57 Jahre Home Recording mit Les Paul

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Hallöli,

eben stieß ich durch Zufall auf einen Fernsehbeitrag im arte Magazin "Tracks".
Wer eine Wiederholung von "Tracks" auf arte sehen kann und Recording Fan ist, sollte sich das nicht entgehen lassen.

Einer der Beiträge geht über den mittlerweile 93 jährigen Les Paul.
Seine Gitarre(n) kennt wohl jeder Musiker. "How high the moon" dürften einige auch schon mal gehört haben; mir zumindest ist das Lied bekannt gewesen: http://www.youtube.com/watch?v=EQ37mlUFjSw

Wenn ihr euch das Lied von 1951 anhören solltet ...
Damals gab es weder Digital-Delays, noch Echo-Machinen!

Les Paul nahm mehrere Bandmaschinen aus alten Armeebeständen (Zweiter Weltkrieg) und erfand so das Ping-Pong-Verfahren der Mehrspuraufnahme. Für "How high the moon" nahm er 12 Spuren mit Gitarre (und Bass), sowie 12 Gesangspuren auf. Hört man sich den Gesang genau an, hört man Effekte die man mit heutigen Delays einfach erzeugen kann - damals eine Revolution. Und die verschiedenen Gitarren sind natürlich auch top.

Was einmal auf Band zugespielt war konnte nicht mehr in Lautstärke oder Klang bearbeitet werden! Stereo gab es damals meines Wissens noch nicht - zumindest hatte niemand eine passende Anlage zuhause.

Im arte Beitrag wurde der Anfang einer Show gezeigt, der hier im Clip leider fehlt: http://www.youtube.com/watch?v=7UvXr2e9DwU
Da startet Les Paul die Bandmaschinen und erklärt etwas mehr.

Einfach gigantisch, was dieser Mann vor 57 Jahren mit der damaligen Technik machte!
Ich denke, so ein bißchen Historie kann im Recording Forum nicht schaden?! Wer weiß schon, dass Les Paul zu den Vätern des Home- und Ping-Pong-Recordings gehört?

Gruß
Andreas
 
Eigenschaft
 
Hab mir das grade angehört und finde das so richtig Klasse, echt großartig!!! :)

Tolle Gitarre, toller Gesang.... warum habe ich das noch nie gehört....

Hab mir das flv - file natürlich sofort runtersaugen müssen!
 
Hallo MAD,

schön, dass es Dir gefällt! :cool:

Eine Frage die ich mir jetzt stelle ...
Sind die Recording Leute "geschichtslose Gesellen"? Interessiert sie nur das Hier-und-jetzt?
Interessiert keinen die Geschichte des Recordings oder war ich zu blöd und das ist alles bekannt? (ich wusste es nicht)
Wird das nur als stinke langweiliges altes Zeug empfunden in Zeiten des Digital-Recordings?
Ich habe ja auch noch mit Fostex auf Cassettenrecorder Bändern aufgenommen ...

Gruß
Andreas
 
***
Eine Frage die ich mir jetzt stelle ...
Sind die Recording Leute "geschichtslose Gesellen"? ***

diese Frage kann ich nicht beurteilen, aber mir war das als Recording-Freak und Gitarrist schon seit den 70ern bekannt. Habe das dann auch mit zwei alten, gebrauchten & identischen Philips-Bandmaschinen nachgemacht :).

Der eigentliche Trick liegt weniger in der Ping-Pong-Aufnahme, als eher in der Erfindung des Delays / Echos an sich.

Les hat mit zwei Maschinen, auf denen je nur eine Tonbandspule aufgesetzt war (1. Maschine "lieferte" das Band, 2. Maschine "wickelte" das Band) den variablen Echoeffekt erfunden.

Variabel im Sinne einer "tempogenauen" Einstellmöglichkeit der "Delayzeit".

Und das funktionierte schlicht durch den Abstand, den die beiden parallel stehenden Bandmaschinen zueinander hatten (grosser Abstand = hohe Delaytime / kürzer Abstand = kurze Delaytime).

Dabei nahmen beide Maschinen permanent auf und das abgreifende Monitor-Signal des Wiedergabekopfes wurde auf einer dritten ("Master-") Maschine zusammengemischt, bzw. live über einen Amp wiedergegeben.

Diesen Trick verwendeten später u.a. auch Steve Miller (der schon als kleiner Junge bei Lester Polfus ein -und-aus ging, kein Wunder dass auch er ein erfolgreicher Gitarrist wurde...), Dave Gilmour und Robert Fripp (letzterer mit den berühmten Revox A77 auf der Bühne).

