Aspekte der aktuellen Klavierausbildung

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Christian_Hofmann
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Ausgelagert aus "Erfahrungen mit intuitivem Klavier-/Keyboard spielen" nach Beitrag 144.

Im Rahmen Familienabend oder Oma und Opa beeindrucken muss der Rhythmus und Technik wohl nicht stimmen. Da reicht es ein Youtube Tutorial einigermaßen nachahmen zu können. Nur wird man so musikalisch eben keine Perspektive haben.

Wir haben in unserer Gemeinde eine Band, die haben einen Klavierspieler gesucht, da sind einige gekommen die über diverse Online Schulen/Programme gelernt haben. Werde-Musiker, Openmusic Shool, Zapiano und wie sie noch alle heißen, sogar einer aus einer Fernschule. Einige haben Solo zwar brauchbar gespielt, aber dann in der Gruppe wo gemeinsam gespielt werden muss, da war dann Schluss. Man muss natürlich fair sein und sagen, dass wohl alle am Anfang brauchen um gemeinsam musizieren zu können. Aber da waren ja keinerlei Grundlagen vorhanden auf die man aufbauen konnte.
 
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Sind diese Schulen das Resultat einer geselschaftlichen / technischen Entwicklung oder resultiert aus den Schulen eine gesellschaftliche / technische Entwicklung?

Wahrscheinlich beides.

Trotzdem folgt für mich aus vielen persönlich beobachteten Entwicklungen, dass Kunst niedergeht. Diese Schulen sind nur erkennbare Zeichen von einer tiefgreifenden Entwicklung.
Irgendwie will man zwar noch handgemachte Musik und genau wissen, wie es geht. Andererseits wird die Nachfrage nach großer Kunst immer geringer und die nach oberflächlichen, künstlich erzeugten Markterscheinungen immer größer.

Oder täuscht das? Ist mein Horizont zu klein?

Nachdem ich dies schrieb ging ich an meine nächste Aufgabe und stosse ganz zufällig auf folgendes:

Wie das abläuft, erklärt Musikproduzent Tim: "Spotify wertet einen Stream ab 30 Sekunden. Sprich: Ist ein Song länger als 30 Sekunden, dann gibt es nicht mehr Geld, als wenn er nach 30 Sekunden endet. Deshalb ist es rein wirtschaftlich betrachtet für Künstler besser, den Song kurz zu halten, damit er öfter gehört wird.
 
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Oder täuscht das? Ist mein Horizont zu klein?
Ich würde behaupten, dass du dich täuscht obwohl du recht hast :poop:

Ich denke aus meiner Erfahrung heraus dass es auf den Kontext ankommt. Heute ist Musik für jeden verfügbar, früher musste man privilegiert gewesen sein um Musik genießen zu können, genau so musste man privilegiert gewesen sein um das musizieren zu lernen. Dann kam irgendwann auch mit dem Harmonium die Möglichkeit für Familien Zuhause zu musizieren, konnte sich natürlich nicht jeder leisten. Aber wer es konnte hat das Instrument gelernt und die Wohnzimmer waren Treffpunkte der aktiven Hausmusik. Dann später kam das Cembalo und Klavier als Instrument für Zuhause zu erschwinglichen Preisen.

Heute haben im Grunde alle bei uns Zugang zu Musik und zum musizieren zu jeder Zeit. Der Gebildete Zuhörer, genau so wie der weniger gebildete Zuhörer. Je nach Bildung hat der Zuhörer ja einen anderen Anspruch an Musik. Vermutlich gibt es die Bezeichnung Ideotenmusik nicht zu unrecht. Warum sollte sich also ein Anbieter von Musik auf die 10% derer konzentrieren die hochwertige und gute Musik hören wollen, wenn man mit den 90% mehr verdienen kann bei quasi keinem Aufwand? Dem ungebildeten Zuhörer kann man quasi alles als Musik verkaufen und genau das wird ja von vielen so gemacht.

Bewegt man sich weiter in den Kreisen die eine gewisse Geistige und Persönliche Entwicklung und Reife besitzen, dann wird man dort auch weiterhin gute Musik von schlechter unterscheiden können und auch gute Musik fordern. Nur eben die große Masse der Konsumenten mit denen sich leicht sehr viel Geld verdienen lässt ist dumm und gibt sich mit einfachen zufrieden.

