Andere Epoche, andere Flöte?

Svalin
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Über den Thread der Blockflötenliteratur bin ich auf van Eyck gestossen. Nachdem ich mir nun einige Stücke angehört und etwas über van Eyck selbst gelesen habe, grübele ich nun tatsächlich darüber, mit welcher Flöte man diese Stücke (rein theoretisch) spielen sollte oder kann. Müsste man van Eyck's Werke nicht mit einer Renaissance- und Frühbarockblockflöten z.B. einer Kynseker spielen, um die Stücke auch klanglich authentisch wiederzugeben? Ist nur ein Gedankenspiel und wahrscheinlich sagen viele, dass solche Flötenspielereien eher den Profis vorbehalten sind, dennoch finde ich das Thema interessant.

Da ich weder eine Kynseker oder Steensberg o.ä.- Flöte besitze, würde mich interessieren, ob ihr für die verschiedenen Epoche auch die passenden Flöten habt? Gibt es tatsächlich einen klanglichen Unterschied?
 
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Van Eyck begeistert mich total. Ich bin bei der Flötenwahl pragmatisch - ich nehme die Flöte, die mir zur Verfügung steht; sprich im Moment meine Küng Studio, die ich auch voll auslaste und für eine 2. (oder auch mal eine 3.) Übungssession muss momentan dann die Yamaha Ecodear (Kunststoff) herhalten, so dass ich gerade über eine weitere, solistische Sopran Holzflöte nachdenke. Und ich habe mich schon fast zu einer Moeck Rottenburgh Grenadill durchgerungen (ich konnte letzte Woche eine ausgesprochen klanglich schöne und kräftige anspielen und habe sie mir schon einmal reservieren lassen).

Klanglich sollte die Flöte für van Eyck schon kräftig sein, denn es ist ja reine Solo-Literatur. Gut ansprechen sollte sie, denn die Variationen sind durchaus virtuos. In der Höhe habe ich bisher noch kein Stück gesehen, dass über a''' hinausgeht, also keine besonders hohen Ansprüche auf eine brilliante Höhe, sondern eher auch ein kräftiges tiefes Register.

Leider fehler mir die finanziellen Mittel für eine historisch korrekte Flöte, und so nehme ich halt eine universell einsetzbare kräftige Soloflöte. ...und van Eyck macht mir auch so Spass. :) Mit der weit gebohrten Neo-Rennaisance Adris Traumflöte von Mollenhauer kam ich beim Testen auch nicht so ganz gut klar. Eine Ganassi, Kynseker etc. habe ich bisher noch nicht spielen können; abgesehen davon wollte ich jetzt auch nicht noch weitere neue Griffe lernen.

Thomann benutzt van Eyck's "Daphne" als Klangbeispiel für barocke (?!) Stilrichtung (Doen Daphne d'over schonne Maeght: http://www.kantoreiarchiv.de/archiv/recorder_flauti/solo/soprano/van_eyck/daphne_a.pdf) und nicht nur für Sopranflöten.
 
Van Eyck selbst hat eine so genannte "Hand-Fluit" benutzt, von der Abbildungen und ein spielbarer Bereich von c" bis d'''' überliefert sind. Der Fluyten-Lusthof überschreitet c'''' aber nicht (c'''' kommt beispielsweise in "Malle Symen" vor). Eine Original-Flöte aus van Eycks Zeit ist meines Wissens nicht erhalten geblieben.

Prinzipiell kann man van Eyck natürlich mit jeder Sopranflöte spielen.
Hochbarocke, weit verbreitete Flöten wie etwa eine Moeck Rottenburgh sind auf Brillianz in den Höhen optimiert, wie es dieser späteren Epoche ja auch entspricht. Im tiefen Register wird ihr Klang aber vergleichsweise mager und verliert stark an Durchsetzungskraft. Gerade im Fluyten-Lusthof fokussieren viele Stücke die tiefe Lage, was ja mit zeitgenössischen Flöten kein Problem war. Wird diese Literatur mit hochbarocken Flöten gespielt, verliert sie natürlich Einiges ihrer klanglichen Faszination und musikalischen Aussage. Beispiel: "Rosemont". Das kraftvolle Ausholen aus der Tiefe wirkt schaumgebremst.

