Ansprechverhalten bei Weltmeister Cantus V

zamas
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Ich habe mir vor einiger Zeit eine gebrauchte Weltmeister Cantus V zugelegt und aufarbeiten lassen. Leider spricht die Piccolo-Stimme nicht so gut wie die anderen Stimmlagen an. Bei Solo-Piccolo fällt das nicht auf, da ich das über den Balg ausgleichen kann, aber wenn die Piccolo-Stimme in Verbindung mit anderen Stimmlagen läuft, hängt sie immer ein wenig hinterher. Paralleles Ansprechverhalten erziele ich nur bei stärkerem Balgzug - aber man will ja auch mal piano oder noch leiser spielen. Mein "Spezi", der die Aufarbeitung ansonsten ganz ausgezeichnet gemacht hat (Klappen und Ventile, Balg, Tastenaufarbeitung, Stimmung), sagt mir, ich müsse mich damit abfinden, es ließe sich eben nicht ändern. Hat jemand Erfahrung damit, ob vielleicht nicht denoch eine Verbesserung herausgearbeitet werden kann?
 
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Hallo Zamas,

wenn Dein Spezi sauber gearbeitet hat und die Zungen (Piccolo einzeln geschalten) so schon gut ansprechen und kommen, ist nicht mehr möglich. Das Piccolo geht immer ein bißchen hinterher. Die Erklärung ist auch einfach: Je höher die Zungen, um so besser halten sie ihre Frequenz bei Druckveränderung. Dies hängt mit einer höheren Versteifung der Zunge zusammen. Diese Versteifung bewirkt aber auch, daß die Zungen mehr Druck brauchen um anzusprechen. (Die suboptimalen Kanzellen kommen noch hinzu). Dieses spätere Ansprechen des Piccolos hast Du aber bei jedem Akkordeon.

Ich kann Dir gerne mal Tonbeispiele schicken. Man kann freilich an den Zungen den Lösabstand noch besser einzustellen versuchen. Jedoch ist irgendwann das Optimum bzw. Maximum erreicht. Zudem wird es, je kleiner die Stimmplatte wird, um so schwieriger, den optimalen Lösabstand zu treffen. Der zeitliche Aufwand ist immens. Solange die Zunge in einem guten Bereich ist, d.h. daß sie nicht blockiert oder pffffffffffffffft, bevor was kommt, ist es normalerweise gut. Dann ist man am Optimum schon nahe dran oder hat es ev. sogar getroffen. Mit dem "vorhandenen Material" ist nunmal nicht mehr herauszuholen. Verbesserungen und deren serielle Umsetzung werden aber bereits gesucht. Ev. wird man auch neue Wege beschreiten, die es aber erst einmal zu finden gilt. Aber auch da darf man keine Quantensprünge erwarten, da wir heute schon auf einem hohen Level sind. Wer die ultimative und gleichmäßige Ansprache aller Töne bei kleinstem Druck haben möchte, muß sich eine Roland kaufen.

Viele Grüße

Ippenstein
 
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Leider spricht die Piccolo-Stimme nicht so gut wie die anderen Stimmlagen an.

Hallo Zamas,

das ist ein altes Problem, das du nicht ganz wegbekommen wirst. So wie die Stimmzungen gebaut werden, ergibt es sich, dass mit zunehmender Tonhöhe die die Zunge einen etwas höheren Druck braucht, um anzuschwingen. Somit muss man wohl leider damit leben, dass insbes. die Piccolozungen etwas später ansprechen, als die anderen.

Das Problem könnte man zumindest teilweise beseitigen, geht aber heutzutage nur unter enormen Handarbeitsaufwand., so dass dir dies kein einziger Instrumentenmachen machen wird. Man könnte dies schon ab Werk machen, indem man den Zungen ein anderes Profil mitgibt, aber das wird aus mir nicht bekannten Gründen nicht gemacht - ich vermute mal dass Probelme der Stanztechnik die Ursache hierfür sind. Wie gesagt, sicher weiß ich das jedoch nicht.
Fakt ist allerdings, dass wir uns damit bisweilen aber abfinden müssen.

