[Bezahlte Auftritte] Angst vor unzufriedenen Kunden. Was mir geholfen hat.

zithersound
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Hallo zusammen,

ich spiele seit vielen Jahren regelmäßig Hintergrundmusik bei Geburtstags und Firmenfeiern. Vor allem bei mehrstündigen Auftritten passieren ja immer wieder kleine Fehler und hier und da haut man einfach daneben. Ein Problem was mich zu Beginn ziemlich gefordert hat war die Angst vor unzufriedenen Kunden.

Ein wichtiger Teil (vor, nach und während) solcher Auftritten ist der Kontakt zu den Kunden (Small Talks, Socializing, etc.). Richtig gemacht wirkt sich das auch sehr positiv auf Folgeauftritte oder Weiterempfehlungen aus. Der typische Lampenfieber-Trick "2 kurze vorm Auftritt zu trinken" (oder ähnliches z.B. aus demThread besoffen-spielt-sichs-besser) geht einfach nicht in so einer Situation. Der Auftritt beginnt quasi mit dem Eintreffen an der Lokation (meistens ein Restaurant oder Hotel). Deshalb haben viele der Tipps im Netz (und auch beim Nachlesen hier im Forum) nicht wirklich für mich gepasst.

Ich habe mir über die Jahre eine Routine zurecht gelegt, die für mich sehr gut funktioniert und meine Nervosität vor bezahlten Auftritten auf einem gesunden Level hält. Eine Methode die mir sehr geholfen hat und ich u.a. bis heute bei fast jedem Auftritt verwende ist die Ankermethode (Vielleicht gibt es noch anderen Namen dafür?).

Ein großer Vorteil bei solchen Auftritten ist, dass ich in den meisten Fällen die Kontrolle über das Programm habe. Die Kunden wünschen sich zwar immer wieder bestimmte Stücke, aber das Programm bleibt relativ gleich und den Ablauf setze meistens ich fest. In meinem Repertoire habe ich also zwei bis drei sog. Ankerstücke. Das sind Stücke die ich im Schlaf spielen kann, die einfach sind und gut klingen. Mit diesen Ankerstück beginne ich jeden Auftritt. Damit kann ich beruhigt starten und die Nervosität verfliegt nach ein paar Minuten. Es passiert dadurch auch eine gewisse Konditionierung (das dauert natürlich seine Zeit), denn die Methode ist eigentlich die gleiche wie beim pawlowschen Hunde.

Dem Ankerstück ist quasi die Glocke.

Welche Erfahrungen habt ihr mit bezahlen Engagements und Auftrittsangst?
Welche Methoden haben euch dabei geholfen einen Auftritt professionell durchzuziehen und Folgeauftritte zu bekommen?

Liebe Grüße
David
 
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Hoi David
Mein Werdegang bezüglich bezahlter Auftritt ist ähnlich wie bei dir.
Ausgangslage bei mir: Gitarrist in einer Hobby Coverband, wie covern Rock (Rolling Stones), Hardrock (AC/DC, Guns'n'Roses) und Metal (Metallica, Megadeth) querbeet.

Zu Beginn habe ich gedacht, dass ich mir doch unmöglich erlauben kann, falsche Töne zu spielen. Schliesslich werde ich bezahlt. Also möglichst keinen Wank auf der Bühne machen, aufs Griffbrett starren und fehlerfrei spielen.

Das erste grosse Aha-Erlebnis war dann, als ich mich nach einem bezahlten Konzert mit den Zuhörern unterhalten habe.
Mein Fazit: Falsche Töne hört kein Mensch. Grobe Schnitzer im Song sind spätestens beim nächsten Song vergessen. Aber jeder sieht, wenn du auf der Bühne das Gesicht verziehst, den Kopf schüttelst und dich über diese falschen Töne aufregst. Und jeder sieht, wenn du dich innerhalb des Radius eines Bierdeckels bewegst. Das wirkt gelangweilt und desinteressiert.

Die Erkenntnis ist, dass Patzer im Repertoire keinen Einfluss auf das Erlebnis Zuschauers haben. Im Gegenteil: Es ist besser, ab und zu mal einen falschen Akkord zu riskieren, weil man auf der Bühne Begeisterung zeigt und mitwippt, als dass man seine Parts perfekt spielt und dabei keine Miene verzieht.

Wichtig ist mir heutzutage vor allem, dass die Technik jederzeit bereit ist. Die Publikumsbeschallung und das Monitoring müssen einwandfrei funktionieren. Darauf habe ich nur bedingt Einfluss, deshalb macht das auch hin und wieder etwas nervös. Deshalb kann ich nur jedem Künstler/Band raten: Kalkuliert immer genügend Zeit vor dem Auftritt ein. Backline aufstellen und Soundcheck ist NCHT in einer Stunde gemacht. Wir treffen mittlerweile immer mindestens drei Stunden vor Auftrittsbeginn in der Lokation ein. Mindestens.
 
