Noch immer mit dem Handy getippt: Ich bin begeistert von Euren detailierten Kritiken. Auch freue ich mich, dass eventuell Musiker reagieren, die vermutlich selber eher selten texten.
Texte werden im Gegensatz zu anderen Kunstwerken sehr stark daran gemessen, ob sie verständlich sind.
Gleichzeitig wollen die meisten Zeitgenossen auch von Texten emotionalisiert werden. Gefühle wiederum reagieren mE besonders stark auf Abweichungen von den (erwarteten) Normen.
Abweichungen verunsichern. Verunsicherung strebt nach Klarheit. hm... Was für ein verrückter Kteislauf!
Schlechte Karten für Texter! Die Einhaltung von Normen werden bei Tönen, Bildern oder Tanzbewegungen vom Publikim seltener eingefordert als bei Worten.
Die meisten Besucher von Galerien, Konzerten oder Balletten verfügen über kein professionelles Fachwissen. Und wissen das auch. Und geniessen ihre Naivität. Ja, sie würden vermutlich ihre eigene Kritik als verkopft oder oberflächlich gegenüber dem Kunst-Schöpfer empfinden...
Anders bei Wortwerken. Hier sieht sich jeder Rezipient als Experte. Das erscheint auch mir logisch zu sein. Als entscheidendes Normativ eines Textes gilt eben seine Verständlichkeit! Abweichungen von dieser Norm werden als Fehler empfunden. Als zu oberflächlich oder zu verkopft!
Die selben Kritiker stellen sich allerdings nicht in Frage, wenn sie englische Texte begeistert mitgröhlen. Hm..grenzt das nicht irgendwie an Wahnsinn?
Die Lyriker wehren sich seit vielen Jahrzehnten mit kryptischen Texten gegen dieses Doppelbinding von gesprochener und geschriebener Kommunikation. Aber auch viele Texter. Ein bekanntes Beispiel ist etwa Bob Dylan, der regelmässig provokant die von Logik geprägten Erwartungen seiner Fans enttäuscht. Was diese mit der abgedroschenen Phrase von Genie und Wahnsinn, blind für sich selber, abtun.
Gottseidank gab es früher einige Journalisten, die selber unter dem Zwiespalt litten, das "gehobene" Sprache so schizzo wahrgenommen wird, die trotzig so sehr Werbung für Sprachrebellen machten, dass sie sogar Stars werden konnten. Beide, die Texter und ihre positiven Kritiker. ;-)
Heute begegnen sich Kritiker und Texter u.a. in Musik-Foren. Die Kritiker sind oft auch Musiker - blitzgescheite Menschen und gute Rhetoriker. Auch bezüglich ihrer eigenen Kunst meistens sehr selbstkritisch eingestellt. Musiker benutzen erstaunlich viele Worte. Nur eins finde ich nicht: Dass ihre Arbeit "verkopft" sei.
Als Musiker empfinde ich aber Pop-Musik tatsächlich als extrem verkopft. Falls der Gegensatz von "verkopft" denn "verständlich" wäre: Wo sind Töne verständlich? Was sagt mir ein Bb? Welche natürliche Logik zwingt die meisten hiesigen Komponisten zu (erweiterten) Katenzen? Warum halten sie sich in der Struktur ihrer Songs an bestimmte regelmässige Taktzahlen für Strophen und Refrains? Ist das der Natur abgelauscht? Etwa Mensch und Tier? Ich vermute, "verkopft" soll das Gegenteil von "natürlich" repräsentieren. Wo aber ist die sture Einhaltung modischer Musikstrukturen natürlich!?
Mein Vorschlag: Streicht "verkopft" als Argument. Es reicht doch zu sagen, dass man es nicht versteht! Muss man seine (angebliche) Überlegenheit als Rezipient mit einem "verkopft" unbedingt unterstreichen?
Ich weiss, dass in meinem Text die Interpunktion fehlt. Das ist Absicht. Denn die fehlt auch in einem Gespräch! So provoziere ich eben Missverständnisse. Und ich spiele sehr gern mit Missverständnissen! Wir Menschen suchen uns in fremden Worten, was wir brauchen. Nicht etwa, was ursprünglich gemeint war. - So bin auch ich. - Und das verursacht Leid. Sehr viel Leid! Und gerade deshalb biete ich die Möglichkeit für Missverständnisse spielerisch an...
Und mache zu dem auch ne Menge ungewollter Fehler, weshalb ich auch weiterhin um Kritiken bitte. ;-)