Czerny: Editionen und Fingersätze

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Hallo zusammen,

ich bin derzeit dabei, die "Passageübungen" von Czerny, Op 261, der Reihe nach durchzuspielen. Aktuell bin ich bei No 14, dabei bin ich erstmal über den Fingersatz gestolpert, der erschien mir unnötig erschwert. Bei meiner Recherche dazu habe ich erstmal ein paar YT-Videos angeschaut, da spielt aber jeder etwas anderes, das war also nicht zielführend. Ich habe dann nach Noten Ausschau gehalten und festgestellt, dass es neben der verbreiteten "Edition Peters" auch eine "Augener's Edition" gibt, dort allerdings nennt sich das "Op 261: 101 Exercises" (bei Peters sind das die "125 Passageübungen").

Warum gibt es da unterschiedliche "Op 261"?

Das Stück Nr. 14 ist in beiden Editionen das gleiche, aber mit grundsätzlich verschiedenen Fingersätzen.

Peters:
czerny_14_peters.jpg

Augener's:
czerny_14_augener.jpg

Es geht mir um die rechte Hand. Bei Peters spiele ich mir Knoten in die Finger, bei Augener's flutscht es quasi von alleine.

Welche Version ist richtig, also so wie Czerny sie geschrieben hat? Er hat sich ja etwas dabei gedacht, diese Etüden sollen ja in erster Linie die Fingerfertigkeit trainieren. Von daher könnte ich mir schon vorstellen, dass es die schwierigere Version (Peters) ist, wobei die halt nicht nur ein bisschen seltsam, sondern schon arg verkompliziert ist.

Gruß,
D.
 
Eigenschaft
 
Unterschiede bei Fingersätzen sind ein Markenzeichen von verschiedenen Ausgaben (z.B. Czerny in Veröffentlichungen von Clementi vs. sonstwem). Für Könner oder die Ausbildung mit Eintragungen des Lehrers werden bisweilen Ausgaben sowohl mit, wie auch ohne Fingersatz angeboten (z.B. bei Henle zu Werken von J.S. Bach).

Ob Czernys Fingersätze auch heute noch immer und vor allem für jeden optimal sind, kann ich nicht beurteilen.
Annähern könnte man sich deiner Frage durch Quellensichtung und Vergleiche von Veröffentlichungen mit Urtext-Ausgaben.
Der IMSLP Hinweis zum Auffinden der Erstveröffentlichung des op. 261 lautet:
"Publication noted in the Bibliographie de la France 1e série, 22e année (36e de la collection), Nº 19, 11 mai 1833, p.304, r.57. (2nd book)".
Einen Scan der Quellenangabe findest Du hier: https://archive.org/details/bibliographiedel22bibluoft/page/n10/mode/1up?view=theater
Ich habe es hier schon 'mal herausgesucht:
czerny op 261.jpg

Auf der dortigen Seite links unter dem Lupensymbol der Seite findest Du drei Punkte, hinter denen andere Einstellungen und ein Download ermöglicht werden.

Soweit ich es sehe, wird Fingersatz mit Spielraum aufgefasst und als ein "Angebot", da eine Anpassung an die eigenen Voraussetzungen sinnvoll ist. Wie immer sollte man bei eigenen Fingersätzen natürlich wissen, was man tut, also Erfahrung mit den ökonomischen Lösungen der Standardsituationen haben.

Es gibt noch einen Aspekt, Czerny wurde in Ausgaben auch bis zur teilweisen Veränderung der Notation bearbeitet. Besonders ist das bei Übernahme in Sammelausgaben oder Übernahme einzelner Stück in Etüdenbände der Fall. Das dient dann dazu, dass ein Stück bessser an die Absichten des Herausgebers angepasst wird, z.B. um durch die geänderte linke Hand die Anforderung des Originals zu vereinfachen.
Unabhängig davon begegnet man gelegentlich auch banalen Bezeichnungsfehlern, wie z.B. in Der praktische Czerny, Bd. 2, Stück 2. Das heißt im Heft "100 Erholungen, No. 23" statt richtig benannt "No. 32".

Gruß Claus
 
Zuletzt bearbeitet:
hui, wie kannst du in elfhundert Seiten nicht-durchsuchbarem .pdf irgendetwas finden? Chapeau.

Den original-Fingersatz sehe ich aber auch mit deiner Hilfe nicht. Der wäre ja interessant, denn:

du schreibst "Unterschiede bei Fingersätzen sind ein Markenzeichen von verschiedenen Ausgaben"

das würde ich bei jedem Stück das zur Aufführung o.ä. gedacht ist einsehen, nicht aber bei Stücken, die explizit dafür geschrieben wurden, Fingerfertigkeiten einzuüben. Hinter dem komplizierten Fingersatz in der Edition Peters könnte also durchaus Absicht stecken, freiwillig würde das so niemand spielen. Aber das ist eben nur eine Vermutung, verifizieren ließe sich das nur bei Kenntnis des Originals.

Gruß,
D.
 
