jaeger28
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Übersicht
Hersteller: STEAVENS
Modell: Poundcake 100 MkIII
Röhren: 4xEL34 oder 4x6L6, 6x12AX7
Ausstattung:
-4 Kanäle (Clean/Crunch/Meat/Heat)
-2EQs für drive und Clean
-3 Boosts (Gain/Mid/Bright) alternativ oder in Kombination nutzbar
-FX loop seriell oder Parallel, mit Mix- und (Master-)Levelregler, schaltbar
-2 Mastervolumes für drive, separater Clean-Master
-7-fach Fußschalter wahlweise zum direkten Aufrufen von Kanal, Boost, Master und Effektloop, oder im PGM Mode zum Aufruf von 3x4 Programs, Midi out zum parallelen Ansteuern externer Effekte
-Presence und Depth Regler in der Mastersektion
-Umschalter zwischen 6L6 und EL34
UVP: 2,890
Made in Germany by www.steavens.com
Vorwort:
Den Steavens Poundcake gibt es in verschiedenen Varianten breits seit den frühen 90ern, und der Amp erfreute sich stets großer Beliebtheit bei seinen Nutzern, selbst wenn der kommerzielle Durchbruch (bisher) ausbleibt, ist die Qualität des Produkts weltweit bekannt und Steavens ein Begriff - selbst in der umkämpften Boutique-Amp-Szene der USA. Hier haben wir nun die jüngste Inkarnation in der Poundcake-Evolution - in seiner Version MkIII mit 100W und 4 Kanälen.
Den Steavens habe ich vor 1 Woche erhalten. In dieser Zeit hatte ich Gelegenheit, ihn bei zwei Bandproben und drei Live-Auftritten ausgiebig zu testen (eine Cover/Top40 Band und eine Metal-Band). Dabei wurde der Amp sowohl mit den ab Werk eingebauten JJ12AX7 und JJ6L6GC betrieben, als auch mit einem Quad RFT EL34 - für die Klangbeispiele/Videos schließlich mit 4xSED=C= EL34 in der Endstufe, einer GT12AX7M in V1, TungSol 12AX7 in V2-V5 und einer Chinese G9 12AX7 in der Phasentreiberstufe. Der Amp hat bei diesem kurzen aber heftigen Intermezzo auf ganzer Linie überzeugt und sich als wirkliches Allroundtalent erwiesen, doch dazu weiter unten mehr.
Grundkonzept:
Der Amp ist als Zentrale für die Klangformung und -Verwaltung konzipiert. In 99 Midi Programs können sowohl Kanal und Master, als auch Kombinationen der vorhandenen Boosts und der Schaltstatus des Effektloop gespeichert werden. Bei Aufruf eines der internen Programs - wahlweise mit dem mitgelieferten Fußschalter oder per Adapter mit einem Midi Controller - lassen sich Amp-Sounds und externe Effekte simultan steuern. Das Bedienpanel scheint auf den ersten Blick gewohnheitsbedürftig, da alle 4 Gainregler rechts aussen plaziert sind, die EQs für Drive und Clean auf der linken Seite, dazwischen die zwei Master für die drei Drive-Channels und der Clean-Master. Allerdings hat man das Layout bereits nach wenigen Minuten verinnerlicht und kann gedankenlos Sounds schrauben.
Das Fehlen eines Mastervolumes für die Gesamtlautstärke lässt sich verschmerzen, da man bei gebrücktem Loop, den Loop-Levelregler als selbigen verwenden kann. Im Live-Betrieb mit und ohne Loop muss man allerdings Master 1 und 2 sowie Clean Master und Effektlevel abstimmen, was beim Soundcheck einige kostbare Minuten verbrauchen kann.
Die Verarbeitung des Verstärkers ist makellos, sauber aufgebaut mit großzügig dimensionierten Trafos und hochwertigen Bauteilen, sowie einem sauberen inneren Aufbau auf PCB. Die Keramik-Endröhrensockel sitzen ebenfalls auf PCB, was einige stören dürfte. Trotzdem sieht das ganze sehr vertrauenserweckend aus und scheint m.E. keinen triftiger Anlass zu geben, an der Haltbarkeit des Geräts zu zweifeln.
Die Optik des Amps ist sicher Geschmackssache. Das Tolex erinnert nicht gerade an Edelleder, ist aber strapazierfähig und auch ordentlich verarbeitet. Das Gehäuse ist hoch und nicht sehr tief, irgendwie komisch proportioniert. Im Gehäuse ist über den Trafos/Endröhren noch viel Platz, d.h. es wäre kleiner gegangen. Allerdings wäre dann ggf. weniger Luft zur Kühlung der Röhren vorhanden. Auch kann man so eine Bias-Rite zur Kontrolle des Ruhestroms installieren, ohne den Amp aus dem Holzgehäuse nehmen zu müssen.
