turko
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Hallo Kollegen,
Ich dachte mir, es müßte interessant sein (zumindest fände ich persönlich es interessant) einen Thread zu haben, in dem jeder aus seiner rein subjektiven Sicht - und anders geht es ja auch gar nicht ! - darlegt, welche konkret benennbare Fähigkeiten ihn bei diesem oder jenem der großen (Alltime-)Jazzpianisten faszinieren, welche er bewundert. Es geht um spezielle Fähigkeiten, die diesen jeweiligen Pianisten in der Meinung des Kommentar-Schreibers zu einem der wirklich Großen des Genres machen.
Mir persönlich wäre vor allem daran gelegen, das ganze in möglichst konkreter Sprache, mit möglichst wenig Pathos, und ganz ohne eigentlich sinnlose Allgemeinplätze (z. B. XY spielt mir so viel Gefühl !!) zu gestalten. Denn nur dann kann jemand dem „Geheimnis“ des Spiels von XY auf die Spur kommen und dieser Spur folgen, wenn er bis jetzt noch gar nicht auf dieser Fährte war. Und das soll das Ziel dieses Threads werden: Andere vom Spiel des XY begeistern, die bis jetzt noch nicht davon begeistert waren, oder ihn überhaupt nicht einmal kannten. Die Aufmerksamkeit auf bestimmte besondere Aspekte seines Spiels lenken helfen.
Natürlich kann es kein objektives Ranking geben, welcher der Pianisten jetzt in die Liste aufgenommen werden sollte, und welcher nicht. Ich dachte mir, ich werfe einfach mal einige Namen, die ich - manche besser, mache schlechter - aus persönlichem Zuhören kenne, in die Runde. Namen, die schon von vielen anderen vor mir als „goß“ empfunden und geachtet wurden. Wer zu einem der vorkommenden Namen was zu sagen hat, oder wer einen neuen Namen aufgenommen wissen will (nebst Begründung dafür), der möge das bitte ohne Scheu tun:
Also, meine persönliche Liste der „großen Jazzpianisten“, aus dem Gedächtnis heraus zusammengestellt, in zufälliger Reihenfolge, und ohne Anspruch auf Vollständigkeit:
- James P. Johnson
- Fats Waller
- Teddy Wilson
- Bud Powell
- Earl Hines
- Nat King Cole
- Art Tatum
- Thelonious Monk
- Dave Brubeck
- Lennie Tristano
- Bill Evans
- McCoy Tyner
- Dollar Brand
- Tommy Flanagan
- Keith Jarrett
- Tete Montoliu
- Oscar Peterson
- Herbie Hancock
- Monty Alexander
- Chick Corea
- Michel Petrucciani
- Jacky Terrasson
- Erroll Garner
- Wynton Kelly
- Mulgrew Miller
- Marcus Roberts
- Lyle Mays
- Russell Ferrante
- Cory Henry
- Dave Grusin
- Count Basie
- George Shearing
Gleich anschließend werde ich versuchen, mit gutem Beispiel voranzugehen, und bei vieren der genannten Pianisten aus meiner persönlichen Sicht etwas näher beleuchten, was genau mich an deren Spiel fasziniert. Zu diesen nun folgenden Pianisten fühle ich mich am ehesten berufen, irgendetwas Konstruktives zu sagen, weil ich deren Spiel über die Jahre hunderte, wenn nicht gar tausende Stunden lang sehr bewußt gehört und genossen habe, und ich ihre persönliche Handschrift gut zu kennen meine:
LG
Thomas
--- Beiträge wurden zusammengefasst ---
Oscar Peterson:
Sein Spiel war es, das in mir die Liebe zu Jazz erweckt hat. An seinem Spiel finde ich mehrere Aspekte faszinierend und durchaus atemberaubend:
1. Seine Rhythmik: Er SWINGT in einem Ausmaß, daß es einem fast die Sprache verschlägt. Kein anderer Pianist kann so swingen wie OP. Am nächsten d´ran ist Errol Garner, aber der swingt auf eine ganz andere Weise … Es fällt auf, daß OP eigentlich, wenn er von einer Rhythmusgruppe begleitet wird, eine rhythmisch recht „unauffällige“ rechte Hand hat. Die ist damit beschäfigt, singbare und wohlgestaltete Linien zu kreieren. Natürlich fällt in diesen Linien alles 100 % genau richtig, und stützt auf diese Weise den Rhythmus. Aber der ernome Drive kommt mMn von seiner linken Hand, die immer wieder kleine und kleinste rhythmische Löcher findet, um die rechte „zu füttern“, wie er selbst das nennt.
