Praxistipps - Akkordzither stimmen
Hin und wieder bekomme ich Anrufe von weit weg, wo jemand eine schöne alte Akkordzither erworben hat und dann vor den vielen Saiten sitzt und nicht so recht weiß, wie er sie wieder schön zum klingen bringt. Das einfachste wäre nun, sich zu treffen und die Akkordzither gemeinsam zu stimmen. So manche machen das auch und nehmen dafür auch mal über 100km Fahrt auf sich. Aber wenn ein Anruf aus der Schweiz kommt ...
Einige Fragen treten fast immer auf. Die möchte ich hier kurz anreißen.
Verschiedene Notennamen die dasselbe meinen
Für diejenigen, die die Regeln der Enharmonischen Verwechslung nicht kennen, ist es sehr verwirrend, wenn sie auf der Akkordzither eine Saite mit der Bezeichnung Bb sehen, auf dem Stimmgerät dann aber den Ton A# anpeilen sollen.
Zu diesem Thema bitte diese Wiki-Seite lesen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Enharmonische_Verwechslung
Woher weiß man auf welche Töne man die Saiten der Akkordzither stimmt?
Unterschiedliche Darstellungen der Halbtöne auf Stimmgeräten und Akkordzithern
Es gibt verschiedene Akkordzithergrößen. An der Anzahl der Akkorde kann man oft schon erkennen, wie das Besaitungssystem ausgesehen haben dürfte. Da die meisten Instrumente beschriftet sind, kann man aber auch - sofern die Beschriftung noch erhalten ist - auf dem Instrument ablesen, auf welchen Ton die einzelnen Saiten zu stimmen sind.
Beim Ablesen der Töne ist zu berücksichtigen, dass die Bezeichnungen auf dem Instrument und im Stimmgerät unterschiedlich sein können. Auch beim Vergleich der Stimmgeräte kann man Unterschiede feststellen:
| | C# | | D# | | | F# | | G# | | A# | | |
D'Addario | C | | D | | E | F | | G | | A | | B | C |
x | xx | xx | xx | xx | xx | xx | xx | xx | xx | xx | xx | xx | xx |
| | C# | | | | | F# | | G# | | | | |
KORG | C | | D | | E | F | | G | | A | | B | C |
| | | | Eb | | | | | | | Bb | | |
[TBODY]
[/TBODY]
Bei Korg-Geräten werden die am häufigsten benötigten chromatischen Stufen angezeigt:
- F#, C#, G# für die drei ersten Kreuz-Tonarten
- Bb und Eb für die zwei ersten B-Tonarten
Bei den Geräten von D'Addario werden alle chromatischen Stufen mit # dargestellt.
Solange man die gleichstufige Stimmung benutzt, sind mit D# und Eb sowie Bb und A# jeweils die gleichen Töne gemeint (enharmonische Verwechslung).
Der Bezeichnungsstil der Töne entspricht dem englischen Sprachgebrauch C# = C sharp usw. Bb = B flat. Zu beachten ist, dass Bb unser deutsches B meint und das B unser deutsches H. Auf vielen Akkordzithern findet man die Doppelbezeichnung B/H, die auf diese unterschiedlichen Tonbezeichnungen hinweist.
Völlig verstimmte Akkordzithern stimmen
Bei alten Zithern, die lange nicht mehr bespielt wurden, hängen die Saiten unter Umständen schlapp durch. Da man in der Regel nicht erkennen kann, wie gut die Stimmnägel noch im Holz sitzen, muss man die Stimmnägel sehr vorsichtig drehen, damit man sie nicht zu sehr lockert. Vor allem sollte man vermeiden, sie hin und her zu drehen.
Wenn nun die Gefahr groß ist, dass die Stimmnägel nicht mehr ausreichend stramm im Holz sitzen, um dem hohen Saitenzug stand zu halten, sollte man zunächst eine tiefe Stimmung anstreben. Dadurch ist die Saitenspannung geringer und damit auch die Gefahr, dass ein Stimmnagel dem Saitenzug plötzlich nachgibt und sich von alleine aufdreht. Wenn das passiert, ist er so gelockert, dass er keine Stimmung mehr halten kann. Gelockerte Stimmnägel müssen heraus gezogen und neu gesetzt werden. Das kann man bei den meisten Zupfinstrumentenbauern machen lassen. Geschickte Bastler bekommen das auch selbst hin.