Zumindest konnte ich bei einem Sinfonieorchester oder einer großen Oper bisher noch keinen Mangel an Fachkundigen Zuhörer feststellen. Im Bierzelt hingegen grenz das zu dem viele singen eher an Körperverletzung... Inhaltlich und Musikalisch.
 
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Naja, ich würde das alles nicht werten wollen, kein gut oder schlecht, dumm oder schlau und so.
Jedem was ihn anspricht.
Ich wollte nur auf den Grund der vielen Privatschulen hinaus, die eben schnelle Erfolge versprechen.
Zu einem kulturellen Bildungsauftrag gehört einiges mehr, aber das Umfeld ist nicht gerade förderlich.

So ... ich unterrichte jetzt online im 5-Tonraum - weil es gebucht wurde ... :LOL:
 
kein gut oder schlecht, dumm oder schlau und so.
Ja, natürlich ist alles sehr einfach betitelt von mir und die Wahrheit ist sehr viel komplexer. Aber darüber wie sich persönliche Entwicklung, Bildung und Lebensumstände auf so etwas auswirken wäre wohl genügend Material um ganze Bücherschränke zu füllen. Da muss man wohl in diesem Rahmen bei Schwarz und Weiß Darstellungen bleiben.
 
So ... ich unterrichte jetzt online im 5-Tonraum - weil es gebucht wurde ... :LOL:
Du machst also auch mit ;)

Zumindest konnte ich bei einem Sinfonieorchester oder einer großen Oper bisher noch keinen Mangel an Fachkundigen Zuhörer feststellen.
Viele kleine Konzerthäuser haben ganz schön zu knabbern, Orchester werden zusammengelegt ...

Das kann natürlich auch mit an den Spielplänen und verkorksten Inszenierungen liegen. Ich gehe inzwischen nur noch extrem selten in die Oper, weil mich die Inszenierungen nerven und es mir dafür zu teuer ist.

Ob nun insgesamt weniger oder mehr Leute Instrumente spielen und auf welchem Niveau, können wir hier sicher nicht beurteilen. Einerseits ist der Einstieg durch Online-Angebote einfacher, andererseits sinkt die Qualität.

Auch an der hiesigen Musikschule ist die Qualität des Unterrichts nach meiner Erfahrung extrem unterschiedlich. Es ist totaler Zufall, an wen man gerät, und wenn die Eltern keine Ahnung haben, kann ich mir gut vorstellen, dass große Talente am Lehrer scheitern. Die Stories gehören nicht in diesen Thread, aber ich habe da in der eigenen Familie sowohl sehr positive als auch sehr negative Beispiele erlebt.

Ob das früher besser war? Ich weiß es nicht. Vielleicht ist die Bereitschaft zu konzentriertem Arbeiten über Jahre - auch wenn es nicht immer Spaß macht - gesunken? Andererseits gibt es auch heute immer wieder Musikerinnen/Musiker, wo ich die Ohren anlege und nur noch staune.

Und es gibt andere Arten, Musik zu machen, mit Sequenzer, Homestudios, Rapper ... die man auch nicht vergessen sollte. Die hören wir vielleicht nicht so täglich, aber auch da sind talentierte Menschen unterwegs, die sonst vielleicht Schlagzeug oder Tuba gespielt hätten.

Wo ich Dir zustimme und es wirklich verbesserungswürdig finde, ist, dass in "bildungsnahen" oder bürgerlichen Familien viel mehr Kinder an ein Instrument kommen. Hier müsste die Schule was bringen ... tut sie aber nicht, bis auf wenige Ausnahmen.
 