Bei OP kann man auch sehr gut studieren, WIE man es macht, daß Musik zu swingen
beginnt: Das ist nicht ausschließlich eine Angelegenheit von Timing und Rhytmik,
sondern das hat auch viel mit dem „Bauplan für Jaz-Phrasen“ zu tun, woHIN man
Noten plaziert, und wohin man das besser nicht tut …
Dann seine unglaubliche Fähigkeit, so mühelos, so spielerisch und so „sanft“ zwischen den verschiedenen rhythmischen Ebenen hin– und herzuspringen. Gerade in eher lang-samen Balladen bieten sich ja eine Menge von rhythmischen und metrischen Ebenen an, in denen man das Stück anlegen und interpretieren kann. Als Solopianist versteht
es OP, seine linke Hand mittels Stride das Grundmetrum vermitteln zu lassen, währendseine rechte Hand - manchmal innerhalb einer Phrase - zwischen Normalmetrum,
Normalmetrum aber straight, Doubletime, Double-Doubletime, und was weiß ich nicht
was noch allem hin und her pendelt. Und das alles, ohne den Grundbeat auch nur eine
Sekunde lang zu verlieren.
2. Seine Technik und sein Anschlag: Darüber, daß er über eine (nahezu) unerreichte Technik verfügt, muß man jetzt nicht mehr viele Worte verlieren. Aber vor allem im Teilaspekt „Anschlag“ ist mir über die Jahre aufgefallen, daß er den Eindruck vermitteln kann, als könnte er GLEICHZEITIG staccato und legato spielen. Genauso klingen nämlich manche seiner Phrasen oft.
In diesen Themenbereich paß auch noch, daß OP eine unglaubliche Dynamik-Bandbreite hat, die er auch weidlich ausnutzt. Er kann flüstern wie eine Katze (?) , aber er kann auch brüllen wie ein Löwe. Und er setzt den daraus entstehenden Kontrast
auch bewußt als Stilmittel ein.
3. Seine harmonische Sprache: Die ist reich, sehr üppig, würde ich sagen. Und eigentlich
Recht „traditionell“ … im besten Sinn des Wortes. Dennoch gibt es immer wieder
kleine Reharmonisierungen und/oder bestimmte Voicings, die einen aufhorchen lassen.
4. Das melodische Solospiel seiner rechten Hand / Spannungsverlauf eines Solos /
Die „Form“ seiner Soli:
Mich faszinierte es immer besonders, daß OP´s Improvisationslinien so „singbar“ sind.
Singbar, logisch und formvollendet. Jede einzelne Phrase hat einen Einstieg, und hat ein klares Ende. Es klingt alles wie auskomponiert, und in den hunderten Stunden
des Zuhörens zu seinem Spiel ist mir niemals auch nur ein Moment des Zögerns oder
Zauderns, oder auch nur eine gedankliche Atempause, aufgefallen, wie es bei anderen
(auch großen) Pianisten gang und gäbe ist. Er reiht einfach eine dieser perfekten
Phrasen an die nächste, und kann das scheinbar endlos so weitermachen … UND …
Er verliert dabei nie den Spannungsverlauf des GANZEN Solos aus den Augen:
Für die Soli im ganzen gilt nämlich das selbe wie für einzelne Phrasen: Sie sind
Wunderbar strukturiert, haben einen wohldefinierten Spannungsverlauf, einen klaren
Beginn, eine Entwicklung, und ein ebenso klares Ende.
