Ja, aber mit X11 würde ich nicht die grundsätzliche Akkordqualität SUS verbinden ...
Da stimme ich dir zu - aber dein Beispiel klingt bei mir auch gar nicht so sehr nach "sus" (oder sagt man "sussig"?). Die Außenstimmen G-h' dominieren in ihrer Konsonanz in meinen Ohren über das c' in der Mitte. Aber da hängt es davon ab, ob man den Akkord unvorbereitet hört, ob alle Töne auch wirklich gleich laut sind, welche(s) Instrument(e) beteiligt ist/sind, etc. .
Wenn aber z.B. in einem Bigband-Arrangement das Akkordsymbol G11 auftaucht, würde ich vermutlich alles mögliche spielen, nur nicht das von Turko gewünschten Voicing.
Auch da stimme ich zu, im Jazz würde ich sowas auch vermeiden. Hier war das Voicing halt voraussetzungslos und stilunabhängig gegeben, und die Terzschichtung G11 bildet die gegebenen Töne vollständig ab. So kam ich zu dem Vorschlag. Als Jazzpianist ist man ja mehr als nur Terzschichtungrealisierungsbeauftragter, daher wäre die Benennung G11 nur bei enger (blinder?) und akademischer Regelauslegung möglich, aber nicht, sobald die musikalische Praxis eine Rolle spielt.
ich distanziere mich prinzipiell von dieser Schreibweise, da sie sehr viele Irrtümer hervorruft.
Kann ich nachvollziehen. Ich beobachte auch, daß viele Leute eher X11 vermeiden. Trotzdem gibt's ihn als Theoriekonstrukt, und immer mal wieder schießt mir durch den Kopf, daß doch die Theorie sich an der Praxis beweisen und nachvollziehen lassen müsste. Dann krame ich die theoretischen Grenzfälle und Konstrukte raus und schaue, ob sie nicht doch irgendwie in der Praxis realisierbar sind.
Im Lehrbuch "Inside The Score" steht Folgendes:
Guter Hinweis, ich hab's vor mir liegen, S.122...vielleicht darf ich mal diese Seite, die nur teilweise im Scan enthalten ist, auf deutsch wiedergeben. Zur Erläuterung für alles, die das Buch nicht haben: darin sind Analysen von Big-Band-Kompositionen enthalten. Hier auf S.122 sind wir bei einer Analyse von "Hello and Goodbye" von Bob Brookmeyer, der der harmonisch komplexeste der besprochenen Komponisten ist. "suspended chord" hab ich mal mit "Vorhaltakkord" übersetzt, aber so richtig gängig ist der Begriff bei uns IMHO nicht. Er bezeichnet sus4-Akkorde.
5. Vorhaltakkorde mit Terzen: Vorhaltdominantseptimakkorde mit Terzen (oder Dominantseptakkorde mit Quarten) sind wegen des offensichtlichen Widerspruchs des gleichzeitigen Vorhalts und der Auflösung normalerweise verboten (Quarte und Terz in einem Akkord) - solche Akkorde finden sich in den hier besprochenen Stücken von Sammy Nestico und Thad Jones nicht. In bestimmten Situationen werden sie allerdings von Bob Brookmeyer sowie Oliver Nelson und anderen eher modal schreibenden Komponisten verwendet. In "Hello and Goodbye" ist die erste Melodienote in Takt 17 eine Terz gegen den unterliegenden Ab9sus, und auch die 8 Takte Ab9sus von Takt 49-58 enthalten ständig den Ton c. In diesen Fällen wirkt die Terz eher wie eine Option statt wie eine Terz über dem Gundton. Sie kann als 13 eines Ebm13 über den dominierenden Ton Ab gesehen und behandelt werden, und dies legt ein übliches Voicing nahe, bei dem die 13 höher erklingt als die sus4.
Aus dem Scan gehen ja auch zwei Akkordsymbolvarianten hervor: Ebm13/Ab oder F13(add4). Auf turkos Beispiel bezogen würde das bedeuten: entweder Dm13/G oder G13(add4).
Übrigens gibt's im bekannten Chopin-Nocturne op. 9 Nr.2 in Takt 4 Schlag 1 auch eine interessante Situation, wo eine Dominante mit gleichzeitiger Terz (Spitzenton der Melodie!) und Quartvorhalt (in der l.H.) erklingt:
http://en.wikipedia.org/wiki/File:Chopin_nocturne_op9_2a.png
Harald