Ob das früher besser war? Ich weiß es nicht.
Zumindest aber war die Mehrheit der Schüler noch motiviert auf ein langfristiges Ziel hinzuarbeiten. Heute muss alles sofort sein. Die Bestellung muss am selben Tag da sein, die Pizza muss binnen weniger Minuten da sein und wenn jemand ein Instrument lernt, dann will er einige Tage später seine Tournee beginnen... Bei vielen kommt dann die Ernüchterung, dass es eben nicht sofort geht und vor dem ersten kleinen Erfolg vor Zuhörer erst einmal im Zweifel viele Jahre und hunderte bzw. Tausende Stunden Übung stehen. Dann werfen viele ihr Handtuch und die Lehrer und Schulen passen sich eben an und versuchen Konzepte anzubieten die schneller sind. Aber es gibt eben Dinge die man nicht in wenigen Tage erreichen kann. Wir haben heute für Kirchenmusiker die ihre Prüfung mittelmäßig bestanden haben mit einer Leistung die zu meiner Zeit nicht einmal für die Aufnahmeprüfung gereicht hätten....

Dann muss man sich auch nicht wundern, wenn die Ergebnisse der Vorträge immer schlechter werden.
 
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und wenn jemand ein Instrument lernt, dann will er einige Tage später seine Tournee beginnen... Bei vielen kommt dann die Ernüchterung, dass es eben nicht sofort geht
Die Musikschulen bedienen das sogar. Es wird immer häufiger, dass eine Musikschule funktioniert wie eine Agentur.
Anfragen von Altersheimen bis Landratsämtern ... Schüler sollen spielen, 45-60 Minuten. Paar Euro sind vielleicht möglich.

Und die Musikschulen machen das!!!

Die Kleinsten, wo man dann staunt, was nach 4 Monaten zu Weihnachten schon alles geht über Tanzgruppen nach Playbacks bis hin zum 6 Jahre lernenden Könner wird alles verheizt.

Das ist teils mörderisch, weil selten Zeit bleibt um langfristigere Entwicklungsziele zu verfolgen, andererseits auch nicht ganz schlecht, weil Auftreten irgendwie dazu gehört. Die Online Schulen fordern keine Leistungen ab. (Oder irre ich mich?)
 
Zumindest aber war die Mehrheit der Schüler noch motiviert auf ein langfristiges Ziel hinzuarbeiten.
Weiß nicht ... "früher" waren doch auch 80% der Schüler nicht wirklich motiviert, oder?

Ich bin ja noch in der DDR unterrichtet worden.
Bei uns in der Stadt gab es eine Musikschule und ein sog. Musikunterichtskabinett, wenn ich mich recht erinnere.
Im "Kabinett" war's mehr so lala, die Schüler spielten, was Spaß machte.
An der Musikschule wurde mehr Leistung abgefordert, jährliche Prüfung mit Kommission und Note, dazu Musiklehre und Chor einmal wöchentlich. Später bei entsprechender Leistung Doppelstunde, Zusatzangebote wie Kompositionskurs, Liedspiel, Zusammenarbeit mit der Hochschule. Das war schon bisschen wie Leistungssport.
Ob der Klavierunterricht nur bei meiner Lehrerin so straff war, kann ich nicht beurteilen, es war auf jeden Fall nicht nur for fun ;) und sie hat sich dann auch mit Förderung sehr ins Zeug gelegt. Da war sicher viel persönliches Engagement auch dabei. Aber es wurde definitiv an der Musikschule so ein "Fördern und Fordern" Konzept gefahren.

Und es gab einen Lehrplan soweit ich weiß, ähnlich wie heute ABRSM, was man im Jahr x so ungefähr spielen sollte.

Heute muss man glaube ich mehr Glück haben mit dem Lehrer oder sich eben kümmern, sprich die Eltern müssen irgendwie beurteilen, ob der Lehrer/-in gut ist.
Dazu kommt, dass die Musikschule hier viele gerade mal Absolventen beschäftigt - an sich nicht schlecht, aber viele gehen nach kurzer Zeit weg, weil sie eine Stelle bekommen, so dass manche Schüler alle ein zwei Jahre oder kürzer Lehrerwechsel haben.

Ich kenne keine Statistik, die solche Aussagen wie die von Dir, Christian, wirklich belegt. Vermutlich sind auch heute vielleicht 5% oder weniger richtig gut und intrinsisch motiviert. Ein Teil ist dann noch musikalisch, aber faul, oder haben das falsche Instrument erwischt, und dann die vielen, wo die Eltern wollen und das Kind sich dann ein paar Jahre zum Unterricht begibt und am Tag vorher 15 min übt.