Aus eigener Erfahrung weiss ich, dass die "Erkundung" der passenden Delayzeiten extrem zeitintensiv war, denn die Abstände beider Maschinen mussten im try-and error-Verfahren tatsächlich in stundenlangen Aufnahmeversuchen ausgetestet werden.

Natürlich ist Les' Erfindung der Ping-Pong-Aufnahme auch genial :cool: und Musikgeschichte prägend, aber das war eigentlich nur ein "Abfallprodukt" seiner "Echomaschinen".

LG
RJJC
 

Anhänge

  • L.P. Echo.pdf
    7,7 KB · Aufrufe: 316
Hallo RJJC,

in meiner ersten Band hatte niemand das Geld für eich Echogerät.

In der zeiten Band waren auch einige "ältere" Musiker (Anfang 30). :D
Da hatte einer ein Dynacord Bandechogerät. Ein Kopf war ein Aufnahme/Wiedergabe Kopf, der zweite Kopf war im Abstand verstellbar - wodurch die Echozeit eingestellt werden konnte. Dass das Magnetband mit der Zeit immer mehr ausnudelte und tierische Nebengeräusche erzeugte ist klar - zumindest den Leuten, die die Cassettenrecorder-Ära noch mitgemacht haben. :)

Gruß
Andreas
 
Als ich angefangen habe, mich mit solchen Dingen zu beschäftigen, gab es solcherlei Gerätschaften im Handel nur als Bückware. Oder aber im sog. "An- und Verkauf"(second hand). Dort gab es dann auch Gerätschaften aus aller Welt, vorzugsweise der westlichen. Der Kurs zum Neupreis in DM lag in aller Regel so in etwa bei 1:10, was bedeutet, daß man z.B. für eine Boss Tretmine für Gitarre durchaus über 1000 Mark auf den Ladentisch legte. Und das bei einem Lohn zwischen 650-900 Mark. Und es gab Leute, die haben sich so 'nen DX7 gekauft!
 
Hm, als vertreter des "jungen Gemüses" mal meine Situation in Bezug auf die Frage nach der Würdigung der Historie, bzw. dem allgemeinen Interesse an den vergangenen Zeiten.

Also ich muss ganz schnörkellos zugeben: ansich interessiert mich die technische Vergangenheit nicht so besonders.
Das ist nicht einmal zwingend Ignoranz, sondern einfach eine subjektive Gewichtung...ich finde es schon ein Stück weit spannend, sich mit sowas zu befassen, aber letzendlich gesteht man sich dann ein: ok, wieder was "neues altes" im Kopf, aber - es bringt mir nix.

Bänder...Bänder mögen so manche attraktive Eigenschaft haben (wenn man sie zu nutzen weiß), und sind vermutlich noch nicht ganz am Ende ihrer Ära, aber sie sind dennoch antik genug, um in meinem Kopf nur noch ein Schattendasein zu führen. Und die Vorteile der Technik mit den 0en und 1en sind für mich derart erschlagend, dass sich das auch nicht mehr ändert wird. Ich habe sogar schon eine regelrechte Abneigung gegen Videobänder, wie sie auf breiter Front im AV-Bereich immer noch Standard sind. Die Speicherkartenlösungen stecken da noch vergleichsweise in den Kinderschuhen, aber ich würde eigentlich mit nichts anderem mehr arbeiten wollen...

Fazit: Die Welt dreht sich weiter und es kommt viel Gegenverkehr (Neues) auf einen zu, von der Gegenwart ganz zu schweigen. Da ist der Blick nach hinten mitunter einfach ein gefährlicher Luxus.

PS: Zur historischen Einordnung - ich bin Baujahr '86 ;)
 
Hm, als vertreter des "jungen Gemüses" ***

Fazit: Die Welt dreht sich weiter und es kommt viel Gegenverkehr (Neues) auf einen zu, von der Gegenwart ganz zu schweigen. Da ist der Blick nach hinten mitunter einfach ein gefährlicher Luxus.
***

völlig richtig und ein legitimer Kommentar.

Ich nutze heute natürlich auch nur das I/O-Prinzip/-Technik und hier möglichst das Beste, aber der Blick in die (meine) Vergangenheit und wie alles mal begonnen hat, ist durchaus auch erwähnenswert.

Gerade für meine Generation waren die letzten 30 Jahre unglaublich spannend und haben sich rasant positiv entwickelt. Ich habe noch in der Bänderära die Grundlagen gelernt und selber km an 24-Spur Bändern in realiter geschnitten und geklebt (= MEGA-Stress!), Maschinenmotoren kalibriert und synchronisiert, Tonköpfe gereinigt und entmagnetisiert etc. p.p.

Was die Digitaltechnik uns Produzierenden in den vergangenen Jahren als Tools zur Verfügung gestellt hat, ist unglaublich und kam mir immer wieder vor, wie ein Sprung per Raumschiff in die Zukunft :D...

