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Und hier ist nun endlich mein Review! Herzlichen Dank auch nochmal an Volker vom SMILE Vertrieb für die Unterstützung!
Das allererste was mir auffällt, schon bevor ich das eingetroffene Paket öffne, ist das geringe Gewicht. Immerhin handelt es sich hier um einen gestandenen Vollröhrenverstärker mit 40W!
Für einen Vollröhrenverstärker ist er recht klein und leicht. Damit ist er prädestiniert für Musiker, die viel unterwegs sind. Ein Handtaschenamp ist er aber auch nicht und als Recordingamp für zuhause scheint er nicht konzipiert.
Mein Personenwaage zeigte 8,9kg an. Laut Bedienungsanleitung seien es 12,3kg. Klar geht eine einfache Personenwaage nicht besonders genau, aber auch gefühlt sind es weniger als 10kg. Woher die Abweichung kommt, erschließt sich mir nicht. Bei einem Hersteller der sich rühmt, besonders leichtes Equipment herzustellen, hätte ich eher eine wohlwollende Abweichung nach unten erwartet. An dem zahlreichen Zubehör und dem dicken Betriebshandbuch, das vielleicht auch im Paket ist, kann es nicht liegen. Denn außer einem IEC Netzkabel ist kein Zubehör dabei. In einem Umschlag aus Knallfolie findet sich nur eine Garantiekarte, ein Zettel mit Sicherheitshinweisen und eine Maragold CD. Keine Bedienungsanleitung!
Es gibt auch keinen offensichtlichen Hinweis darauf, man möge im Internet an einer bestimmten Stelle die Bedienungsanleitung finden. Es gibt sie aber, wenn auch nur auf Englisch.
Dass sonst kein Zubehör dabei ist, kann man vielleicht verschmerzen, aber man sollte im Kopf haben, dass man noch einen Fußschalter braucht, wenn man den Effekt-Loop benutzen will. Die Umschaltung zwischen den beiden Kanälen kann man mit einem kleinen Schalter auf der Frontseite bewerkstelligen. Den Loop kann man aber ohne externen Schalter NICHT in Betrieb setzen!
Ok, glücklicherweise fand sich in meinem Fundus noch ein Zweifach-Fußschalter. Mit dem Fußschalter kann man dann die Kanäle umschalten und den Effekt-Loop an oder aus. Beim Umschalten der Kanäle wechselt die Beleuchtung des DV Mark Logos von Grün auf Rot. Da bleibt auch in der letzten Reihe kein Zweifel, wann Vollgas angesagt ist!
Der Effekt-Loop Schaltzustand wird durch eine rote LED rechts unten am Frontpanel angezeigt. Die hellen Chickenhead-Knöpfe sind schön griffig und laufen weich und gleichmässig. Sie heben sich auch optisch gut vom schwarzen Gehäuse ab, so daß man sie auch im dämmrigen Licht noch gut ablesen kann. Das Layout der Knöpfe ist übersichtlich und logisch.
Das Gehäuse ist etwas kleiner als bei einem normalen Amp-Head und macht einen sehr stabilen Eindruck. Auch die Schutzecken mit den Metallnieten dürften eine raue Behandlung längere Zeit klaglos ertragen. Die Knöpfe stehen nicht hervor, und das narbige Tolex spricht für bewährte Roadtauglichkeit. Sehr clever finde ich die Platzierung des Tragegriffs auf der rechten Seite. Damit trägt man den Amp um 90° gedreht und eckt nicht so viel an. Auch das zweite Lüftungsgitter ist auf der Seite und so kann man problemlos weitere Sachen auf dem Gehäuse abstellen. Ein 19"-Rack wird allerdings einige Zentimeter überstehen.
Die Ausstattung mit weiteren Anschlüssen ist zweckmässig: Fußschalter, Send und Return und Ausgänge für die üblichen Lautsprecher-Impedanzen. Den kleinen Schalter für den Send-Level fand ich beim ersten Anblick seltsam, denn er schaltet nicht zwischen -10dBV und +4dBu um, wie man es sonst häufig sieht. Ich greife mal vor: Die Master-Regler liegen vor dem Loop. Und da man evtl. die Endstufe gerne heiß anfahren möchte, steigt auch der Send-Level entsprechend an. Mit diesem Schalterchen kann man einen Ausgleich schaffen, damit das Effektgerät im Loop nicht auch gleich überfahren wird.
