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Marinolt
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Hallo,
die vielen interessanten Beiträge hier im Forum animieren mich zu diesem Beitrag mit der etwas provokanten Frage, ich garniere das mit der zugehörigen Geschichte, wie sie das Leben scheinbar öfter schreibt:
Das alte Akkordeon meines Vaters lachte mich an und wollte entsorgt oder instandgesetzt werden. Ich hatte als Kind ein paar Mal drauf geübt, mehr nicht, der Vater war kein guter Lehrer, hatte auf dem Bauernhof auch nicht die Zeit dafür.
Es ist ein altes Rauner, 34 Tasten/80 Bässe. Wohl ein Vorkriegsmodell, alles aus Holz, schöner Klang, 2 Register-Diskant. In den 70ern kamen schon nicht alle Töne und mein Vater kaufte in den 80ern ein Weltmeister Stella, 41 Tasten, 4 Chöre/11Register, 120 Bässe/5 Register, viel Aluminium und Stimmstöcke aus Plaste.
Ich nahm mir das Rauner vor und tastete mich an die Technik heran, informierte mich per Google hier im Forum, bin davon begeistert!
Ich konnte so mit dem, was ich vorfand, viel mehr anfangen. Vor 10 Jahren habe ich schon mal reingeschaut in das Instrument, da klemmten 1-2 Tasten und nachdem ich die Achse der Tasten nicht bewegt bekam, habe ich es wieder weggestellt.
Jetzt, da wohl trockener gelagert, klemmte nichts mehr. Allerdings waren etliche Stimmzungen mit Flugrost belegt, das ließ sich aber gut mit der kleinen Messingbürste im Dremel beseitigen, ohne die Leder-Ventile abzureißen. Die aber sind nicht mehr anliegend, werden nun also erneuert.
Einige Zungen stehen weiter ab als gut ist, das habe ich hier im Beitrag 'Stimmstock und Stimmplatten...' und 'Stimmplatteneffekte ...' gelernt, Herzlichen Dank an Maxito!
Bei dem wohl 70 Jahre alten Rauner ist das Wachs noch ziemlich in Ordnung.
In den Beiträgen fand ich dann auch die Frage, ob ein (Wieder-)Erlernen mit Piano-Akko sinnvoller ist oder ein Knopfakkordeon sich anbietet.
Ich habe dann nach einem günstigen Knopf-Instrument auf ebay Ausschau gehalten und viel gelernt. Habe ein paar Mal mitgeboten, aber die gefielen anderen besser. Die Beschreibungen und Bewertungen dort aber waren sehr lehrreich.
Dabei waren 2-3 Instrumente einer Fa. Firotti, nicht italienisch, sondern DDR-Produktion. Beim Googeln danach stieß ich auf ein Angebot aus Tallinn, Estland, das Instrument sah aus wie neu, Anbieter ein Musikgeschäft, sehr günstiger Preis, Text: 'Good playing condition'.
Deren Bilder füge ich hier bei.
Mir gefiel das Design, viel leichter und eleganter als gleich ausgestattete Hohner wie Atlanta oder Maestro oder sogar Morino, die mich ein wenig an den Kühlergrill eines Chevy-Straßenkreuzer aus den 50ern erinnerten.
Ich habe es also gekauft und es kam per DHL. Hatte es mir leichter im Gewicht vorgestellt.
Als ich es auspacke der erste Schreck: Die Bassmechanik war eingefallen. Es ist beim Transport wohl nicht mit Samthandschuhen ...
Und es klapperte im Gehäuse. Ich öffnete den Balg baßseitig und sah die Bescherung: siehe Bild: 32 Stimmplatten flogen im Balg herum. Und jede Menge Ventile. Stimmplatten, Stimmzungen und Ventile sahen sonst sehr gut aus, kein Dreck, kein Rost, kein Geruch, insgesamt das Instrument offenbar wenig gespielt, Balg sauber, keine Kratzer am Gehäuse.
Die Baßmechanik ließ sich leicht herausnehmen, mit 2 Hebeln, die herausgefallenen Knöpfe ließen sich zuordnen und einfädeln.
Einige Knöpfe kamen etwas schwerfällig, da nützte es, sie mit WD 40-Öl kurz zu beatmen. So wie auch beim Rauner.
Ja - ich wollte eigentlich mit dem Firotti sofort losüben. Aber - denn eben nich.
