Ein wirklich interessantes Thema, das ja hier im Board immer wieder aufkommt.
Ich denke, wir können Gitarren aus dem 19.Jahrhundert da mal ausklammern, da verbietet schon der Respekt den Einsatz belastender Besaitung. Und was da ursprünglich mal drauf gehörte sollten kompetente Musikwissenschaftler klären.
Von praktischer Bedeutung ist die Frage eher für die Gitarren ab den 20er Jahren des 20ten Jahrhunderts, gerne als Wandergitarren klassifiziert. Die erste Frage die sich da stellt ist: was war da eigentlich ursprünglich mal drauf. Also hab ich mir mal Fotos von Wandervögen angeschaut. Leider war der Saitentyp nicht zu erkennen, aber die allermeisten Gitarren hatten eine Pinbefestigung und einen Headstock mit dünnen Metallwellen.
Auch Kataloge aus der Zeit erwähnten nicht den Saitentyp. Sucht man nun nach Fotos solcher alten Wandergitarren, dann zeigt sich ein interessantes Muster: Diejenigen, die noch mit uralten und korridierten Saiten bespannt sind, haben dünne Metallsaiten und die umwickelten Saiten haben eine textile Beiwicklung wie heute Silk & Steel. Die meisten neu bespannten Instrumente sind dagegen mit Nylon bespannt. Ich hatte als Kind zum Spielen die alte Gitarre einer ebensolchen Tante und ich erinnere mich gut, wie die Metallsaiten in die Finger schnitten. Es gab auch die farbige Beiwicklung. Ich habe im Laufe der Zeit etwa 10 Gitarren von Framus und Hopf gekauft und mit einer Ausnahme waren Nylonsaiten drauf. Und diese eine Gitarre war noch nie gespielt worden, es waren also die Originalsaiten.
Daraus kann man vermuten, dass im Verlauf der Jahrzehnte meist von Metall auf Nylon gewechselt wurde, ein umgekehrter Wechsel ist eher unwahrscheinlich.
Was ist nun das Geheimnis der alten Metallsaiten? Einen Hinweis gibt die Textilwicklung, welche die Saiten leichter werden lässt. Die Schwingungsfrequenz einer Saite hängt von deren Masse und von ihrem Zug ab. d.h. eine Metallsaite die genauso schwer bzw.leicht wie eine Nylonsaite ist, hat genau den gleichen Zug. Eine Metallsaite mit wenig Zug ist auch sehr elastisch und schwingt ähnlich einer Nylonsaite sehr weit. Und das sorgt für Lautstärke ... Das Spielgefühl meiner Framus mit leichten Chinasaiten unterscheidet sich kaum von dem einer Gitarre mit High Tension Nylonsaiten und auch klanglich gibt es eine gewisse Annäherung.
Und noch eine interessante Frage: Nylon war 1920 noch nicht erfunden, was gab es ausser Stahl und Darm??
Eines der Hauptargumente gegen Metallsaiten sind die im Laufe der Zeit eingetretenen Schäden. Schaut man sich diese einmal genauer an, so sind sie meist schleichend eingetreten. Die Decke ist hochgegangen, der Hals hat sich verbogen... Hätte man die Saiten jeweils nach dem Spielen entspannt, so wären sie nicht eingetreten. Ich spekuliere einfach mal, dass dies früher auch so gehandhabt wurde. Auch moderne Gitarren leiden unter permanentem Saitenzug. Mehr als die Hälfte der auf Ebay angebotenen Westerngitarren ist wegen zu hoher Saitenlage eigentlich nicht mehr spielbar. Gitarren die nicht im Gebrauch sind, werden von mir daher entspannt gelagert.
Mein persönliches Faizit: Wandergitarren wurden wohl mit besonders dünnen und leichten Metallsaiten gespielt, die es so heute so nicht mehr gibt. Und den Zug, egal welcher Saiten, über 50 oder 100 Jahre hält keine einfach aufgebaute Gitarre aus.