Ein Blick ins Innere offenbart eine wertige Auswahl der Bauteile und einen hochwertigen mechanischen Aufbau. Allerdings muss man etliche Schrauben lösen, um hierher vorzudringen. D.h. man kann auf keinen Fall einfach während eines Gigs eine kaputte Röhre austauschen!
Die Vorstufenröhren (12AX7) kommen von Ruby und sind mit Abschirmhülsen versehen. Auch die Phasentreiberröhre ist von Ruby. Die beiden EL34 der Endstufe kommen dagegen von JJ. Auffällig fand ich noch den Ringkern-Netztrafo, der sicherlich dem vergleichsweise niedrigen Gewicht zuträglich ist. Ob die weiße Klebermasse zwischen einigen der Bauteile mehr Ärger verhütet, als sie bei einer späteren Reparatur machen würde, wird man hoffentlich nie herausfinden müssen.
Auch wenn es ebenfalls die Wenigsten benutzen werden, finde ich gut, dass man die Netzspannung von 240V auf 120V umschalten kann. So einen relativ leichten und kleinen Amp könnte man ja auch mal nach Übersee mitnehmen. Einen Boliden wie z.B. einen MESA Mark V lässt man dagegen schon freiwillig zuhause...
So, jetzt will ich das Teil doch endlich mal anhören, auch wenn es schon spät am Abend ist und ich heute nicht mehr ins Studio rübergehe. Einschalten. Ach, jeh! Da fönt ja ein Lüfter die Röhren! Und dieser Lüfter ist nicht geregelt und nicht abschaltbar. Der Lüfter selbst ist auf der Gehäuse-Rückseite zu finden. Das zugehörige andere Luftloch auf der Seite. Ansonsten ist die Kiste komplett geschlossen.
Dann Gitarre angeschlossen, Standby-Schalter betätigt, Gain- und Master-Regler aufgedreht. Autsch, ist das laut!
Also Signal-to-Noise wegen des Lüfter vielleicht gar nicht sooo schlecht, denn der Amp hat doch ordentlich Muskeln. Trotzdem: als Recording-Amp oder zum Üben zuhause ist der Lüfter nervig bis störend. Wie kann man trotzdem in einer leisen Umgebung damit glücklich werden? Erstmal kann man natürlich mit spitzen Fingern den Master-Regler so einstellen, dass er gerade am Anfang seines Regelwegs ist. Aber das ist etwas difizil und wie leicht hat man dann mal dagegen gehauen und die Umgebung schockiert? Tja, was kann man da machen? Eine Sache, die ich eigentlich ständig mit solchen Amps mache, um sie leiser zu bekommen, ist ein Effektgerät mit Lautstärkeregler oder einfach ein Volumenpedal in den Loop zu hängen. Ein Bekannter von mir benutzt für seinen 100W Mesa Stiletto z.B. den Nano Patch von SM Pro Audio. Dieser Trick mit dem Lautstärker-Regler im Effektweg funktioniert auch hier ganz gut. Natürlich braucht man dann nicht mehr auf Verzerrungen aus der Endstufe zu hoffen. Das geht dann nur mit einem richtigen Silencer.
Eine zweite Sache wollte ich noch ausprobieren: Wie kann ich wirklich still aufnehmen? Es ist ja kein frequenzkorrigierter DI-Ausgang dran und auch kein anderer Preamp-Out. Man kann aber den Send als solchen benutzen. Erfreulicherweise funktioniert die Vorstufe auch wenn der Amp auf Standby steht! Einfach ein Klinkenkabel vom Send ins Audio-Interface am Computer und eine Lautsprecher-Simulation als Plugin dazu. Das klingt doch schon ganz ok!
https://api.soundcloud.com/tracks/172844709
Übrigens gibt es hier zwei Master-Regler. Für jeden der beiden Kanäle einen. Und beide wirken, wie gesagt, auch schon auf den Send-Ausgang. Das sollte man bedenken, wenn man den seriellen Loop so benutzt.
