Kohl war ein gutes Beispiel, dass Sympathie nicht immer maßgebend sein sollte. Er war von Anfang an ein sturer Bock und hat biederen Konservatismus zu meiner Jugend vertreten wie kein anderer. War kaum jemandes Vorbild, jedenfalls nicht aus meiner Altersklasse. Als der nicht einmal des Englischen (jedenfalls sprach er es kaum) mächtige Pfälzer mit seinem "iztghtsloss, passammalaff ihr bubbn" Akzent den zwar ebenfalls konservativen aber doch ungleich eloquenteren Schmidt ablöste, waren wir jungen Leute jedenfalls in Norddeutschland einigermaßen konsterniert. Aber dem Mann mag ja meinetwegen der Mauerfall in den "Schoss gefallen sein", nicht aber die Einheit, denke ich. Die hat er hinbekommen, und davor ziehe ich den Hut. Während Studis (mich eingeschlossen) nach dem Mauerfall noch rumlamentiert haben und beim Gedanken "Wiedervereinigung" noch grinsten, hat er wie ein Mittelstürmer das Ding reingemacht, pfeiff auf die B-Note und diffizile Kosten-Nutzen-Abwägungen. Gut so, er hat sich im entscheidenden Moment als Sprinter und nicht als Dauerläufer erwiesen. Nur kurze Zeit später wäre das nicht mehr gegangen. Ihm kam auch zugute, dass er im Ausland viel beliebter war als im Inland - mit dem Pfund konnte er bei den Verhandlungen zu unseren Gunsten wuchern. Kein Wunder, dass sich ausgerechnet Schmidt im Wahlkampf 1990 auf die Seite Kohls stellte.
R.I.P. Dicker, werde am Wochenende in der Pfalz (die ich inzwischen lieben gelernt habe) auf Dich anstoßen und einen Saumagen verzehren.