Chopin Walzer in A-Moll, Spieltechnik etc.

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Drei Fragen, die sich mir stellen, seitdem ich das Stück technisch einigermaßen beherrsche:

1. Wissen: Aus dem Gefühl heraus habe ich die Vorschläge anfangs auf dem jeweiligen Schlag gespielt. Meine Klavierlehrerin hat mit geraten, sie vor dem Schlag zu spielen, damit die folgende 8tel sauber kommt. Zugegeben, so spiele ich es rhythmisch sauberer. Ich habe nun festgestellt, daß es von anderen in beiden Versionen gespielt wird. Gibt es eine richtige Version für diese Stück, für Chopin allgemein?

2. Interpretation: Das Appreggio im zweiten Teil wird ja fast immer langsam gespielt. Mich verlangt es aber danach, es genauso schnell zu spielen wie die Takte davor (was leider noch zu selten sauber hinbekomme). Spricht etwas dagegen, wenn ich es technisch beherrsche? Könnte es nicht sein, daß dieser Part häufig einfach nur deswegen langsam gespielt wird, weil es leichter ist?

3. Im dritten Teil habe ich neuerdings erhebliche Probleme, die Vorschläge sauber zu intonieren, insbesondere in Takt 35 (e f# e d g# f# e). Meistens verschlucke ich das zweite e und die ganze Brillianz geht flöten. Ich habe angefangen, an dieser Stelle die Fingerpositionen entlang der Tasten zu variieren und ein bischen weiter außen anzuschlagen, was etwas hilft. Ist das ein guter Weg? Andere Vorschläge, wie ich das in den Griff bekomme?

Ich werde meine Lehrerin nicht übergehen aber wenn ich zu den obigen Fragen jetzt etwas mehr Klarheit bekomme, brauche ich nicht bis Dienstag zu warten und für andere ist es vielleicht auch ganz interesant.

Ich wäre sehr dankbar für konkrete Antworten.
 
Eigenschaft
 
1. Ich würde die Vorschläge immer so spielen, wie es der Name eigentlich schon gebietet. Ansonsten hätte man sie auch als Triller notieren können.

2. Halte das Tempo während des Arpeggios. Bei einem Walzer bleibt da m.E. nicht viel Raum für Interpretation, sonst gibt's dicke Zehen.

3. Nochmal langsam in verschiedenen Fingersätzen üben, wobei 1-4-3-2-1 eigentlich schon ideal ist. Notfalls das fis "schnalzen", so verschluckst du keinesfalls das folgende e.

4. Für einen wirklich qualifizierten Rat: Warte bis Dienstag! ;)

EDITh sagt: "Schnalzen" ist möglicherweise kein offizieller Terminus. Gemeint ist ein Wischbewegung von oben nach unten. Lässt sich schön üben mit einem Takt aus "Dr. No": e - 4x fis - 4x e - 4x g - 3x fis mit 1-4322(3)-1111-4323-222
 
3. Nochmal langsam in verschiedenen Fingersätzen üben, wobei 1-4-3-2-1 eigentlich schon ideal ist. Notfalls das fis "schnalzen", so verschluckst du keinesfalls das folgende e....

Du meinst vom Fis auf das E runterrutschen?

Wird aber langsam besser, mit dem originalen Fingersatz. Offensichtlich haben meine Experimente über nacht gefruchtet :)
 
2. Halte das Tempo während des Arpeggios. Bei einem Walzer bleibt da m.E. nicht viel Raum für Interpretation, sonst gibt's dicke Zehen.

chopin walzer sind nicht als "tanzbar" konzepiert weshalb der "Raum für Interpretation" hier doch gegeben ist.
 
Aber wenn der tanzcharakter ganz verlorengeht, wie man oft bei überzogenen tempi hört, ist es auch nicht das wahre. Wie reizvoll ist die polyrhythmik bei Valse As-Dur op.42, wenn man ihn nicht als etude sondern (auch) als walzer spielt.
Ich denke auch, dass die walzerseligkeit des 19.jh. in die Pariser salons vorgedrungen war, und warum man op.64,1 nach der stoppuhr spielen muss, war mir nie plausibel.
Man sollte angehende pianisten ein praktikum als ballettrepetitor machen lassen, sie würden eine menge über tempi und rhythmik lernen.
Guendolas problem ist mir nicht klar geworden, aber es scheint sich ja gelöst zu haben. Ich spiele vorschläge meist "auf den punkt", sind ja verzierungen der hauptnote, und bemühe mich, so "polyphon" wie möglich zu spielen, d.h. mit fingerbindungen die notierten tonlängen auszuhalten. Das dürfte hier das einzige technische problem sein.
 
