Beethoven, Klaviersonate Nr. 1 (Opus 2, Nr. 1): legato oder staccato?

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Quentin Zirkel
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Tach allerseits! Ich habe mal eine Frage zu der im Titel genannten Klaviersonate. Es geht um die Viertelschläge in der linken Hand im ersten Satz (Allegro), z.B. direkt zu Beginn in Takt 2-3. Mir ist aufgefallen, dass sie in verschiedenen Ausgaben mal staccato und mal legato notiert sind. Hier zwei Beispiele von IMSLP:


Breitkopf & Härtel, 1862
Legato (Breitkopf & Härtel, 1862).jpg


C.F. Peters, ~1910

Staccato (C.F. Peters, ~1910, Köhler, Ruthardt).jpg


Ich selbst habe eine Henle Urtext Ausgabe (~1976), in der legato notiert ist. Leider ist kein kritischer Bericht dabei und aus dem Vorwort geht nur hervor, dass für diese Sonate keine handschriftlichen Quellen zur Verfügung standen. Bei IMSLP findet man eine vermeintliche Erstausgabe, in der auch legato steht. Tendenziell scheint mir legato also etwas "richtiger" zu sein.

Aber: legato finde ich hier ziemlich schwierig zu spielen und wenn man "Allegro" ernst nimmt hört man den Unterschied auch nicht so deutlich. Allerdings komme ich an guten Tagen gerade mal auf 150 Viertelnoten in der Minute, was deutlich unter der Aufführungspraxis liegt, und da klingen legato und staccato schon anders. Bisher hatte ich immer penibel versucht, legato zu spielen, was mir wie gesagt alles andere als leicht fällt. Komplett staccato gefällt mir vom Klang nicht, vor allem der C7 Akkord in Takt 3 gefällt mir ausgehalten deutlich besser. Der Einfachheit halber habe ich jetzt für mich beschlossen, dass es okay ist, den zweiten Takt eher portato (?) zu spielen. ;) Wobei ich mich ab und an als Technikübung noch zum legato zwinge.

Mir ist schon klar, dass es hier wohl kein eindeutiges richtig oder falsch gibt, aber mich würde mal interessieren, wie andere diese Passage bewerkstelligen. Also, lasst hören! :D
 
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:confused: Dort ist doch bei beiden Notenbeispielen gar kein Legatobogen im unteren System.
 
Ist es überhaupt möglich, sich wiederholende Akkorde legato zu spielen :gruebel: ? Bei 150 BPM kommen mir die Unterschiede zwischen beiden Varianten sehr gering vor, allenfalls mit Auswirkungen auf die Länge des C7 Akkords (?). Wenn die Akkorde nicht extrem Extrakurz sind, gefällt mir das glaub' ich auch besser.
 
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Czerny schreibt Staccato:

upload_2015-8-19_0-56-38.png


Interessant finde ich aber, daß er im dritten Takt über dem C7-Akkord den Staccatopunkt wegläßt.

Meine persönliche Meinung dazu: Im Grunde mußt Du das Stück zu Deinem eigenen machen, um es lebendig spielen zu können. Dabei kannst Du in Dich selbst hineinhören, wie nach Deiner Empfindung die Stelle gespielt werden muß. Es nützt nichts, wenn Du sie legato spielst, weil das irgendwo so steht, es aber nicht richtig rüberkommt, weil Du es anders empfindest. Man kann versuchen, selbst zum Komponisten oder Improvisator des Stückes zu werden, und dann wird der Ausdruck auch stimmen.

Ich selbst würde versuchen, jeden der drei f-Moll-Akkorde etwas anders zu spielen.

Interessant ist auch der folgende Passus in Czernys Beschreibung:

upload_2015-8-19_1-5-18.png


Viele Grüße,
McCoy
 
:confused: Dort ist doch bei beiden Notenbeispielen gar kein Legatobogen im unteren System.
Naja, wenn ich nur unverzierte Viertelnoten ohne weitere Anweisungen sehe gehe ich eigentlich von legato aus, auch ohne Bogen. Gerade bei Beethoven verstehe ich die Bögen auch eher als Phrasierungsbögen.

Ist es überhaupt möglich, sich wiederholende Akkorde legato zu spielen :gruebel: ?
Das geht schon, wie McCoy hier sehr gut beschrieben hat. (So kam ich übrigens auf das Stück.) Man muss so spielen, dass die Hämmer wieder an die Saiten schlagen bevor die Dämpfer aufsetzen können. Aber das ganze mit Dreiklängen gefühlvoll in piano überfordert meine (schwächere) linke Hand.