Ich weiß nicht, ob es nun besser ist, straffe Disziplin durchzusetzen, damit die Kinder was lernen. Wenn es mit einem guten Lehrer über Motivation funktioniert, kann man auch was fordern. Aber der Spaß an sich und der Lernwille muss schon da sein. Andererseits macht es heute vielleicht mehr Spaß mit den neueren Stücken im Gegensatz zu Jürgen Golle oder Siegfried Borris-Stücken, brrrr. Und das gleicht sich am Ende vielleicht aus.

Immerhin sind die Musikschulen ja zumindest hier total ausgelastet. Was nichts über die Qualität des Unterrichts aussagt, aber das Interesse scheint dazusein.
Beitrag automatisch zusammengefügt:

Anfragen von Altersheimen bis Landratsämtern ... Schüler sollen spielen, 45-60 Minuten. Paar Euro sind vielleicht möglich.
Ist ja an sich nicht verkehrt. Bühnenpraxis ist immer gut. Und die ersten selbstverdienten Euronen sind doch eine tolle Erfahrung.
Darf natürlich nicht überhand nehmen.
 
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Ich weiß nicht, ob es nun besser ist, straffe Disziplin durchzusetzen, damit die Kinder was lernen.
Ich habe mich ohne es zu sagen nur auf Erwachsene bezogen, die aus freien Willen heraus ein Instrument lernen möchten. Kinder und Eltern beim üben hatten wir ja glaube ich in anderen Threads schon und die waren nicht so gut gelaufen...


Schüler sollen spielen, 45-60 Minuten. Paar Euro sind vielleicht möglich.
Das ist eigentlich ziemlich mies so was. Wenn ich für eine Veranstaltung 45-60 Minuten gutes Spiel vorbereiten will, dann fange ich schon einige Wochen bis Monate vorher an mich vorzubereiten. Selbst für sehr erfahrene Spieler ist es eine echte Herausforderung ein qualitativ gutes Programm für diese Zeitspanne zu erarbeiten und noch viel schwerer ist es unter dem Druck des Vortrags auch diese Dauer durchzuhalten. Da sind wir eigentlich in einem Bereich den ein Schüler nicht realistisch abdecken kann.
 
Wenn ich für eine Veranstaltung 45-60 Minuten gutes Spiel vorbereiten will,...
Ich denke, hier geht es nicht um Solokonzerte. Vorspiele der Musikschule kenne ich seit Jahrzehnten und da muss kein Schüler allein ein regelrechtes Programm stemmen. Natürlich dauert die Veranstaltung schnell eine gute Stunde, auch wenn die einzelnen Schülern nur "ihr Stück" spielen, das zudem recht kurz ist, wenn sie noch klein sind.
Soweit ich das gesehen habe, sind diese Veranstaltungen für die Kinder und Eltern eine schöne Sache.
Einen erweiterten Rahmen kenne ich auch, da spielen jugendliche Musikschüler in kleinen Ensembles einmal im Jahr verteilt über verschiedene Plätze der Innenstadt.

Gruß Claus
 
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Wenn ich für eine Veranstaltung 45-60 Minuten gutes Spiel vorbereiten will, dann fange ich schon einige Wochen bis Monate vorher an mich vorzubereiten.
Das ist doch was anderes. Die Kids spielen die Stücke, die sie sowieso üben, und haben dadurch die Motivation, das nochmal richtig zu üben. Das motiviert schon anders, als wenn nur die Lehrerin zuhört.

Aber es gibt eben Dinge die man nicht in wenigen Tage erreichen kann. Wir haben heute für Kirchenmusiker die ihre Prüfung mittelmäßig bestanden haben mit einer Leistung die zu meiner Zeit nicht einmal für die Aufnahmeprüfung gereicht hätten....
Das sind jetzt aber zwei verschiedene Dinge. Wir hatten über schnell-schnell-Onlinekurse gesprochen, die natürlich nicht funktionieren.

Aber warum bestehen die von Dir erwähnten Leute ihre KiMu-Prüfung mit so geringen Leistungen?

