dr_rollo
Mod Keyboards und Musik-Praxis
Ich suche schon seit längerem ein passendes Keyboard für die CountryRock/Blues-Band. Bislang hab ich dort ein Kurzweil Forte SE genutzt, das war im Prinzip ok, nur overload, weil ich nicht einmal 10% der Möglichkeiten benötige, die das Teil liefert. Ich benötige lediglich ein paar gute Piano Sounds, vorwiegend Uprights, E-Piano wie Rhodes, Wurli und maximal nochmal ein Clavinet. Dann solle es möglichst klein und leicht sein, also keine 88 Tasten, aber trotzdem Piano Feeling, also nichts einfach gewichtetes.
Irgendwann bin ich auf meiner Suche beim Crumar Seven bzw. Seventeen gelandet. Das hat mich angesprochen, weil es auch noch so schön Vintage-Style-mäßig aussieht, vor allem das Seven, das sogar mit Deckel á la Rhodes darherkommt, und ich da sogar mein Nord Stage Compact oben drauf abstellen kann, also nicht einmal ein Tier2 Stativ brauche, hatte es mir angetan. Leider gibt es gerade in meiner Nähe keinen Laden, wo ich das Piano mal antesten noch niocht einmal auf gut Glück ordern könnte.
Endlich kam die Gelegenheit, das Teil bei einem Thomann-Besuch anzutesten, denn natürlich muss auch die Tastatur vom Feeling passen. Leider war das Seven dort derzeit nicht zum Antesten verfügbar, aber die Tastatur sollte bei beiden identisch sein, beides TP100 - so die Aussage des Thomann Mitarbeiters - 73 Tasten Hammermechanik, insofern egal, für welches ich mich letztlich entscheiden würde.
Für das Seven hätte gesprochen, dass es einen Deckel liefert - warum auch immer der beim Seventeen nicht vorgesehen ist, denn die Konstruktion schreit ja gerade nach "wo ist der Deckel?" Auch die Ablagemöglichkeit für ein zweites Keyboard ist hier nicht vorgesehen, die 12cm sind eincah zu knapp, und für's Seven gibt es . Für das Seventeen sprach das geringere Gewicht - 13kg vs 15kg beim Seven, und sogar 10 kg weniger, wenn man das Seven mit Deckel und den darin verstauten Stativbeinen sieht - und zuletzt der um 500EUR günstigere Preis. Die anschraubbaren Beine hätte es für beide gegeben, beim Seven wären sie sogar dabei gewesen. Allerdings kämen die Beine bei mir so gut wie nie zum Einsatz, weil ich grundsätzlich im Stehen spiele, und die Beine dafür nicht lang genug sind. Anschlüsse sind bei beiden identisch: 2x Klinken Output, Sustainpedal, Kopfhörer, MIDI-USB und DIN Midi Out, sowie ein USB-A für Speicher-/Daten-/Firmware-Upgrades.
Erster Eindruck: übersichtliches Display, im Prinzip intuiutiv zu bedienen, Sounds gut, Tastatur passt, soll ja auch die gleiche sein wie in meinem Forte SE verbaut, nimmt sich auch nichts zu der TP40 in meinem Kurzweil PC3K8, die ein wenig leichtgängiger ist.
Sieht zudem total stylisch aus mit seinem Tolex-Bezug und dem blauen Tolex Top. Und ganz wichtig: kein externes Netzteil! Das ist für mich beim überwiegend Live-Einsatz ganz schnell ein Ausschluss-Kriterium, weil einfach zu anfällig, und fehlerbehaftet, und oft nicht mal eben ersetzbar. ein Kaltgeräte- oder Euro-Netzkabel bekomme ich immer irgendwo aufgetrieben. Nein, das Teil hat mir definitiv auf Anhieb zugesagt, also nicht lange fackeln, Geld zücken, einpacken und mitnehmen!
