"Anton Hüller 188" und "Joseph Klotz"

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Hallo,

ich bin a bisserl neugierig. Sohnemann lernt Geige, und das erfuhr sein Großonkel, der selber Geige spielt - er habe ja noch zwei dreiviertel-Geigen. Also kam der Onkel mit den beiden Geigen an, die wohl schon etwas älter sind. Nachdem ich es geschafft habe, sie zu stimmen, bin ich der Meinung, es rentiert sich, sie herrichten zu lassen, solange der Betrag den einer neuen guten Fabrik-Geige nicht überschreitet, denn für meine Ohren klingen beide recht nett und es zählt auch der ideelle Wert. Was ggf zu machen ist, werden wir morgen (vielleicht) klären, dann ist unser Musikhändler wieder da. Viel dürfte m.E. nicht fehlen, neue Saiten auf alle Fälle, vielleicht Feinstimmer für meine grobmotorischen Hände :D (es ist jeweils einer auf der e-Saite), die Bögen vielleicht neu bespannen lassen. Und Schulterstützen dazu kaufen, die haben sie nämlich nicht.

Meine neugierige Frage ist nun, wie ich die Geigen in etwa einordnen kann.

Die eine ist in einem Holzkoffer, in dem ein Aufkleber ist mit der Aufschrift "Anton Hüller Nr. 188". in der Geige ist ein Aufkleber "Antonius Stradiuarius Cremonensis Faciebat Anno 17 ", daneben ein Doppelkreis, in dem ein Kreuz ist. Links und rechts vom senkrechten Kreuzbalken die Initialen A S.
Gehe ich recht in der Annahme, dass das vermutlich eine um 19irgendwas (eher am Anfang) entstandene Geige ist, an der mal ein Bildchen einer Stradivari vorbeigetragen wurde während der Herstellung? Anton Hüller scheint eher ein Händler gewesen zu sein denn ein Geigenbauer - wenn man den in google eingibt, kommt erstmal ein Blechblasinstrument :/

Die andere ist in einem unbeschrifteten Koffer (Pappe oder Holz mit Straußenlederimitat?), der Aufkleber in der Geige besagt "Joseph Kloz in Mittenwald an der Iser An 17 ", in klein darunter "Made in Czechoslovakia". Nun liegt Mittenwald mit Sicherheit nicht in der Tschechoslowakei, ebensowenig wie die Isar, ergo gehe ich von einem Nachbau irgend einer Geige aus. Es gibt in Mittenwald eine Geigenbau-Familie Klotz, sagt google, die sogar einen Joseph im Stammbaum haben - 1743 bis nach 1811. Ist das also eine in der Tschechoslowakei gebaute Geige (dann also irgendwann zwischen 1918 und 1992, wobei der Onkel die ja als Kind hatte, also schätze ich gut irgendwann vor 1950, wahrscheinlich sogar eher in den 30er Jahren) die einem Plan des Mittenwalders Joseph Klotz nachgebaut ist?

Ich vermute, dass beides Fabrikgeigen respektive Manufactur-Geigen sind, denn Geld war damals rar. Nichtsdestotrotz klingen sie für meine Ohren wie gesagt erstaunlich gut, mit einer heutigen Fabrikgeige (Sandner 302 oder besser?) kommen sie für meinen Geschmack locker mit.
 
Eigenschaft
 
Hi moniaqua,

in deinen Annahmen und Recherchen liegst du vollkommen richtig.

Leider haben solche "Nachbauten" nicht mal vom Modell (Form) und mit dem Stil alter Italiener
bzw. mit dem Mittenwalder Klotz-Stil (übrigens wieder was vollkommen anderes) nichts gemeinsam.
Man muß eher davon ausgehen, daß keiner der Manufaktur-Mitarbeiter solch hochwertige
Instrumente jemals gesehen hatte.

Aber lass sie doch mal von nem GB anschauen. Der macht dir auch nen Kostenvoranschlag.

cheers, fiddle
 
Danke Dir fiddle. Morgen lasse ich sie wie gesagt erst mal in unserem Musikgeschäft vor Ort anschauen; der Inhaber leitet mich eh selbsttätig weiter, wenn er meint, es sei nötig :)

Leider haben solche "Nachbauten" nicht mal vom Modell (Form) und mit dem Stil alter Italiener
bzw. mit dem Mittenwalder Klotz-Stil (übrigens wieder was vollkommen anderes) nichts gemeinsam.

