Nun wüsste ich gerne was Ihr von dem Stück haltet...Habe es bisher noch nicht mit einer Big Band gespielt, hab also noch keine Ahnung ob das überhaupt klingt wenn es eine echte Band spielt....
Auf den ersten Blick: 1.trp und 1.trb sind zu hoch geschrieben, wenn sie die Melodie spielen. Deine (gute!) Melodie legt eine lockere Spielweise+Interpretation nahe - aber in der Lage, wie du 1.trp und 1.trb geschrieben hast, ist maximaler Krafteinsatz angesagt. Die Lage der 1.trp ist eine typische Lage für Tutti-Stellen, wo die 1.trp eindeutige Führungsfunktionen für das ganze Ensemble hat. Das deutet sich spätestens ab Takt 16 an, mit dem technisch nicht einfachen Auftakt auf 3+ (der als Achtel notiert werden sollte, nicht als 16tel): ein klingendes c3 in der 1.trp und ein c2 in der 1.trb sind Töne, die du vielleicht von einer extrem guten Band locker und leicht hören wirst, aber jede durchschnittliche städtische/Uni-/Musikvereins-/Hobby-Big-Band wird da auf jeden Fall nicht locker und selbstverständlich klingen.
In Takt 22 ist dann der Höhepunkt der Melodie erreicht: es3 in der 1.trp, es2 in der 1.trb. Das werden dir nur Profis sicher bringen können. Da kommen wir direkt zur Zielgruppenfrage: für welches Level hast du das geschrieben, vielleicht für eine konkrete Band?
Dann die Rhythmusgruppe: in der Klavierstimme stehen viel zu viele Sechzehntelrhythmen. Du schreibst hier doch eine Swingnummer, was sollen da die Sechzehntel? Die Voicings sind gut, aber schlecht aufgeteilt: wenn beide Hände gleiche Rhythmen spielen, würde ich 4stimmige Akkorde 2+2 aufteilen, bei 5stimmigen 3 Stimmen rechts, 2 Stimmen links, bei sechstimmigen 3+3 usw. . In Takt 28 muß man schon lange überlegen um herauszubekommen, was du meinst. Schreibe doch hier die Baßlinie alleine in die l.H., die oberen Akkorde in die r.H. Wozu ein Aufwärts-Arpeggio in Takt 48? Das wird kaum jemand hören. In Takt 49 stehen falsche Pausen in der l.H. . Takt 25 ist unspielbar wegen zu weiter Lage.
Im Baß stimmen einige enharmonische Deutungen nicht, häufig taucht ges auf, wo fis richtig wäre. Takt 20: unbedingt das As eine Oktave höher, damit die Linie logisch bleibt. Was sollen die Triole in Takt 21 und 70?
Im Drumset: die Logik der Bassdrum- und Snaredrum-Rhythmen erschließt sich mir nicht. Normalerweise bildet man mit Snare und Bassdrum ja mitzuspielende Bläserrhythmen ab. Insgesamt sehen deine Snare- und Bassdrumrhythmen eher danach aus, daß sie beim Abspielen gut klingen...aber nicht so, daß ein menschlicher Schlagzeuger schnell Form und eigene Rolle erkennen kann. Z.B. verwendest du keine Faulenzer, die Struktur deines Stückes bietet sich aber dafür an. Ich bin persönlich auch kein Fan davon, Crashbecken auf Hilfslinien zu schreiben, ich schreibe die über die oberste Linie.
Deine Posaunenvoicings könnten ruhig mutiger sein, du verwendest ja fast nur 1,3 und 5 der Akkorde...und die Baßposaune ist Teil des Posaunensatzes: du koppelst sie im Voicing auffällig oft ab und schreibst weite Lagen. Das ist nicht generell schlecht, aber es passiert häufig ohne erkennbaren Grund.
Ein generelles Konzeptionsproblem sehe ich in Takt 12 (und in der Reprise später): soll die Melodie nun ein Achtel oder eine halbe Note lang klingen? Der Hörer wird durch die unisono-Führung von 1.trp und 2.trp eine halbe Note hören, er hört also nicht den Achtel-Effekt, den du für 1.trp und 1.trb geschrieben hast. Da werden sich die Spieler später fragen: was will uns der Komponist damit sagen? Generell könnten die Bläserstimmen auch mehr Artikulationen vertragen, vor allem dort, wo mehrere Viertelnoten nacheinander kommen. Zwischen Takt 24 und 25 sehe ich noch ein Problem: wann soll der Auftakt kommen, auch bei der Wdh.? Sauberer wäre es, Klammer 1 und 2 zu schreiben, um das eindeutig festzulegen.
Zwischen Takt 56 und 57 wäre ein Doppelstrich angebracht. Was soll das "2nd time only" in den Saxophonen in Takt 65? Es gibt kein zweites Mal...ein Kopierfehler? Noch eine persönliche Einschätzung: vermeide punktierte Pausen, die schaffen mehr Verwirrung als Klärung. Kläre mal, ob der Schluß laut oder leise sein soll: die Blechdämpfer legen "leise" nahe, die Lage der Trompeten aber "laut", warum spielt nur die 1.trp ohne Dämpfer, soll das Schlagzeug wirklich nur zwei Beckenschläge am Schluß machen?
Schau dir auch mal die Konventionen und Standards für Pausennotation an. Für 4/4-Takt gilt z.B., daß die Taktmitte erkennbar sein muß - das ist in Takt 79 nicht der Fall. Die richtige Reihenfolge wäre Halbe Pause - Viertelpause, so wie du es in der Gitarre schon machst. Takt 78 in den Saxophonen: Halbe Pause - Achtelpause. Takt 80, Rhythmus von Gtr und Piano sollte genauso sein wie in den Bläsern/Baß/Drums.
Die Idee mit 3/4-Takt ab Takt 75 gefällt mir gut - originell!
Grundsätzlich sehe ich keine Stelle, wo Sechzehntelrhythmen notwendig sind. Dein ganzes Stück wäre leichter les- und spielbar, wenn du nur Achtelrhythmen verwenden würdest.
Übrigens: den Titel "Nightflight" gibt es bereits von Sammy Nestico - ist dein Stück eine Hommage, hat es einen Bezug dazu?
Harald