Der klangliche Unterschied ist bei meiner Spielgeschwindigkeit schon recht deutlich. Legato klingt pumpend, pulsierend und vorantreibend. Staccato klingt eher streng und marschierend. Je schneller man wird, desto geringer werden natürlich die Unterschiede. Czerny schlägt ja rasende 104 halbe Noten pro Minute vor, also 208 Viertel. So schnell sind für mich aber die 16tel Triolen nicht machbar. Da sind 150 Viertel pro Minute einfach meine Obergrenze, gleichzeitig aber auch die Untergrenze damit das Stück lebendig klingt.

Interessant finde ich aber, daß er im dritten Takt über dem C7-Akkord den Staccatopunkt wegläßt.
Wirklich interessant. Und im Endeffekt das verwirrendste Notenbild. Nur der zweite Takt staccato und dann legato weiter? Oder soll man sich im weiteren Verlauf die Punkte denken? :confused: Aber wie du schon sagst: am besten einfach spielen, was am besten klingt. Dürfte ich nebenbei fragen aus welchem Band diese Noten kommen? Czernys Randbemerkungen scheinen mir sehr interessant und aufschlussreich zu sein. Schließlich war er ja Zeitzeuge hatte sogar engen Kontakt mit Beethoven.

Ich selbst würde versuchen, jeden der drei f-Moll-Akkorde etwas anders zu spielen.
Auch eine gute Möglichkeit. Wie würdest du es denn machen? Die erste kurz, dann länger werdende und legato zu C7?
 
Oder soll man sich im weiteren Verlauf die Punkte denken?
Ja, das ist durchaus üblich, daß man bei sich ähnlich wiederholenden Stellen das nur einmal hinschreibt. Oft steht dann simile daneben. Der Ausführende soll ja mitdenken.

Der Abschnitt ist aus Czernys Pianoforte Schule, op. 500, Bd.4. Dort werden alle wichtigen Werke Beethovens besprochen.

Wie würdest du es denn machen? Die erste kurz, dann länger werdende und legato zu C7?
Ja, so ungefähr. Man muß ein wenig herum- und ausprobieren, evtl. auch mit dem Wirkungspunkt des Pedals etwas spielen (geht nicht bei Digitalpianos ohne Halbpedal).

Viele Grüße,
McCoy
 
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Wenn man unsicher ist und der Komponistenwillen unklar, lohnt gerade bei solch Standardwerken natürlich auch der Blick in die Auslegung der anerkannten Interpreten. Im Ergebnis ist das aber natürlich auch nicht eindeutig - da hat jeder so seine eigene Meinung, was es auszudrücken gilt:engel:

Es gibt die Fraktion (der auch ansonsten eher nicht so kantig spielenden MeisterInnen) - wie Arrau, Kempff, Nikolayeva oder Pollinie - die sich eher auf der legato Seite bewegen, und andereseits die robusteren Herrn und Damen - Gulda, Brendel, Schiff, Fischer - die näher am staccato sind (wenn auch nicht so getupft wie für die Linie in der rechten Hand). Für die letzten mag höchstens sprechen, dass sie als ausgewiesene Experten für die Wiener Klassiker gelten (auch wenn einem da nicht jeder liegt).

Allen ist aber gemeinsam, dass die Akkordfolge detailliert gestaltet wird (ganz extrem z.B. bei Barenboim) - insbesondere das von McCoy angeregte verlangsamen/aushalten des C7 Akkordes ist eigentlich bei allen die als angemessen empfundene Darstellung.

In der Summe sollte das Mut machen, nicht 'mechanisch' das eine oder andere Extrem durchhalten zu wollen, sondern "Musik zu machen" die das eigene Klangempfinden zum schwingen bringt.:)
 
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Mich würde doch noch mal interessieren, wie ihr das Legato am Anfang in der linken Hand versteht, beispielsweise gleich die ersten beiden Akkorde F-moll. Bzw., man kann es ja noch weiter vereinfachen:
Wie spielt man hintereinander denselben Ton legato? Man muss doch loslassen? Ihr meint dann mit entsprechendem Pedaleinsatz während des neuen Anschlags?

Gruß,
taste89

Edit: ok, noch mal drüber nachgedacht. Wenn man den Ton ins Pedal nimmt, loslässt und neu anschlägt ist das eigentlich richtiges Legato.
 
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