Dass die Piccolo-Zungen eine zusätzliche Versteifung benötigen ist übrigens nicht ganz richtig - Die Zungen haben an der falschen Stelle noch zuviel Material drauf, das den Vorgang behindert. Wie gesagt ich vermute hierfür fertigungstechnische Gründe für die Serienherstellung. Denn manuell kann man die Zungen nämlich schon nacharbeiten und an bestimmten Stellen das überflüssige Material abtragen - dann sprechen die Zungen auch so an , wie die anderen, ohne sonstige Einschränkungen.

Aber wie gesagt - das ist mit einem wirklich "saumäßigen" Aufwand verbunden. Den Preis wird kein privater Mensch bezahlen wollen. Ganz abgesehen davon, dass es nach meiner bisherigen Erkenntniss vermutlich auch nur recht wenige Menschen geben wird, die wirklich wissen, was sie da und warum sie da was tun können. Und selbst dann muss man auch noch das handwerkliche Können mitbringen, das umsetzen zu können - was den Kreis der in Frage kommenden nochmals einschränkt.

... und mit der Tonkonstanz hat das nichts zu tun die ist unabhängig vom Ansprechverhalten. Zwar wird auch hier bei das Zungenprofil an entsprechender Stelle bearbeitet um den Effekt zu beheben, aber da haben die Piccolozungen von Haus aus genügend Reserve ( auch ohne das "überflüssige " Material) das macht einem eher bei den tiefen Tönen zu schaffen, weil man es da nun wirklich teilweise nicht beheben kann.

Aber bis dahin bleibt dir auch nur die (ungenügende) Empfehlung: Nicht an er Hörbarkeitsggrenze spielen, sondern n bissl drüber, so dass das Piccolo dann auch schon kommt. ... Falls es gravierend sein sollte : mal nochmal mit der Werkstatt reden, ob da schon das maximale an normal machbarem herausgeholt ist! Vielleicht ist auch der Lösabstand noch nicht ganz perfekt eingestellt und man kann das noch etwas besser abgleichen?

Gruß, maxito
 
Hallo Max,

die Frequenzstabilität und das Ansprechverhalten hängen wegen der Form der Zunge zusammen. Da die Piccolos zum Fuße hin stärker versteifen, brauchen die nunmal von Haus aus mehr Druck. Durch die entsprechende Versteifung ist aber eine Frequenzkonstanz bei höherem Druck gegeben. Wäre da ein Zuviel an Material, würde die Frequenz bei steigendem Druck nach oben wandern. Freilich ist da eine Reserve drin, bevor sich das bemerkbar macht. Nimmt man aber zuviel Material weg, gehen die Piccolos bei steigendem Druck auch in den Keller. Da die Zungen aber auch von Zeit zu Zeit gestimmt werden sollen, ist diese Reserve wichtig. Daher geht Manfred den richtigen Weg, die Kanzellen zu verändern, da da einiges herauszuholen ist. Aber das ist wiederum eine andere Baustelle und betrifft die vorliegende Cantus nicht.

Desweiteren habe ich nichts von einer "zusätzlich benötigten Versteifung" geschrieben.

Grüße

Ippenstein
 
Danke für die schnellen Auskünfte! Das klingt alles einleuchtend, aber eines ist mir nicht klar: Von meinen anderen jetzigen und früheren Instrumenten (Scandalli, Bugari, Polverini, Hohner-Atlantik und Morino) kenne ich dieses Problem nicht. Mir stellt sich das daher nicht als grundsätzliches Problem des Akkordeonbaus schlechthin dar, sondern als Weltmeister-spezifisch, zumindest Cantus-spezifisch.

Und ich hatte gerade Kontakt zu "Balg", der mir ankündigte, er sehe eine Möglichkeit zur Verbesserung. Seine eigene Cantus hat er offenbar modifiziert. Ich werde mit ihm noch mal vertiefen, welche Möglichkeiten sich mir noch bieten.

Weitere Ideen?

Grüße von der Ostseeküste, Jens.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Jens,

ich habe das gleiche Ansprechverhalten bis jetzt an allen Instrumenten, egal welcher Hersteller, beobachten können. Natürlich hat sich auch in den letzten 20 Jahren nochmal einiges getan, auch in der Stimmplattenproduktion. Daher sind heutige Instrumente da noch etwas besser. Das Problem haben aber alle Instrumente. Auf der Musikmesse werde ich mir da noch mal die Zeit nehmen und die verschiedenen Hersteller ausführlich testen.