Die Gründe vermute ich eher darin, dass Kirchenmusik von der Kirche oft sträflich vernachlässigt wird. Kantoren werden unterirdisch bezahlt, ihre Stunden gekürzt. (Dabei gehe ich eigentlich zu 99% wegen der Musik in die Kirche - was der Pfarrer erzählt, ist in den wenigsten Fällen erbaulich.) Und dann die Kirche an sich wahrscheinlich als Arbeitgeber und Lebensinhalt in den letzten Jahren auch unattraktiver geworden.
Meine persönlichen

Die Auswahl an guten Bewerbern wird also vermutlich geringer.
 
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Einige haben Solo zwar brauchbar gespielt, aber dann in der Gruppe wo gemeinsam gespielt werden muss, da war dann Schluss.
DAS kann durchaus ein Aspekt der zahlreichen "alternativen Pfade" zur Instrumentalausbildung interpretiert werden. Auch das Spielen zu einem Video ist ja nicht die der Interaktion mit anderen MusikerInnen gleichzusetzen. Ich hatte meinen Gitarrenunterricht vor Ewigkeiten (nach Noten) in der Gemeinde, da wurde dann im Gitarren- oder gemischten Ensemble (mit Flöten) mehrstimmig musiziert (Zeitschrift für Spielmusik u.a. aus der Richtung). Das erlaubte mir trotz gar nicht so guter individueller Instrumentaltechnik lange Zeit später das Musizieren in Band und "klassischem Ensemble".
KiMus "leiden" meiner Erfahrung ab und zu am "Hospitalismus am Orgeltisch" oder an "Allmachtsphantasien";-) Dass da ein Tempo durchgehalten wird, ist selten, egal, ob bei der Orgelbegleitung oder im Chor... Ich bin da vo meinem Ensemble kommend immer sehr irritiert (damit Agogik als solche wirkt, muss man erstmal ein konstantes Tempo können...)
 
Dass da ein Tempo durchgehalten wird, ist selten, egal, ob bei der Orgelbegleitung oder im Chor... Ich bin da vo meinem Ensemble kommend immer sehr irritiert (damit Agogik als solche wirkt, muss man erstmal ein konstantes Tempo können...)
Das ist schwierig, jeder Spieler hat sein eigenes Tempo und jede Gemeinde hat ihre eigene Art die Lieder zu singen. Begleitung nach Metronom funktioniert da nicht und die Notenlängen sind ja auch eher Orientierung. Die Tonlängen hängen überwiegend von Text ab. Daher singen die Orgelspieler meist auch selbst beim Spielen mit. Davon abgesehen richtet sich das Tempo auch stark nach der Orgel und dem Raum. Eine kleine Orgel in einer trockenen Akustik spielt man meist schneller, während die große Orgel im großen Gewölbe dann nur noch ein riesen disharmoniscger Brei ist bei diesem Tempo.

Ich bin allgemein der Meinung, dass heute zu schnell Orgel gespielt wird und die Lieder früher wohl langsam gespielt wurden. Alleine schon die Tatsache das historische Orgeln durch ihre Mechanik oft einen Tastendruck von 300-600 Gramm pro Taste haben spricht ja schon dafür, dass man da nur langsam spielen konnte, ohne sich die Finger zu brechen.


Die Gründe vermute ich eher darin, dass Kirchenmusik von der Kirche oft sträflich vernachlässigt wird. Kantoren werden unterirdisch bezahlt, ihre Stunden gekürzt. (Dabei gehe ich eigentlich zu 99% wegen der Musik in die Kirche - was der Pfarrer erzählt, ist in den wenigsten Fällen erbaulich.) Und dann die Kirche an sich wahrscheinlich als Arbeitgeber und Lebensinhalt in den letzten Jahren auch unattraktiver geworden.
Meine persönlichen
Ein zusätzlicher Punkt ist auch der Zustand der Instrumente. Nach unserem Kantor wird auch keiner mehr nachkommen. Zumindest keiner, der gut ist und es nicht zwingend nötig hat. Einer Orgel wurde der Totalschaden bereits 1825 attestiert und inzwischen ist nur noch das Oberwerk spielbar. Dort gibt es kein Register welches noch alle Töne hat und die Töne die noch klingen stimmen überhaupt nicht. Gestimmt werden können die Pfeifen auch nicht mehr. Die zweite Orgel hatte vor Jahren einen Wasserschaden und ist mit Glück nur von Oktober bis Mai spielbar. Die Orgeln auf den Dörfer sehen auch nicht besser aus.