Heute bin ich Herrscher meiner I/O-Maschinen, vergesse aber dabei nicht meine Anfänge mit den zwei alten Bandmaschinen oder -später- mit umgebauten Doppel-Tapdecks...
(dann die ersten Fostex 4- & 8-Spur-Maschinen, später Teac 16-Spurer, dann ADAT etc. p.p....:rolleyes:)

LG
RJJC
 
Ja natürlich habe ich auch damit angefangen, zwei möglichst baugleiche Kassettenrecorder(tapedeck ;) )als Sequenzer einzusetzen. Wenn man sich das heute aus dem Blickwinkel Cubase SX3 betrachtet, fällt man fast vor Lachen vom Stuhl! Aber es ging!
:D
 
Ich will ja auch nicht, dass moderne Architekten sich mit der Frage beschäftigen, wie man eine Pyramide herstellt. ;)
Aber auch als Architekt sollte man sich mal ganz kurz damit auseinandersetzen wie die das ungefähr damals gemanaged haben. Daraus kann man unter Umständen auch ungewohnte eigene Gänge für die eigene Zukunft ableiten.

Wenn die ganze Menschheit vergessen hat wie man überhaupt Pyramiden bauen kann, geht im Grunde aber auch wichtiges Wissen verloren. Wie gesagt; es muss ja keiner selbst probieren! Interessiert anschauen reicht ja schon. ;)

Und ich glaube wirklich, dass man daraus Inspirationen bekommen kann, die man sonst nie bekommen hätte.

Gruß
Andreas
 
Wenn ich mir das anschaue, dann empfinde ich immer Neid auf den Umstand, das es früher doch irgendwie "romantischer" war und aufrichtiger. Das mag vielleicht nicht ganz stimmen, aber als geborener 80er kann ich das auch nicht wissen. Aber in meiner Vorstellung war Musikmachen zu der Zeit intuitiver und aufrichtiger. Man musste das was man tat auch beherrschen und Fehler waren weniger ein Makel als vielmehr Charakter.
Songs funktionierten mehr aus sich heraus und nicht weil sie auf höchstem perfektem Niveau produziert werden...die idealisierte romantische Perspektive, in der sich wohl nur der gegenwärtige Frust ausdrückt, den unsere Zeit, mit den hochgesteckten Ansprüchen, mit sich bringt.
 
Wenn ich mir das anschaue, dann empfinde ich immer Neid auf den Umstand, das es früher doch irgendwie "romantischer" war und aufrichtiger. Das mag vielleicht nicht ganz stimmen, aber als geborener 80er kann ich das auch nicht wissen. Aber in meiner Vorstellung war Musikmachen zu der Zeit intuitiver und aufrichtiger.

Auch vergangene Jahrhunderte waren romantischer - als Ritter in die Schlacht ziehen und sowas halt. ;) Realität war wohl damals eher mit 35 ohne Zähne im Maul an irgendeiner lächerlichen Krankheit zu sterben.

Wäre ich auch nur 20 Jahre früher geboren hätte ich wohl nur halb so leicht Musik machen können, angesichts teurer (oft minderwertiger) Instrumente, unbezahlbarer Synthesizer, fehlender vernünftiger Homerecordingmöglichkeit usw.
Und was an Bandmaschinenmonstern aufrichtig und intuitiv sein soll musst du mir mal erklären. ;) Das einzige worüber ich mich ärgere ist dass ich 20 Jahre zu früh geboren bin, wenn ich dann doch mal meinen Rechner mit zieh Impulsantworten ausgesuchter Gitarrenboxen und Räumen überfordere. ;) Das wird man dann auf einem Handy machen können...
 
Ja, du hast wohl recht. Je mehr ich drüber nachdenke, umso mehr komm ich drauf, dass es eher diese kindliche Freude ist, die dieser Mann ausstrahlt neben seiner Bandmaschine, die ich vermisse..an mir.
So die Zeiten als der alte Kassettenrekorder DIE Sache überhaupt war, weil man garnicht wusste was es noch so gibt. Oder die ersten Schlagzeugspuren mit den Fingern ziemlich untight auf nem alten Roland Drumcomputer eingekloppt, bis es irgendwann auch kaputt war.

Und jetzt, grade mal 10 Jahre später, habe ich die Wahl zwischen sovielen Möglichkeiten...mehr als ich jemals ausprobieren könnte, und es werden stetig mehr. Anstelle von Freude ist da eher...naja..die "Qual der Wahl", die die Freude erdrückt...aber das ist auch selbstgewählt und hat ja auch ganz schöne Seiten...aber das ist so das Gefühl was Musikgeschichte in mir hervorruft.
 

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