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Torquemada
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In einem anderen Beitrag wurde kurz darüber gesprochen, dass man auf einer diatonischen Harmonika, um Sexten zu spielen, verschiedene Knopfabstände hat, die zudem noch unterschiedlich sind, je nachdem, ob man den Balg aufzieht oder zudrückt, während das auf einer Klaviatur im Prinzip immer der gleiche Abstand sei. Und das sei also ziemlich kompleßiert auf so einem diatonischen Instrument (hier und hier).
Ja, wenn ich das so erkläre ist das ziemlich kompliziert.
Aber die Sichtweise ist, glaube ich, ungünstig. Eine andere Sichtweise wird dem eher gerecht, wie ich Harmonika spiele, und dann isset auch einfach. Ich probiere mal, es in Worte zu fassen:
Ganz vereinfacht gesagt: Auf der Klaviatur spiele ich z. B. ein a. Auf der Harmonika spiele ich nicht in erster Linie z. B. ein a, sondern ich spiele z. B. den sechsten Tonleiterton, und zwar während ich z. B. funktionsharmonisch im Subdominantakkord bin.
John Spiers, einer der sehr guten zeitgenössischen englischen Harmonikaspieler (vgl. z. B. hier) hat einmal geschrieben:
"One of the great things about melodeons is that they teach you a natural and instinctive version of music theory as you learn to play them."
Das macht das Spielen auf einer Harmonika zu so einem faszinierenden Erlebnis: Während du sie zu spielen lernst, lernst du instinktiv Musiktheorie, nämlich mit Fingern und Armen. Du spürst dann automatisch, dass du den sechsten Tonleiterton spielst und im Subdominantakkord bist und dass das die Terz dieses Dreiklangs ist. Du weißt nicht unbedingt, dass das, was du spielst ein a ist. Es ist genau umgekehrt wie auf der Klaviatur.
Zu den Sexten:
Wenn ich auf einer Harmonika (in meiner tonleitereigenen Reihe) auf Druck spiele, spiele ich den Tonikadreiklang oder halt einen der Töne des Tonikadreiklangs. Denn die Töne auf den Knöpfen sind: -Grundton-Terz-Quinte-Grundton-Terz-Quinte-Grundton-Terz-Quinte- usw. Dabei ist es völlig egal, in welcher Tonart ich jetzt konkret bin. Wenn die Reihe in A-Dur ist, bin ich halt in A-Dur; wenn die Reihe in Cis-Dur ist, bin ich halt in Cis-Dur -- völlig egal. (Deshalb ist es auch nicht in erster Linie wichtig, ob das ein a oder ein cis ist, was ich spiele, sondern ich spiele eben den Grundton des Tonikaakkords.)
Wenn ich also den Grundton spiele, dann ist der Knopf eins weiter rechts (bzw. in Richtung Fußboden) die Terz und der Knopf eins weiter links (bzw. Richtung Kinn) die Quinte des Akkords (in der tieferen Oktave). Und links neben der Quinte kommt dann wieder der Knopf mit der Terz (nur halt eine Oktave tiefer). Wenn ich meinen Ton also mit der Untersexte begleiten möchte, dann ist das eben die oktavumgekehrte Terz, und die ist zwei Knöpfe links neben meinem Melodieknopf.
Wenn ich in der Melodie die Terz des Tonikaakkords spiele, dann ist die Untersexte die oktavumgekehrte Quinte. Die ist auch zwei Knöpfe links neben meinem Melodieknopf.
Wenn ich in der Melodie die Quinte des Tonikaakkords spiele, dann -- ist der Ton gar nicht mehr Teil meines Tonikadreiklangs; denn ich habe keine Terz mehr über der Quinte, die ich als Sexte runteroktavieren kann; denn der Tonikadreiklang ist ja mit der Quinte zu Ende. Ich kann dazu gar keine Untersexte als Begleitung spielen wollen: Wenn mein Tonikaakkord z. B. C-Dur (C-E-G) und mein Melodieton also g wäre, dann wäre die Untersexte ein h. Aber das h wäre falsch und klänge falsch, ist jedenfalls kein Bestandteil des Tonikadreiklangs. *) Ich kann die Quinte des Tonikadreiklangs musikalisch nicht mit einer Untersexte begleiten, weil das kein Akkordton wäre.
