Buchvorstellung: "Handbuch der Audiotechnik" von Stefan Weinzierl (Hrsg.)
Allgemeine Infos:
ca. 1200 Seiten
Springer-Verlag (ehem. VDI)
Erste Auflage, Feb. 2008
Herausgeber: Stefan Weinzierl
Preis: 180€
ISBN: 978-3540343004
Teilw. Farbige Abbildungen
Weitergehend ist eine Unterteilung nicht mehr sinnvoll.
Bei diesem Buch handelt es sich um eine Zusammenfassung vieler kleiner Bücher.
Es gibt 21 Kapitel, die jeweils ein eigenes Thema behandeln. Diese sind in sich geschlossen und von eigenen Autoren geschrieben.
Inhalt
Kapitel 1(Stefan Weinzierl):
Grundlagen
Hier geht es um die Grundlagen der Audioübertragung und Signaltheorie.
Behandelt werden überdies die Schall- und Schallfeldgrößen.
Im Prinzip ein kurzer Überblick über die Audiospezifische Nachrichtentechnik.
Kapitel 2 (Wolfgang Ellermeier, Jürgen Hellbrück):
Hören-Psychoakustik-Audiologie
Es wird auch für nicht Mediziner verständlich die Anatomie des Ohres Beschrieben. Dann wird ein Einblick in die Grundlagen der Psychoakustik gewährt, wie und warum hört man etwas so? Wie wird die auditive Mustererkennung vollzogen? Was macht "Klang" aus?
Als letztes werden noch Hörstörungen behandelt.
Kapitel 3 (Jenas Blauert, Jonas Braasch):
Räumliches Hören
Wie funktioniert die Räumliche Wahrnehmung im dreidimensionalen Raum? Welche Bedeutung hat die Außenohr-Übertragungsfunktion (HRTF)?
Wie wird eine Räumliche Darbietung anhand der Mikrofonierung bei der Aufnahme beeinflusst?
Alles in allem auch hier witgehend Verständlich für nicht-Fachleute auf dem Gebiet beschrieben. Teilweise etwas kompliziert (was diese Thematik aber mit sich bringt).
Kapitel 4 (Jürgen Meyer):
Musikalische Akustik
Akustische Eigenschaften versch. Instrumente und relevante Akustische Parameter für die Wiedergabe dieser Instrumente.
Leider hat der Autor einen Schwerpunkt auf "klassische" Orchesterinstrumente gelegt.
Trotz allem recht interessant im Bezug auf die technische Seite der Musik.
Kapitel 5 (Wolfgang Ahnert, Hans-Peter Tennhardt)
Raumakustik
Die Grundlagen der Raumakustik knapp aber mE Verständlich erklärt.
Auch hier wird in Beispielen recht häufig auf Konzertsääle und Theater eingegangen, die Grundlagen sind aber in leichter Wandlung auch im eigenen Wohnzimmer geltend.
Für Musiker vielleicht besonders interessant, denn hier wird beschrieben, wie ein guter Konzertsaal aufgebaut ist.
Zum Schluss noch ein ausflug in die numerische Akustik und in Aktive Raumklangsysteme, hier vermutlich weniger von Interesse.
Kapitel 6 (Peter Maier)
Studioakustik
Überschneidet sich thematisch bis zu einem gewissen Grad mit Kap. 5.
Hier wird aber im besonderen auf die (bauliche) akustische Gestaltung von aufnahmestudios und regieräumen eingegangen, auch die elektroakustische Optimierung der Wiedergabeanlage.
Kapitel 7 (Martin Schneider)
Mikrofone
Mit 100 Seiten ein recht langes Kapitel.
Alles Über Mikros... Geschichte, Prinzipien, Parameter, Bauformen, Betrieb... alles einmal durch.
Viel mehr gibt es dazu eigentlich nicht zu sagen.
Kapitel 8 (Anselm Goertz)
Lautsprecher
Alles was es generell über Lautsprecher zu wissen gibt schön zusammen gefasst. Auch die elektronische Anpassung (IIR-,FIR-Filter) wird angesprochen.
Zweifelsohne nicht vollständig, aber doch ein sehr umfassender Überblick.
Kapitel 9 (Wolfgang ahnert, Anselm Goertz)
Beschallungstechnik, Beschallungsplanung und Simulation
Grundlagen in der Planung von Großbeschallungsanlagen, Simulation der elektroakustischen Maßnahmen im Gebäude, Einmessung und Anpassung auf die Bauliche Situation.
Kapitel 9 überschneidet sich teilweise mit 8, außerdem sollten das Akustik-Kapitel (5) vorher gelesen werden.