Ich habe in diesem Beispiel das freie Plugin Voxengo Boogex benutzt und dazu die Impulsdatei Fredman Straight, was wohl im Orginal eine Mesa Rectifier Box mit V30 war.
Wenn man ihn dann mal laut spielt, offenbart sich der Charakter des Amps erst richtig. Wer gedacht hat, Channel 1 = Clean, wird von der Vielseitigkeit dieses Kanals überrascht sein. Je nach Gitarre fangen die ersten dreckigen Verzerrungen ab ca. 3-5 des Gain-Reglers an. Das Sahnehäubchen ist aber die Wirkung des Master-Reglers. Eigentlich müsste er mit "Power Stage Gain" betitelt sein. Wie wir schon festgestellt haben, wird der Verstärker schon beim vorsichtigen Aufdrehen schnell laut. Ab etwa dem halben Reglerweg (je nach Gain) wird er nicht mehr lauter, sondern es kommt stattdessen eine ziemlich derbe Endstufenzerre dazu.
Das ist kein sahniges liebliches Abschleifen des Klangs, sondern richtig aggressives grobkörniges Overdrive, das von der Struktur her etwas an alte Marshalls erinnert. Man kommt locker mit der Endstufenzerre alleine in Zerrgrade, die für ein sattes AC/DC-Rhythmus-Brett reichen. Moderat eingesetzt wird Greg diesen Sound sicherlich für die Rhythmus-Parts von "Evergreen is Golder" und so einige andere Maragold-Songs live einsetzen. Leider habe ich die Band noch nicht leibhaftig sehen können, um das mit Sicherheit zu sagen...
Aber es macht schon Sinn so. Greg hat auf dem Maragold-Album an vielen Stellen keinen richtig cleanen Sound, sondern immer eine Schippe Schmutz im Ton. Und dafür ist dieser Channel 1 wie gemacht. Einen lieblichen glockigen Fender-Clean kriegt man nicht 100% hin. Was nicht heißen soll, dass man den Amp nicht auch clean spielen könnte! Man muss nur mit Gain und Master aufpassen, dann kommen schöne röhrig-warme oder transparent-klare Clean-Sounds raus.
https://api.soundcloud.com/tracks/178650264
https://api.soundcloud.com/tracks/178650238
https://api.soundcloud.com/tracks/178650218
Auch super für Funk-Riffs!
https://api.soundcloud.com/tracks/178650248
Wenn man dann den Gain weiter aufdreht, mischt sich eine markante Verzerrung in den Ton, die sehr dynamisch über die Anschlagsstärke gesteuert werden kann. Im folgenden Beispiel habe ich keine Regler gedreht und auch keine Fußschalter betätigt. Auch die Knöpfe an der Gitarre blieben unverstellt.
https://api.soundcloud.com/tracks/178650183
Man kann aber auch Gain auf niedrigeren Werten stehen lassen und dafür Master weiter aufdrehen. Die Verzerrung setzt etwas abrupter ein und hat einen anderen Charakter.
https://api.soundcloud.com/tracks/178650176
Wenn man jetzt noch eine Gitarre mit Humbucker am Steg nimmt, wird die Verzerrung noch dichter und es rockt! (Die obigen Beispiele waren eine Strat mit Fender Noiseless Pickups, jetzt kommt eine Hamer Prototype mit SH-5 am Steg)
https://api.soundcloud.com/tracks/178650212
https://api.soundcloud.com/tracks/178650208
Der zweite Kanal hat zwar prinzipiell ein ähnliches Timbre, aber er hat viel mehr Gain! Das ist eindeutig der Kanal, auf dem man die heißen Soli abfeuern kann und vom Amp angenehm in allen Spielarten unterstützt wird. Er trägt den Spieler und lässt die Gitarre in den hohen Registern wunderbar singen. Der Maragold macht es dem Spieler einfach. Obertöne, Tapping-Sachen, alles kein Problem. Hier merkt man, dass es sich um das Sportgerät eines Ausnahme-Gitarristen geht.