Die Baßmechanik ausgebaut, fiel etwas herumfliegendes Stimmplattenwachs in einige der Anblaslöcher und ich schraubte den letzten Stimmstock auch noch heraus, als ich ihn anhob, purzelten mir eine Handvoll Ventile entgegen. Nun wußte ich auch, warum die Register nicht immer richtig schalteten, die Ventile saßen dazwischen. Jetzt war klar, daß ich nicht damit auskomme, die losen Platten zuzuordnen und einzuwachsen, sondern alles muß raus und neu ventiliert und eingewachst werden.
Da mein Dank an Ippensteins fantastische Anleitung zur Restaurierung 'Vom Lagerfeuerholz ...'!!! Das macht Mut und hilft ungemein!!
Beim Zuordnen der Baßstimmplatten half mir das Weltmeister meines Vaters, bei den Diskantplatten muß man hinhören, vorsortieren, in den Stock legen und anblasen und immer wieder korrigieren. Die für die Schwebetöne 'gleichen' Platten habe ich nicht genau heraushören können, das dürfte aber auch nicht nötig sein, die leicht höher gestimmten in denselben Stock zu bekommen, weil die sowieso gleichzeitig schwingen und bei Einzelklang die geringe Differenz zusammen mit anderen Chören vermutlich gleich klingen?
Das wäre eine Frage, sonst müßte ich einen Weg finden, die auch noch zuzuordnen.
Das notwendige Material habe ich jetzt bestellt für beide Sorgenkinder. Für den Wachsauftrag habe ich mir nach Ippensteins Erfahrungen überlegt, einen alten Lötkolben zu benutzen, für den ich sowieso keine Ersatzspitze bekomme, und zwar so:
In meinem Bastelfundus habe ich ein Messingröhrchen nach meinen Vorstellungen gefunden, so 40-50 mm lang und gut 1mm Innendurchmesser.
Als Wachsbehälter habe ich mir eine Kupfer-Rohr-Endkappe besorgt von meinem Installateur, mit 35 mm Innendurchmesser. Das Messingröhrchen wird unten eingebohrt und eingelötet per Hartlöten. Diese Schmelzeinrichtung klemme ich irgendwie an den Stab vom Lötkolben.
Den Lötkolben betreibe ich dann über einen Lampen-Fußschalter, so kann ich ein- und ausschalten nach Bedarf, ohne hingreifen zu müssen.
Ist noch nicht fertig, aber so stelle ich es mir vor. So ein Löffelchen wie Ippenstein es beschreibt, ist mir bei der Menge von 232 Stimmplatten zu mühselig, und das Material für meinen Lötschmelzer kostet fast nichts.
Das Wachs und der Kleber der Ventile sind bei dem Firotti steinhart und spröde. Das hatte mir ein kundiger Mitarbeiter vom Stand Weltmeister auf der Musikmesse in Frankfurt neulich so prophezeit: Firotti sei in den 70ern 'eingemeindet' worden und dann habe es Materialengpässe gegeben, insbesondere beim Wachs. Die Qualität der Instrumente an sich sei sehr gut gewesen ansonsten.
Da stellt sich an die Weltmeister-kundigen die Frage, ob es Erfahrungen dieser Art auch mit Weltmeister-Instrumenten gibt, denn die Materialengpässe galten ja nicht nur für die letzten verbliebenen Privatunternehmen wie Firotti (Rockstroh, am selben Ort Klingenthal ansässig wie Harmona mit Weltmeister).
Hätte ich das wissen müssen, sind alle instrumente aus der Zeit so zu erwarten?
Ansonsten scheint mir die Verarbeitungsqualität hervorragend zu sein, die Knopfmechanik ist vllt etwas grobschlächtig, aber das kann ich nicht beurteilen. Den Aufwand jedenfalls will ich investieren, nehme mir die Zeit.
Es wird sicher fummelig, die Platten zu justieren... Aber stimmen werde ich die nicht, optisch scheinen die auch in gutem Zustand zu sein.
Fürs Erlernen sollte es dann reichen. Werde unterstützt von meiner Lebensgefährtin, die auf einem kleinen auch alten Hohner Concerto mitlernt.
Die Frage aus meinen Erfahrungen ist, ob man Interessenten vor solchen DDR-Produkten warnen sollte.