Guendola schrieb:
Du meinst vom Fis auf das E runterrutschen?
Nein, das meinte ich nicht. Indem du mit dem Ringfinger über das fis rutschst, wird dein Mittelfinger in eine Position gebracht, aus der du das e sauber anschlagen können solltest.
Aber mittlerweile scheint's ja auch ohne wieder zu klappen.

orby schrieb:
chopin walzer sind nicht als "tanzbar" konzepiert weshalb der "Raum für Interpretation" hier doch gegeben ist.
Aha, das war mir zum Beispiel nicht bekannt (oder ich hab's schon lange vergessen ;)). Danke für die Info!
 
...Indem du mit dem Ringfinger über das fis rutschst, wird dein Mittelfinger in eine Position gebracht, aus der du das e sauber anschlagen können solltest...

Auch nicht schlecht, werde ich mir merken :)

Günter Sch.;2429615 schrieb:
Guendolas problem ist mir nicht klar geworden, aber es scheint sich ja gelöst zu haben. Ich spiele vorschläge meist "auf den punkt", sind ja verzierungen der hauptnote, und bemühe mich, so "polyphon" wie möglich zu spielen, d.h. mit fingerbindungen die notierten tonlängen auszuhalten. Das dürfte hier das einzige technische problem sein.

In meiner Ausgabe (dal fac-simile della biblioteca del Conservatorio de Parigi) gibt es sowohl Vorschläge als auch Triller, die alle gleich aufgebaut sind. Es drängt sich der Gedanke auf, daß Vorschläge eben vor der 1 zu spielen sind, während die Triller natürlich auf 1 liegen. Ist das jetzt Chopins Notierung oder eine Interpretation des Setzers?

Technisch macht es keinen Unterschied, da beides ja immer in 8tel eingebettet ist.
Mein Problem ist aber nicht das Timing sondern das Verschlucken von Noten (es entsteht dann eine Pause der entsprechenden Länge). Wenn ich die Triller und Vorschläge sauber hinbekomme, stimmen auch die Notenlängen. Das Timing der zweiten Achtel nach auf der 1 gespielten Vorschläge ist aber etwas schwammig bei mir.

Ich habe übrigens versehentlich die Triller auch als Vorschläge gespielt, seit ich die Vorschläge vor der 1 spiele. Beides gemischt erscheint mir im Moment etwas gewagt....
 
Es gibt hier pralltriller, triller und vorschläge (kurze und im "sostenuto" mit 2 nötchen), in takt 32 ist ein praller sogar als 1/16triole ausgeschrieben.
Allgemein wäre anzumerken, dass verzierungen angelegenheiten des interpreten sind und freizügigkeit herrscht, wie lange ich etwa einen triller spiele und wie ich ihn beende, wie schnell einen praller oder mordent, es ist auch reizvoll, bei wiederholungen das verfahren zu variieren. Auch einen "kurzen" vorschlag kann ich mehr oder weniger kurz halten, ich kann beide tasten zusammen anschlagen und den vorschlag loslassen oder genussvoll in die hauptnote gleiten.
Aber alle verzierungen beziehen sich auf die folgende "hauptnote" und gehen auf deren kosten, wenn es nicht anders notiert ist (die vorschläge etwa im vorigen taktende).
Ich könnte mir vorstellen, dass Chopin im sangbareren "sostenuto"-teil keine praller (der, schnell gespielt auch "beißt" wie der "mordent") notiert hat, damit man die beiden als vorschlag notierten töne in die melodische linie einbetten kann.
Verzierunge sollen "zieren", verschönern und keine pflichtübungen sein. Wir machen musik und keine klimmzüge.
Ein Facsimile liegt mir nicht vor, ich habe Ignaz Friedman's auf polnischer tradition beruhende (mit der ich auch kontakt hatte) ausgabe von Breitkopf unf Härtel.

Aber meine ansichten sind nicht allgemeinverbindlich!
 
Ich wollte das Thema doch noch mal zum Abschluß bringen.