Wer hier näher ans Original will, braucht weit mensurierte Instrumente. Man kann sich bei mittlerweile eigens angebotenen "van Eyck-Flöten" umsehen. Ich konnte eine probieren - sie hat mich nicht überzeugt.
Hoch zufrieden bin ich hingegen mit meiner Ganassi-Flöte, die den alten Abbildungen der Hand-Fluit sehr ähnlich sieht und faszinierenden Durchzug im tiefen Register bietet. Inwieweit deren Verwendung historisch gerechtfertigt ist, darüber streiten die Experten noch, weil zwar eine detaillierte Bauanleitung Ganassis existiert, es aber (noch) keinen Beleg dafür gibt, dass diese Flöten damals überhaupt gebaut worden sind.
Die Kynseker habe ich bisher noch nicht gehört oder gespielt, von der Mensur her gesehen könnte sie aber auch in die Epoche passen.

Ein wichtiger Aspekt bei diesen Erwägungen sollte nicht vergessen werden: Die Wiedergabe Alter Musik gewinnt gewaltig durch die Wahl des richtigen Stimmtones. Meine Ganassi ist für a'=415Hz gebaut. Klanglich liegen da Welten zwischen diesem Setup und der Verwendung des Austausch-Unterteils, das für a'=440 Hz ausgelegt ist. Ein ähnlich packender Unterschied existiert aber auch bei der Wiedergabe von Alter Musik z. B. mit Altflöten in tiefer Stimmung.
 
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eine historisch korrekte Flöte

...gibt es in diesem Sinne eigentlich nicht. Nur viele Versuche in der Zeit um ca. 1900 bis 1940 sich dem ganzen anzunähern. Was wir heute als Historisch ansehen ist alles aus dieser Zeit erwachsen und die Erkenntnisse daraus wurden nach dem Krieg im Westen von Moeck wieder aufgegriffen und weiter geführt. Andere Blockflötenbauer, die es vor dem 2. Weltkrieg einige gab, lagen in der späteren DDR und viele Instrumentenbauer waren auch im Krieg gefallen...
Es gab auch schon noch andere wie Mollenhauer, oder Küng in der Schweiz, aber Moeck ist es wohl weitgehend zu verdanken, dass wir unsere heutigen Instrumente in dieser Qualität haben, da er versucht hat das historische Erbe der " neuen" Flötenbaukunst zu retten.
 
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Ich finde schon, dass van Eyck auf einer historisch korrekten (auch darüber kann man streiten), eher grundtönigen Flöte besser klingt.
Ich habe erst meine Ganassi-Flöte (Yoav Ran) dafür genommen, habe aber inzwischen auch drei g-Alt in verschiedenen Ausführungen und sogar eine spezielle handgebaute van Eyck-Flöte, die federleicht klingt und gerade bei den schnellen Passagen perfekt geeignet ist. Langsame Stücke (ich liebe zum Beispiel "Blijdschap van mijn vliedt)...) spiele ich am liebsten auf meiner Renaissance-Tenor.
Ich geniesse gerade das Privileg mir für jedes van Eyck-Stück eine passende Flöte suchen zu können.
Aber ich finde, man sollte van Eyck einfach geniessen, und wenn man "nur" eine Küng Studio hat, dann halt darauf!
Dass man solche Musik ohne weitmensurige Flöte nicht spielen sollte, finde ich nicht richtig.
Wobei die Traumsopran sicher eine kostengünstige Alternative zur frühbarocken Sopran darstellt.
 
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Schönen guten Morgen in die Runde :coffee:,

erst einmal vielen Dank für Eure ausführlichen und inforeichen Antworten. Bedeutet grundtönig, dass ich eine Flöte benötige, die kräftig in den tiefen Tonlagen ist?

Ich versuche mal meinen Hirnknoten zu lösen:

  • Renaissance (15.-16. Jhd): Ganassi-Flöte (ca. 1535), Renaissance Consort von Moeck
  • Renaissance- Frühbarock: Kynseker (1636 - 1686), Hotteterre (1640)
  • Barock (ca.1700-1750): Stanesby (1750), Anciuti (1717), Denner (1681–1735), Steenbergen (1675 - 1728)
Kommt das hin?
Möchte nur für mich grob auf die Reihe bekommen, welche Flöten in welche Epoche passen. Das man vermutlich mit "nur" einer Küng Studio die Stücke ebenfalls spielen kann ist mir klar.

Edit: Habe übrigens über van Eyck eine Seite aus DK gefunden: http://www.bergstrom.dk/tyebrec.html kennt die Jemand?

Edit 2: Vasalis war schneller.
 