Auffällig ist, dass man den Channel 2 deutlich weiter aufreissen muss, wenn man, wie oben beschrieben, einen angecrunchten Clean-Sound eingestellt hat. Erst recht, wenn man für die Soli entsprechend noch ein paar mehr PS am Start haben will. Die meisten Amps, die ich kenne, verhalten sich da genau anders herum: Lead-Kanal immer schwer laut, aber den Clean-Kanal muss man derbe aufreissen, um beide zu matchen.
https://api.soundcloud.com/tracks/178650289
Und was ist mit Rhythmus-Sounds im Channel 2? Das geht natürlich auch, wie mit jedem High-Gain-Amp.
https://api.soundcloud.com/tracks/178650161
Die Metal-Jünger werden sich aber wohl anderswo besser aufgehoben fühlen. Die brachiale Gewalt eines 100W oder 120W Boliden mit tighten drückenden Bässen gibt es hier nicht. Erst recht nicht für 7-Saiter/Bariton/Extended Range & Co.
Ich konnte es natürlich nicht lassen und habe doch mal die 7-saitige drauf losgelassen. (Lag The Beast 7)
https://api.soundcloud.com/tracks/178650281
https://api.soundcloud.com/tracks/178650287
Den ganz tiefen Tönen fehlt es an Kontur und dem trockenen Punch für die entsprechenden Riffs. Das war auch mit Sicherheit nicht Ziel dieses Amp-Designs. Alles was Rock und auch härter ist, wird aber adäquat bedient.
Und Gain ist da bis zum Abwinken. Das geht dann natürlich auch mit einem gewissen Rauschen einher, was in der Natur der Sache liegt. Glücklicherweise ist es nicht so schlimm, wie bei einem 5150... Sehr angetan war ich auch davon, wie gut sich der Amp mit Effektpedalen verträgt. Ob Tubescreamer oder Fulltone OCD, ob Phaser oder Wah, es klingt immer irgendwie "richtig" und nie ätzend oder nervig. Wenn man sich also fürchtet, dass man mit den beiden umschaltbaren Kanälen nicht auszukommt, kann man sich die vielleicht fehlenden Zwischentönungen hier einfach noch davorschalten.
Die Klangregelung arbeitet in beiden Kanälen sehr effektiv. Vor allem der Presence-Regler ist ungeheuer wichtig. Ich habe auch gemerkt, dass es hier speziell einen großen Unterschied macht, welche Gitarre mit welchen Pickups man verwendet. High Gain Pickups (in meinem Fall ein Duncan SH-6) lassen den Klang leicht etwas bedeckt erscheinen, und man darf mit dem Presence-Regler nicht zu zaghaft sein. Bei der Strat lag der Fall ganz anders. Auch eher gemässigte Humbucker vertragen sich gut mit der tonalen Abstimmung dieses Signature-Amps.
Hier mal ein Vergleich von drei verschiedenen Gitarren:
https://api.soundcloud.com/tracks/178650202
https://api.soundcloud.com/tracks/178650196
https://api.soundcloud.com/tracks/178650191
Auch bei den Lautsprechern ist der Amp alles andere als ein Gleichmacher. Mir hat er mit V30 besser gefallen, als mit EVM12L oder Mesa C90. Daher möchte ich dringend raten, bei Interesse den Amp mit der eigenen Box und der eigenen Gitarre zu testen!
Alles in allem ein Amp, dem sehr deutlich die Sound-Handschrift von Gerg Howe anzumerken ist und ein robuster leichter und leicht handzuhabender Amp für Live und Sessions. Wenn ich öfter für Gigs unterwegs wäre, wäre der Maragold sicher in meiner engeren Auswahl. Er wäre mir persönlich noch sympathischer, wenn er nicht nur in Italien designed, sondern auch dort gefertigt wäre. Aber dann wäre wohl auch ein anderes Preisschild dran.
Das allererste was mir auffällt, schon bevor ich das eingetroffene Paket öffne, ist das geringe Gewicht. Immerhin handelt es sich hier um einen gestandenen Vollröhrenverstärker mit 40W!
Für einen Vollröhrenverstärker ist er recht klein und leicht. Damit ist er prädestiniert für Musiker, die viel unterwegs sind. Ein Handtaschenamp ist er aber auch nicht und als Recordingamp für zuhause scheint er nicht konzipiert.