5. Und fast hätt´ ich´s vergessen: Sein unnachahmliches Spiel als Begleiter im Hintergrund.
Das jetzt wirklich detailliert unter die Lupe zu nehmen, ist mir zu anstrengend .... aber einem OP eine Stunde lang bewußt und aufmerksam zuzuhören, wie der einen z.B. Bläser im Hintergrund begleitet, unterstützt, ergänzt, ihm folgt, ... das ist ein aufregendes Abenteuer, das unter Garantie lohnt.
Es gibt auch Aspekte im Spiel OP´s, die ich nicht so überschwänglich beschreiben würde. Aber um die soll´s ja hier (mir zumindest) nicht gehen. Es geht ja darum herauszuarbeiten, was einen fasziniert.
Thomas
--- Beiträge wurden zusammengefasst ---
Monty Alexander:
An MA´s Spiel fasziniert mich vor allem die unglaubliche Dynamik, die er erzeugen kann. Sein Spiel gleicht oft wirklich einem Feuerwerk, in dem Rakete auf Rakete gezündet wird.
Da ist (meist) vom ersten Ton an eine unglaubliche Energie spürbar, die den Zuhörer einfach fesselt und einnimmt.
Was ihn von den (meisten) anderen Pianisten auf der Liste unterscheidet, ist, daß er - auch dank seines Geburtsortes - ausgiebig auch andere Rhythmen als Swing beackert. Er vermischt Jazz-Harmonik und Jazz-Phrasing mit - vor allem - karibischen Rhythmen (Calypso, Reggae, …). Und das kann keiner so, wie er.
Erroll Garner:
Um Garners Faszination auf mich zu beschreiben, reicht mein Vorrat an Superlativen leider nicht aus.
Er swingt auf unglaubliche Weise. Weiter oben schrieb ich, daß keiner so swingen kann, wie Oscar Peterson. Das war voreilig formuliert. Erroll Garner kann das. Aber er swingt auf eine komplett andere Art als Oscar Peterson (und als überhaupt jeder andere Jazzmusiker).
Oscar Peterson swingt auf dem Beat. Erroll Garner jedoch swingt (weit) hinter dem Beat, und erzeugt damit eine wirklich unfaßbare rhythmische Spannung.
Meist spielt er mit der linken Hand „nur“ four-to-the-bar, aber mit winzigen kleinen, dafür oft sehr lauten, Vorschlägen, die dieses Art der Begleitung bei ihm trotzdem unglaublich spannend und interessant, und alles andere als langweilig, machen. Diese linke Hand dient also als „timekeeper“, während die rechte Hand in ihrem Timing oft hinterher hinkt. Manchmal wenig, manchmal auch gewaltig hinterher. Wäre es nicht so bewußt und so gekonnt vorgetragen, könnte man es fast für „falsch“ halten. Aber das ist eben diese feine Trennlinie zwischen Genie und Wahnsinn …
Mir ist aufgefallen, daß er bei etwas längeren Melodiephrasen oft schon mal mit der Rechten „verspätet“ einsteigt, er im Zuge der Phrase diese „Verspätung“ aber nicht aufzuholen versucht, sondern ganz im Gegenteil diese genüßlich bis zum Ende ausspielt. Manchmal läßt er sie im Verlauf einer Phrase sogar noch größer werden.
All dies erzeugt eine unglaubliche rhythmische Spannung, die ihm Bewunderung eingetragen hat, seit er einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde. Man gab diesem Phänomen sogar einen eigenen, nach ihm benannten Namen: Der GARNER-LAG …
Zu erwähnen wäre noch, daß E. G. sehr im Gegensatz zu anderen Pianisten seiner Zeit auch viele lateinamerikanische Elemente in sein Spiel aufnahm, und in den „Swing integrierte“. Manche seiner Nummern haben richtige Clave-Elemente, ohne jedoch das Swing-Terrain zu verlassen. Auch das ist einzigartig!