Dann wären jene "Vorbilder" auch nicht so extrem teuer, wenn die Tschechen das so einfach hinbekämen ;) Mir geht es nicht um den Wert; wenn das Instrument gut spielbar ist, reicht es mir erstmal. Je nach Überholungskosten spielt das Kind halt entweder in Zukunft eine der Geigen vom Onkel oder weiterhin die Mietgeige. Und falls Sohnemann Blut leckt und später was besseres will, wird Zeit und Rat kommen.

Ich bin nur wie gesagt neugierig; ich habe von Streichinstrumenten wenig bis keine Ahnung. Ich weiss z.B. schon erst gar nicht, wo die Unterschiede zwischen italienischem und Mittenwälder Stil liegen. Mittenwald ist mir persönlich eher von der Zither her ein Begriff. Da haben die Mittenwalder Instrumente einen guten Ruf, jedenfalls die von Instrumentenbauern (es gibt wohl auch Fabriken dort).
 
Bei allen bekannten Orten, sei es Mittenwald, Mirecourt, oder Markneukirchen hängt es immer von der Zeit ab,
wann dort was gebaut wurde.

Mittenwald z.B.: Dort gibt es die alten Meister wie Matthias Klotz (+1743), Söhne und Söhnes-Söhne, die tatsächlich
im Dunstkreis der alten Oberitalienischen Meister auch lernten und schufen.
Ne große Industrie ist mir in M. nicht bekannt. Manufakturen gabs und etliche Einzelwerkstätten. Da wurde auch sehr
flott auf Masse gearbeitet. Wieder ne ganz andere Zeit. Das hat also mit den alten Meistern kaum was gemeinsam.

Ganz ähnliche Entwicklungen gab es in den anderen Zentren.
Es hängt also sehr stark von der Zeit ab und aus welcher Werkstatt etwas stammt. Logischerweise gibt es viel mehr
billige Massen-Instrumente, als von den guten Meistern, die eventuell zeitgleich dazu etwas in Einzelanfertigung schufen.

Mirecourt kann z.B. auch für beides stehen: Massenware und wirklich hochwertige Meisterinstrumente.

Die Zeiten waren sicher nicht immer rosig. (Weimarer Rep.) Und wenn man was zwischen die Zähne haben will, muß man
eben das herstellen, was jemand anderes auch kaufen kann. Hätt ich nicht anders gemacht..


cheers, fiddle


p.s. ich bin wirklich kein großer Experte für Instrumenten-Geschichte. Wenn da jemand etwas detaillierter bescheid weiß,
soll er/sie das gerne hier posten. Ich habs mehr mit der Technik und so.. :D
 
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Ja, das ist bei Zithern gleich. Heute bekommst Du meines Wissens in Markneukirchen z.B. beides, "Fabrikzithern" genauso wie custom-made handgefertigte Konzertzithern. Sogar die Elektronik hat inzwischen auch dort Einzug gehalten :)

Kurze Zwischenmeldung zu "meinen" Geigen: herrichten geht für vergleichsweise kleines Geld, lohnt sich also in meinen Augen auf alle Fälle auch schon rein aus Respekt gegenüber dem Eigentümer und den Instrumenten. Immerhin haben diese den Onkel jahrelang erfreut.

Die Händlerin war ziemlich meiner Meinung, was so gemacht werden muss. Nur die Bögen - da kostet neu beziehen fast mehr als ein komplett neuer Bogen, einer ist außerdem gebrochen. Das hatte ich nicht realisiert, obwohl es eigentlich unübersehbar ist :redface: Diese werden also neu.
 
Ich wollte hier noch eine kurze Rückmeldung geben. Die - äh, ich glaub Joseph-Kloz-Geige ist wohl eine 4/4 Geige, obwohl sie nicht arg viel größer ist als die 3/4 Mietgeige war. Ja, war, denn die "Kloz"-Geige ist hergerichtet. Inklusive neuem Bogen für ca 200 Euronen. Ein Satz neuer Saiten, Feinstimmer und was halt an Arbeit gemacht werden musste. Sie klingt immer noch in meinen ungeübten Ohren wirklich ok. Die Geigenlehrerin meinte, ja, das klappt mit der Geige, es klingt bei Sohnemann sogar besser als mit der (etwas kleineren) Mietgeige. Der freut sich wie ne Brezel über "seine neue" Geige und spielt sie mit Freude.

Bei der anderen, der "Anton Hüller", überlegen wir noch, was wir machen. Herrichten lohne sich nicht, wenn sie nicht gespielt würde, meint der Händler und gespielt wird sie wohl eher nicht, da kleiner als die Mietgeige (aber wohl auch noch 3/4)
 

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