Das Äußere
Mein Personenwaage zeigte 8,9kg an. Laut Bedienungsanleitung seien es 12,3kg. Klar geht eine einfache Personenwaage nicht besonders genau, aber auch gefühlt sind es weniger als 10kg. Woher die Abweichung kommt, erschließt sich mir nicht. Bei einem Hersteller der sich rühmt, besonders leichtes Equipment herzustellen, hätte ich eher eine wohlwollende Abweichung nach unten erwartet. An dem zahlreichen Zubehör und dem dicken Betriebshandbuch, das vielleicht auch im Paket ist, kann es nicht liegen. Denn außer einem IEC Netzkabel ist kein Zubehör dabei. In einem Umschlag aus Knallfolie findet sich nur eine Garantiekarte, ein Zettel mit Sicherheitshinweisen und eine Maragold CD. Keine Bedienungsanleitung!
Es gibt auch keinen offensichtlichen Hinweis darauf, man möge im Internet an einer bestimmten Stelle die Bedienungsanleitung finden. Es gibt sie aber, wenn auch nur auf Englisch.
Dass sonst kein Zubehör dabei ist, kann man vielleicht verschmerzen, aber man sollte im Kopf haben, dass man noch einen Fußschalter braucht, wenn man den Effekt-Loop benutzen will. Die Umschaltung zwischen den beiden Kanälen kann man mit einem kleinen Schalter auf der Frontseite bewerkstelligen. Den Loop kann man aber ohne externen Schalter NICHT in Betrieb setzen!
Ok, glücklicherweise fand sich in meinem Fundus noch ein Zweifach-Fußschalter. Mit dem Fußschalter kann man dann die Kanäle umschalten und den Effekt-Loop an oder aus. Beim Umschalten der Kanäle wechselt die Beleuchtung des DV Mark Logos von Grün auf Rot. Da bleibt auch in der letzten Reihe kein Zweifel, wann Vollgas angesagt ist!
Der Effekt-Loop Schaltzustand wird durch eine rote LED rechts unten am Frontpanel angezeigt. Die hellen Chickenhead-Knöpfe sind schön griffig und laufen weich und gleichmässig. Sie heben sich auch optisch gut vom schwarzen Gehäuse ab, so daß man sie auch im dämmrigen Licht noch gut ablesen kann. Das Layout der Knöpfe ist übersichtlich und logisch.
Das Gehäuse ist etwas kleiner als bei einem normalen Amp-Head und macht einen sehr stabilen Eindruck. Auch die Schutzecken mit den Metallnieten dürften eine raue Behandlung längere Zeit klaglos ertragen. Die Knöpfe stehen nicht hervor, und das narbige Tolex spricht für bewährte Roadtauglichkeit. Sehr clever finde ich die Platzierung des Tragegriffs auf der rechten Seite. Damit trägt man den Amp um 90° gedreht und eckt nicht so viel an. Auch das zweite Lüftungsgitter ist auf der Seite und so kann man problemlos weitere Sachen auf dem Gehäuse abstellen. Ein 19"-Rack wird allerdings einige Zentimeter überstehen.
Die Ausstattung mit weiteren Anschlüssen ist zweckmässig: Fußschalter, Send und Return und Ausgänge für die üblichen Lautsprecher-Impedanzen. Den kleinen Schalter für den Send-Level fand ich beim ersten Anblick seltsam, denn er schaltet nicht zwischen -10dBV und +4dBu um, wie man es sonst häufig sieht. Ich greife mal vor: Die Master-Regler liegen vor dem Loop. Und da man evtl. die Endstufe gerne heiß anfahren möchte, steigt auch der Send-Level entsprechend an. Mit diesem Schalterchen kann man einen Ausgleich schaffen, damit das Effektgerät im Loop nicht auch gleich überfahren wird.
Ein Blick ins Innere offenbart eine wertige Auswahl der Bauteile und einen hochwertigen mechanischen Aufbau. Allerdings muss man etliche Schrauben lösen, um hierher vorzudringen. D.h. man kann auf keinen Fall einfach während eines Gigs eine kaputte Röhre austauschen!
Die Vorstufenröhren (12AX7) kommen von Ruby und sind mit Abschirmhülsen versehen. Auch die Phasentreiberröhre ist von Ruby. Die beiden EL34 der Endstufe kommen dagegen von JJ. Auffällig fand ich noch den Ringkern-Netztrafo, der sicherlich dem vergleichsweise niedrigen Gewicht zuträglich ist. Ob die weiße Klebermasse zwischen einigen der Bauteile mehr Ärger verhütet, als sie bei einer späteren Reparatur machen würde, wird man hoffentlich nie herausfinden müssen.