--- Beiträge wurden zusammengefasst ---
Dave Grusin:
Man wird vermutlich nicht viele finden, die Dave Grusin als einen großen Pianisten bezeichnen würden. Oberflächlich gesehen ist sein Spiel unauffällig. Er zündet keine technischen und rhythmischen Feuerwerke wie ein Oscar Peterson, er macht keine harmonischen Gratwanderungen wie Chick Corea, er hat nicht die Dynamik eines Monty Alexander.
Und ich bin mir auch nicht sicher, ob man mir das hier durchgehen lassen wird, aber ich möchte hier und jetzt „Geschmack“ als neues Qualitätskriterium einführen. Ich weiß, … das ist nicht wirklich sehr konkret und objektiv belegbar …
Aber Dave Grusins Spiel in seiner GESAMTHEIT ist unglaublich geschmackvoll. Da stimmt einfach alles zusammen. Da ist nichts zuviel, und nichts zu wenig. Da ist jeder Ton genau dort, wo er hingehört, und keiner ist zuviel. Nicht mehr und nicht weniger. DAS fasziniert mich an Grusins Spiel vor allem!
Als Einzelkomponente könnte man noch eine kleine rhythmische Besonderheit von ihm nennen: Gelegentlich interpretiert er in der Rechten einen Swing-Takt als zwei 6/8-Takte. Das heißt, er spielt die einzelnen Swing-Triolen wirklich rhythmisch aus. Auch die jeweils zweiten. Natürlich nicht in einem Maschinengewehr-Lauf mit allen Swing-Achteln, sondern versteckt in rhythmischen Phrasen und Figuren.
Aber das ist etwas wirklich Besonders. Da kommt immer so ein kleiner Bruch mit der standardmäßige Swing-Stimmung, und für einige wenige Momente entführt er dich in ein 6/8-Feel. Natürlich nur, um sofort wieder umzukehren …
Dazu paßt auch noch, daß Grusin bei weitem nicht nur swingt, sondern auch viele andere Rhythmen bearbeitet, wie auch in seiner Arbeit als Komponist und Arrangeur. Überhaupt hört man in seinem Spiel den Arrangeur sehr durch, wie ich finde.
Ich dachte mir, es müßte interessant sein (zumindest fände ich persönlich es interessant) einen Thread zu haben, in dem jeder aus seiner rein subjektiven Sicht - und anders geht es ja auch gar nicht ! - darlegt, welche konkret benennbare Fähigkeiten ihn bei diesem oder jenem der großen (Alltime-)Jazzpianisten faszinieren, welche er bewundert. Es geht um spezielle Fähigkeiten, die diesen jeweiligen Pianisten in der Meinung des Kommentar-Schreibers zu einem der wirklich Großen des Genres machen.
Mir persönlich wäre vor allem daran gelegen, das ganze in möglichst konkreter Sprache, mit möglichst wenig Pathos, und ganz ohne eigentlich sinnlose Allgemeinplätze (z. B. XY spielt mir so viel Gefühl !!) zu gestalten. Denn nur dann kann jemand dem „Geheimnis“ des Spiels von XY auf die Spur kommen und dieser Spur folgen, wenn er bis jetzt noch gar nicht auf dieser Fährte war. Und das soll das Ziel dieses Threads werden: Andere vom Spiel des XY begeistern, die bis jetzt noch nicht davon begeistert waren, oder ihn überhaupt nicht einmal kannten. Die Aufmerksamkeit auf bestimmte besondere Aspekte seines Spiels lenken helfen.