Wenn ich auf einer Klaviatur spiele, muss ich diese Dinge (Wo bin ich denn funktionsharmonisch gerade, Tonika? Dominante? Tonikaparallele? ... Ist das in der Melodie gerade Oktavlage? Terzlage? usw.) relativ mühsam im Kopf ausrechnen, während ich sofort und ohne Probleme weiß, dass ich z. B. ein a spiele. Auf der Knopfreihe der Harmonika ist es genau umgekehrt: Ich weiß automatisch, "instinktiv" wo ich funktionsharmonisch bin usw., aber welchen Tonnamen das nun gerade hat -- öh, lass mich mal kurz nachrechnen. Was für Klaviaturspieler so kompliziert erscheinen mag und wofür es so viele komplizierter Worte bedarf ("Tonikaakkord", "Oktavlage", ...) , ist daher in Wirklichkeit ziemlich unkompliziert, während so scheinbar einfache Dinge wie zu sagen, wie der Ton heißt, den man gerade spielt, vergleichsweise kompliziert sind.
So.
Der Ton g könnte aber auch z. B. der Grundton des Dominant(sept)akkords sein. Auf der Klaviatur würde das keinen Unterschied machen: Ich würde den Ton mit derselben Taste spielen, obwohl es funktionsharmonisch ein völlig anderer Ton wäre. Die Klaviatur gibt mir keinerlei Information darüber, was das denn tatsächlich im Stückzusammenhang für ein Ton ist.
Genau umgekehrt bei der Harmonika: Wenn ich da funktionsharmonisch in der Dominante bin (also in der linken Hand auch den Dominantakkord spiele), dann merke ich das, weil ich die Balgrichtung umkehre **) und der Grundton meines Dominantakkords auch ein anderer Knopf ist (schräglinks eine Reihe weiter innen ***) ).
Da die Tonleiter sieben Töne hat und auf Druck schon drei Töne weg sind, bleiben auf Zug vier Töne zu verteilen, also ein Ton mehr pro Oktave. Deshalb ist die Untersexte auf Zug (da, wo sie existiert) einen Knopf weiter entfernt als auf Druck.
*) Jedenfalls in klassischer Satzlehre. Ausweitungen sind möglich, aber hier geht's ja erstmal um die Grundstruktur.
**) Alternativ zur Änderung der Balgrichtung kann ich von meiner Ausgangsreihe in die Dominantreihe wechseln: Dort gilt dann natürlich wieder die Knopfanordnung -Grundton-Terz-Quinte-Grundton-Terz- usw., aber eben dann in der Dominante.
***) Dass man sich den Grundton aus einer anderen Reihe holt, ist natürlich systemtheoretisch nicht ideal. Deshalb hat das Club-System an dieser Stelle den Gleichton. Der Gleichton ist aber aus den oben erläuterten Gründen heraus systemtheoretisch auch nicht ideal. Das ist so eine Stelle wie das pythagoräische Komma (12 Quinten entsprechen nicht 7 Oktaven), an der man merkt, dass unsere Wirklichkeit nicht immer aufgeht.
Ja, wenn ich das so erkläre ist das ziemlich kompliziert.
Aber die Sichtweise ist, glaube ich, ungünstig. Eine andere Sichtweise wird dem eher gerecht, wie ich Harmonika spiele, und dann isset auch einfach. Ich probiere mal, es in Worte zu fassen:
Ganz vereinfacht gesagt: Auf der Klaviatur spiele ich z. B. ein a. Auf der Harmonika spiele ich nicht in erster Linie z. B. ein a, sondern ich spiele z. B. den sechsten Tonleiterton, und zwar während ich z. B. funktionsharmonisch im Subdominantakkord bin.
John Spiers, einer der sehr guten zeitgenössischen englischen Harmonikaspieler (vgl. z. B. hier) hat einmal geschrieben:
"One of the great things about melodeons is that they teach you a natural and instinctive version of music theory as you learn to play them."
Das macht das Spielen auf einer Harmonika zu so einem faszinierenden Erlebnis: Während du sie zu spielen lernst, lernst du instinktiv Musiktheorie, nämlich mit Fingern und Armen. Du spürst dann automatisch, dass du den sechsten Tonleiterton spielst und im Subdominantakkord bist und dass das die Terz dieses Dreiklangs ist. Du weißt nicht unbedingt, dass das, was du spielst ein a ist. Es ist genau umgekehrt wie auf der Klaviatur.
Zu den Sexten:
Wenn ich auf einer Harmonika (in meiner tonleitereigenen Reihe) auf Druck spiele, spiele ich den Tonikadreiklang oder halt einen der Töne des Tonikadreiklangs. Denn die Töne auf den Knöpfen sind: -Grundton-Terz-Quinte-Grundton-Terz-Quinte-Grundton-Terz-Quinte- usw. Dabei ist es völlig egal, in welcher Tonart ich jetzt konkret bin. Wenn die Reihe in A-Dur ist, bin ich halt in A-Dur; wenn die Reihe in Cis-Dur ist, bin ich halt in Cis-Dur -- völlig egal. (Deshalb ist es auch nicht in erster Linie wichtig, ob das ein a oder ein cis ist, was ich spiele, sondern ich spiele eben den Grundton des Tonikaakkords.)