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Ich kann aus Erfahrung auch nur betonen: keine Angst vor falschen Tönen oder Patzern - that's Live! Lockerer Umgang damit, zeigt dem Publikum immerhin auch, dass live gespielt wird. Gerade bei den ganzen Midifile Schubsern, bei denen es ja nun mal keine falschen Töne gibt, weil sie ja auch gar nicht erst welche spielen. Die Technik kennt kein Lampenfieber und Nervosität, da könnte höchstes was wegen Bedienfehlern in die Hose gehen.

Was man vermeiden sollte, ist den Unmut über den Verspieler eines Kollegen auf der Bühne auszutragen. Das ist unprofessionell. startom hat schon recht:
Falsche Töne hört kein Mensch. Grobe Schnitzer im Song sind spätestens beim nächsten Song vergessen. Aber jeder sieht, wenn du auf der Bühne das Gesicht verziehst, den Kopf schüttelst und dich über diese falschen Töne aufregst.

Und auch der Punkt mit Verlass auf die Technik ist wichtig. Wenn alles zuverlässig läuft, bin ich auch entspannt, kann mich auf mein Spielen konzentrieren und verspiel mich auch weniger.
 
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Hallo David (und die anderen natürlich)!

Ein wichtiger Teil (vor, nach und während) solcher Auftritten ist der Kontakt zu den Kunden (Small Talks, Socializing, etc.).

Da gebe ich dir Recht! Oftmals ist die eigene Selbstwahrnehmung so verkehrt. Ich bin hin und wieder so unzufrieden mit mir nach Auftritten, weil kleine Patzer passiert sind (die, wie bereits erwähnt, wahrscheinlich höchstens den Musikerkollegen aufgefallen sind) und wenn man dann im Anschluss gesagt bekommt "Oh, das und das hat mir super gefallen!", trägt das wieder etwas zum Selbstvertrauen bei. Aber auch für wertvolle Tipps von anderen Musikern bin ich immer dankbar, z. B. die Intonation in einem Song zu verbessern oder Tempo oder oder oder...man ist ja hin und wieder "betriebsblind".

Richtig gemacht wirkt sich das auch sehr positiv auf Folgeauftritte oder Weiterempfehlungen aus. Der typische Lampenfieber-Trick "2 kurze vorm Auftritt zu trinken" (oder ähnliches z.B. aus demThread besoffen-spielt-sichs-besser) geht einfach nicht in so einer Situation.

Nervosität wegtrinken, haben wir bereits versucht. Macht alles nur noch schlimmer. :ugly:

In meinem Repertoire habe ich also zwei bis drei sog. Ankerstücke. Das sind Stücke die ich im Schlaf spielen kann, die einfach sind und gut klingen. Mit diesen Ankerstück beginne ich jeden Auftritt. Damit kann ich beruhigt starten und die Nervosität verfliegt nach ein paar Minuten.

Unterschreibe ich zu 100%. Solche Songs zu haben und diese auch von Set zu Set austauschen zu können (sonst wird's schnell langweilig), ist eine große Hilfe. :great:

Welche Erfahrungen habt ihr mit bezahlen Engagements und Auftrittsangst?
Welche Methoden haben euch dabei geholfen einen Auftritt professionell durchzuziehen und Folgeauftritte zu bekommen?

Bei bezahlten Auftritten, also quasi "im Auftrag", bin ich nicht mehr aber auch nicht weniger nervös als bei unbezahlten Auftritten. Ein Gig ist ein Gig für mich. Aber es ist schon so, dass man immer alles richtig machen will. Und ja, mittlerweile weiß ich, dass IMMER IRGENDWAS schief läuft. Ich finde, dass die zunehmende Auftrittserfahrung einen gelassener werden lässt. Manchmal passieren aber eben Schusselfehler vorab: neulich erst habe ich gefühlt 4-5 zusätzliche Kabel mit sämtlichen Anschlussvariationen für einen kleinen Gig bei einer privaten Feier dabei gehabt. Beim Aufbau der Technik fällt mir auf: ich habe in meiner Kabelsammlung überhaupt kein XLR female > Klinke male Kabel :eek: (quasi ein gewöhnliches Mikrofronkabel...). Ich war zu 10000% sicher, dass ich eins hätte. ZUM GLÜCK gab es in der Location eine super Mini Grundausstattung mit Anlage und Mikrofon und dort lag das gebrauchte Kabel dabei. Also Kabel geborgt, Gig erledigt, Bestellung des Kabels noch am selben Abend ausgeführt...Schwein gehabt, aber ich war quasi durchgeschwitzt, als mich die Erkenntnis traf!

Du sagst, der Gig beginnt für dich schon bei Ankunft. Die Aussage finde ich super! Ich würde sogar soweit gehen zu sagen, der Gig bzw. die "Selbstvermarktung" beginnt schon bei der Gigplanung im Vorfeld. Wer sich unprofessionell verhält und sich lange nicht meldet bei Anfragen, steht sich doch selbst im Weg. Es wirkt einfach unprofessionell. Von daher, nicht die Wirkung des Gesamtbildes unterschätzen. Der Live Auftritt ist nur ein Teil (wenn natürlich auch ein großer!) des Ganzen.