Das Stück habe ich inzwischen einigermaßen im Griff aber bei den Interpretationsversuchen ist mir klar geworden, das Chopin mir nicht so liegt. Ich werde es aber pflegen. Vielleicht springt ja irgendwann der Funke über.

Vielen Dank noch mal für all die Tipps, hat mir sehr geholfen!
 
Ich spiel Chopin irgendwie aus dem Gefühl raus. Je mehr Gedanken man sich macht, um so "technokratischer" klingt das ganze. Das gilt übrgens find ich für alle Stücke. Man kann alles analysieren und auseinandernehmen - nur dann geht ganz oft die Seele der Stücke flöten (und wir wollen sie ja durch das Piano zum Klingen bringen (ja ich weiss, schlechtes Wortspiel...))
 
Bevor die seele verlorengeht, muss man sie vorher gesucht und gefunden haben. Zu welchen missgriffen es jahrhundertelang kommt, beweist die "Mondscheinsonate", und gestern hörte ich eine pedalübersättigte und völlig überzogene, überdramatische wiedergabe des (früheren) Impromptus As-Dur von Schubert. Geschmackssache? Lässt sich kunstgeschmack nicht auch in gewissem grade lernen und kultivieren?
Es ist ein unterschied, ob ich für mich spiele oder professionell für ein publikum, dann nämlich ist der spieler in der rolle eines schauspielers, der zwar "ergriffenheit" mimt, sich aber so weit unter kontrolle haben muss, dass der funke auf die hörer überspringt. Liszt war der "très humble serviteur" seines publikums, und Chopin spielte in den pariser salons nicht zu seiner eigenen erbauung.
 
"Zu welchen missgriffen es jahrhundertelang kommt, beweist die "Mondscheinsonate"

Wuerd mich mal interessieren: was genau sind die Missgriffe mit Bezug auf die Mondscheinsonate?

Ueberbetonung der rechten Hand bzw. der linken Grundbewegung?
 
Ich rücke einen beitrag zu einem alten thema nochmals ein, ohne große hoffnung, dass er gelesen, verstanden oder gar beherzigt werde.


"Der See ruht im dämmernden Morgenschimmer,
dumpf stößt die Welle an das dunkle Ufer,
düstere Waldberge steigen auf und schließen die heilige Gegend von der Welt ab.
Schwäne ziehen mit flüsterndem Rauschen wie Geister durch die Fluten,
und eine Äolsharfe tönt, Klage sehnsüchtiger, einsamer Liebe
geheimnisvoll von jener Ruine herab."