Auch wenn es ebenfalls die Wenigsten benutzen werden, finde ich gut, dass man die Netzspannung von 240V auf 120V umschalten kann. So einen relativ leichten und kleinen Amp könnte man ja auch mal nach Übersee mitnehmen. Einen Boliden wie z.B. einen MESA Mark V lässt man dagegen schon freiwillig zuhause...
Der Sound
So, jetzt will ich das Teil doch endlich mal anhören, auch wenn es schon spät am Abend ist und ich heute nicht mehr ins Studio rübergehe. Einschalten. Ach, jeh! Da fönt ja ein Lüfter die Röhren! Und dieser Lüfter ist nicht geregelt und nicht abschaltbar. Der Lüfter selbst ist auf der Gehäuse-Rückseite zu finden. Das zugehörige andere Luftloch auf der Seite. Ansonsten ist die Kiste komplett geschlossen.
Dann Gitarre angeschlossen, Standby-Schalter betätigt, Gain- und Master-Regler aufgedreht. Autsch, ist das laut!
Also Signal-to-Noise wegen des Lüfter vielleicht gar nicht sooo schlecht, denn der Amp hat doch ordentlich Muskeln. Trotzdem: als Recording-Amp oder zum Üben zuhause ist der Lüfter nervig bis störend. Wie kann man trotzdem in einer leisen Umgebung damit glücklich werden? Erstmal kann man natürlich mit spitzen Fingern den Master-Regler so einstellen, dass er gerade am Anfang seines Regelwegs ist. Aber das ist etwas difizil und wie leicht hat man dann mal dagegen gehauen und die Umgebung schockiert? Tja, was kann man da machen? Eine Sache, die ich eigentlich ständig mit solchen Amps mache, um sie leiser zu bekommen, ist ein Effektgerät mit Lautstärkeregler oder einfach ein Volumenpedal in den Loop zu hängen. Ein Bekannter von mir benutzt für seinen 100W Mesa Stiletto z.B. den Nano Patch von SM Pro Audio. Dieser Trick mit dem Lautstärker-Regler im Effektweg funktioniert auch hier ganz gut. Natürlich braucht man dann nicht mehr auf Verzerrungen aus der Endstufe zu hoffen. Das geht dann nur mit einem richtigen Silencer.
Eine zweite Sache wollte ich noch ausprobieren: Wie kann ich wirklich still aufnehmen? Es ist ja kein frequenzkorrigierter DI-Ausgang dran und auch kein anderer Preamp-Out. Man kann aber den Send als solchen benutzen. Erfreulicherweise funktioniert die Vorstufe auch wenn der Amp auf Standby steht! Einfach ein Klinkenkabel vom Send ins Audio-Interface am Computer und eine Lautsprecher-Simulation als Plugin dazu. Das klingt doch schon ganz ok!
https://api.soundcloud.com/tracks/172844709
Übrigens gibt es hier zwei Master-Regler. Für jeden der beiden Kanäle einen. Und beide wirken, wie gesagt, auch schon auf den Send-Ausgang. Das sollte man bedenken, wenn man den seriellen Loop so benutzt.
Ich habe in diesem Beispiel das freie Plugin Voxengo Boogex benutzt und dazu die Impulsdatei Fredman Straight, was wohl im Orginal eine Mesa Rectifier Box mit V30 war.
Jetzt wirds laut!
Wenn man ihn dann mal laut spielt, offenbart sich der Charakter des Amps erst richtig. Wer gedacht hat, Channel 1 = Clean, wird von der Vielseitigkeit dieses Kanals überrascht sein. Je nach Gitarre fangen die ersten dreckigen Verzerrungen ab ca. 3-5 des Gain-Reglers an. Das Sahnehäubchen ist aber die Wirkung des Master-Reglers. Eigentlich müsste er mit "Power Stage Gain" betitelt sein. Wie wir schon festgestellt haben, wird der Verstärker schon beim vorsichtigen Aufdrehen schnell laut. Ab etwa dem halben Reglerweg (je nach Gain) wird er nicht mehr lauter, sondern es kommt stattdessen eine ziemlich derbe Endstufenzerre dazu.