Viele Grüße sendet
Marinolt
die vielen interessanten Beiträge hier im Forum animieren mich zu diesem Beitrag mit der etwas provokanten Frage, ich garniere das mit der zugehörigen Geschichte, wie sie das Leben scheinbar öfter schreibt:
Das alte Akkordeon meines Vaters lachte mich an und wollte entsorgt oder instandgesetzt werden. Ich hatte als Kind ein paar Mal drauf geübt, mehr nicht, der Vater war kein guter Lehrer, hatte auf dem Bauernhof auch nicht die Zeit dafür.
Es ist ein altes Rauner, 34 Tasten/80 Bässe. Wohl ein Vorkriegsmodell, alles aus Holz, schöner Klang, 2 Register-Diskant. In den 70ern kamen schon nicht alle Töne und mein Vater kaufte in den 80ern ein Weltmeister Stella, 41 Tasten, 4 Chöre/11Register, 120 Bässe/5 Register, viel Aluminium und Stimmstöcke aus Plaste.
Ich nahm mir das Rauner vor und tastete mich an die Technik heran, informierte mich per Google hier im Forum, bin davon begeistert!
Ich konnte so mit dem, was ich vorfand, viel mehr anfangen. Vor 10 Jahren habe ich schon mal reingeschaut in das Instrument, da klemmten 1-2 Tasten und nachdem ich die Achse der Tasten nicht bewegt bekam, habe ich es wieder weggestellt.
Jetzt, da wohl trockener gelagert, klemmte nichts mehr. Allerdings waren etliche Stimmzungen mit Flugrost belegt, das ließ sich aber gut mit der kleinen Messingbürste im Dremel beseitigen, ohne die Leder-Ventile abzureißen. Die aber sind nicht mehr anliegend, werden nun also erneuert.
Einige Zungen stehen weiter ab als gut ist, das habe ich hier im Beitrag 'Stimmstock und Stimmplatten...' und 'Stimmplatteneffekte ...' gelernt, Herzlichen Dank an Maxito!
Bei dem wohl 70 Jahre alten Rauner ist das Wachs noch ziemlich in Ordnung.
In den Beiträgen fand ich dann auch die Frage, ob ein (Wieder-)Erlernen mit Piano-Akko sinnvoller ist oder ein Knopfakkordeon sich anbietet.
Ich habe dann nach einem günstigen Knopf-Instrument auf ebay Ausschau gehalten und viel gelernt. Habe ein paar Mal mitgeboten, aber die gefielen anderen besser. Die Beschreibungen und Bewertungen dort aber waren sehr lehrreich.
Dabei waren 2-3 Instrumente einer Fa. Firotti, nicht italienisch, sondern DDR-Produktion. Beim Googeln danach stieß ich auf ein Angebot aus Tallinn, Estland, das Instrument sah aus wie neu, Anbieter ein Musikgeschäft, sehr günstiger Preis, Text: 'Good playing condition'.
Deren Bilder füge ich hier bei.
Mir gefiel das Design, viel leichter und eleganter als gleich ausgestattete Hohner wie Atlanta oder Maestro oder sogar Morino, die mich ein wenig an den Kühlergrill eines Chevy-Straßenkreuzer aus den 50ern erinnerten.
Ich habe es also gekauft und es kam per DHL. Hatte es mir leichter im Gewicht vorgestellt.
Als ich es auspacke der erste Schreck: Die Bassmechanik war eingefallen. Es ist beim Transport wohl nicht mit Samthandschuhen ...
Und es klapperte im Gehäuse. Ich öffnete den Balg baßseitig und sah die Bescherung: siehe Bild: 32 Stimmplatten flogen im Balg herum. Und jede Menge Ventile. Stimmplatten, Stimmzungen und Ventile sahen sonst sehr gut aus, kein Dreck, kein Rost, kein Geruch, insgesamt das Instrument offenbar wenig gespielt, Balg sauber, keine Kratzer am Gehäuse.
Die Baßmechanik ließ sich leicht herausnehmen, mit 2 Hebeln, die herausgefallenen Knöpfe ließen sich zuordnen und einfädeln.
Einige Knöpfe kamen etwas schwerfällig, da nützte es, sie mit WD 40-Öl kurz zu beatmen. So wie auch beim Rauner.
Ja - ich wollte eigentlich mit dem Firotti sofort losüben. Aber - denn eben nich.