Hinter dem komplizierten Fingersatz in der Edition Peters könnte also durchaus Absicht stecken, freiwillig würde das so niemand spielen.
Doch, ich würde das freiwillig so spielen und finde die Peters-Fingersätze besser als die von Augener. Wenn man die richtige Technik anwendet, lassen sie sich viel entspannter aus dem Arm spielen als die Augener-Fingersätze.

Viele Grüße,
McCoy
 
danke. Das überrascht mich. Erscheint mir, wenn ich dich richtig verstehe, auf lange Sicht die Mühe wert, das vermeintlich schwierigere anzugehen.

Gruß,
D.
 
hui, wie kannst du in elfhundert Seiten nicht-durchsuchbarem .pdf irgendetwas finden?
Schon zu "meiner Zeit" hatte man in der wissenschaftlichen Arbeit die Wahl, entweder wie ein Trüffelschwein Quellen aufzuspüren oder ein Plagiat zu verfassen. :D
Hinter dem komplizierten Fingersatz in der Edition Peters könnte also durchaus Absicht stecken
Es gibt auf jeden Fall die Absicht des Bearbeiters, das zeigt aber auch die fehlende "absolute" Gültigkeit. Selbst wenn der Komponist auch Bearbeiter und Herausgeber wäre, würde sich daran für mich nichts ändern.
Ich fand beim Nachspielen den Fingersatz von Ruthardt zwar auch "passender" als den von Augener, aber der damalige Herausgeber bei Peters bekam ebenfalls Lob wie Tadel für seine editorische Arbeit - seine Fingersätze sind beim heftigen Tadel von Brendel aber nicht gemeint.
https://de.wikipedia.org/wiki/Adolf_Ruthardt

Fingersätze sind nach meiner Kenntnis als Hilfestellung für die Ausbildung bestimmt, deshalb fehlt in Ausgaben für die Aufführung (meist?) ein Fingersatz.
Kleines Beispiel aus meinem Bestand: in der "amtlichen" Ausgabe von Leonard Bernstein, Musik for Piano fehlen durchgängig Angaben zum Fingersatz und im schönen "For Susannah Kyle" fehlen auch Angaben zum Pedal, obwohl wesentlich für das Stück.



Beide Voraussetzungen für das Spielen ergeben sich eigentlich aus der Notation, wenn genügend Ausbildung oder Erfahrung mitgebracht wird.
Im gelegentlich bereits erwähnten Spielband Margret Feils, Einfach Klassik ist "For Susannah Kyle" ebenfalls enthalten. Weil Feils Spielband die Ausbildung unterstützen soll gibt es das Stück hier mit ausführlichem Fingersatz sowie dem Hinweis "mit Pedal".

Gruß Claus
 
Zuletzt bearbeitet:
Erscheint mir, wenn ich dich richtig verstehe, auf lange Sicht die Mühe wert, das vermeintlich schwierigere anzugehen.

Wenn Du die richtige Technik kannst, dann ja. Nehmen wir mal die erste Terz d/f. Wenn Du die mit 1/4 spielst, sind Daumen und kleiner Finger um ca. 1cm näher aneinender als mit 1/3. Dadurch ist schon wieder etwas weniger Spannung in der Hand.

Wenn man sich aber verkrampft und dabei Knoten in den Fingern hat, ist es eher kontraproduktiv.

Viele Grüße,
McCoy
 
Ruthardt? In der mir vorliegenden "neuen, revidierten Ausgabe" der Edition Peters wird C.A. Martienssen genannt. Gibt's da innerhalb der "Editionen" auch Unterschiede? Herrje.....

Whatever, ich danke euch beiden für den erhellenden Input. Ich versuche mich jetzt mal im Fingersatz der Edition Peters, werde sicher ein paar Tage brauchen bis das sitzt. Das Ergebnis kann ich dann gerne hier präsentieren.

Gruß,
D.
 
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Martienssen war deutlich jünger, wie zum IMSLP Scan vermerkt:
HerausgeberAdolf Ruthardt (1849–1934)
Titel claims new edition by Carl Adolf Martienssen (1881-1955), but Plate numbers are those of the 1888 edition.
Quelle: IMSLP Czerny op.261

In modernen Etüdenbänden wird das Engstellen und Spreizen der Hand ausdrücklich angesprochen.
Musikalisch in der Gegenwart findet man passende Spielstücke für die Grundlagen z.B. in einer dreibändigen Reihe von Mike Schönmehl, Fun with Jazz Piano.
Ich habe davon seit einigen Wochen immer eines der "Anfänger"-Stücke in der Mache, weil die Stücke einfallsreich sind und Spaß machen, zumindest wenn man für die Doppelgriffe auch popmusikalische Beispiele mag.



Gruß Claus
 
Der Fingersatz passt nach einigem Üben tatsächlich ganz gut. Fühlt sich "richtig" an, das hätte ich beim ersten Anschauen nicht gedacht. Ist zwar noch viel zu langsam und die Dynamik fehlt auch noch, aber ich will lieber in den Passageübungen weiter vorangehen als jedes Stück bis zur Perfektion einzuüben. Will ja in diesem Leben noch fertigwerden.



Danke nochmal, Gruß,
D.
 
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