toni12345
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Facts
Durch die offenen Mechaniken, Tortoise–Bindings, "Wildcat"-Pickguard und die doch etwas rohere Optik der Adirondackdecke gemahnt das Instrument auf jeden Fall an vergangene Zeiten. Dieser Look ist zwar Geschmackssache (meine Frau fand das Instrument potthässlich), in sich ist das Konzept aber durchaus stimmig. Mich hat es auf jeden Fall zum ersten Foto über diesem Abschnitt inspiriert, der einsame Cowboy in der Prairie oder ein Bluesman am Ufer des Mississippi hätten an dieser Gitarre sicher auch vor 80 Jahren ihre helle Freude gehabt.
Die Maße entsprechen ziemlich genau der Martin-OM-Form (wenn ich das richtig recherchiert habe), es handelt sich also um ein relativ kleines, handliches Instrument, das aber trotzdem eine erstaunliche Klangfülle hat. Die Mensur ist mit 64,3mm eher kurz, aber auch für dickere Finger noch einwandfrei zu bespielen. Die Sattelbreite habe ich mit 44mm gemessen, und auch wenn das etwas weniger ist als die vom Vertrieb angegebenen 45mm, hat man auch in der Breite genug Platz zum fröhlichen Fingerpicking. Bei den verwendeten Hölzern ist neben dem massiven Mahagoniboden natürlich die Decke aus massiver Adirondack-Fichte besonders zu erwähnen. Dieses Holz, das seinen Namen der Herkunft aus dem gleichnamigen Gebirge nordöstlich von New York verdankt, ist für seinen klaren und kräftigen Klang bekannt und wird sonst in der Regel nur bei sehr viel teureren Instrumenten verbaut. Im Lakewood Customshop zahlt man z.B. für eine Adirondackdecke mehr Aufpreis, als hier das ganze Instrument kostet. Das ist also schon ein Schmankerl, dass sich beim Klang sehr schön auswirkt. Aber dazu später mehr.
Verarbeitung
Zumindest auf den ersten Blick gibt es bei der Verarbeitung nix zu meckern. Der Body aus Mahagoni und die Decke aus der sagenumwobenen Adirondackfichte sind hochglänzend lackiert, und das ist rundherum gut gemacht, auch an den Übergängen zu Hals und Griffbrett. Der relativ dünne Hals ist in einem satinierten Finish gehalten, was auf den ersten Blick vielleicht etwas ungewöhnlich daherkommt, aber hinsichtlich der Bespielbarkeit tatsächlich sinnvoll ist, den auf der matten Lackierung lässt es sich wunderbar hin und her rutschen, da klebt oder quietscht nichts. Genauso ungewöhnlich ist die Anschäftung der Kopfplatte ca. 5cm unterhalb des eigentlichen Übergangs (siehe Foto). Der Sinn dahinter leuchtet mir nicht ganz ein, aber es ist auch nichts, was in irgendeiner Weise stört. Ich ordne es mal als optisches Gimmick ein, aber vielleicht gibt es ja auch einen Experten hier, der mir den tieferen Sinn dieser Konstruktion erklären kann.
In die ebenfalls matt lackierte Kopfplatte sind Schriftzug und Logo in Perlmutt und Abalone eingelassen. Das sieht sehr passend und hochwertig aus, auch hier gibt es an der Verarbeitung nichts zu meckern. Ein Highlight sind die offenen Grover-Mechaniken, die mit ihren Butterbeanflügeln einerseits prima zur Optik passen, andererseits aber auch wunderbar laufen und das Stimmen zur einfachen Übung machen.
Auch Griffbrett und Bundierung lassen kaum Wünsche offen. Die Bünde sind dem Vintagecharakter entsprechend sehr dünn, lassen sich aber trotzdem gut und schnell bespielen. Auch die Bundenden sind sauber bearbeitet und seitlich etwas ins Griffbrett versenkt, so dass keine scharfen Kanten auftreten und man wunderbar mit der Greifhand den Hals hoch und runter rutschen kann.
Nicht so gut gefallen hat mir lediglich der Steg, der zwar eine interessante Formgebung aufweist, die dafür sorgt, dass die Saiten in einem steilen Winkel über die Stegeinlage laufen, die trotzdem relativ weit versenkt ist, dem aber ein Feinschliff sicher noch gut getan hätte, denn er kommt doch ziemlich roh daher. Das mag zwar im Sinne der Retro-Optik so gewollt sein, für mich ist es aber eher ein Minuspunkt. Zweiter Abstrich bei der Verarbeitung ist die Tatsache, dass die Leimfuge der zweiteiligen Decke nicht exakt mittig verläuft, sondern zwischen h- und g-Saite auf den Steg trifft. Das ist zwar auch nur ein optischer Mangel, trübt aber schon ein bisschen das ansonsten stimmige Gesamtbild. Andererseits liegt hier u.U. auch der Grund dafür, warum Cort ein Instrument mit Adirondackdecke überhaupt so günstig anbieten kann, da auch Stücke verwendet werden können, die die ganz großen Gitarrenbauer wegen zu geringer Breite aussortieren müssen.