Die Baßmechanik ausgebaut, fiel etwas herumfliegendes Stimmplattenwachs in einige der Anblaslöcher und ich schraubte den letzten Stimmstock auch noch heraus, als ich ihn anhob, purzelten mir eine Handvoll Ventile entgegen. Nun wußte ich auch, warum die Register nicht immer richtig schalteten, die Ventile saßen dazwischen. Jetzt war klar, daß ich nicht damit auskomme, die losen Platten zuzuordnen und einzuwachsen, sondern alles muß raus und neu ventiliert und eingewachst werden.
Da mein Dank an Ippensteins fantastische Anleitung zur Restaurierung 'Vom Lagerfeuerholz ...'!!! Das macht Mut und hilft ungemein!!
Beim Zuordnen der Baßstimmplatten half mir das Weltmeister meines Vaters, bei den Diskantplatten muß man hinhören, vorsortieren, in den Stock legen und anblasen und immer wieder korrigieren. Die für die Schwebetöne 'gleichen' Platten habe ich nicht genau heraushören können, das dürfte aber auch nicht nötig sein, die leicht höher gestimmten in denselben Stock zu bekommen, weil die sowieso gleichzeitig schwingen und bei Einzelklang die geringe Differenz zusammen mit anderen Chören vermutlich gleich klingen?
Das wäre eine Frage, sonst müßte ich einen Weg finden, die auch noch zuzuordnen.
Das notwendige Material habe ich jetzt bestellt für beide Sorgenkinder. Für den Wachsauftrag habe ich mir nach Ippensteins Erfahrungen überlegt, einen alten Lötkolben zu benutzen, für den ich sowieso keine Ersatzspitze bekomme, und zwar so:
In meinem Bastelfundus habe ich ein Messingröhrchen nach meinen Vorstellungen gefunden, so 40-50 mm lang und gut 1mm Innendurchmesser.
Als Wachsbehälter habe ich mir eine Kupfer-Rohr-Endkappe besorgt von meinem Installateur, mit 35 mm Innendurchmesser. Das Messingröhrchen wird unten eingebohrt und eingelötet per Hartlöten. Diese Schmelzeinrichtung klemme ich irgendwie an den Stab vom Lötkolben.
Den Lötkolben betreibe ich dann über einen Lampen-Fußschalter, so kann ich ein- und ausschalten nach Bedarf, ohne hingreifen zu müssen.
Ist noch nicht fertig, aber so stelle ich es mir vor. So ein Löffelchen wie Ippenstein es beschreibt, ist mir bei der Menge von 232 Stimmplatten zu mühselig, und das Material für meinen Lötschmelzer kostet fast nichts.
Das Wachs und der Kleber der Ventile sind bei dem Firotti steinhart und spröde. Das hatte mir ein kundiger Mitarbeiter vom Stand Weltmeister auf der Musikmesse in Frankfurt neulich so prophezeit: Firotti sei in den 70ern 'eingemeindet' worden und dann habe es Materialengpässe gegeben, insbesondere beim Wachs. Die Qualität der Instrumente an sich sei sehr gut gewesen ansonsten.
Da stellt sich an die Weltmeister-kundigen die Frage, ob es Erfahrungen dieser Art auch mit Weltmeister-Instrumenten gibt, denn die Materialengpässe galten ja nicht nur für die letzten verbliebenen Privatunternehmen wie Firotti (Rockstroh, am selben Ort Klingenthal ansässig wie Harmona mit Weltmeister).
Hätte ich das wissen müssen, sind alle instrumente aus der Zeit so zu erwarten?
Ansonsten scheint mir die Verarbeitungsqualität hervorragend zu sein, die Knopfmechanik ist vllt etwas grobschlächtig, aber das kann ich nicht beurteilen. Den Aufwand jedenfalls will ich investieren, nehme mir die Zeit.
Es wird sicher fummelig, die Platten zu justieren... Aber stimmen werde ich die nicht, optisch scheinen die auch in gutem Zustand zu sein.
Fürs Erlernen sollte es dann reichen. Werde unterstützt von meiner Lebensgefährtin, die auf einem kleinen auch alten Hohner Concerto mitlernt.
Die Frage aus meinen Erfahrungen ist, ob man Interessenten vor solchen DDR-Produkten warnen sollte.
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