Das ist kein sahniges liebliches Abschleifen des Klangs, sondern richtig aggressives grobkörniges Overdrive, das von der Struktur her etwas an alte Marshalls erinnert. Man kommt locker mit der Endstufenzerre alleine in Zerrgrade, die für ein sattes AC/DC-Rhythmus-Brett reichen. Moderat eingesetzt wird Greg diesen Sound sicherlich für die Rhythmus-Parts von "Evergreen is Golder" und so einige andere Maragold-Songs live einsetzen. Leider habe ich die Band noch nicht leibhaftig sehen können, um das mit Sicherheit zu sagen...
Aber es macht schon Sinn so. Greg hat auf dem Maragold-Album an vielen Stellen keinen richtig cleanen Sound, sondern immer eine Schippe Schmutz im Ton. Und dafür ist dieser Channel 1 wie gemacht. Einen lieblichen glockigen Fender-Clean kriegt man nicht 100% hin. Was nicht heißen soll, dass man den Amp nicht auch clean spielen könnte! Man muss nur mit Gain und Master aufpassen, dann kommen schöne röhrig-warme oder transparent-klare Clean-Sounds raus.
https://api.soundcloud.com/tracks/178650264
https://api.soundcloud.com/tracks/178650238
https://api.soundcloud.com/tracks/178650218
Auch super für Funk-Riffs!
https://api.soundcloud.com/tracks/178650248
Wenn man dann den Gain weiter aufdreht, mischt sich eine markante Verzerrung in den Ton, die sehr dynamisch über die Anschlagsstärke gesteuert werden kann. Im folgenden Beispiel habe ich keine Regler gedreht und auch keine Fußschalter betätigt. Auch die Knöpfe an der Gitarre blieben unverstellt.
https://api.soundcloud.com/tracks/178650183
Man kann aber auch Gain auf niedrigeren Werten stehen lassen und dafür Master weiter aufdrehen. Die Verzerrung setzt etwas abrupter ein und hat einen anderen Charakter.
https://api.soundcloud.com/tracks/178650176
Wenn man jetzt noch eine Gitarre mit Humbucker am Steg nimmt, wird die Verzerrung noch dichter und es rockt! (Die obigen Beispiele waren eine Strat mit Fender Noiseless Pickups, jetzt kommt eine Hamer Prototype mit SH-5 am Steg)
https://api.soundcloud.com/tracks/178650212
https://api.soundcloud.com/tracks/178650208
Und das war alles erst der Channel 1!
Der zweite Kanal hat zwar prinzipiell ein ähnliches Timbre, aber er hat viel mehr Gain! Das ist eindeutig der Kanal, auf dem man die heißen Soli abfeuern kann und vom Amp angenehm in allen Spielarten unterstützt wird. Er trägt den Spieler und lässt die Gitarre in den hohen Registern wunderbar singen. Der Maragold macht es dem Spieler einfach. Obertöne, Tapping-Sachen, alles kein Problem. Hier merkt man, dass es sich um das Sportgerät eines Ausnahme-Gitarristen geht.
Auffällig ist, dass man den Channel 2 deutlich weiter aufreissen muss, wenn man, wie oben beschrieben, einen angecrunchten Clean-Sound eingestellt hat. Erst recht, wenn man für die Soli entsprechend noch ein paar mehr PS am Start haben will. Die meisten Amps, die ich kenne, verhalten sich da genau anders herum: Lead-Kanal immer schwer laut, aber den Clean-Kanal muss man derbe aufreissen, um beide zu matchen.
https://api.soundcloud.com/tracks/178650289
Und was ist mit Rhythmus-Sounds im Channel 2? Das geht natürlich auch, wie mit jedem High-Gain-Amp.
https://api.soundcloud.com/tracks/178650161
Die Metal-Jünger werden sich aber wohl anderswo besser aufgehoben fühlen. Die brachiale Gewalt eines 100W oder 120W Boliden mit tighten drückenden Bässen gibt es hier nicht. Erst recht nicht für 7-Saiter/Bariton/Extended Range & Co.