Welcher kompetenter Musiker würde sich so etwas zumuten? Welcher Nachwuchs würde da üben wollen? Die Musik spielt in vielen Gemeinden keine Rolle mehr. Es wird immer gesagt, dass niemand dafür da ist, die Gründe sind aber nicht die von mir beschriebenen...
 
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Das ist schwierig, jeder Spieler hat sein eigenes Tempo und jede Gemeinde hat ihre eigene Art die Lieder zu singen.
Und jedeR KantorIn auch;-)
Davon abgesehen richtet sich das Tempo auch stark nach der Orgel und dem Raum. Eine kleine Orgel in einer trockenen Akustik spielt man meist schneller, während die große Orgel im großen Gewölbe dann nur noch ein riesen disharmoniscger Brei ist bei diesem Tempo.
Klar, aber mir ging es nicht um das Grundtempo, sondern um die nicht wirklich motiviert erscheinenden Temposchwankungen innerhalb eines Chorals.
Ich bin allgemein der Meinung, dass heute zu schnell Orgel gespielt wird und die Lieder früher wohl langsam gespielt wurden. Alleine schon die Tatsache das historische Orgeln durch ihre Mechanik oft einen Tastendruck von 300-600 Gramm pro Taste haben spricht ja schon dafür, dass man da nur langsam spielen konnte, ohne sich die Finger zu brechen.
+1
Welcher kompetenter Musiker würde sich so etwas zumuten? Welcher Nachwuchs würde da üben wollen? Die Musik spielt in vielen Gemeinden keine Rolle mehr. Es wird immer gesagt, dass niemand dafür da ist, die Gründe sind aber nicht die von mir beschriebenen...
Jemand, der mit der Gegend "verheiratet" ist. - Tatsächlich scheinen einige Gemeinden hier in HH und Umland durch die Musik eher zusammengehalten zu werden.
 
KiMus "leiden" meiner Erfahrung ab und zu am "Hospitalismus am Orgeltisch" oder an "Allmachtsphantasien"
Ich wollte noch etwas ergänzen :)

Was ich in den Kirchen (ich arbeite in einer Kirchengemeinde) auch immer schrecklich finde, ist diese Eintönigkeit der Kirchenmusik in der Liturgie. Ich gehe in einen Gottesdienst und höre das die Stücke von Bach, die Choräle nach Bach harmonisiert. Dann kommt zur Abwechslung noch ein Stück von Bach und dann hat man nach einer Woche Veranstaltungen BWV 1 - BWV 1126 gehört. Damit es nicht in der kommenden Woche langweilig wird, könnte man ja noch einmal Bach spielen und dann nehmen wir zur Abwechslung noch einmal für alle die es nicht mögen eine Variation von Bach...

Ja, die Stücke sind gut und man kann seine Leistungen nicht kleinreden, aber es gibt doch noch so viel mehr an Komponisten und Interpretationen. So toll ein Bach auch sein mag, nach dem dritten Stück wird es irgendwie Öde. Döner schmeckt ja auch gut, dreimal am Tag für eine Woche Döner ist nicht toll.

Was ich sagen will, ist ganz einfach das Kirchenmusik ja nicht schlecht ist. Die Melodien der Lieder sind oft sehr schön. Man kann aber so viel mehr daraus machen als die gewöhnliche Spielweise nach Bach im Gottesdienst. Die normale Musik im Gottesdienst ist ja meist einfach nur langweilig und überall gleich. Es ist selten, dass kreativer an die Sache ran gegangen wird. Es gibt Chorfantasien in unendlicher Menge, die sich hinter einem BWV wirklich nicht verstecken müssen, praktisch haben die aber keine Relevanz.

