"Das verlassene Mägdlein" von Hugo Wolf

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Hallo ihr Lieben,
Folgendes: Ich mache gerade mein Abitur (in Hessen) und habe als 5. Prüfungsfach eine Präsentation in Musik gewählt. Unter anderem muss ich das Kunstlied "Das verlassene Mägdlein" von Hugo Wolf analysieren. Leider muss ich zugeben, dass ich nicht so wirklich gut in Musiktheorie bin (mir liegt eher das Praktische) und brauch nun eure Hilfe.
Falls jemand sich mal mit dem Lied beschäftigt hat, würde es mir sehr helfen, wenn ihr mir ein paar analytische Tipps geben könnten oder vielleicht hat jemand sogar eine Analyse des Liedes!?
Im Voraus schonmal vielen lieben Dank an euch.
 
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wie weit bist du denn bisher?

ich kenne das lied nicht aber am besten gehst du folgendermaßen vor - unter dem motto: "Vom großen ins kleine":
erst hörst du dir das lied an, schreibst dir auf was dir alles auffällt... z.B. "die stimmung kippt in der mitte von heiter auf ernst" oder "der anfang ist sehr dissonant" ... "das lied klingt modern, die rhytmik ist schwer vorhersehbar" usw... alles was dir einfällt.
dann hörst du nochmal und liest die noten mit. mach dir wieder einige aufzeichnungen wie eben gesagt, schreibe das direkt in die noten wo dir vom reinen hören etwas auffällt z.B. "takt 25 werden erstmal triolen genutzt" - alles was dir einfällt und was du mit bloßem auge siehst/hörst. dann wiederholst du diesen schritt nochmal... lass dir dabei ruhig zeit!

vergleiche nun text und musik. spannung kann es im text genauso wie in der harmonie geben (dissonanzen). gibt es einen bestimmten höhepunkt/spannungsaufbau rein textlich? und wird das durch die musik unterstützt bzw. widergespiegelt. und worum gehts überhaupt?

analyse: teile das lied in abschnitte ein. benenne sie (vorspiel, strophe, refrain), vergleiche die teile - refrains sind vermeintlich gleich, doch manchmal ist auch nur der text gleich, manchmal nur die musik, manchmal ist alles immer wieder neu komponiert. ordne das lied in eine form ein (etwa "durchkomponiertes strophenlied")
dann werden die abschnitte harmonisch analysiert - naja da musst du halt tonarten rausfinden.
vielleicht kannst du auch beschreiben wie strophe refrain nachspiel usw harmonisch miteinander verbunden sind.
gehe das einfach mal mit der lupe durch und stelle am besten konkrete fragen zu bestimmten stellen die du nicht verstehst.

zusätzlich kann man noch machen (ist als einführung in einen analysevortrag immer gut):
wie ordnet sich dieses lied eventuell in ein gesamtwerk ein (ist es teil eines liederzyklus), vielleicht auch in Wollfs musikalisches schaffen. reifes werk oder eines was er in seiner kindheit geschrieben hat? ist das ein ausnahmelied für den komponisten oder "nur" eines von hunderten die er geschrieben hat?...

eine fertige analyse wird dir hier niemand geben

viel erfolg und meld dich mal mit deinen fortschritten
 
Vielen Dank schonmal für den Hinweis zur Vorgehensweise.
In der Komposition an sich erkenne ich ziemlich viel, mir fehlt nur einfach das Wissen und vor allem die Fachtermini, um das was ich entdecke ausdrücken zu können.
Nach der Frage wie weit ich bin, ich schreibe einfach stichpunktartig auf, was ich bis jetzt schon herausgearbeitet habe (vielleicht kann es ja auch jemand anderes gebrauchen):
- die Komposition ist als dreiteilige Liedform angelegt
- Haupttonart ist a-moll
- komponiert in einem 2/4 Takt
- auffällig in Klavierbegleitung: Legatobogen, aber trotzdem Staccato (Bedeutung?)
- gleichbleibender Rhythmus in Klavierbegleitung und in Singstimme (außer T. 27-30)
- Singstimme: Zwei-Takt-Gruppen, die sich in ihren rhythmischen Figuren nach vier Takten wiederholen
- T.15 Tonartwechsel (aber in welche?)
- T. 27 Tonartwechsel (B-Dur?)
- T.38 Rückführung auf A-moll (Beginn der Reprise im Rhythmus vom Anfang)
- T. 46 Seufzermotiv
Inhaltlich:
- es geht um Liebesschmerz
- T. 5 - 12: klingt wie eine Erzählung, trist, Situationsbeschreibung
- T. 15 - 22: Die Magd erzählt über sich, über ihre Liebe (charakterisiert durch "Flammenschein", "es springen die Funken")
- T. 27 - 30: Sie erkennt, dass ihre Liebe keine Chance hat, sie sieht die Realität, spürt Wut und erkennt, dass er ihr nicht guttut ("treuloser Knabe")
- T. 31 - 34: schon wieder fällt sie in ein träumerisch, schmachtendes Verhalten zurück
- T. 38 - 46: Ernüchterung: sie weint, der (All-)Tag kommt zurück
- T. 45 u. 46: Doppeldeutigkeit: 1. bezogen auf den Tag, 2. bezogen auf den Knabe/Traum