Insgesamt scheint die Qualitätskontrolle bei Cort zu passen, ich konnte bis auf eine minimale Macke im Lack der Decke keine Unregelmäßigkeit bei der Verarbeitung finden und auch die Saitenlage war von Anfang an perfekt eingestellt. Eine Saitenhöhe zwische 2mm und 2,5mm ohne Schnarren auch bei etwas heftigerer Spielweise lässt eigentlich keine Wünsche offen.
Klang
Den Klang eines Instruments mit Worten zu beschreiben ist immer eine etwas diffizile Geschichte. Die Grundcharakteristik ist ziemlich klar und für ein Instrument dieser Bauweise durchaus erwartbar. Wer ein fettes Bassfundament sucht, der ist hier sicher falsch, dafür sorgt der kleine Korpus für eine schnelle und präzise Ansprache, die es auch bei sanfteren Fingerstylestücken leicht macht, das Instrument zum Schwingen zu bringen. Schon eher überraschend ist dann zum einen die Lautstärke, die man auch beim Picken erreichen kann und vor allem das Sustain, das sicher auch den hochwertigen Hölzern zu verdanken ist. Wörter wie "drahtig" oder "crisp" kommen einem da in den Sinn, aber es ist wohl besser, den Sound für sich sprechen zu lassen. Die Samples sind alle mit zwei Kleinmembranmikros in X-Y-Position in Höhe des Schalllochs aufgenommen und nicht weiter bearbeitet.
1. Fingerpicking ohne Daumenpick
Einfaches Gezupfe mit dem bloßen Daumen
2. Picking zwischen dem 8. und 12. Bund
Man hört hier, dass auch in den höheren Bünden noch sauberes Spielen möglich ist. Die Oktavreinheit passt, und klanglich geht weiter oben noch einiges.
3. Gepickter Blues mit Daumenpick
Für das Stück hätte ich zwar eigentlich noch ein bisschen länger üben müssen, aber für mich eben genau die Musik, für die dieses Instrument gemacht ist, also wollte ich es halt auch mal probieren.
4. Strumming mit Plek
Geschlagene Akkorde sind sicher nicht die Königsdisziplin dieser Gitarre, da würde man sich doch etwas mehr Homogenität im Klang wünschen. Aber so zwischendurch kann man das schon mal machen, ohne gleich den Spaß an der Sache zu verlieren, und die L300 kann da sicher so mancher Dreadnought in dem Preisbereich das Wasser reichen. Bei diesem Sample habe ich die Gitarre am Ende mal voll ausklingen lassen, damit zumindest zu erahnen ist, welches Sustain man hier erwarten kann.
Insgesamt war ich vom Klang der Gitarre wirklich beeindruckt, vor allem, nachdem ich mich als Dreadnoughtspieler mal daran gewöhnt hatte, wie leicht man hier die einzelnen Töne zum Klingen bringt. Beim direkten Wechsel von meiner Lakewood-Dreadnought auf die L300 meine ich eine leicht "topfige" Komponente des Klangs heraus zu hören, aber das ist tatsächlich Jammern auf ser hohem Niveau.
Tonabnehmer
Zum Schluss soll auch der Pickup nicht unerwähnt bleiben, der als Piezo-UST zusammen mit einem Schalllochpreamp verbaut ist. Es handelt sich um ein Fishman-Sonitone-System, laut Fishman-Website "designed to meet the needs of value-price acoustic guitars", also eher eine Billigvariante der renommierten Firma. Da diese Art von Gitarre ohnehin eher nicht für den Bühneneinsatz in einer Band geschaffen ist, kann man sich durchaus fragen, ob da ein billiger Pickup als Ergänzung wirklich notwendig ist. Aber da er nun mal in meinem Testinstrument verbaut war, habe ich ihn natürlich auch einem Test unterzogen. Immerhin ist die Kontrolleinheit mit Volume- und Toneregler sehr dezent im Schallloch versteckt, so dass die äußere Erscheinung bis auf die Endpinbuchse nicht beeinträchtigt ist. Im folgenden Sample hört man in den ersten ca. 17 Sekunden den unbearbeiteten Sound des Preamps, danach habe ich versucht, mit Kompressor, Hall und EQ etwas wohlklingendere Töne herauszuholen.
Der Pickup ist sicher nicht das durchschlagende Verkaufsargument bei diesem Instrument, aber man kann das natürlich mitnehmen, wenn man für alle Notfälle gerüstet sein will.
Fazit
Cort war schon immer für ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis bekannt, und hier haben sie meiner Meinung nach wieder einen richtigen Treffer gelandet. Wer eine handliche, gut bespielbare Fingerstyle-Gitarre sucht (die vielleicht eher nach Eric Clapton klingt als nach Sungha Jung) und wer auf Retrooptik steht, der kriegt hier ein erstaunlich hochwertiges Instrument mit tollem Klang geboten. Also unbedingt irgenwo anspielen, wenn ihr eure Fühler in diese Richtung ausstreckt.
Preise:
LUCE L300V - UVP: 428€
LUCE L300VF (F steht für Fishman-Pickup - Anmerkung der Redaktion) - UVP: 524€
Zum Schluss vielen Dank an @Martin Hofmann und den Musik&Technik-Vertrieb, die mir dieses Instrument zum Testen zur Verfügung gestellt haben und mir dadurch ein paar vergnügliche Stunden bereitet haben
Gruß,
Toni
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