Gut mit kreativen Umgang meine ich jetzt nicht wie Dienter Bohlen, der aus Hilf Herr meines Lebens ein eigenes Stück macht :) https://kukikblog.wordpress.com/2021/08/01/hilf-herr-dieter-bohlen/
 
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Heute morgen war in DR Kultur die erste Sendung einer monatlichen Serie zum Thema 500 Jahre Evangelische Gesangbücher zu hören, mit sehr interessanten Chorsätzen, die auch mal nicht von Bach kamen.....

BTT: Wir kamen über die Individualisierung des Lernens, des mangelnden Lernens von Zusammenspiel und dann über Kirchenmusik zu Bach. Ach so, der Threadtitel ist "aktuelle Klavierausbildung". Das ist nicht unbedingt mit Bach gleichzusetzen. Zeigt aber wie viel Tradition in der Musikausbildung steckt. Für mich ist die Frage, was gegenüber früherer Klavierausbildung neu gemacht werden muss.
Das sind - jenseits der Änderung der Schüler-Lehrer-Konstellation - fachlich folgende Punkte:
- Erweiterung des harmonischen Umfelds
- Erweiterung des Rhythmischen (Balkan, "Weltmusik")
Aber das sind Dinge, die auch schon seit 50 Jahren und länger klar sind. Vieles findet sich schon bei Bartok. Und ob/dass neuere Konzepte didaktisch besser sind, ist mir nicht wirklich klar. Aber da haben wir (P.S.: als Familie) auch mit der Russischen Klavierschule und Tastenträume aufgehört.
Erweiterte elektronische Funktionen (Looper, ...) sind spannend, aber für mich nicht unbedingt Teil der Klavierausbildung.
 
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Für mich ist die Frage, was gegenüber früherer Klavierausbildung neu gemacht werden muss.
Ich würde schauen, was hat sich etabliert und ist gut und was ist heute nicht mehr zeitgemäß. Aber es ist eben schwierig. Jemand der später in einem Orchester spielen will, der braucht andere Fähigkeiten als jemand der im einer Band spielt. Klassik ist anders als Popularmusik. Wobei auch Klassik und Popularmusik durchaus auch von den Regeln unterschiedlich funktionieren. Ich als klassisch ausgebildeter Orgelspieler bekomme eine Krise, wenn ich Sätze sehe und höre die im popular Bereich angesiedelt sind und jüngere die den Orgelspieler in der Popularmusik gemacht haben, die schütteln den Kopf über meine Sätze aus dem achtzehnten Jahrhundert...

Nur wie will man am Anfang wissen, welcher Weg gegangen wird? Man braucht also eine gemeinsame Grundlage. Noten als Beispiel funktionieren ja überall gleich.

Ich hatte damals mit dem Spielen angefangen, weil ich Moderne Musik spielen wollte. Irgendwie bin ich dann aber bei den alten Klängen hängengeblieben. Das sehe ich aber oft. Jemand lernt ein Instrument mit der Idee Schlager spielen zu wollen und nach fünf Jahren ist er bei Punk oder so gelandet. Vielleicht auch, weil man erst mit den eigenen Möglichkeiten verschiedenes probiert und seine eigenen Vorlieben dabei entdeckt. Nur kann eine klassische oder auch moderne Ausbildung so was berücksichtigen?

Oder kann überhaupt ein Lehrer ein so breites Spektrum abdecken? Der Jazz Liebhaber wird wohl nicht gleichzeitig Meister im Jazz sein und Rock, Pop, Metal, Blues etc.
 
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Oder kann überhaupt ein Lehrer ein so breites Spektrum abdecken? Der Jazz Liebhaber wird wohl nicht gleichzeitig Meister im Jazz sein und Rock, Pop, Metal, Blues etc.
Ich denke schon, jedenfalls für den Anfänger- und Mittelstufenunterricht. Da geht es für mich nicht um die Perfektion im Stil, sondern erstmal um die Fähigkeit, den SchülerInnen die Breite der Musik zu vermitteln und die Basis dafür zu vermitteln. Das würde ich auch von einem Lehrer gegenüber einem Schüler erwarten, der "nur" den xyz-Stil lernen möchte. (Jedenfalls bis kurz vor die Demotivationsgrenze;-)
 
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