Wegen eines Deckels werde ich mal den Casebauer meines Vertrauens hinzuziehen. Vielleicht hat der auch eine Idee, die Ablagefläche mit der passenden Halterung für mein Stage zu versehen. Die passende Tasche hab ich auf jeden Fall erst einmal dazu genommen, weil ohne ist doof. Und wer weiß schon, wann und ob ich mich um nen Deckel und so kümmern kann.
Zu Hause folgte dann der erste intensivere Test. Grundsätzliches erst einmal zur Bedienung:
Es gibt einen Taster für die Auswahl der Bank - 8 Bänke gibt es - und daneben 8 Taster für die jeweils zur Bank gehörigen 8 Patches. Wer rechnet kommt auf 8x8=64 Patches oder Programme, die zur Auswahl stehen, alle frei editier- und belegbar.
Es gibt einen beleuchteten Volume-Regler, ein 2x16 Zeichen Display, zwei Button für Edit Enter/Exit bzw. Yes/No und einen beleuchteten Endoder um Parameter zu wählen oder Werte einzustellen. Das war's. Also sehr spartanisch, passend zum Konzept.
Im Edit-Mode startet man mit der Auswahl des Sounds. Das kann Sample-basierend sein, wie verschiedene Pianos oder auf Physical Modelling basierende Sounds wie E-Pianos (Rhodes CP79/80, Wurli, Clavinet) - Die komplette Liste s.u.
Pro Patch stehen zwei Effekte zur Verfügung, für FX1 sind das Tremolo, Auto-Pan, LFO-Wha oder Auto-Wha, für FX2 Chorus, Phaser oder Flanger. Zusätzlich gibt es noch eine zuschaltbare Amp-Simulation: Twin, AC, JCM, RJC (Roland Jazz Chorus ohne den Chorus Effekt) und eine BassAmp Simulation, dann ein Delay (bis 500ms) mit Wahl ob mono oder Ping-Pong und ein Hall für den man wahlweise aus default - was auch immer das ist - zwei Hall-Typen, Room, Studio, Stadium, Tunnel, Church oder Cathedral wählen kann. Hier kann man lediglich Level (Intensität) und Decay (Länge) von 0-127 einstellen. Ein 3-Band EQ steht zur Verfügung mit parametrischen Mitten zwischen 400-8000Hz wählbar. Jetzt wird's etwas komplizierter: Für die E-Pianos kann man verschiedene Einstellungen vornehmen - es heißt lediglich EP, und alle diese Parameter haben nur eine Auswirkung auf die E- Piano Sounds. Als erstes wählt man den Type, wo default, Wurlish, Piano Bass, Sweet, Prepared, so dark, wanna-be-dyno, Hard tines, Mellow tone zur Auswahl steht. Dann kann man einen EP Wood Type einstellen: Felt Level, Hammer Tips, Bite-and-bark, Metallic, Resonances, Pickup Offset, Hi-Pass und Pedal Noise jeweils mit Wert von 0-127. Manches erklärt sich mir, manches nicht - man mag mir mein hier fehlendes Grundwissen nachsehen. Bei manchen Parametern höre ich sehr deutlich den Unterschied, bei manchen weniger. Auf jeden Fall kann man sich wie bei einem echten E-Piano sehr fein den Sound einstellen, den man sich wünscht, wenn man weiß, was. Hier müssten die Rhodes Experten vielleicht mal ihre Ideen äußern, wie z.B. @FantomXR, @Jenzz oder @McCoy oder wer immer sich angesprochen fühlt, den weder die Webseite noch das etwas sehr magere Quick Guide - ein Manual gibt es nicht, und der Support schweigt sich auch aus, die ich angeschrieben hatte - gibt etwas Näheres her. Die nächsten Parameter beziehen sich auf die Sample basierenden Sounds, heißen alle SMP: Level, Attack Time, Release Time, Filter, Velocity, Piano Resonance, Rel. Level und Ped. Level - jeweils wieder Wert von 0-127. Bei letzteren kann ich bislang nicht sagen, wofür sie sind. Es scheint auch auf das Sample anzukommen, wo bestimmte Wert greifen oder auch nicht (Ich habe weiter unten ein paar Erklärungen aus dem doch deutlich umfassenderen Manual des Seven entnommen).