Damit man auch mit einem tief gestimmten Instrument musizieren kann, richtet man es in einer transponierten Stimmung ein. Die lässt sich auf dem KORG OT-120 mit der TRANS-Funktion einstellen und ablesen.
Wem es schwer fällt, eine sinnvolle Einstellung zu finden, stellt man erst einmal mit Hilfe des Stimmgerätes fest, auf welcher Höhe (oder Tiefe
) die Saiten angekommen sind. Diese Ist-Werte schreibt man unter die "Soll-Werte-Tonleiter". Am geschicktesten wäre es, die mit dem Stimmgerät gefundenen Töne als Noten aufzuschreiben. Die sichtbar werdenden Differenzen zwischen Soll- und Ist-Wert zeigen den Bereich, in dem eine abgesenkte Stimmung gefunden werden kann.
Beim Aufschreiben der Noten tritt zwangsläufig die Frage auf, um welches c, d, e ... es sich denn handelt, das da angezeigt wird. Da kommt die Anzeige der Oktavlage hilfreich ins Spiel, sofern das Stimmgerät diese anzeigen kann. Auf dem alten Korg AT12 fand man diese in Form einer Octave-Skala, in der eine Leuchtdiode die entsprechende Position markiert.
Die "0" in der Mitte steht für die eingestrichene Oktave c' d' e'... etc.
In anderen Bezeichnungssystemen ist das die 4. Oktave C4 D4 E4 ... etc.
In den modernen Stimmgeräten findet man die Oktavbezeichnung als Zahl hinter dem Notennamen.
Im abgebildeten Beispiel ist es die Oktave 2, die auf dem alten Korg der Oktave -2 (Minus Zwei) entspricht und in der Musiklehre auch
Große Oktave genannt wird.
Nachdem man die aktuelle (Miss)Stimmung seines Instruments festgestellt und sich für ein bestimmtes Ziel (transponierte Stimmung oder Nenn-Stimmung) entschieden hat, beginnt man, die Stimmung in kleinen Schritten langsam nach oben zu ziehen. Zwischendurch lässt man das Instrument immer wieder ruhen und beobachtet, wie die Saiten die Stimmung halten.
Wenn die Stimmung einer Akkordzither völlig durcheinander geraten ist, baue ich ihren Klang entweder akkordweise auf, indem ich erst einmal von einem Akkord alle auf der Zither verteilten Töne stimme oder ich arbeite mich in Quintensprüngen oder Quartensprüngen vor, die ich im Laufe des Stimmprozess mit dem Erhorchen von Dreiklängen in Grundposition (1 5 3 spielen) oder als Quart-Sext-Akkord (5 1 3 1 5 1 spielen) kombiniere.
Beispiel 1 (Akkorde durchstimmen):
Auf alten 6-Akkord-Zithern ist der Akkord Nr.1 (rechts) C-Dur. Also stimme ich zuerst alle C, dann alle G und dann alle E, die auf der Zither zu finden sind. Dabei stimmt man dann auch schon Saiten anderer Akkorde mit: c aus F-Dur, die G-Saiten aus G-Dur, die E-Saiten aus E-Dur.
Dann nimmt man den nächsten Akkord. Auf einer alten 6-Akkord-Zither ist das G-Dur. Dazu gehören die Töne G - H/B - D (Doppelbezeichnung für H beachten!) usw.
Beispiel 2 (in Quintsprüngen arbeiten):
Ich starte mit F, suche also alle F und stimme diese sowohl im Melodiebereich als auch im Akkordbereich. Beim Stimmen werden die verschiedenen F-Saiten immer wieder verglichen und bei Bedarf so lange vorsichtig nachgestimmt, bis sie gut zusammen klingen. (Soll eine Mitteltönige Stimmung eingerichtet werden, starte ich mit dem C-Dur-Akkord )
Als nächstes kommen alle C dran. So erhält man die Quinte zu F. Beim Stimmen hört man sich dann nicht nur an, ob alle C gut zusammen klingen, sondern auch, wie die Quinte F-C klingt. Mit dem Quintsprung zu C erhält man einerseits das Rahmenintervall für den F-Dur-Dreiklang und andererseits den Grundton für die Dominante zu F-Dur, also C-Dur.