Grüße,
MissSheraton
 
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Ich habe eigentlich auch jeden Auftritt ernst genommen und versucht, mich immer gleich professionell vorzubereiten. Also bei den Proben effektiv sein, die eigenen Hausaufgaben machen (Setup erstellen, Sounds/Effekte einpegeln und anpassen, Equipment checken etc.). Ich glaube aber, dass Lampenfieber bei mir vor Auftritten auch davon abhängig war, ob wir Teil einer x-beliebigen Veranstaltung waren (zB Jubiläumsfeier, Tanz in den Mai..) oder ob die Leute konkret nur wegen uns kamen und für einen abendfüllenden Gig mit Covermusik Eintritt gezahlt haben. Da habe ich an mich persönlich immer den Anspruch gestellt, eine Gegenleistung zu erbringen, also zu entertainenen und möglichst fehlerfrei zu sein.
Am Ende sehe ich es gleichwohl so wie meine Vorredner: Fehler passieren trotzdem und entweder sind sie marginal und werden gar nicht bemerkt oder sind schnell vergessen.
Selbst ein Stück nach verpatzten Intro noch Mal neu zu starten und es entsprechend humorvoll zu kommentieren, gibt am Ende beim Pumplikum garantiert Sympathiepunkte.

@zithersound => du machst aus meiner Sicht alles richtig. Letztlich ist es gut, sich im Vorfeld so seine Gedanken zu machen und für gewisse Fälle vorbereitet zu sein. Du hast es es diesbezüglich ja auch schwerer, da du mit deinem Instrument ja wohl alleine auftrittst und im Gegensatz zu einer mehrköpfigen Band mit Gesang und Leadguitar allein im "Rampenlicht" stehst.

Und ja: Nervosität, Lampenfieber, Respekt vor der Aufgabe...können nie schaden und sind am Ende hilfreiche Begleitumstände. Frag nach bei den "Großen"!:cool:
 
kleine Anekdote zu Verspielern:

Der große Art Tatum (Referenz und Vorbild vieler nachfolgenden großen Jazz-Pianisten) hat immer sehr risikoreich improvisiert, wenn ein Fehler vorgekommen ist, dann hat er den solange immer wieder repetiert, bis er einen schlüssigen Ausweg entwickelt hatte.
Hat seiner Reputation keinerlei Schaden zugefügt.
 
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If wrong, play strong!:)
 
Was man vermeiden sollte, ist den Unmut über den Verspieler eines Kollegen auf der Bühne auszutragen. Das ist unprofessionell.
Richtig, man muß ja nicht unbedingt öffentlich Unmut äußern. Aber einen Song abbrechen darf man. :D
Hatten wir neulich bei nem Gig. Intro klang fürchterlich schräg, obwohl es das nicht soll. Ein Blick aufs Griffbrett des Gitarristen hat mir gezeigt, wieso. Wir spielen das Ding normal mit Capo3, ich also 3 Halbtöne höher. Wenn die Gitarre dann das Capo auf dem 2. Bund hat, wirds halt schräg. Aber was ist schon ein Halbton unter Freunden?

Zu den beiden Postings direkt über mir: (Free) Jazz ist bekanntlich die Kunst, falsch zu spielen und richtig aufzulösen.
 
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Hallo zusammen,

der Gig bzw. die "Selbstvermarktung" beginnt schon bei der Gigplanung im Vorfeld. Wer sich unprofessionell verhält und sich lange nicht meldet bei Anfragen, steht sich doch selbst im Weg.

Genau. Die Vor und Nacharbeit ist bei einem Gig ist einer Schlüsselfaktor für eine Weiterempfehlung und eine erneute Beauftragung. Von der Anfrage beginnend bis zum Kontakt nach dem Auftritt. Vorallem das Feedback abzuholen ist ein Tipp den ich jedem geben kann. Trägt über die Jahre sehr viel zum Selbstbewusstsein bei.

Letztlich ist es gut, sich im Vorfeld so seine Gedanken zu machen und für gewisse Fälle vorbereitet zu sein. Du hast es es diesbezüglich ja auch schwerer, da du mit deinem Instrument ja wohl alleine auftrittst und im Gegensatz zu einer mehrköpfigen Band mit Gesang und Leadguitar allein im "Rampenlicht" stehst.

Das stimmt. Die Zither ist zudem ein eher ruhiges und besinnliches Instrument und ich spiele eher für kleine Gruppen ohne (oder mit minimaler) Beschallung. Das macht es schwieriger mit gewissen Stationen umzugehen und passiert es auch öfters dass das Teile des Publikum zu plaudern beginnen weil sie z.B. nicht optimal sehen. Deshalb versuche ich solche Details (Form der Beschallung, Sitzanordnung) mit dem Kunden vorher abzusprechen um solche Situationen zu vermeiden.
 

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