Der Loop funktioniert und klingt hervorragend - gleichwertig mit Rackeffekten und Pedalen.
Klangcharakter:
Der Poundcake ist kein zarter Geselle. Er geht recht heftig ans Werk, und macht viel Druck. Mit Bass und Depth-Regler muss man vorsichtig umgehen, ebenso mit den Mastern, ansonsten sterben kleine Tiere im näheren Umkreis schon beim ersten Powerchord! Er lässt sich aber bei feinfühliger Dosierung und unter Zuhilfenahme des Loop-Master auch auf erträgliche Lautstärken bringen.
Der Grundcharakter des Amps ist trocken und transparent, also eher modern ausgelegt. Er fühlt sich eher an wie ein aufgemotzter JCM800 als wie ein JTM45, tight and punchy! Allerdings kann man mit den diversen Kanälen, die alle verschiedene Grundcharaktere haben sowie den drei Boosts eine extreme Klangpalette abdecken. Der Steavens hat seinen eigenen Charakter, im Highgain irgendwo zwischen Marshall und Diezel, er erhält jedoch bei allen Einstellungen eine gewisse Cremigkeit, die teuer klingt, ohne es jedoch an Durchsetzungsfähigkeit fehlen zu lassen. Transparenz und Dynamik dieses Verstärkers sind wirklich absolute Spitzenklasse.
Die Kanäle überlappen sich recht großzügig bezüglich der Gainreserven, und somit kann jeder den Amp seinen persönlichen Vorlieben entsprechend einstellen. Wem das noch nicht genügt, dem bietet Designer Bernhard Stephan an, den Amp einmalig kostenlos nach eigenen Wünschen anzupassen, um den Grundcharakter noch mehr an die subjektiven Vorlieben anzugleichen.
Die Boosts
Die Boosts agieren sehr unterschiedlich. Boost 1 (Gain Boost) pusht die Vorstufe und fügt auch nicht unerheblich Bassanteile hinzu. Ich mag diesen boost am liebsten in Kombination mit Mid und/oder Bright Boost. Der Mid Boost agiert in den oberen Mitten, und ist eher so etwas wie ein nach unten verschobener Bright switch. Mid Boost fügt nicht sehr viel Gain hinzu, sondern verschiebt etwas den Mittenfokus in Richtung Marshall. Der Bright-Boost fügt Brillanzen und eine ordentliche Portion Gain hinzu. Fühlt sich ähnlich an, wie wenn man den Bright Channel an einem Plexi aufdreht, der Klang wird offener und agressiver und bei niedrigen Gain-Einstellungen auch kräftig lauter.
Kanäle und Sounds:
Der Cleankanal im Poundcake ist ganz und gar nicht als notwendige Beigabe zu verstehen. Er klingt exzellent und hält den Konkurrenten in meinem Fuhrpark (Triamp MkII und Bogner XTC 100B, sowie auch eine Axe FX) mal ganz locker stand. Dieser Kanal alleine deckt bereits einen großen Bereich ab. So sind sowohl hypercleane sounds für Picking à la Marillion, Funkakkorde u.ä., als auch bereits kräftige Bluesverzerrung à la Stevie Ray Vaughn bis hin zu Free möglich. Ich übertreibe nicht, wenn ich sage dass ich öfters den Amp einschaltete und von diesem Kanal gar nicht mehr wegkam, so sehr Suchtgefährdend sind Dynamik und Transparenz des Klangs! Mit allen drei Boosts und dem Gain am Rechtsanschlag ergibt sich bereits ein Leadsound, der so manchem Zeitgenossen komplett ausreichen würde.
Crunch übernimmt dort wo Clean aufhört, betört allerdings durch einen weicheren, etwas komprimierteren Charakter und gibt sich grundlegend britischer als Kanal 1. Hier wird zunächst derjenige bedient, dem Marshalls zu aufdringlich klingen, und der einen weicheren Crunchsound sucht. Allerdings ist dies nur der Fall, wenn Gain unter 12 Uhr bleibt und die drei Boosts nicht angeschaltet werden. Mit dem Mid Boost erhält man sofort einen Marshall-Crunch, der seinesgleichen sucht, vor allem, wenn der Amp etwas lauter aufgedreht wird. Wem das noch nicht genügt, der kann mit weiter aufgedrehtem Gain und den drei Boosts von Fleetwood Mac bis Iron Maiden schon alles abdecken, was aus Marshalls und ihren Ablegern von den 60ern bis in die 80er so angestellt wurde. Mit dem Gainboost und Gain auf Vollanschlag (beim Steavens: Reglerstellung 25) erhält man auch einen schön cremigen Leadsound à la Santana, das ist bereits so fett mit viel Fleisch, das man sich fragt, wieviel der "Meat" Channel noch drauf legen kann.