Kapitel 10 (Stefan Weinzierl)
Aufnahmeverfahren
Grundlagen der Aufnahme. Sowohl Theroetisch, also auch praktische Aufbauten.
Es werden verschiedene Verfahren Präsentiert.
Für Leute, die Recording machen, zweifelsohne interessante Zusammenfassung.
Kapitel 11 (Karl M. Slavik, Stefan Weinzierl)
Wiedergabeverfahren
Wiedergabe im Consumer-Bereich, Stereo, Mehrkanel.
Digitale Kompressionsverfahren und Kodierungen. Tonwiedergabe im Kino, "3D-Ton".
Aufgrund der komplizierten Theorie im Hintergrund teilw. fachlich recht anspruchsvoll.
Kapitel 12 (Karl Petermichl):
Dateiformate für Audio
Digitale Formate für Audiodaten.
Hier merkt man, dass das Buch recht neu ist, von MPEG-1 bis FLAC.
Nicht besonders umfangreich, aber ein guter Rundumschlag.
Allerdings sehr "un-Informatikerisch" geschrieben, also eher was für Interessierte, nicht für Profis.
Kapitel 13 (Hans-Joachim Maempel, Stefan Weinzierl, Peter Kaminski)
Audiobearbeitung
Grundlagen der Audiobearbeitung... Kompressor, Expander, Filter, Verzerrer, Enhancer, Delay, Nachhall, Ringmodulation... etc. pp
Auch zur Klangrestauration bei Störungen in aufnahmen wird etwas geschrieben.
Zum Schluss noch das Unterkapitel "ästhetische Ziele".
Kapitel 14 (Alexander Lerch, Stefan Weinzierl)
Digitale Audiotechnik: Grundlagen
Die Grundlagen in der Digitalen Audiotechnik.
Für die Meisten hier wohl eher uninteressant.
Das Kapitel ist recht theoretisch, aber wen interessiert, warum der CD-Player so tut wie er tut
Kapitel 15 (Udo Zölzer)
Signalverarbeitung, Filter und Effekte
Grundlagen des DSP und einige audiorelevante Anwendungen.
Alles in allem sehr trocken und theoretisch, wie auch das vorangegangene Kapitel.
Dürfte die wenigsten hier wirklich interessieren und noch weniger werden es wirklich verstehen.
Für die Leute, die sich aber etwas damit auskennen, also höhere Semester E-Technik, die DSP gehört haben, dürfte es aber ein ganz netter Ausflug sein.
Kapitel 16 (Alexander Lerch)
Bitratenreduktion
Man mag es als Fortsetzung des Kapitels Nummer 12 betrachten.
Verlustlose und Verlustbehaftete Kodierungsverfahren.
Soweit ich drüber gelesen habe ganz gut geschrieben.
Von dem Thema habe ich aber keine Ahnung, daher ist hier Sense von meiner Seite.
Kapitel 17 (Martin Werwein, Mattias Schick)
Wandler, Prozessoren, Systemarchitektur
Weitestgehend: Die Grundlagen des Kapitels Nummer 14 auf die Praxis übertragen.
Dann gibt es noch einiges Über Prozessoren, also DSPs und µProzesooren.
Wohl eher für Ingenieure interessant.
Kapitel 18 (Karl M. Slavik)
Anschlusstechnik, Interfaces, Vernetzung
Ein sehr umfangreiches Kapitel, allein das Inhaltsverzeichnis ist 2 1/2 Seiten Lang.
Alles was sich
zwischen den Geräten abspielt.
Vom Aufbau eines Mikrofonkabels bis zur IEEE1394-Firewire-Schnittstelle.
Ein schöner Überblick über die in Audioanwendungen benutzten Schnittstellen.
Kapitel 19 (Wolfgang Niehoff)
Drahtlose Audioübertragung
rechtliche Grundlagen, Funkmikrofone früher und heute.
Digitale Übertragung/Analoge Übertragung.
Relativ technisches Kapitel, für viele wohl weniger von Belang.
Kapitel 20 (Günter Rosen)
Schirmung und Erdung, EMV
Sehr kurzes Kapitel.
aber nichtsdestotrotz recht wichtig, nicht nur aus Sicherheitsgründen.
Hier werden auch Brummstörungen und unsymmetrische/symmetrische Signalübertragung behandelt.
Kapitel 21 (Swen Müller)
Messtechnik
Zu guter Letzt ein Kapitel über Audiomesstechnik.
Selbstverständlich ist das kein Einfaches Kapitel.
Es geht in der Hauptsache um Messungen an Lautsprechern.