Als nächstes kann man dann die Einstellungen auf einen der 64 Plätze speichern. Man kann ein Preset auf den USB Stick speichern/exportieren bzw. importieren. Man kann weitere Samples Expansions laden. Einige sind auf der Crumar Webseite verfügbar. Die meisten sind aber offensichtlich schon drin. Das Venice Upright hätte mich interessiert, stammt vom Kawai K8 Upright Piano, wollte ich installieren. Die Anleitung hat mich aber noch davon abgehalten, denn es ist nicht offensichtlich, ob sie für das Seventeen ist, erfordert auch eine Firmware 1.36 oder höher, die es vielleicht für das schon länger erhältliche Seven gibt. Das Seventeen hat noch Firmware 1.00, und es gibt auf der Webseite kein höheres. In der ReadMe heißt es, dass man es auf keinem Fall bei einer älteren Firmware installieren kann, im Worst Case zerschießt man sich den Sample memory - herzlichen Dank.
Als Global Settings kann man eine Velocity Curve in 5 Stufen wählen, das Grund Tuning von 440Hz anpassen, sowie die Helligkeit der Anzeige Elemente (Display, Volume- und Value-Regler, Programmwahl-Tasten) in 5 Stufen einstellen.
Zu den Midi Optionen: Das Seventeen hat einen DIN Midi Out sowie ein USB MIDI In/Out. Man kan für RX/TX den Channel wählen, für Local Off auch - was auch immer das bedeutet -, kann wählen ob CC oder PC gesendet oder empfangen werden sollen, kann SoftThru aktivieren oder nicht.
Dann wird noch der verfügbare freie Speicher angezeigt, was bei meinem 5.2 GB sind - also noch gut Platz für weitere Sample Expansions, wenn sie denn angeboten werden - und die Firmware Version, wie gesagt, derzeit 1.0. Und wenn man auf diesem Punkt einen Moment verweilt, kommt noch der Hinweis über Copyrights, und dass man die Crumar Webseite besuchen soll für Updates, weitere Expansions und natürlich "We hope you're enjoying your Crumar Keyboard made in Italy"
Das war's aus dem Edit Menü.
More Details:
1. Soundvariationen (bei Auslieferung):
- Modelled Tine EP - simulation des Rhodes Pianos
- Grand D-274 oder Grand C5
- CP70 oder CP80
- Wurli 206A
- MKS E-Piano oder MKS A.Piano
- DX E-Piano
- 4 Clavis, jeweils mit den unterschiedlichen Pickup Kombinationen: CA, CB, DA oder DB
- Italian Harpsichord
- Vibraphone
- 8 verschiedene Combis (verschiedene synthetische Piano Sounds)
- 3 verschiedene Piano/String Sounds (Akustik-Piano/Flügel Sounds jeweils mit String-Layer)
- 2 Synth Piano-Sounds
- drei Venice Grand Samples: : Standard, Breeze und Open
- und letztlich ein als Vertical Electric benannter, synthetisch klingender Piano Sound, der in sich ein wenig verstimmt ist - sicherlich bewusst
- für das Modelled Tine EP:
- ATTACK LEVEL: Adjusts the volume of the wooden noises
- RELEASE LEVEL: Adjusts the volume of the damper noises you can hear every time a key is released
- HAMMER HARDNESS: Adjusts the hardness of the hammer tips; a higher value produces a snappier attack, a lower value produces a softer attack. This also affects the amount of metallic component you hear at the attack of each note
- BITE AND BARK: Adjusts the aggressiveness of the virtual tines. This aspect also varies according the selected variation
- METALLIC: Adjusts the metallic component of the tine sound
- RESONANCES: Adjusts the level of the sympathetic resonances. When the sustain pedal is held down, the whole harp is free to vibrate so each key stroke puts the harp into self-resonance