Beispiel: "Rosemont". Das kraftvolle Ausholen aus der Tiefe wirkt schaumgebremst.

Das Stück spiele ich gern mit meiner Huber Tenor. Bei der sind die tiefen Töne vielleicht nicht kräftig, sondern eher satt (wenn ich die Tiefen richtig hinbekomme (müsste sie mal wieder häufiger spielen ;-) )).

Meine Flötenwunschliste wird immer länger ... :D

Viele Grüße
Musicanne
 
Bedeutet grundtönig, dass ich eine Flöte benötige, die kräftig in den tiefen Tonlagen ist?
Grundtönig bedeutet, dass der Anteil des mitschwingenden Obertonspektrums nur gering ist (siehe Wiki Obertöne: https://de.wikipedia.org/wiki/Oberton). Die subjektive Wahrnehmung der Tonhöhe wird durch das Obertonspektrum bestimmt.

Eine grundtönige Flöte hat einen mischungsfähigeren Klang; Soloflöten, die sich gegenüber anderen Instrumenten durchsetzen sollen, haben ein ausgeprägteres Obertonspektrum.

Das bedeutet aber nicht, dass ein grundtöniges Instrument automatisch kräftig in der Tiefe ist.
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Ein wichtiger Aspekt bei diesen Erwägungen sollte nicht vergessen werden: Die Wiedergabe Alter Musik gewinnt gewaltig durch die Wahl des richtigen Stimmtones. Meine Ganassi ist für a'=415Hz gebaut. Klanglich liegen da Welten zwischen diesem Setup und der Verwendung des Austausch-Unterteils, das für a'=440 Hz ausgelegt ist. Ein ähnlich packender Unterschied existiert aber auch bei der Wiedergabe von Alter Musik z. B. mit Altflöten in tiefer Stimmung.
Interessante Einsichten zum Thema van Eyck-Flöten gibt es zum Beispiel hier: http://www.bergstrom.dk/tyebrec.html

Interessant finde ich, dass Ture Bergström höher gestimmte Flöten (als van Eyck zeitgemässer Bauform) baut. Wahrscheinlich ist die Wahl der Stimmung auch vom Zeitgeist der jeweiligen Epoche geprägt.
--- Beiträge wurden zusammengefasst ---
Das man vermutlich mit "nur" einer Küng Studio die Stücke ebenfalls spielen kann ist mir klar.
Wobei die Küng Studio länger mensuriert ist als die meisten anderen Barockflöten und von daher auch etwas kräftiger in der Tiefe ist und von daher eigentlich auch gut zu van Eyck passt.
 
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Der Stimmton eines (jeden) Instruments, läßt es anders Klingen. Ich habe hier eine Traversflöte mit 3 Mittelstücken - 415/430/440Hz. Mit jedem Mittelstück hört sich die Flöte ganz anders an.

Der Stimmton der Frühbarockflöten soll wohl bei a'466Hz gelegen haben.

Hier etwas zum Stöbern:

www.koellnerdives.de/
 
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Der Link sollte jetzt gehen.

Köllner Dives ist normalerweise jedes Jahr in Stockstadt. Seine Kynseker Sopran in 466Hz ist ein Traum.
Stockstadt ist ja schon bald.
 
Eine historisch korrekte Flöte ...gibt es in diesem Sinne eigentlich nicht. Nur viele Versuche in der Zeit um ca. 1900 bis 1940 sich dem ganzen anzunähern. Was wir heute als Historisch ansehen ist alles aus dieser Zeit erwachsen und die Erkenntnisse daraus wurden nach dem Krieg im Westen von Moeck wieder aufgegriffen und weiter geführt.

Das ist so nicht ganz richtig. Was heute als "historisch richtig" angesehen wird sind Kopien von Originalinstrumenten, die z.B. in Museen (Nürnberg, Amsterdam, ...) oder privaten Sammlungen vorhanden sind und die in den letzten 50 Jahren akribisch vermessen und handwerklich exakt nachgebaut wurden. Solche historischen Kopien kann man auf den Blockflötenausstellungen in Stockstadt, Schwelm usw. und bei Flötenbauern wie Köllner-Dives, Blezinger, Klemisch, Bolton, Yoav Ran und vielen weiteren sehen und hören. Teilweise kann man sie auch in den Originalmaßen (und Originalstimmungen, z.B. a = 420 Hz) bestellen.

