Hallo, Christian,
ich denke, Du hast Dir die Auswahl des Lehrers zu einfach gemacht.
Mein Musikunterricht bei einem professionellen Lehrer lief folgendermaßen ab: Wir nehmen uns ein Stück (z.T. von ihm vorgeschlagen, z.T. von mir) und beginnen mit der rechten Hand bei der ersten Note, dann langsam von Anfang bis Ende. Nach einer Weile dann Wechsel zur linken Hand, ebenfalls langsam durchspielen. Dann gemeinsam versuchen. Diese Dinge jeweils zuhause üben zwischen den Stunden, dann vorspielen und korrigiert werden bzgl. Ausdruck etc.
bei mir geht das folgendermaßen:
ich suche nach einem Musikstück, das ich spielen möchte, lege Ihm (dem Lehrer) das vor und frage, ob er das für machbar hält. Daran wie er die Stirn runzelt erkenne ich dann, ob er mir das leicht zutraut, oder ober das für problematisch hält. Aber immer ermutigt er mich, das Projekt an zu gehen, auch wenn er manchmal sagt: das ist schwerer als Sie glauben, oder als es aussieht.
Dann probiert er, wie er selbst damit zurecht kommt. Dann läßt er mich spielen und beobachtet mich dabei, korrigiert evtl. meinen Fingersatz. Dann folgt die u.U. monatelange Phase des Einübens, verbunden mit Änderungen, wenn sich Fingersätze oder Abläufe als problematisch oder für mich zu schwierig erweisen. Der Lehrer gibt mir Anregungen, wie ich etwas verbessern kann, umsetzen muß ich das selbst, und auch selbst entscheiden, ob ich den Anregungen folge.
Kein Stück konnte ich fehlerfrei in halbwegs normalem Tempo durchspielen.
Was ist fehlerfrei? Was ist ein halbwegs normales Tempo?
Fehlerfrei ist für mich, wenn ich ein Stück vorspiele, und der unbedarfte Zuhörer sagt: so war das aber schön anzuhören.
Selbst bei hoch professionellen Musikern wirst Du feststellen können, daß sie nicht immer das spielen, was im Notentext steht, aber sie finden einen Weg aus Ihren "Fehlern". Das kann man bei einer Martha Argerich (Klavier) sehen genauso wie bei Yuri Shishkin (Bajan).
Ein normales Tempo gibt es nicht. Es gibt Tempi, bei denen sich ein Musikstück wohlklingend entfaltet und Tempi bei denen der Charakter der Musik verwischt. Das ist bei gleichen Stücken von Instrument zu Instrument und von Raum zu Raum verschieden. Ich spiele barocke Cembalo-Musik auf dem Akkordeon und muß, damit es klingt, in der Regel deutlich ruhiger spielen, als vom Komponisten vorgesehen. In halligen Räumen muß man oft noch einmal ruhiger werden.
Das alles bespreche ich mit meinem Lehrer, der gibt mir Ratschläge und ich greife sie auf oder verwerfe sie.
Nicht nur, dass der Lehrer kein Interesse an meinem (vielleicht) speziellen Problem hatte, auch als ich ihn darauf hingewiesen habe, meinte er nur, dass ich das eben üben müsste.
Vielleicht hast Du Ihn, als Du angefangen hast nicht deutlich genug darauf hingewiesen, daß
Du sagst, was Du lernen willst und was nicht. Als ich meinen Lehrer gesucht habe, haben drei Lehrer abgelehnt mich zu unterrichten, weil sie der Meinung waren, so wie ich mir das vorstellte könne man das Akkordeonspielen nicht lernen. Vieles kann ich auch nicht, aber das, was ich gerne spiele habe ich gelernt und mache es auch nicht ganz schlecht.
Aber, ohne Lehrer, ohne wöchentliches Korrektiv wäre ich nicht da, wo ich heute spieltechnisch bin.
Gruß
Reini2