. Was kommt dabei raus?

Textliche Wirkung:
  • Fortlaufende Erzählung: Ähnlich wie bei einem Lied ohne Refrain entwickelt sich der Inhalt über die Strophen hinweg kontinuierlich.
  • Wiederkehrendes Thema: Die Wiederholung der gleichen letzten Zeile übernimmt eine ähnliche Funktion wie ein Refrain, indem das zentrale Thema des Songs betont und ein emotionaler oder inhaltlicher Höhepunkt gesetzt wird.
Musikalische Wirkung:
  • Fließende Struktur: Musikalisch wirkt ein solches Lied eher wie eine fortlaufende Entwicklung, da keine klare Abtrennung zwischen Strophe und Refrain besteht.
Zusammenfassend:
Ein Lied, das nur aus Strophen besteht, deren letzte Zeile aber immer gleich lautet, erzeugt eine Balance zwischen einer kontinuierlichen erzählerischen Entwicklung und einem sich wiederholenden thematischen Anker als Fazit oder Bekräftigung am Ende.

Bei einem Lied, das drauf abzielt, emotional und tiefsinnig zu wirken wie Sinatras „My Way“, kann gelingen, dass die Geschichte unterschiedliche Situationen beleuchtet, gleichzeitig aber einen zentralen Gedanken des Stücks als wiederkehrende emotionale Botschaft vermittelt.

Bei humorig, klamaukigen Stücken wie "Mein Gott, Walter" kann die sich wiederholende Zeile als Running Gag fungieren. Die Geschichte springt vogelwild durch unterschiedliche Situationen und Lebensphasen, um dann jedesmal schrecklich schlecht konstruiert wieder beim gleichen Spruch zu landen. Für die Zuhörer liegt der Spaß darin, diebisch gespannt auf die nächste Wendung zu warten, die plötzlich da ist durch ein weiteres neues Reimwort auf "...alter". Man erinnere sich, Walter macht eigentlich nichts Verwerfliches. Er trinkt beispielsweise Kaffee oder versucht ein Feuer zu löschen. Nur jedesmal passiert es dann halt. Er verschüttet ("zum Glück war's nur kalter...") oder reißt den Feuerlöscher etwas zu forsch von der Wand ("natürlich mit Halter...").

Puh... Und jetzt mach ich es mir mal einfach und sag, alle anderen genannten Beispiele fügen sich irgendwo dazwischen ein und ende hier mal. ;-)
 
  • Gefällt mir
  • Interessant
Reaktionen: 6 Benutzer
Über weite Phasen würde ich dir folgen, wenngleich mir hier noch zu viel gefühlt und wenig belegt wird.


Aber: "My Way" weist ja nun gerade nicht dieses Feature auf :unsure:

... the final curtain
... of which I'm certain

Damit geht's schon mal los. Und einen Refrain hat der Song auch. Also kein gutes Beispiel.
 
  • Interessant
Reaktionen: 1 Benutzer
Hab das mit Interesse gelesen und überlege gerade ob mir noch weitere Beispiele einfallen.

Zu My Way... hier mal die Lyrics:
And now, the end is near
And so I face the final curtain
My friend, I'll say it clear
I'll state my case, of which I'm certain
I've lived a life that's full
I traveled each and every highway
And more, much more than this
I did it my way

Regrets, I've had a few
But then again, too few to mention
I did what I had to do
And saw it through without exemption
I planned each charted course
Each careful step along the byway
And more, much more than this
I did it my way

Yes, there were times, I'm sure you knew
When I bit off more than I could chew
But through it all, when there was doubt
I ate it up and spit it out
I faced it all, and I stood tall
And did it my way

I've loved, I've laughed and cried
I've had my fill, my share of losing
And now, as tears subside
I find it all so amusing
To think I did all that
And may I say, not in a shy way
Oh, no, oh, no, not me
I did it my way

For what is a man, what has he got?
If not himself, then he has naught
To say the things he truly feels
And not the words of one who kneels
The record shows I took the blows
And did it my way
Yes, it was my way

Das "did I my way" zum Abschluss ist in dem Song ja so übermächtig präsent, dass man es tatsächlich irgendwie als Chorus/Refrain wahrnimmt. Aber bei näherer Betrachtung kann man das natürlich so auffassen, dass es sich dabei noch um die Schlusszeile der Strophe handelt.
 
  • Gefällt mir
  • Interessant
Reaktionen: 2 Benutzer
Ich denke, bei chartkompatiblen Uptempo-Pop-Nummern war der Refrain schon immer mehr im Fokus. Heut mehr denn je. Es gibt ja Messungen, bei denen herausgekommen ist, das Social-Media-Nutzer die Aufmerksamkeit schneller verlieren, wenn die Hook nicht gleich am Anfang kommt. Dem entsrechend werden immer mehr Songs so strukturiert.