Die heute halbindustriell hergestellten Flöten von Moeck, Mollenhauer, Huber, Küng und wie sie alle heißen sind moderne Entwicklungen, die sich von den ersten Versuchen Anfang des 20. Jahrhunderts massiv unterscheiden. Zum Beispiel in der Ausarbeitung des Windkanals (enger und gleichzeitig mit differenzierterem Profil), der Bearbeitung des Blocks (vor allem der hinteren Blockkante), der Form der Bohrung, die Anordnung der Grifflöcher usw. Sie sind nicht historisch, aber enorm leistungsfähig. Viele Werke der Blockflötenliteratur, die Mitte des 20. Jahrhunderts für Laien kaum spielbar waren (Frans Brüggen spielte zu der Zeit zum Teil auf historischen Originalen aus dem 18. Jahrhundert, z.B. der berühmten Terton-Sopranflöte) sind mit den heutigen Flöten problemlos zu spielen.

Dann gibt es noch moderne Weiterentwicklungen, die der Blockflöte ganz neue Möglichkeiten erschließen, wie die Moderne (Alt-)Flöte von Ehlert, die Moderne Altflöte von Mollenhauer und die Helder-Flöten (mit verstellbarem Block und Windkanal).

Die "Ganassi-Flöte" ist übrigens ein interessanter Zwitter: Auf der Basis einer gut erhaltenen Flöte aus dem 17. Jahrhundert, die im Musikinstrumentenmuseum in Wien liegt, entwickelte der Flötenbauer Frederick Morgan einen völlig neuen Instrumententyp, der heute wegen seines kräftigen Klangs und seiner besonderen Vielseitigkeit sehr geschätzt wird:

http://www.adrianbrown.org/recorder_types/ganassi.html
 
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Das ist so nicht ganz richtig...

Willkommen an Board @Raverii und danke für deinen schönen Beitrag. Ich weis sicher längst nicht alles. Das die Blockflöte so ab den 1970ern wieder eine positivere Entwicklung machte war mir klar, die "Feinheiten" hast du ja nun schön beschrieben :great:
 
Danke für die nette Begrüßung, @funstrumentalist, da fühlt man sich doch gleich willkommen :)
 
Gern geschehen @Raverii ich finde es schön, wenn sich mal wieder wer in die Blockflötenecke "verirrt" und wie es sich liest bist du mit 5 Flöten ja auch schon gut dabei.

Solche historischen Kopien kann man auf den Blockflötenausstellungen in Stockstadt...

Stimmt, da gehe ich zum ersten mal hin dieses Wochenende:D und passend zum Thema "Flöten aus anderen Epochen" werde ich da wohl auch so einiges zu Gesicht und Gehör bekommen :m_flute:
 
wie es sich liest bist du mit 5 Flöten ja auch schon gut dabei.

Wieso 5?! Vielleicht wegen der "5 Taschen" an meiner Flötenrolle? Tja, da passen zwar nur 3 Flöten rein (oder 5 Soprane, das ginge auch), aber es sind in Wirklichkeit schon ein paar mehr (Flöten, und nicht nur Sopranflöten).

Jetzt muss ich mal wieder was zum Thema schreiben, bevor mir ein Moderator aufs Dach steigt...

Also, es ist schon ein besonderer Luxus, wenn man für unterschiedliche Musik unterschiedliche Flöten nutzen kann. Die Traumflöten wurden ja schon mehrmals genannt, als Möglichkeit für bezahlbares Geld eine andere Klangfarbe zu bekommen. Auch die Flöten von Kobliczek/Hammann und die Kynseker-Modelle (Mollenhauer, Moeck) sind günstige "Einstiegsdrogen" in die Musik von Renaissance bis Frühbarock.

Für die genannten Modelle muss man kein Vermögen ausgeben und keine (wenige) anderen Griffe lernen.

Andererseits spielen Querflötisten alles von Bach bis Berio auf der gleichen Flöte, also was soll's!
 
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Alles klar, auch du bist schon infiziert, willkommen im Club... :tongue:

Also, es ist schon ein besonderer Luxus, wenn man für unterschiedliche Musik unterschiedliche Flöten...

Da muss ich dir recht geben, aber ich kann auch gut verstehen wenn ein professioneller Spieler mal Lust auf anderes bekommt, es macht ja auch Spass verschiedene Modelle zu probieren und auszutesten wenn sie schon vorhanden sind :D
 
Ein Luxus, den man sich ab und zu gönnen darf, meinte ich ;)
 

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