Natürlich kann es kein objektives Ranking geben, welcher der Pianisten jetzt in die Liste aufgenommen werden sollte, und welcher nicht. Ich dachte mir, ich werfe einfach mal einige Namen, die ich - manche besser, mache schlechter - aus persönlichem Zuhören kenne, in die Runde. Namen, die schon von vielen anderen vor mir als „goß“ empfunden und geachtet wurden. Wer zu einem der vorkommenden Namen was zu sagen hat, oder wer einen neuen Namen aufgenommen wissen will (nebst Begründung dafür), der möge das bitte ohne Scheu tun:
Also, meine persönliche Liste der „großen Jazzpianisten“, aus dem Gedächtnis heraus zusammengestellt, in zufälliger Reihenfolge, und ohne Anspruch auf Vollständigkeit:
- James P. Johnson
- Fats Waller
- Teddy Wilson
- Bud Powell
- Earl Hines
- Nat King Cole
- Art Tatum
- Thelonious Monk
- Dave Brubeck
- Lennie Tristano
- Bill Evans
- McCoy Tyner
- Dollar Brand
- Tommy Flanagan
- Keith Jarrett
- Tete Montoliu
- Oscar Peterson
- Herbie Hancock
- Monty Alexander
- Chick Corea
- Michel Petrucciani
- Jacky Terrasson
- Erroll Garner
- Wynton Kelly
- Mulgrew Miller
- Marcus Roberts
- Lyle Mays
- Russell Ferrante
- Cory Henry
- Dave Grusin
- Count Basie
- George Shearing
Gleich anschließend werde ich versuchen, mit gutem Beispiel voranzugehen, und bei vieren der genannten Pianisten aus meiner persönlichen Sicht etwas näher beleuchten, was genau mich an deren Spiel fasziniert. Zu diesen nun folgenden Pianisten fühle ich mich am ehesten berufen, irgendetwas Konstruktives zu sagen, weil ich deren Spiel über die Jahre hunderte, wenn nicht gar tausende Stunden lang sehr bewußt gehört und genossen habe, und ich ihre persönliche Handschrift gut zu kennen meine:
LG
Thomas
--- Beiträge wurden zusammengefasst ---
Oscar Peterson:
Sein Spiel war es, das in mir die Liebe zu Jazz erweckt hat. An seinem Spiel finde ich mehrere Aspekte faszinierend und durchaus atemberaubend:
1. Seine Rhythmik: Er SWINGT in einem Ausmaß, daß es einem fast die Sprache verschlägt. Kein anderer Pianist kann so swingen wie OP. Am nächsten d´ran ist Errol Garner, aber der swingt auf eine ganz andere Weise … Es fällt auf, daß OP eigentlich, wenn er von einer Rhythmusgruppe begleitet wird, eine rhythmisch recht „unauffällige“ rechte Hand hat. Die ist damit beschäfigt, singbare und wohlgestaltete Linien zu kreieren. Natürlich fällt in diesen Linien alles 100 % genau richtig, und stützt auf diese Weise den Rhythmus. Aber der ernome Drive kommt mMn von seiner linken Hand, die immer wieder kleine und kleinste rhythmische Löcher findet, um die rechte „zu füttern“, wie er selbst das nennt.
Bei OP kann man auch sehr gut studieren, WIE man es macht, daß Musik zu swingen
beginnt: Das ist nicht ausschließlich eine Angelegenheit von Timing und Rhytmik,
sondern das hat auch viel mit dem „Bauplan für Jaz-Phrasen“ zu tun, woHIN man
Noten plaziert, und wohin man das besser nicht tut …
Dann seine unglaubliche Fähigkeit, so mühelos, so spielerisch und so „sanft“ zwischen den verschiedenen rhythmischen Ebenen hin– und herzuspringen. Gerade in eher lang-samen Balladen bieten sich ja eine Menge von rhythmischen und metrischen Ebenen an, in denen man das Stück anlegen und interpretieren kann. Als Solopianist versteht
es OP, seine linke Hand mittels Stride das Grundmetrum vermitteln zu lassen, währendseine rechte Hand - manchmal innerhalb einer Phrase - zwischen Normalmetrum,
Normalmetrum aber straight, Doubletime, Double-Doubletime, und was weiß ich nicht
was noch allem hin und her pendelt. Und das alles, ohne den Grundbeat auch nur eine
Sekunde lang zu verlieren.
2. Seine Technik und sein Anschlag: Darüber, daß er über eine (nahezu) unerreichte Technik verfügt, muß man jetzt nicht mehr viele Worte verlieren. Aber vor allem im Teilaspekt „Anschlag“ ist mir über die Jahre aufgefallen, daß er den Eindruck vermitteln kann, als könnte er GLEICHZEITIG staccato und legato spielen. Genauso klingen nämlich manche seiner Phrasen oft.