Allerdings wird das Thema eher theoretisch/technisch behandelt, nicht so sehr in der Praxis.
Wer also wissen will, wie er etwas messen soll, ist hier eher falsch.
Wer aber die dahinter stehende Systematik kennen lernen möchte wird an dem Kapitel gefallen finden.
Meine Meinung:
Mit dem "Handbuch der Audiotechnik" haben die Autoren eine sehr gute Zusammenfassung der kompletten Thematik geschaffen.
In diesem Buch steht sehr viel. Mehr, als man sich an Fachwissen aneignen kann.
Ich kann bei weitem nicht alles in diesem Kapitel verstehen.
Eine Wirkliche Rezension zu schreiben ist, wie einleitend gesagt, sehr schwierig.
An diesem Buch haben insgesamt 14 Autoren mitgewirkt.
Manch einer schafft es in "seinem" Kapitel besser etwas zu erklären, manch einer nicht so gut.
Der allgemeine Standard ist aber sehr gut.
Es hängt auch sehr von der Thematik ab. Es gibt einerseits gute, praktische Kapitel.
Andererseits natürlich theoretische Grundlagenkapitel mit einigen Teilen der Signaltheorie.
Das ist natürlich auch etwas schwerere Kost, egal wer es schreibt.
Viele Kapitel bestehen aber mehr aus Text als aus Formeln, das kann man als Vorteil oder auch als Nachteil sehen.
Durch diese Struktur ist es weniger als Nachschlagewerk wie der Tietze/Schenk, als eher ein Buch zum Lesen geeignet.
Wenn man sich z.B. für räumliches Hören interessiert, setzt man sich hin und liest sich das dritte Kapitel von vorne bis hinten durch.
Das ist auch problemlos möglich, dieses Buch ist so geschrieben, dass man es nicht nur lesen kann, sondern auch lesen will.
Durch diese eng gepackte Vielfalt bleiben zwangsweise die Details für jedes Thema auf der Strecke.
Wenn man ein ganz bestimmtes Thema haben will und 75% des Buches einen nicht interessieren ist das sicherlich eine Fehlinvestition.
Viel mehr ist es etwas für Leute, die sich generell für Audiotechnik interessieren und sich ein Grundlagen-Allgemeinwissen aneignen wollen.
Man kann das Buch (wenn man viel Zeit hat) einfach mal komplett durchlesen und dann in die entsprechenden Thematiken tiefer einsteigen.
Das ist nicht schwer, denn jeder Autor hat am Ende seines Kapitels eine Literaturliste angegeben.
Das sind einerseits Schriften von AES-Conventions (kostenpflichtiger Download bei der AES) andererseits auch konventionelle Bücher.
In manchen Kapiteln liegen da über Hundert Verweise.
Zusätzlich wird von einigen Autoren noch auf Normen und Standards (AES, IEEE, DIN etc.) verwiesen.
Nun noch zum Anspruch an den Leser:
Das Buch hat (zu meiner großen Überraschung) einen sehr guten Spagat hin bekommen.
Zwar sollte der Leser beim Anblick eines Integrals nicht in Ohnmacht fallen, wer aber in der Schule im Physikunterricht der Oberstufe nicht ganz gepennt hat, dürfte aus dem Buch auch ohne großes Matheverständnis schon einiges mitnehmen können.
Ob sich für denjenigen der recht hohe Anschaffungspreis unterm Strich wirklich lohnt, muss er allerdings selbst entscheiden.
Für die Spezialisierten Grundlagenkapitel sollte man schon einiges an Signaltheorie gelernt haben, ansonsten versteht man da nicht allzu viel.
Mein Erlebnis dieser Art sind die medizinisch-audiologischen Kapitel.
Ich habe keinerlei Vorwissen in der Medizin oder der Anatomie des Ohres.
Trotzdem muss ich sagen, dass ich daraus einiges gelernt habe und von der fachlichen Tiefe war das für mich auch mehr als Ausreichend.
Zum Schluss ein kurzes Fazit:
Für den etwas ambitionierten Interessenten mit einem gewissem Grundstock an Vorbildung auf jeden Fall empfehlenswert.
Experten dürften sich u.U. aufgrund der allgemeinen Natur eher langweilen und Laien überfordert sein.
Ein schnönes Kompendium mit viel weiterführender Literatur!
Noch ein kurzer Hinweis an Interessenten.
Ein Fachbuch sollte man immer in einer Fachbuchhandlung zumindest mal durchgeblättert werden.
Nicht jeder kommt mit jedem Schreibstil klar. Bei mir hatten sie das Buch tatsächlich sogar vorrätig im Geschäft.