Der Meat-Channel ist von den Gainreserven ähnlich wie der Heat-Channel, der vielleicht 20% mehr gefühltes Gain liefert. Der Hauptunterschied der beiden Kanäle ist aber im Voicing, so gibt sich Meat offener und trockener, mit etwas mehr Fokus in den oberen Mitten, während bei Heat die Grenzfrequenz etwas nach unten rutscht. Heat schiebt auch kräftiger im Bassbereich und ist dort weniger "tight" als Meat. Beide Kanäle können von Scorpions, über Metallica bis Killswitch:Engage alle Gainvorlieben bedienen, und mit gekonnter Abstimmung von Gain, EQ und Boosts lassen sich unzählige Soundvarianten abrufen. Mit allen drei Boosts im Heatkanal geht dann so richtig die Post ab und Steve Vai hätte sicher ebenso Freude an diesem Sound wie Mikael Åkerfeldt von Opeth. Bei 2/3-Stellung im Heat-Kanal ist auf dem Frontpanel der Ausspruch "go nuts!" aufgedruckt, und das ist beileibe kein leeres Versprechen! Das Sustain ist schier endlos und die einzelnen Töne kippen leicht in die Harmonische, wobei allerdings der Grundcharakter stets dynamisch und transparent bleibt. Erst bei ohrenbetäubenden Lautstärken wird die Response hier weicher und elastischer, ähnlich wie bei einem Soldano SLO100, der auch aufgedreht werden muss, um vom Rauhbein zur Cream Machine zu mutieren - Schlafzimmerrocker sollten sich da besser einen guten Attenuator zulegen, oder eben mit der etwas härteren Ansprache bei kleineren Lautstärken glücklich sein. Also ohne zu überteiben: da ist dem Herrn Stephan wirklich meisterliches gelungen!
Fazit:
Mit 4 Kanälen, 3 Boosts und 2 Mastern sind die Kombinationen an Sounds beim Poundcake bereits ohne irgendwelche Regleränderungen schier endlos. Die sehr effektiv arbeitende Klangregelung und das dynamische Verhalten gegenüber verschiedenen Gitarren, Kabeln, Röhren und Lautsprecherboxen tun das ihrige, um dem Steavens einen Platz ganz oben in der Rangliste der vielseitigsten Amps zu garantieren. Dabei meistert er alle Disziplinen mit Bravour, und hat keine Schwächen. Man vermutet bei einem solchen Highgain Amp vielleicht einen mittelmäßigen Cleankanal oder charakterlose Crunch sounds, dem ist jedoch nicht so. Ich werde meinen Ampfuhrpark nun abspecken, denn mit dem Steavens bin ich bedient (Triamp MkII-Interessenten bitte melden :O). Er meistert die Anforderungen beim Recording sowie mit der Top40 Band, als auch der Metalband mit Bravour. Fazit: Meisterstück mit Suchtfaktor, absolut professioneller Performance und dabei einer erfrischend eigenen klanglichen Note im Gesamtangebot der Highgain-Mehrkanaler!
PRO
+Sound
+Dynamik
+Transparenz
+Druck und Lautstärke
+Vielseitigkeit
+Viele klangformende Boostfunktionen
+Effektloop (Klang & Funktion)
+Midi und mitgelieferter Fußschalter
CONTRA
-Kein allgemeines Mastervolume (ausser bei Nutzung des Loop)
-Midicontroller (außer dem mitgelieferten Fußschalter) nur via Adapterkabel nutzbar
-Optik könnte edler sein (ist aber subjektiv)
Videos
Anm: Die Videos dienen nur als Richtschnur um die klangliche Vielfalt zu demonstrieren. Sie sind nicht mit professionellem Equipment vertont und auch die Lautstärke bei der Aufnahme war nicht auf einem Level, der das klangliche Potenzial des Amps komplett erschließt. Bitte dies beim Anhören zu berücksichtigen. Die Videos habe ich in Englisch kommentiert, hoffe das ist Ok so.
>>>Video 1: Intro & Clean-Channel<<<
>>>Video 2: Crunch-Channel<<<
>>>Video 3: Meat-Channel<<<
>>>Video 4: Heat-Channel<<<
>>>Video 5: Meat & Heat Channel (alternativer Take)<<<
Gutshots:
- Eigenschaft