Aber: "My Way" weist ja nun gerade nicht dieses Feature auf
... the final curtain
... of which I'm certain

Wenn man die ersten acht Zeilen als etwas in sich Geschossenes versteht, ist dieses Feature durchaus vorhanden.

Ich hab behauptet, dass der dort vorgestellte Text, etwas Besonders hat, was ihn von der Mehrzahl anderer Liedtexte unterscheidet und was ich nur von relativ wenigen bekannten Liedtexten kenne.

Es ist so selten nicht. Natürlich kommt es in Rock/Pop seltener vor, aber im Jazz/Swing/Chansons/Liedermaching/Kabarett oder auch allgemein in einigen Pop-Balladen ist es durchaus gängig. Das zeigt ja auch deine Auswahl.

Spontan fallen mir ein (auch wenn manche ähnlich wie My Way zusätzlch eine Art Refrain haben):
Let's Do it (Let's fall in love)
Making Whoopee
Beautiful (Aguilera)
Let it be

Ich habe auch mal selbst sowas geschrieben:

View: https://soundcloud.com/lrstd/du-mit-deinem?si=84bd73fadfb64005ac989eeda85259a0&utm_source=clipboard&utm_medium=text&utm_campaign=social_sharing


...
 
Zuletzt bearbeitet:
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer
Kleiner Nachschlag aus der Wiki:

Ein Refrain ([ʀəˈfʀɛ̃ː]; von altfranzösisch refraindre „wiederholen“; deutsch Kehrreim[1] oder Kehrvers) ist die regelmäßige Wiederholung von Versen innerhalb von strophischen Gedichten und Liedern.

Von der Position der wiederholten Verse her werden unterschieden:

Endkehrreim oder Schlussrefrain: jeweils am Ende der Strophe; der häufigste Fall
Anfangskehrreim, Anfangsrefrain oder Gegenrefrain: jeweils am Anfang der Strophe
Binnenkehrreim: jeweils im Inneren der Strophe

Insofern wäre bei My Way nicht "For what is a man..." oder "Yes there were times..." der Refrain, sonder eben das "I did it my way" im Sinne eines Endkehrreims.
 
  • Gefällt mir
  • Interessant
Reaktionen: 3 Benutzer
Dann müsste man richtigerweise Refrain und Chorus unterscheiden, wie es im Englischen der Fall ist :unsure:
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
Kleiner Nachschlag aus der Wiki:
{DEFINITION}
Insofern wäre bei My Way nicht "For what is a man..." oder "Yes there were times..." der Refrain, sondern eben das "I did it my way" im Sinne eines Endkehrreims.
Die aufgeführte Definition und auch deine Schlussfolgerung hat mich ziemlich verwirrt, weil ich den Begriff "Refrain" so überhaupt nicht verstanden hab und mir noch ncht mal bewusst war, dass es diese Definition gibt und man den Begriff so verstehen kann.
Ich hab deswegen ein bisschen gegoogelt und beispielsweise die Seite https://musikanalyse.net/tutorials/popformeln/ gefunden, wo das aber auch genau so und noch ein bisschen einfacher und besser verständlich ausgedrückt wird, nämlich so:
"In englischsprachigen Publikationen beispielsweise von Walter Everett und Ken Stephenson wird der Begriff Refrain für eine Textzeile am Ende von Strophen verwendet."

Etwas später steht dort aber auch das (und damit wurde mir erst das mögliche Missverständnis bewusst):
"Ein Problem entsteht dadurch, dass im deutschsprachigen Raum der Begriff Refrain nicht für eine Textzeile, sondern für einen größeren Musik- und Textabschnitt steht."

Genau das ist, was ich im Kopf hatte, als ich von "Refrain" sprach.
Nehmen wir mal "Yesterday" von den Beatles, um die Veranschaulichung ganz klar zu machen.
Für mich beginnt
Strophe 1 mit "Yesterday | All my troubles..."
Strophe 2 mit "Suddenly | I'm not half..." ,
der Refrain mit "Why she had to go?..."
Strophe 3 mit "Yesterday | Love was such..."
und der zweite Refrain wieder mit "Why she had to go? ..."