Dann kommen alle G dran. Das ist die Quinte zu C. Beim Stimmen hört man sich dann nicht nur an, ob alle G gut zusammen klingen, sondern auch, wie die Quinte C - G klingt. Mit den entstandenen Quinten kann man schon eine einfache Begleitung für eine kleine F-Dur-Melodie spielen. Es stören nur noch die ungestimmten Terzen dazwischen. In F-Dur das A und in C-Dur das E. Wer sie durch das Singen des "Drehsprungs" F C A bzw. C G E finden kann, stimmt dann diese Terzen innerhalb der entsprechenden Akkorde. Anschließend geht es mit den Quinten weiter.
Mit dem Quintsprung C G bekommt man den Grundton für die Dominante zu C-Dur, also G-Dur und sucht sich von da aus die nächste Quinte und die dazu passende Terz. (Drehsprung: G D H)
So geht es mit den Quinten und den dazu gehörenden Terzen immer weiter.
> D A Fis
> A E cis
> E H gis
Die Quinte zu A, also das E ist auch als Terz in C-Dur enthalten. Wenn man ohne Stimmgerät arbeitet, wird es ab hier kniffelig. Warum?
Wenn man ohne Stimmgerät nach Gehör stimmt entsteht mit großer Wahrscheinlichkeit eine quintenreine Stimmung, die "
Pythagoreische Stimmung". Da die 6-Akkord-Zither ein chromatisches Instrument ist, wird man bei diesem Vorgehen irgendwann bemerken, dass man "irgendwie" nicht richtig auskommt. Die Erklärung dafür ist in dem verlinkten Wikipedia-Artikel zu lesen. Dort erhält man den Verweis auf das
pythagoreische Komma und die
gleichstufige Stimmung, die durch Verkleinern der Quinte entsteht. Diese gleichstufige Stimmung ist auf der chromatisch gestimmten Akkordzither das Ziel. Um sie zu erreichen, muss man wissen, wie man die Tonabstände ausgleichen muss. Einfacher ist es, sich beim Anpassen der Quinten von seinem Stimmgerät leiten zu lassen.
Wer mit dem pythagoreischen Stimmsystem experimenteren und Gehörschulung machen möchte, kann sich auch darin vom Korg OT120 unterstützen lassen. Die Umstellung auf das pythagoreische Stimmsystem erfolgt mit Hilfe des Schalters TRANS/ Temperament
. Man klickt sich durch eine Reihe von Buchstaben und Abkürzungen, bis man "PG" für "Pythagoreisch" erreicht hat.
Damit man beim Stimmen die Übersicht nicht verliert, ist es vor allem für Anfänger ratsam, sich ein Stimmprotokoll anzufertigen. Dafür fotografiert man seine Zither, schnibbelt mit einem Grafikprogramm den Streifen mit der Zitherbeschriftung aus und druckt sich diesen aus. Beim Stimmen werden dann alle fertig gestimmten Saiten abgehakt. Treten beim Stimmen irgendwelche Auffälligkeiten auf (Ton verliert schnell die Höhe; Stimmnagel klemmt) werden diese ebenfalls aufgeschrieben. So gewinnt man allmählich ein Bild vom Zustand seiner Zither.
Wenn das Stimmgerät die Oktavlage der Töne anzeigt, schreibt man diese ebenfalls an die Grafik. So ergeben die vom Display abgelesenen Einzelinformationen allmählich ein Gesamtbild.
>>> Kammertonfrequenz ändern - wozu?
Möchte man in einem Ensemble für Alte Musik musizieren, erkundigt man sich am besten schon vor der Probe bei der Leitung, auf welche Frequenz der Kammerton a' eingerichtet werden soll. Blockflöten in barocker Stimmung sind z.B. auf einen Kammerton mit 415 Hz eingerichtet. Diese Frequenz erreicht man durch Drücken der CALIB Taste.
>>> Stimmsysteme nutzen
Reine Bläserensemble für alte Musik spielen nach Möglichkeit in einer Stimmung, die zu der Zeit, aus der die Kompositionen stammen, üblich war. So zum Beispiel die Mitteltönige Stimmung (>
https://de.wikipedia.org/wiki/Mitteltönige_Stimmung)
Das Stimmsystem wählt man mit Hilfe der TRANS/TEMPERAMENT-Taste
.
Wählbar sind:
PG: Pythagoreisch
ME: Mittelton E
MD: Mittelton D
WM: Werckmeister III
KB: Kirnberger III
KN: Kellner
VT: Vallotti
YG: Young
Viel Freude mit Eurer Akkordzither!
Lisa
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