Ich wette, das geht euch durch den sinn und drückt eure gefühle aus, wenn ihr von der "Mondscheinsonate" sprecht, so wie ein paar junge leute in einer novelle von Ludwig Rellstab (1799-1860), schriftsteller und musikkritiker, verfasser von gedichten, die in Schuberts vertonung erhalten geblieben sind wie "Leise flehen meine Lieder durch die Nacht zu dir". Und seitdem scheint der mond über dem Vierwaldstätter See, klebt wie pech an der klaviersonate opus 27,2 von Ludwig van Beethoven und lässt sich kaum davon entfernen.
So ist es mit überlieferungen, einer gibt den anstoß und schon bildet sich eine tradition, die nachgeborenen erspart, selbst nachzudenken und nachzuforschen. Ein großer teil unserer kommunikation läuft über vorgefertigte versatzstücke ab, die wie teile einer bühnendekoration für die verschiedensten stücke benutzt werden.
Wir könnten sagen, was geht es uns an, was ein autor sich gedacht haben mag, wir spielen frisch drauflos. Aber soll man andächtig gen himmel schauen, eine trauermiene aufsetzen wie unsere politiker, wenn sie eine kranzschleife zurechtrücken (das "niederlegen" erlaubt die würde nicht), oder gleichbleibend mürrisch dreinschauen wie einer unserer großen und unbestreitbar tüchtigen interpreten? Man wüsste doch gern, worum es geht.
Einige fakten: Beethoven hatte bereits 11 klaviersonaten geschrieben, die letzte, die "sich gewaschen hatte", als er etwas neues einführt, die sonaten "gleichsam phantasien", er schaltet formal sehr frei, ändert die herkömmliche reihenfolge der sätze, fügt rezitativische einschübe ein und anderes mehr, als hätte er etwas besonderes zu sagen. Er opfert die üblichen formen zugunsten poetischer ideen, über die er sich jedoch ausschweigt. Mit ausnahme der "Pathétique" stammen die bezeichnungen nicht von ihm, es gibt keine "Mondscheinsonate" und keine "Appassionata".
Komponisten (und andere) sind sehr zurückhaltend, wenn es um kreative prozesse geht, zum teil aus gutem grund, Janacek wird nicht mehr als nötig ausplaudern über seine "Intimen Briefe", und Tschaikowsky tat gut daran, seine homo-erotische gedanken- und gefühlswelt zu verschweigen, wurde sein zeitgenosse Oscar Wilde ja mit zuchthaus und physischer vernichtung bestraft. Wie weit krankheitsbedingte prozesse, auch drogen eine rolle spielen (das Schiller-jahr brachte die "faulen äpfel" zutage) wollen wir hier nicht untersuchen und kehren zu den fakten zurück.
Opus 27,2 stellt die sonatenstruktur auf den kopf, die tonart cis-moll ist außerordentlich selten (Beethoven hatte bei Neefe in Bonn das "Wohltemperierte klavier" gespielt, und da ist die 5stimmige fuge mit der BACH-thematik ein herausragendes stück), am anfang steht ein Adagio sostenuto mit trauermarsch-intonation zu einem akkordteppich, und dann entspinnt sich ein dialog zwischen einer höheren und tieferen stimme, bis die musik in sich zusammensinkt, bevor es "attacca", fest verbunden, mit dem zweiten satz weitergeht. Wie hängen diese beiden sätze miteinander zusammen, idylle und ein neckisch hüpfendes Allegretto? Dass es im Finale stürmt, darüber besteht kein zweifel, aus dem piano heraus ein trockener sforzato-schlag, schon der zweite ist wieder piano.
Wer kennt aus der weltliteratur ein werk mit einer tragischen, womöglich sterbe-szene, einem letzten gespräch, aufwallendem gefühl (so sehe ich den ruhig und ausdrucksvoll gespielten zweiten satz) und einem gewittersturm?
Ich stieß auf einen brief an Beethoven mit dem hinweis auf ein gedicht von Seume (dem fußwanderer nach Italien), das in dem absender ähnliche gefühle erregt habe wie des meisters sonate, ein gebet eines mädchens um das leben des vaters. Leider ist von einer antwort nichts bekannt.
Über die Gräfin Giulietta Guicciardi reden wir auch noch, ihr ist das werk gewidmet.

Nach dem ersten schritt folgt der zweite.
Musikwissenschaft ist eine junge disziplin, im 19.Jh. gab es eher musikschriftsteller, vordem auch "reisende in musik" wie den engländer Burney, Rellstab hatten wir genannt, E.T.A.Hoffmann muss erwähnt zu werden, auch musiker griffen zur feder wie Robert Schumann, Hector Berlioz und Richard Wagner. Kritiker glauben bis heute, die rolle von unfehlbaren päpsten einnehmen zu können und übten und üben großen einfluss aus, denn leider hören viele leute auf sie. Eduard Hanslick in Wien war jurist, eine schrift zur musikalischen ästhetik machte ihn zur autorität in sachen musik, und er nahm vehement stellung im prinzipien- und meinungsstreit um tradition und neutönertum. Er opponierte gegen Schumanns meinung, musik sei ausdruck von gefühlen, folge irgendeiner vagen poetischen idee, nein, als "absolute musik" habe sie ausschließlich mit musikalischen gesetzen zu tun, und was Liszt, Berlioz, gar Wagner, Bruckner und andere da trieben, sei des teufels, und er hob Johannes Brahms als gegenpol und "neo-klassiker" auf den schild.
Das ganze, aus heutiger sicht betrachtet, entbehrt nicht der komik, denn auch Brahms ließ sich gern von einer solch verpönten, poetischen idee anregen, wobei ihm eine zeile eines gedichtes genügte. Und Hanslick selbst? Im kreise seiner familie soll er geäußert haben, wie ihn die musik von Brahms langweile, denn seine wahre liebe gehörte der leichteren muse, Strauß und Lanner waren seine favoriten, und hellauf begeistert war er, wenn die mädels in einer Offenbachschen operette die beine schmissen.
Aber Hanslicks ansichten gingen in die junge musikwissenschaft ein, "Mondschein" wurde zwar als verkaufs- und beliebtheitsfördernd akzeptiert (geschäftstüchtige verleger hatten auch werke von Haydn mit beinamen versehen), aber weitergehende deutungen waren verdächtig, denn klassik war nun einmal klassik, Beethoven ein klassiker, somit absolut und damit basta. Dass er eine "Eroica", eine "Pastorale", eine bühnenmusik zu "Egmont" geschrieben hatte, wo es eindeutige bezüge zu außermusikalischen vorgängen gab, fiel nicht ins gewicht.
Ich komme zum schluss ( bei dem wetter kann man ohnehin nichts anderes machen ) und stelle vor:
Arnold Schering (1877-1941) - Kreuzschüler in Dresden - Studium violine und komposition in Berlin, danach etliche geisteswissenschaftliche fächer - musikwissenschaft - seit 1915 professor in Leipzig, Halle, Berlin - viele ehrenämter (Händelgesellschaft u.a.) - zuletzt Präsident der Deutschen Gesellschaft für Musikwissenschaft