Grüße

Ippenstein
 
Gut, ich muss meine Aussage relativieren: Diese Erscheinung mag bei anderen Instrumenten auch vorhanden sein, aber ich habe sie bei anderen Instrumenten nicht als störend empfunden. Bei der Cantus dagegen ist es allerdings derart stark ausgeprägt, dass es mich schon ein wenig nervt. Schade, denn mir gefällt der Klang der Cantus sonst ausgesprochen gut.

Jens.
 
Das könnte daran liegen, daß das Piccolo zu den Cassottochören deutlich hervorsticht. Bei anderen Akkordeons sieht das Mischverhältnis bzw. der Klang der Cassottochöre anders aus, so daß das weniger störend sein kann.

Viele Grüße

Ippenstein
 
Ich danke allen für ihre Beiträge! Dadurch, durch einige PM und ganz besonders anschließende persönliche Gespräche habe ich über die "Geheimnisse" meines Instruments wieder Wichtiges dazugelernt! Schade nur, dass ich wohl kaum Möglichkeiten habe, das Instrument so bearbeiten zu lassen, wie es für ein optimales Ansprechverhalten nötig wäre - geschweige denn, dass ich es selbst tun könnte - dazu fehlt mir das Geschick....
 
Also, wenn ich nicht groß hinmerke, stört es mich auch nicht. Und mich stört normalerweise alles. ;)
Meistens jazze ich aber eh mit dem 16er rum oder erfreue mich an der Schwebung. :)

Genieß Dein Akkordeon, v.a. erfreue Dich doch am Klang.

Grüße

Ippenstein
 
habe ich über die "Geheimnisse" meines Instruments wieder Wichtiges dazugelernt! Schade nur, dass ich wohl kaum Möglichkeiten habe, das Instrument so bearbeiten zu lassen, wie es für ein optimales Ansprechverhalten nötig wäre

Hallo Jens,

willkommen im Club!

Das ist das Dilemma: Selbst wenn man weiß, warum der Effekt so ist, der einen so stört und wie er behoben werden könnte, dann ist der Effekt noch lange nicht abgestellt, denn dann muss man erst noch die richtige Möglichkeit finden, wo man das abstellen (lassen) kann!

In dem gleichen Dilemma stecke ich ja auch: Ich weiß, mittlerweile was die störenden Effekte verursacht - hätte sogar die Möglichkeit das zu beheben, aber momentan keine Zeit mir das handwerkliche Geschick anzueingen, damit ich es selber durchführen kann. So Vertröste ich mich eben auf "später", wenn ich mal mehr Zeit haben sollte und versuche bis dahin das Material mir zu suchen, das mir noch am weitesten entgegenkommt und mit Engelszungen auf meinen Instrumentenbauer einzureden, das er mit glaubt und mir so weit wie möglich die Effkte in meinem Sinn zu eliminiert.

... Aber bis dahin, muss ich trotzdem sagen, dass es meistens sehr viel Spaß macht mit den Instrumenten Musik zu machen, die ich im jetzigen Zustand habe!
Es fehlt halt das letzte Quentchen zum perfekten - aber der Rest ist auch schon ganz gut!:)

Gruß, maxito
 
Die Ursache für die schlechte Tonentfaltung im Piccolobereich liegt nicht an den Stimmplatten. Ich habe diese in meinen Meßanlagen geprüft. Sie sind von der Ansprache und Tonentfaltung durchaus mit den anderen Platten vergleichbar. Der Leistungsabfall tritt erst auf, nachdem sie im Akkordeon eingebaut sind. Eine bessere Leistung dieser Stimmplatten unter den jetztigen Bedingungen ist mit dem Wissen, was die Ursachen sind, durch Nacharbeit möglich, aber nicht völlig zu beheben. Um die vorhandene Leistung der Tonzungen zu erreichen, müßten andere Voraussetzungen im Akkordeonbau umgesetzt werden. Da die Akkordeone verschiedener Hersteller im Bau etwas voneinander abweichen, aber nach dem gleichen Grundmuster hergestellt werden, ist dieser Bereich mehr oder weniger auffällig für den Spieler.

Gruß

Balg
 

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