Ein unterschiedliches Verständnis vom Begriff "Refrain" führt natürlich zu Missverständnissen ;-(

Und ganz verwirrend wird es dadurch, dass das, was ich (nach wie vor) für eine besondere Eigenheit der genannten Texte halte und worauf ich eigentlich raus wollte, nämlich dass alle Strophen mit der jeweils gleichen Zeile enden, gefährlich ähnlich ist zu der oben genannten englischen Definition von "Refrain".

Dabei gibt es aber einen entscheidenden Unterschied.
Was ich meine ist S1Z4 = S2Z4 = S3Z4 und nicht etwas S1Z4 = S1Z5 und auch nicht S1Z4 = R1Z1 = R1Z2 (S = Strophe, R = Refrain, Z = Zeilennummer)


Dann müsste man richtigerweise Refrain und Chorus unterscheiden, wie es im Englischen der Fall ist :unsure:
Was ist dann der tatsächlich korrekte Begriff für das, was ich oben erklärt hab? Wär das "Chorus"? Gilt der Begriff dann für Text und Musik gleichermaßen oder für eins von beiden mehr?
 
Zuletzt bearbeitet:
Zu My Way... hier mal die Lyrics:
Das "did it my way" zum Abschluss ist in dem Song ja so übermächtig präsent, dass man es tatsächlich irgendwie als Chorus/Refrain wahrnimmt. Aber bei näherer Betrachtung kann man das natürlich so auffassen, dass es sich dabei noch um die Schlusszeile der Strophe handelt.
Ich hab mich bei "My way" von meinem Eindruck etwas blenden lassen.
Wahrgenommen hab ich das Stück als eine Abfolge schön arrangierter, sich entwickelnder und zwischendrin steigernder erzählerischer Textzeilen, die zum Ende jedes Abschnitts als Zusammenfassung die berühmte Zeile "I did it my way" bringen. Ich bleib dabei, diese Zeile ist der entscheidende Kniff des Stückes, das, was am stärksten wirkt und hängenbleibt.

Oft sind es ja kleine Dinge, die dabei entscheidend sind. Musikstücke sind meist nicht von der ersten bis zur letzten Sekunde durchgehend geil, sondern leben vom Hinarbeiten auf einen bestimmten Moment hin (Dieter Bohlen würde es die "Hook" nennen). Bei ganz vielen klassischen Strophe/Refrain-Stücken ist das der Wechsel eben von der Strophe zum Refrain. Strophe ruhig, Spannung rauszögern, Refrain mit Ausbruch ist das Grundgerüst unzähliger Stücke, die darüber ja tatsächlich funktionieren.

Und das, was ich hier sehe und raushöre, ist eben ein anderer Ansatz, so einen besonderen Moment zu schaffen, geprägt von der Wiederholung nur der einen Zeile und deren Position im Stück am Ende der Strophen. Ich hätte aus dem Kopf raus jetzt vermutet, dass auch die Form stimmt, das bei "My Way" also gilt: S1Z8 = S2Z8 = S3Z8 = S4Z8 = S5Z8 und sich S3 und S5 vom Rest nur unterscheiden durch eine Steigerung im Arrangement.

Damit liege ich nicht richtig, hab ich jetzt gemerkt ;-(
S3 und S5 sind nicht nur eine Steigerung, sondern tatsächlich musikalisch anders, andere Akkorde, kürzer und auch das "I did it my way" kommt an dieser Stelle anders, nämlich ohne Reim. Ich würde S3 und S5, also die Abschnitte beginnend mit "Yes, there were times..." und "For what is a man,...", allerdings auch nicht als richtigen Refrain/Chorus bezeichnen. Dazu sind mir die beiden Textabschnitte zu komplett unterschiedlich und auch zu wenig Refrain-artig vom Inhalt her.
Wie man das nennen soll, Variation der Strophe oder anders, kann man diskutieren.
 
nämlich dass alle Strophen mit der jeweils gleichen Zeile enden, gefährlich ähnlich ist zu der oben genannten englischen Definition von "Refrain".

Das ist nicht unbedingt die "englische" Definition. Der Wiki-Artikel bezieht sich ja ebenfalls nicht auf den englischen Gebrauch.

Meiner Ansicht ist das die historisch korrekte Definition. Nur dass man damals, als der Begriff in den deutschen Sprachgebrauch überging, noch nicht ahnen konnte, dass es irgendwann Popmusik geben wird und dass dort eine größere sich wiederholende Mitsing-Einheit das Herzstück des Songs sein kann (nicht muss). Ich glaube, nicht mal in der traditionellen Volksmusik war das früher üblich. Deshalb hat das Thema Popmusik im Wiki-Artikel ja auch einen eigenen Absatz, der diese Besonderheit hervorhebt und den Begriff "Chorus" favorisiert. Passt wahrscheinlich auch besser.