Ihn bewegte, was uns bis heute bewegt, ihm stand Beethovens nachlass zur verfügung, und ausgehend von dessen bemerkung "Lesen Sie Shakespeare's Sturm!" in verbindung mit der sonate d-moll op.31,2, griff er nach der im besitz des komponisten gewesenen ausgabe in einer heute nicht mehr üblichen übersetzung. Er fand anmerkungen, an- und unterstrichenes, zeichen fleißiger und gründlicher lektüre. Es gibt bei Shakespeare szenen mit der regieanweisung "music" im hintergrund, z.b. "König Lear", 4.akt, 7.szene. Der alte könig ist nach seinem wahnsinn im gewittersturm auf der heide erschöpft eingeschlummert, und seine jüngste tochter Cordelia, die er verstoßen hatte, weil sie nicht zu schmeicheln vermochte wie ihre schwestern, ist bei ihm, und als er erwacht, entspinnt sich ein anrührender dialog mit der totgeglaubten.

Hatten wir nicht nach sturm, gewitter, einem tragischen zwiegespräch in todesnähe und überquellendem, weiblichem gefühl gesucht? Auch wenn die dramaturgie aus musikalischen gründen verschoben ist, ist sie nicht allemal wahrscheinlicher als eine mondschein-idylle?

Das büchlein "Beethoven in neuer deutung" ist längst vergriffen, Scherings arbeit von vertretern der "reinen lehre" verteufelt, Hanslick wirft noch einen langen schatten. Freilich kann man Beethovens musik spielen und hören, ohne sich das mindeste dabei zu denken, sie bleibt schöne musik, aber wer nicht an "König Lear" glaubt, sollte auch nicht an "Mondschein" glauben, und sich von einer ergreifenden literarischen oder anderen außermusikalischen vorlage inspirieren (es gibt viele beispiele) oder sich als interpret leiten zu lassen, ist nicht ehrenrührig trotz Hanslick und anderen päpsten !

Beinahe hätte ich es vergessen: dass ein musiker manches empfindet für ein charmantes 17jähriges mädchen, was über seine rolle als lehrer hinausgeht, soll nicht selten sein (wenn ich etwa an einen kollegen denke, dessen zahlreiche ehen mit neuem studienjahr endeten), vielleicht waren es väterliche gefühle, vielleicht erinnerte Giulietta Guicciardi an Cordelia, was den meister veranlasste, ihr diese sonate zu widmen, wir werden es nicht wissen, und wir brauchen es nicht zu wissen.
 
Günter Sch.;2614879 schrieb:
Ich rücke einen beitrag zu einem alten thema nochmals ein, ohne große hoffnung, dass er gelesen, verstanden oder gar beherzigt werde.
.


Es tut mir sehr leid, aber trotz mehrmaligem Lesen erschliesst sich mir die Bedeutung ihres Beitrags nicht. Ganz im Gegenteil, er hat mit der urspruenglichen Fragestellung bezueglich Spieltechnik so gut wie nichts zu tun, keine klare Struktur und erscheint lieblos zusammengestueckelt aus mehreren Zitaten und Texten, die wiederum nichts miteinander zu tun haben.:screwy:

Nichtsdestotrotz, vielen Dank fuer ihre Antwort.
 
