August, der einst Starke

Katz23
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Ende Juli geschrieben: das Lied vom August (einst Kurfürst von Sachsen, König von Polen). Hat einen autobiografischen Hintergrund, aber steht auch für sich.
Hier wäre mein royaler Beitrag, @x-Riff ;-)

August, der einst Starke

Mein König, hier in Quarantäne
krallst dich an die Sessellehne.
Das Personal in weiß
ignoriert deine Befehle.

Du siehst die Geister an den Betten
und im Kompott die Tabletten,
spuckst du wieder aus, vom Haus
den Fluchtplan studierst du akribisch,
malst ihn auf die Essenmarke.
August, der einst Starke.
Dein Reich hinter der Tür,
einer Geschlossenen.

Bleib lieber hier als einer der Irren,
die Welt da draußen wird dich nur verwirren.
Bleib lieber hier, bleib lieber drinnen.
Ich vermute nämlich draußen, die spinnen
mit Fäden und Stricken ein Netz, eine Falle.
Bleib hier bei mir und geh nicht, wie alle.

Die Weltformel in deinem Kopf
aus den Schläuchen am Tropf
ist in Sekunden verschwunden
bevor du sie notierst, Fixierst.
Dein Boden beginnt zu schwanken.
Es knarren und brechen die Planken,
Bullaugen beobachten dich,
Dein Thron, dein Reich, dein Schiff!

Und dann eine Flaute, der Wind
streicht die Segel, sinkende Pegel
im Fluss-Bett liegst du im Einzelzimmer.
In deinen Augen ein blasser Schimmer.

Bleib lieber hier...

Mein König, bist entlassen
und gehst als einer der blassen
Rehabilitierten
Befehle auszuführen.
 
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Ein starker Text!

Ein zentrales Bild (dazu später mehr), aus dem sich die Situation der beschriebenen Person erschließt, seine Emotion, die Ausweglosigkeit, die Tragik als den Fall aus höchsten Höhen in tiefste Tiefen.

Was mich beim nochmaligen Lesen irritiert, ist die gewollte (?) Vielfigurigkeit der Person. August, der (einst) starke als historische Gestalt, tatsächlich mächtig, zum einen. Möglicherweise auf dem Krankenbett, aber doch wohl nicht Insasse einer geschlossenen Anstalt. Oder doch? Dann aber ist es nicht ein weltlicher Herrscher, sondern ein (verkanntes) Genie, das dort einsitzt - ein Anklang an das Drama von Dürrematt - die Physiker? Modern dann die Entlassung am Ende - ein Rehabilitierter, Genesener, aber Angewiesener auf Leitung und Führung.
Das sind mir zu viel der gelegten Spuren (vielleicht unabsichtlich?).

Braucht es die historische Figur? Oder ist es der Insasse, der sich als August der Starke fühlt? Und mal dann als Besitzer der Weltformel? Finde ich Hinweise darauf im Text - dass es sozusagen um einen Menschen geht, der gleich unter mehreren, sich abwechselnden Wahnvorstellungen leidet? Oder grüble ich zu viel?

Fast finde ich Hinweise anderer Art zu viel: Ich bräuchte nicht den Hinweis "einer geschlossenen" am Ende der zweiten Strophe - fast fühle ich mich hingeschubst, als würde mir nicht zugetraut, es mir selbst zu erschließen.

Was mich verwirrt: Das Lyrische Ich - offensichtlich ein Mitinsasse ungenannten Geschlechts, der nicht möchte, dass August entlassen wird. Aber dieser sitzt doch in einem Einzelzimmer? Woher der Kontakt und die vielen Beschreibungen? Und ich stelle mir vor: Eine Person, die eine andere abhalten will, nach draußen in die Normalität zu gehen, wird stärkere Worte wählen als "Ich vermute nämlich ..." - das wird nicht als Vermutung, sondern als Gewißheit geäußert, denke ich mir ...

Ein starker Text, der in seiner jetzigen Fassung Rätsel bei mir hinterläßt. Nicht eine gewünschte Offenheit der Interpretation - tatsächliche Rätsel im Sinne von Unstimmigkeiten.

Vielleicht bin ich da aber auch noch zu wenig drin im Text und brauche noch ...

x-Riff
 
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Danke für dein fundiertes Feedback.
Braucht es die historische Figur?
Nein. Es ist bloß eine Maske. Ursprünglich war der Text in der Ich-Form. Das war aber zu heavy, weil tatsächlich mehrere Personen (aus der Geschlossenen) zu einem LI zusammengefügt wurden. Der König resultiert aber aus einer der inkludierten Persönlichkeiten. Ich gebe zu es könnte sich auch um ein Ablenkungsmanöver handeln um den Leser/Hörer in eine ähnlich verwirrende Situation, wie den/die Insassen zu bekommen.

Und ich stelle mir vor: Eine Person, die eine andere abhalten will, nach draußen in die Normalität zu gehen, wird stärkere Worte wählen als "Ich vermute nämlich ..." - das wird nicht als Vermutung, sondern als Gewißheit geäußert, denke ich mir ...
Schwachpunkt entdeckt. Mit der Stelle bin ich auch noch nicht zufrieden. Es soll mehr so ein "verschwörerisches, paranoides Vermuten" sein.

Und nachdem was zur Zeit in Chemnitz abgeht (ist nur 20 min von uns) bin ich versucht den Text in eine noch andere Richtung zu drehen. Aber das Kunststück wäre ne Nummer zu groß...
 