Wenn ich also den Grundton spiele, dann ist der Knopf eins weiter rechts (bzw. in Richtung Fußboden) die Terz und der Knopf eins weiter links (bzw. Richtung Kinn) die Quinte des Akkords (in der tieferen Oktave). Und links neben der Quinte kommt dann wieder der Knopf mit der Terz (nur halt eine Oktave tiefer). Wenn ich meinen Ton also mit der Untersexte begleiten möchte, dann ist das eben die oktavumgekehrte Terz, und die ist zwei Knöpfe links neben meinem Melodieknopf.
Wenn ich in der Melodie die Terz des Tonikaakkords spiele, dann ist die Untersexte die oktavumgekehrte Quinte. Die ist auch zwei Knöpfe links neben meinem Melodieknopf.
Wenn ich in der Melodie die Quinte des Tonikaakkords spiele, dann -- ist der Ton gar nicht mehr Teil meines Tonikadreiklangs; denn ich habe keine Terz mehr über der Quinte, die ich als Sexte runteroktavieren kann; denn der Tonikadreiklang ist ja mit der Quinte zu Ende. Ich kann dazu gar keine Untersexte als Begleitung spielen wollen: Wenn mein Tonikaakkord z. B. C-Dur (C-E-G) und mein Melodieton also g wäre, dann wäre die Untersexte ein h. Aber das h wäre falsch und klänge falsch, ist jedenfalls kein Bestandteil des Tonikadreiklangs. *) Ich kann die Quinte des Tonikadreiklangs musikalisch nicht mit einer Untersexte begleiten, weil das kein Akkordton wäre.
Wenn ich auf einer Klaviatur spiele, muss ich diese Dinge (Wo bin ich denn funktionsharmonisch gerade, Tonika? Dominante? Tonikaparallele? ... Ist das in der Melodie gerade Oktavlage? Terzlage? usw.) relativ mühsam im Kopf ausrechnen, während ich sofort und ohne Probleme weiß, dass ich z. B. ein a spiele. Auf der Knopfreihe der Harmonika ist es genau umgekehrt: Ich weiß automatisch, "instinktiv" wo ich funktionsharmonisch bin usw., aber welchen Tonnamen das nun gerade hat -- öh, lass mich mal kurz nachrechnen. Was für Klaviaturspieler so kompliziert erscheinen mag und wofür es so viele komplizierter Worte bedarf ("Tonikaakkord", "Oktavlage", ...) , ist daher in Wirklichkeit ziemlich unkompliziert, während so scheinbar einfache Dinge wie zu sagen, wie der Ton heißt, den man gerade spielt, vergleichsweise kompliziert sind.
So.
Der Ton g könnte aber auch z. B. der Grundton des Dominant(sept)akkords sein. Auf der Klaviatur würde das keinen Unterschied machen: Ich würde den Ton mit derselben Taste spielen, obwohl es funktionsharmonisch ein völlig anderer Ton wäre. Die Klaviatur gibt mir keinerlei Information darüber, was das denn tatsächlich im Stückzusammenhang für ein Ton ist.
Genau umgekehrt bei der Harmonika: Wenn ich da funktionsharmonisch in der Dominante bin (also in der linken Hand auch den Dominantakkord spiele), dann merke ich das, weil ich die Balgrichtung umkehre **) und der Grundton meines Dominantakkords auch ein anderer Knopf ist (schräglinks eine Reihe weiter innen ***) ).
Da die Tonleiter sieben Töne hat und auf Druck schon drei Töne weg sind, bleiben auf Zug vier Töne zu verteilen, also ein Ton mehr pro Oktave. Deshalb ist die Untersexte auf Zug (da, wo sie existiert) einen Knopf weiter entfernt als auf Druck.
*) Jedenfalls in klassischer Satzlehre. Ausweitungen sind möglich, aber hier geht's ja erstmal um die Grundstruktur.
**) Alternativ zur Änderung der Balgrichtung kann ich von meiner Ausgangsreihe in die Dominantreihe wechseln: Dort gilt dann natürlich wieder die Knopfanordnung -Grundton-Terz-Quinte-Grundton-Terz- usw., aber eben dann in der Dominante.
***) Dass man sich den Grundton aus einer anderen Reihe holt, ist natürlich systemtheoretisch nicht ideal. Deshalb hat das Club-System an dieser Stelle den Gleichton. Der Gleichton ist aber aus den oben erläuterten Gründen heraus systemtheoretisch auch nicht ideal. Das ist so eine Stelle wie das pythagoräische Komma (12 Quinten entsprechen nicht 7 Oktaven), an der man merkt, dass unsere Wirklichkeit nicht immer aufgeht.
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