Wir waren auf "die seele" von musikstücken gestoßen und hatten uns von spieltechnischen fragen entfernt. Auch dazu wäre manches aus meiner sicht zu sagen, aber - - - cui bono?
 
Günter Sch.;2615484 schrieb:

Damit die Diskussion zu beenden ist sicherlich nicht sehr hilfreich sondern folgt eher Ceasar's Praemisse.

Eatur quo deorum ostenta et inimicorum iniquitas vocat. In anderen Worten. Alea iacta sunt.

Die Freiheit der Interpretation liegt meines Erachtens jedoch beim individuellen Klavierspieler. Die Seele eines Stueckes lebt weiter, deshalb kann man kein abschliessendes Urteil faellen. Es spielt keine Rolle ob Beethoven oder seine Nachfolger dem Stueck eine Beschreibung zugeteilt haben, denn die Musik benoetigt keine textbezogenen Aussagen.
 
Ihrem letzten Satz zufolge kann man anscheinend doch
ein abschließendes Urteil fällen. Wo sich Gedanken
schnell dem Vorwurf des abschließenden Urteils
ausgesetzt sehen, kann die Seele eines Stückes wohl
auch nur beschädigt weiterleben.

In ein' Jahr kommt der Komet, nachher geht eh'
die Welt z'grund.
 
Ich finde, man kann es auch übertreiben. Musik hat keine Seele, genauso wenig, wie ein Roman. Beides sind Reflexionen des Urhebers (und seiner Seele) zu Gefühlen, Handlungen und so weiter. Um ein Stück "richtig" zu spielen, muß ein Interpret also eine Vorstellung davon entwickeln, was eigentlich ausgesagt werden soll und das musikalisch umsetzen - im Rahmen der Noten. Theoretisch auch im Rahmen der Spielweise, die zu Zeiten des Komponisten angesagt war aber wenn man es mit heutigen Techniken besser ausdrücken kann, finde ich das völlig legitim. Man könnte sogar so weit gehen, daß man den Komponisten völlig ignoriert und sich nur auf die (Original-) Noten bezieht, denn mehr hat er ja nicht aufgeschrieben. Das ist dann aber so ähnlich als ob ein strenger Vegetarier ein Fleischgericht würzen wollte: Er weiß nicht, was üblich ist.

Die ganzen Träumereien und Assoziationen zu Musik sind natürlich auch Interpretationen, nur eben keine musikalischen ;)
 
Zitat Guendola:

" Musik hat keine Seele, genauso wenig, wie ein Roman. Beides sind Reflexionen des Urhebers (und seiner Seele) zu Gefühlen, Handlungen und so weiter. Um ein Stück "richtig" zu spielen, muß ein Interpret also eine Vorstellung davon entwickeln, was eigentlich ausgesagt werden soll und das musikalisch umsetzen - im Rahmen der Noten. "


Dann frage ich dich mal, ob denn die Noten das Entscheidende an der Musik sind...

Noten sind nichts Anderes als Zeichen, Geschreibsel, wenn man so will, um etwas zum Leben zu erwecken, nämlich den Klang der Musik.

Dass Musik "Seele" hat und nicht allein tönende Form ist, ist für mich jedenfalls klar.
 
Gut, ich will keine Haare spalten, also nochmal deutlicher:

Die Seele der Musik, wenn man es denn so nennen will, entsteht beim Vortrag. Die Noten sind ja nur Anweisungen. Ein Vortrag kann halt "beseelt" sein oder auch nicht, das Ergebnis ist dann eben Musik mit Seele - oder auch nicht. Die Seele ist aber nur vom Interpreten "ausgeliehen", man könnte aber auch sagen, er gehört zur Musik dazu.

Ich habe übrigens den Beitrag von Günther Sch. noch mal durchgelesen und ich finde, er beantwortet die Frage nach den Mißgriffen wie z.B. bei der Mondscheinsonate ziemlich umfassend.

"schon bildet sich eine tradition, die nachgeborenen erspart, selbst nachzudenken und nachzuforschen"

Dem folgen diverse Hinweise, wie man anders vorgehen kann und ein paar Informationen dazu.

Teile der Mondscheinsonate (z.B) spielt ja heute leider jeder Idiot, die liegt nämlich den Keyboards und Digitalpianos eines namhaften Herstellers als Noten und im Speicher bei - natürlich ohne Erläuterungen - Musik nach Zahlen :screwy:
 

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