Ich gebe Dir Recht, dass viele Musiker es leider für unter ihrer Würde halten würden, das so simpel zu spielen. Daher gibt es von vielen Songs Cover, die zwar „besser“ sind, mir aber wenig zu sagen haben und nach kürzester Zeit auf den Sack gehen…
Manche verstehen auch einfach den Gag nicht (z.B. das simpel-Keyboard, man beachte auch die Stehlampe im Hintergrund), oder meinen, dass Musik erst gut wird, wenn es viel "Action", strukturelle Kompliziertheit, raffinierte Harmonik oder so gibt.
Und klar könnte man dieses Lied anders gestalten, man könnte sich sogar ein fettes Orchesterarrangement dazu denken, Reharmonisierungen, und anderes mehr.
Aber "anders" muss nicht unbedingt "besser" heißen.
Dabei spricht es gerade für Qualität, wenn eine solche extrem reduzierte Fassung schon unter die Haut geht. In der Reduktion zeigt sich erst so richtig, wie gut ein Werk ist. Großes Brimborium verschleiert oft nur die Dürftigkeit der Substanz.
In einem anderen Thread, wo es um eine Klavierbegleitung zu "La Mer" von Charles Trenet geht, gab es einen (mittlerweile wohl vom Teilnehmer selbst gelöschten) Post, wo jemand diese Melodie erkennbar abschätzig als "Kinderlied" abkanzelt, was ich nur als ein krasses mangelndes musikalisches Verständnis und Empfinden kritisieren mag.
Auch dieses Lied hier, "Hochzeit", weiß mir zu gefallen, wobei ich diese extreme Schlichtheit einerseits als witzig und ironisch, andererseits auch als durchaus intensiv vom Ausdruck her empfinde.
Klar gibt es Stücke, denen es völlig an Tiefgang und Originalität fehlt, und die dabei so hanebüchen simpel sind, dass es nur noch langweilt und schnell nervt. "Hochzeit" kann (mich) aber mit einer gewissen Originalität überzeugen.
Igor Stravinsky, dem man gewiss nicht mangelnde Originalität und Komplexität vorwerfen kann, soll Vincenzo Bellini gerade wegen seiner Schlichtheit und seinen so einfach gesetzten Melodien bewundert haben (bitte man Bellini und "Casta Diva" googeln).
Hier noch ein anderes Beispiel, das an Schlichtheit kaum noch zu toppen sein dürfte, dabei aber von sehr intensiver musikalischer Wirkung ist - gerade wegen der Schlichtheit (Erik Satie "Gymnopédie No. 1"):