Es gibt also eine traditionelle Definition und eine populäre.

Nach der traditionellen Defintion ist das sich wiederholende "I did it may way" der Refrain (refraindre „wiederholen“). In der popmusikalischen Kommunikation würde das aber zu Missverständnissen führen. Ich habe den Song selbst mal mit meiner Band gecovert. Wenn jemand gesagt hat "BItte nochmal ab dem zweiten Refain" dann war natürlich jedem klar, dass damit "For what is a man..." gemeint war. Ob es sich dabei um einen "richtigen" Refrain handelt, ist im Prinzip wumpe. Es ist der lautere Teil, der sich prägnanter von den anderen absetzt. Also hat man es halt so genannt.

Ich bleibe dabei: Die sich wiederholende Schluss- oder Anfangszeile als Refrain ist in der Lyrik und in den meisten Genres eher die gängige Praxis. Lediglich die Popmusik macht hierbei häufig Ausnahmen.

Aber eben auch nicht immer. Hier noch einige Beispiele:

I saw her standing there:
Zwar gibt es einen Mittelteil, der einmal wiederholt wird, aber eher eine Bridge-Wirkung hat. Das Herzstück ist doch klar das sich immer wiederholende "[...]dance with another[...] I saw her standing there" am Ende jeder Strophe.

Ähnlich bei "Great balls of fire"
Auch hier ist die Schluss- und Titelzeile der eigentliche Refrain, trotz des zweimaligen "Hold me baby [...] Got to tell this world that you′re mine mine mine mine".

Und sogar bei "Yesterday" würde ich sagen, dass der refrainhafte Charakter viel mehr von der mehrmaligen Wiederholung des Wortes "Yesterday" ausgeht als von "Why she had to go...", was eher eine überleitende Wirkung hat. Dennoch würde ich die Stelle im alltäglichen Sprachgebrauch wahrscheinlich auch als Refrain bezeichnen. Weils einfacher ist.

Blowing in the wind
Erfüllt prinzipiell sogar beide Definitionen. Kann man als eigenen Refrainteil sehen, aber auch als "Anhängsel" der Strophen, weil es für einen typischen Pop-Refrain etwas zu kurz ist.

Vielleicht macht es tatsächlich Sinn, zwischen Refrain und Chorus zu unterscheiden. Dann wäre zum Beispiel die Zeile "I saw her standing there" der Refrain und "Well, my heart went boom..." der Chorus.

... um dann auch gleich erneut Verwirrung zu stiften: Wiki bezeichnet den Chorus als "Refrain im Jazz".

Ich denke, beim Pop ist es - wie immer – völlig jacke. Pop ist halt keine Wissenschaft mit eindeutigen Regeln und Parametern.

....
 
Zuletzt bearbeitet:
  • Gefällt mir
Reaktionen: 4 Benutzer
Und da wäre noch der Blues ...

one burbon one scotch one beer John Lee Hooker

Die Titelgebende Zeile one burbon one scotch one beer wird während des eine Geschichte erzählenden Blues von John Lee Hooker mehrfach wiederholt und musikalisch betont, aber er bleibt einzeln, ist also kein einzeln stehender Chorus oder Refrain mit mehreren Zeilen.

Ebenfalls beim Blues gerne verwendet: Zeilen, die sich wiederholen und die gerne aufgeteilt werden zwischen dem Sänger/der Sängerin und dem Chor. Alleine durch diese Wiederholung prägt sich diese Zeile mehr ein als andere, die nicht wiederholt werden.

Sprache ist schwierig, besonders wenn Eindeutigkeit nicht gegeben bzw. die gleichen Worte oder Begriffe in unterschiedlichen Kontexten unterschiedliche Bedeutung haben. Ich selbst habe einfach das englische und das deutsche Refrain sowie Chorus immer dann verwendet, wenn es einen textlich mehrere Zeilen umfassenden Charakter hatte und musikalisch abgesetzt war. Tja ...

Erhellende Betrachtung, dies. Alleine das Wissen, dass diese Begriffe nicht das gleiche meinen, ist ja fpr die Kommunikation hilfreich. Ich hätte beispielsweise vorher eine Nachfrage, was ich damit meine, gar nicht verstanden und einen typischen Laien hinter dieser Frage vermutet. Der Laie wäre dann wohl eher ich gewesen ... :cool:

x-Riff
 

Ähnliche Themen


Unser weiteres Online-Angebot:
Bassic.de · Deejayforum.de · Sequencer.de · Clavio.de · Guitarworld.de · Recording.de

Musiker-Board Logo
Zurück
Oben