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Wenn es sozusagen um eine multiple Persönlichkeit geht, würde ich den Titel ändern - weil der lenkt den Fokus auf eine Person: August, den (einst) starken.

Das ist ganz schön dicht, dann - könnte aber klappen.
Schwachpunkt entdeckt. Mit der Stelle bin ich auch noch nicht zufrieden. Es soll mehr so ein "verschwörerisches, paranoides Vermuten" sein.
Könnte auch klappen - aber insgesamt wird das Lyrische Ich nicht beschrieben, noch nicht mal als Selbstbeschreibung ... da gibt es eigentlich nur eine Stimme ... da könnte ich mir auch eine kurze, nebensätzliche Charakterisierung vorstellen, die motivisch etwas freilegt ...

Und nachdem was zur Zeit in Chemnitz abgeht (ist nur 20 min von uns) bin ich versucht den Text in eine noch andere Richtung zu drehen. Aber das Kunststück wäre ne Nummer zu groß...
Kann ich mir gerade schwer vorstellen, das da reinzunehmen ... aber Phantasie war noch nie meine große Stärke (flöt ...).

Aber Chemnitz wäre tatsächlich einen Text wert - da steckt sehr viel drin, exemplarisch und real ... da geht von einer kleinen Skizze bis zu einem Panorama eigentlich alles ...

x-Riff
 
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Schön wie die beschriebene Person immer tiefer gezogen wird. Beste: "Es knarren und brechen die Planken".

Was mich verwirrt: Das Lyrische Ich - offensichtlich ein Mitinsasse ungenannten Geschlechts, der nicht möchte, dass August entlassen wird.
Ich persönlich kann den Text gut konsumieren, ohne das ich erfahren will, wer das erzählt. Also, ich will nicht sagen das du falsch liegst. Ich find' halt nur den Sog welchen der Untergang des Königs erzählt, klasse.

Anm.: Die letzten 4-Zeilen wären für mich aber doch zuviel. Ich würde das Ende offener halten.

Anm2.:
Ich gebe zu es könnte sich auch um ein Ablenkungsmanöver handeln um den Leser/Hörer in eine ähnlich verwirrende Situation, wie den/die Insassen zu bekommen.

Wieso Ablenkung? So kommt der Text bei mir aber an. Jetzt bin ich der Verwirrte. Dem es bangt das er sich irrte.

Anm.3: Ein Referenz auf Chemnitz würde ich damit nicht machen.
 
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Wenn es sozusagen um eine multiple Persönlichkeit geht
Nein, das ist es nicht - ich habe bloß Eigenschaften und Taten von meheren Personen in einer vereint. Das ist wirklich sehr dicht, aber ich wollte es dadurch zuspitzen und die Zuhörer nicht unbedingt zu psychatrischen Diagnosen verleiten (die kann man zwar finden, aber bleiben difuss)

Danke @Ikone, die Sache mit dem Sog war wohl eines meiner Hauptanliegen.
Wieso Ablenkung? So kommt der Text bei mir aber an.
Den König, meinte ich mit Ablenkungsmanöver.
Anm.: Die letzten 4-Zeilen wären für mich aber doch zuviel. Ich würde das Ende offener halten.
Ach, da hab ich mich so gefreut einen Bogen zur Einleitung wieder herzustellen mit den "Befehlen".

Ich bin noch nicht vollends zufrieden und hoffe, dass sich mit der musikalischen Umsetzung noch einiges klärt (Musik ist in Arbeit)
 
Das Ende schließt den Bogen - und drückt Hoffnungslosigkeit aus: denn auch die Entlassung in das, was man Freiheit nennt und wohl die Hoffnung all derer ist (vielleicht bis auf das erzählende Ich), bedeutet, Befehlsempfänger zu sein / zu bleiben.

Insofern: unliebsame Konsequenz, aber folgerichtig. Und düster.

Quasi das Gegenteil des Schlussbildes vom großartigen Film mit Jack Nicholson "Einer flog über das Kuckucksnest".

Ohne die letzte Strophe bliebe die Spannung bei der Frage, ob der König gehen soll bzw. gehen kann oder sich zum Bleiben entschließt, wie das LY ihm einflüstert. Und das ist eine gänzlich andere Frage.

Was die aus verschiedenen, auch körperlich verschiedenen Personen zu einer phantasiehaft verschmolzenen Königsfigur angeht: Weiterhin eine Herausforderung beim Verständnis - aber nirgendwo ist die künstlerische Freiheit größer als in der geschlossenen Abteilung ... also insofern: gut.

Bin wie immer gespannt auf die musikalische Umsetzung, wahrscheinlich im bewährten Team.

x-Riff
 
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Ach, da hab ich mich so gefreut einen Bogen zur Einleitung wieder herzustellen mit den "Befehlen".

Joa. Wie du magst :) ... Ich hatte das beim "Blanken brechen" im Kopf ... [EDIT: Durch den Sog des vorrangegangen Textes auch mit erlebt/gefühlt]

O7wrYL@facebook.gif


August, egal. König als Figur, egal. Einen der sich für einen König hält, perfekt.

[EDIT: Mit dem Ende nimmst du halt bissi Dramatik raus, weil du ein gemäßigtes wählst. Ohne, klingt deine Geschichte nach Edgar Allen Poe, seine Sachen mag ich. Das Ende deckt mir zuviel auf.[/EDIT]
 
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