- PICKUP OFFSET: Adjusts the average offset of the pickups in front of the tines. This parameter affects the balance between the fundamental and its overtones (wird auch in dem Bild recht deutlich veranschaulicht
- HI-PASS FILTER: Adjusts the hi-pass filtering, similar to the original “BASS BOOST” knob, which is indeed a passive high-pass filter
- PEDAL NOISE LEVEL: Adjusts the volume of the noise produced by the sustain pedal. - für das Reed Piano bzw. Wurli sind ein paar Parameter auf das Seventeen übertragbar:
- ATTACK LEVEL: Level of the attack wood noise
- RELEASE LEVEL: Level of the noises produced by the dampers
- RELEASE TIME: Slightly adjusts the release time. If dampers are worn out, the release time tends to be a bit longer
- HAMMER HARDNESS: Adjust the hardness of the hammer tips. A higher value produces a snappier attack, a lower value produces a softer attack. This parameter affects the whole aggressiveness of the sound
- PEDAL NOISE LEVEL: Adjusts the level of the pedal noise
- RESONANCES: Adjusts the level of the sympathetic resonances. As seen on the Tine EP, when the sustain pedal is held down, all reeds are free to resonate as soon as a key is played. - Bei den CP70/80 Sounds sind die Beschreibungen nicht mehr passend. Ich vermute hier hat das Seven pro Sound individuellere Einstelloptionen, ebenso beim Clavinet und den anderen Sounds
Maße: 111 x 37,5 x 15,5 cm (B x T x H), Gewicht: 12 kg
Anschlüsse: je 6,35mm Klinke für Line-Outs L/R (symmetrisch), Kopfhörer, Sustainpedal (kein half-pedal!), DIN Midi Out, USB Midi, USB-A
internes Netzteil für Euro-Netzkabel
Im Lieferumfang befindet sich lediglich je ein Netzkabel Euro und UK sowie ein zweiseitiges Quickguide.
Eine passende Tasche dazu ist z.B. die Rockbag RB 21636 B
Fazit:
Das Crumar Seventeen ein super kompaktes Stagepiano im echten Vintage Look mit rundum Tolex-Bezug. Es hat eine spartanisch wirkende, aber dem Zweck entsprechend völlig ausreichende Ausstattung. Genau für die Leute gedacht, die lediglich Piano-mäßige Sounds benötigen, dafür aber in guter Qualität, um das schwere Rhodes oder Wurlitzer Piano zu Hause lassen zu können und trotzdem mit Vintage-Feeling auf die Bühne gehen. Die 73er Hammertastatur - laut Thomann eine Fatar TP100 - fühlt sich super an und lässt sich super spielen. Eine ausreichende Bandbreite von werkseitig mitgelieferten und installierten Sounds sind durchweg bester Qualität und lassen sich noch fein an die persönlichen individuellen Bedürfnisse anpassen. Auch die internen Effekte klingen gut, wenn sie auch nicht allzu viele Parameter zum Einstellen haben. Eine Erweiterung von zusätzlichen Expansions ist vorgesehen, wobei derzeit noch kaum weitere angeboten werden. Bleibt abzuwarten, was da noch kommt, auch was zukünftige Firmware Upgrades noch mit sich bringen. Wer es noch etwas mehr vintage möchte, kann sich optional anschraubbare Beine dazu holen. Damit ist es aber nur im Sitzen zu spielen!
Schade finde ich, dass nicht wie beim Crumar Seven ein passender abnehmbarer Deckel vorgesehen ist, das hätte das Bild perfekt abgerundet. Auch wenn sich die Bedienung im Grunde intuitiv erschließt, würde ich eine etwas umfassendere Beschreibung begrüßen. Vielleicht kommt sie demnächst, ist es ja noch nicht einmal ein Jahr auf dem Markt erhältlich.
Zuletzt bearbeitet: