Günter Sch.;6249489 schrieb:
Ich habe das längst aufgegeben, zumal mir manches "verkompliziert" erscheint.
Ja, manchmal schon: oft geht es mir so (Tendenz zum Glück fallend), daß sich manchmal bei hoch komplexer Akkordsymbolik spiel- und notationstechnisch überraschend Einfaches ergibt...

Zum Beispiel bei chromatischen Abgängen einer einzelnen Stimme, währen die anderen liegenbleiben.
Günter Sch.;6249489 schrieb:
Wer das braucht, schreibe es in noten hin, dann sieht und versteht es jeder, freilich muss man es auch lesen können.
Ich glaube, das kann man
nicht ganz so sagen, denn sowohl Noten als auch Akkordsymbole haben (richtig angewandt) völlig verschiedene Zielsetzungen und können/sollen koexistieren.
Überall, wo exakte Ausführung nach genauen Vorgaben verlangt wird, stehen auch im Jazz selbstverständlich Noten. Beispiel: Bei Bläsersätzen kann nicht jeder tun und lassen, was er will, sonst gibt es Chaos. Da muß schon jede Stimme ausnotiert sein.
Im "Real Book" sind die Melodien immerhin skizziert; wenn bestimmte Voicings oder Tonfolgen im Baß oder sonstwo erforderlich sind, werden die auch ausnotiert und damit zementiert.
Ich habe neulich in einem Thread gelesen (ich glaube bei den Akkordeons, es ging um Pachelbels Kanon in D) "dieses und jenes Voicing" sei in der Begleitung unbedingt erforderlich. Bloß, weil's mal jemand (Pachelbel jedenfalls nicht...?) ausnotiert hat - ich kenne die "Originalversion" nur mit Bezifferung.
Die Akkordsymbole beinhalten aber viel mehr, als ohne weiteres ausnotiert werden könnte. So können flexible Besetzungen auf Anhieb zusammenspielen (Stichwort: Rhythm Section). Da wäre es fast unsinnig, konkret ausnotierte Voicings zu haben, denn auf einer Gitarre würde man es anders spielen als auf einem Klavier und dort wiederum anders als auf einer Orgel usw. Der Pianist spielt etwas völlig anderes, je nachdem, ob ein Bassist dabei ist oder nicht. Alles nur aus den Akkordsymbolen.
Schließlich kommt es nur darauf an, daß die Harmonien übereinstimmen, sich nicht "beißen" und daß der Improvisierende weiß, wo man sich harmonisch gerade bewegt.
Günter Sch.;6249489 schrieb:
Bezifferungen sind als erleichterung und vereinfachung für die praxis gedacht, sie haben sich, scheints, verselbständigt.
Es ist mir immer noch nicht ganz klar, ob die Bezifferung nur "aus Faulheit" benutzt wurde, oder ob man ganz bewußt dem Musiker Freiheiten lassen wollte.
So gesehen erkenne ich keinen wesentlichen Unterschied zwischen einem barocken Konzert und einem Big-Band-Arrangement.

Die Bläser/Streicher sind ausnotiert, die Rhythm Section (hier Cembalo/Orgel, dort Klavier/Orgel/Gitarre) hat ihre Freiheiten durch Generlbaßbezifferung bzw. Akkordsymbole.
Die Kadenz am Ende sollte doch ursprünglich dem Solisten die Möglichkeit geben, seinen Einfallsreichtum und sein Können unter Beweis zu stellen.
Leider scheint mir, daß die "alte Musik" mittlerweile völlig tot ist, die Musiker wie bei einer toten Sprache nur noch nachvollziehen, was vorgedacht wurde, Kadenzen und Generalbaß werden ausnotiert und immer öfter kommt man gerne auf diese "Vorschläge" zurück.
Kreativität scheint nicht mehr gefragt, fristet oft ein Schattendasein im Instrumentalunterricht, notwendige harmonische Kenntnisse gehen verloren, schließlich ist schon alles vorgekaut und -verdaut. Natürlich nicht immer und überall, aber im Laienbereich ganz sicher.
Viele Grüße
Torsten