Die Klavierbegleitung ist der Singstimme sehr stark angepasst, Stimmungen werden durch die Begleitung unterstrichen und hervorgehoben. Harmonie ist dem Text angepasst.

Ich bin jetzt schon öfter über das Wagnersche Deklamationsprinzip gestolpert, das Wolf in seine Komposition einbezogen haben soll. Ich weiß leider nicht genau, wie ich das belegen soll... Mir ist nur das Seufzermotiv aufgefallen, das hat doch Wagner ins Leben gerufen!?

Ich muss schon sagen, dass mich dieses kleine Liedchen sehr fasziniert. Was Wolf in diesem kleinen Stück alles ausdrückt, das ist unglaublich, wie viel Können es beweist, einen so einfachen Text so emotionsreich umwandeln zu können. Apropos, das habe ich vergessen zu erwähnen: "Das verlassene Mägdlein" ist ein Gedicht von Eduard Mörike, dementsprechend den "Mörike-Liedern" zuzuordnen, von denen es (wenn mich nicht alles täuscht) 53 gegeben hat bzw. gibt.
 
Da du so fleißig vorgearbeitet hast, einige sachlich/fachliche hinweise :

punkt über der note + legatobogen = portato, die töne werden nur wenig voneinander getrennt
deklamationsprinzip = sprachrhythmus dominiert über melodische linie (Schubert macht es umgekehrt)
wenn auch vorwiegend lyrisch (ausdruck von gefühlen) fehlt nicht ein dramatischer höhepunkt, wie wird er gestaltet?
Das seufzermotiv stammt nicht von Wagner, ist schon barock und ist in sekundintervallen fallend, hier eigentlich nicht relevant
Die form sehe ich eher durchkomponiert, auch wenn die ersten 4 takte als reprise wiederkehren, auch hier zeigt sich Wolf als gelehriger schüler Wagners (statt nummernoper musikdrama)
Zur klavierstimme wäre einiges zu sagen (als professioneller lied"begleiter" weiß ich um deren anteil)
Es fällt auf die rhythmische monotonie, und das dreitaktige zwischenspiel hat auch eine funktion.
Reizvoll ist die sprunghafte und dissonante harmonik, aber die zu analysieren, führte wohl zu weit, aber erwähnen sollte man, dass die singstimme nicht auf dem grundton endet und die klavierstimme mit einer hohlen quinte. Auch über "sprechende pausen" könnte man ein wort verlieren wie über das fragende tritonus-"leitmotiv".
Ich würde nicht so viel in den schlichten text hineingeheimnissen, der "feuerschein" ist eher situativ als symbolisch, im übrigen erzählt das lied eine alltägliche, immer wiederholte geschichte, die klage der verlassenen frau. Das geht bei Ariadne (Monteverdi!) über Dido (Purcell) los und endet nie.
Das stück ist wie Schumanns "Träumerei" eine meisterliche miniatur, die mit wenigen mitteln vieles sagt.

Noch fragen zu "termini"?
 
Zuletzt bearbeitet:
Die kleine Besserwisserei sei erlaubt und ist nötig, damit der Lernende sich nicht etwas Falsches merke:
Günter Sch.;4725328 schrieb:
punkt über der note + legatobogen = portamento
Bogen mit Punkten ist kein 'portamento', sondern ein 'portato'. Die Notationsweise mit Bogen und Punkt entstammt der Streichermusik: der Spieler wechselt die Streichrichtung nicht - deswegen der Legatobogen -, setzt aber die Töne durch kurze Streichunterbrechungen ab.
Ein Portamento dagegen ist ein angedeutetes Glissando, also das dezent hörbare Hinübergleiten von einem Ton zum nächsten, namentlich bei Streichinstrumenten.
 

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