Ich konnte es natürlich nicht lassen und habe doch mal die 7-saitige drauf losgelassen. (Lag The Beast 7)
https://api.soundcloud.com/tracks/178650281
https://api.soundcloud.com/tracks/178650287
Den ganz tiefen Tönen fehlt es an Kontur und dem trockenen Punch für die entsprechenden Riffs. Das war auch mit Sicherheit nicht Ziel dieses Amp-Designs. Alles was Rock und auch härter ist, wird aber adäquat bedient.
Und Gain ist da bis zum Abwinken. Das geht dann natürlich auch mit einem gewissen Rauschen einher, was in der Natur der Sache liegt. Glücklicherweise ist es nicht so schlimm, wie bei einem 5150... Sehr angetan war ich auch davon, wie gut sich der Amp mit Effektpedalen verträgt. Ob Tubescreamer oder Fulltone OCD, ob Phaser oder Wah, es klingt immer irgendwie "richtig" und nie ätzend oder nervig. Wenn man sich also fürchtet, dass man mit den beiden umschaltbaren Kanälen nicht auszukommt, kann man sich die vielleicht fehlenden Zwischentönungen hier einfach noch davorschalten.
Die Klangregelung arbeitet in beiden Kanälen sehr effektiv. Vor allem der Presence-Regler ist ungeheuer wichtig. Ich habe auch gemerkt, dass es hier speziell einen großen Unterschied macht, welche Gitarre mit welchen Pickups man verwendet. High Gain Pickups (in meinem Fall ein Duncan SH-6) lassen den Klang leicht etwas bedeckt erscheinen, und man darf mit dem Presence-Regler nicht zu zaghaft sein. Bei der Strat lag der Fall ganz anders. Auch eher gemässigte Humbucker vertragen sich gut mit der tonalen Abstimmung dieses Signature-Amps.
Hier mal ein Vergleich von drei verschiedenen Gitarren:
https://api.soundcloud.com/tracks/178650202
https://api.soundcloud.com/tracks/178650196
https://api.soundcloud.com/tracks/178650191
Auch bei den Lautsprechern ist der Amp alles andere als ein Gleichmacher. Mir hat er mit V30 besser gefallen, als mit EVM12L oder Mesa C90. Daher möchte ich dringend raten, bei Interesse den Amp mit der eigenen Box und der eigenen Gitarre zu testen!
Alles in allem ein Amp, dem sehr deutlich die Sound-Handschrift von Gerg Howe anzumerken ist und ein robuster leichter und leicht handzuhabender Amp für Live und Sessions. Wenn ich öfter für Gigs unterwegs wäre, wäre der Maragold sicher in meiner engeren Auswahl. Er wäre mir persönlich noch sympathischer, wenn er nicht nur in Italien designed, sondern auch dort gefertigt wäre. Aber dann wäre wohl auch ein anderes Preisschild dran.
Hier noch meine persönlichen High- und Low-Lights:
+ Greg Howe Signature Sounds
+ Lautstärke
+ Geringes Gewicht
+ Durchdachtes Design
+ Wertig und robust aufgebaut
+ Tolle visuelle Rückmeldung der Einstellungen
+ Angenehme Haptik
+ 120V/240V-Umschaltbarkeit
- Master Regler vor dem Loop
- Röhrenwechsel aufwendig
- Leise nur mit Tricks spielbar
- Permanentes Lüftergeräusch
- Loop nur mit Fußschalter einschaltbar
- Kein Fußschalter dabei
- Keine gedruckte Bedienungsanleitung dabei
- Bedienungsanleitung im Internet nur auf Englisch
- Made in Indonesia
+ Lautstärke
+ Geringes Gewicht
+ Durchdachtes Design
+ Wertig und robust aufgebaut
+ Tolle visuelle Rückmeldung der Einstellungen
+ Angenehme Haptik
+ 120V/240V-Umschaltbarkeit
- Master Regler vor dem Loop
- Röhrenwechsel aufwendig
- Leise nur mit Tricks spielbar
- Permanentes Lüftergeräusch
- Loop nur mit Fußschalter einschaltbar
- Kein Fußschalter dabei
- Keine gedruckte Bedienungsanleitung dabei
- Bedienungsanleitung im Internet nur auf Englisch
- Made in Indonesia
- Eigenschaft
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