In diesen Themenbereich paß auch noch, daß OP eine unglaubliche Dynamik-Bandbreite hat, die er auch weidlich ausnutzt. Er kann flüstern wie eine Katze (?) , aber er kann auch brüllen wie ein Löwe. Und er setzt den daraus entstehenden Kontrast
auch bewußt als Stilmittel ein.
3. Seine harmonische Sprache: Die ist reich, sehr üppig, würde ich sagen. Und eigentlich
Recht „traditionell“ … im besten Sinn des Wortes. Dennoch gibt es immer wieder
kleine Reharmonisierungen und/oder bestimmte Voicings, die einen aufhorchen lassen.
4. Das melodische Solospiel seiner rechten Hand / Spannungsverlauf eines Solos /
Die „Form“ seiner Soli:
Mich faszinierte es immer besonders, daß OP´s Improvisationslinien so „singbar“ sind.
Singbar, logisch und formvollendet. Jede einzelne Phrase hat einen Einstieg, und hat ein klares Ende. Es klingt alles wie auskomponiert, und in den hunderten Stunden
des Zuhörens zu seinem Spiel ist mir niemals auch nur ein Moment des Zögerns oder
Zauderns, oder auch nur eine gedankliche Atempause, aufgefallen, wie es bei anderen
(auch großen) Pianisten gang und gäbe ist. Er reiht einfach eine dieser perfekten
Phrasen an die nächste, und kann das scheinbar endlos so weitermachen … UND …
Er verliert dabei nie den Spannungsverlauf des GANZEN Solos aus den Augen:
Für die Soli im ganzen gilt nämlich das selbe wie für einzelne Phrasen: Sie sind
Wunderbar strukturiert, haben einen wohldefinierten Spannungsverlauf, einen klaren
Beginn, eine Entwicklung, und ein ebenso klares Ende.
5. Und fast hätt´ ich´s vergessen: Sein unnachahmliches Spiel als Begleiter im Hintergrund.
Das jetzt wirklich detailliert unter die Lupe zu nehmen, ist mir zu anstrengend .... aber einem OP eine Stunde lang bewußt und aufmerksam zuzuhören, wie der einen z.B. Bläser im Hintergrund begleitet, unterstützt, ergänzt, ihm folgt, ... das ist ein aufregendes Abenteuer, das unter Garantie lohnt.
Es gibt auch Aspekte im Spiel OP´s, die ich nicht so überschwänglich beschreiben würde. Aber um die soll´s ja hier (mir zumindest) nicht gehen. Es geht ja darum herauszuarbeiten, was einen fasziniert.
Thomas
--- Beiträge wurden zusammengefasst ---
Monty Alexander:
An MA´s Spiel fasziniert mich vor allem die unglaubliche Dynamik, die er erzeugen kann. Sein Spiel gleicht oft wirklich einem Feuerwerk, in dem Rakete auf Rakete gezündet wird.
Da ist (meist) vom ersten Ton an eine unglaubliche Energie spürbar, die den Zuhörer einfach fesselt und einnimmt.
Was ihn von den (meisten) anderen Pianisten auf der Liste unterscheidet, ist, daß er - auch dank seines Geburtsortes - ausgiebig auch andere Rhythmen als Swing beackert. Er vermischt Jazz-Harmonik und Jazz-Phrasing mit - vor allem - karibischen Rhythmen (Calypso, Reggae, …). Und das kann keiner so, wie er.
Erroll Garner:
Um Garners Faszination auf mich zu beschreiben, reicht mein Vorrat an Superlativen leider nicht aus.
Er swingt auf unglaubliche Weise. Weiter oben schrieb ich, daß keiner so swingen kann, wie Oscar Peterson. Das war voreilig formuliert. Erroll Garner kann das. Aber er swingt auf eine komplett andere Art als Oscar Peterson (und als überhaupt jeder andere Jazzmusiker).
Oscar Peterson swingt auf dem Beat. Erroll Garner jedoch swingt (weit) hinter dem Beat, und erzeugt damit eine wirklich unfaßbare rhythmische Spannung.
Meist spielt er mit der linken Hand „nur“ four-to-the-bar, aber mit winzigen kleinen, dafür oft sehr lauten, Vorschlägen, die dieses Art der Begleitung bei ihm trotzdem unglaublich spannend und interessant, und alles andere als langweilig, machen. Diese linke Hand dient also als „timekeeper“, während die rechte Hand in ihrem Timing oft hinterher hinkt. Manchmal wenig, manchmal auch gewaltig hinterher. Wäre es nicht so bewußt und so gekonnt vorgetragen, könnte man es fast für „falsch“ halten. Aber das ist eben diese feine Trennlinie zwischen Genie und Wahnsinn …
Mir ist aufgefallen, daß er bei etwas längeren Melodiephrasen oft schon mal mit der Rechten „verspätet“ einsteigt, er im Zuge der Phrase diese „Verspätung“ aber nicht aufzuholen versucht, sondern ganz im Gegenteil diese genüßlich bis zum Ende ausspielt. Manchmal läßt er sie im Verlauf einer Phrase sogar noch größer werden.
All dies erzeugt eine unglaubliche rhythmische Spannung, die ihm Bewunderung eingetragen hat, seit er einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde. Man gab diesem Phänomen sogar einen eigenen, nach ihm benannten Namen: Der GARNER-LAG …
Zu erwähnen wäre noch, daß E. G. sehr im Gegensatz zu anderen Pianisten seiner Zeit auch viele lateinamerikanische Elemente in sein Spiel aufnahm, und in den „Swing integrierte“. Manche seiner Nummern haben richtige Clave-Elemente, ohne jedoch das Swing-Terrain zu verlassen. Auch das ist einzigartig!
--- Beiträge wurden zusammengefasst ---
Dave Grusin:
Man wird vermutlich nicht viele finden, die Dave Grusin als einen großen Pianisten bezeichnen würden. Oberflächlich gesehen ist sein Spiel unauffällig. Er zündet keine technischen und rhythmischen Feuerwerke wie ein Oscar Peterson, er macht keine harmonischen Gratwanderungen wie Chick Corea, er hat nicht die Dynamik eines Monty Alexander.
Und ich bin mir auch nicht sicher, ob man mir das hier durchgehen lassen wird, aber ich möchte hier und jetzt „Geschmack“ als neues Qualitätskriterium einführen. Ich weiß, … das ist nicht wirklich sehr konkret und objektiv belegbar …
Aber Dave Grusins Spiel in seiner GESAMTHEIT ist unglaublich geschmackvoll. Da stimmt einfach alles zusammen. Da ist nichts zuviel, und nichts zu wenig. Da ist jeder Ton genau dort, wo er hingehört, und keiner ist zuviel. Nicht mehr und nicht weniger. DAS fasziniert mich an Grusins Spiel vor allem!
Als Einzelkomponente könnte man noch eine kleine rhythmische Besonderheit von ihm nennen: Gelegentlich interpretiert er in der Rechten einen Swing-Takt als zwei 6/8-Takte. Das heißt, er spielt die einzelnen Swing-Triolen wirklich rhythmisch aus. Auch die jeweils zweiten. Natürlich nicht in einem Maschinengewehr-Lauf mit allen Swing-Achteln, sondern versteckt in rhythmischen Phrasen und Figuren.
Aber das ist etwas wirklich Besonders. Da kommt immer so ein kleiner Bruch mit der standardmäßige Swing-Stimmung, und für einige wenige Momente entführt er dich in ein 6/8-Feel. Natürlich nur, um sofort wieder umzukehren …
Dazu paßt auch noch, daß Grusin bei weitem nicht nur swingt, sondern auch viele andere Rhythmen bearbeitet, wie auch in seiner Arbeit als Komponist und Arrangeur. Überhaupt hört man in seinem Spiel den Arrangeur sehr durch, wie ich finde.
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